BGH,
Beschl. v. 3.4.2002 - 1 StR 540/01
1 StR 540/01
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
vom
3. April 2002
in der Strafsache gegen
1.
2.
wegen Diebstahls u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofes hat am 3. April 2002
beschlossen:
Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Konstanz vom 5. Juli 2001 werden als unbegründet verworfen, da
die Nachprüfung des Urteils auf Grund der
Revisionsrechtfertigungen keinen Rechtsfehler zum Nachteil der
Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).
Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu
tragen.
Ergänzend bemerkt der Senat:
1. Die Revision des Angeklagten Shkelqim C. rügt ohne Erfolg
als Verletzung des § 261 StPO, die Strafkammer habe die im
Urteil verwerteten, von den Angeklagten in einem Personenkraftwagen
geführten und mit technischen Mitteln überwachten,
aufgezeichneten Gespräche nicht
prozeßordnungsgemäß in die Beweisaufnahme
eingeführt; dies sei lediglich im Wege des Vorhalts einer im
Ermittlungsverfahren gefertigten Niederschrift der ins Deutsche
übersetzten Gesprächsaufzeichnungen geschehen.
Das Protokoll der Hauptverhandlung ergibt, daß in der Sitzung
vom 4. Juli 2001 mehrere im einzelnen bezeichnete Aufzeichnungen
solcher Gespräche abgespielt, also in Augenschein genommen,
und von einem zu diesem Zwecke hinzugezogenen weiteren Dolmetscher ( Z.
) übersetzt wurden (Strafakte Bl. 2095 f.). Den
Urteilsgründen entnimmt der Senat, daß es den in der
Hauptverhandlung tätig gewesenen beiden Dolmetschern bei der
Inaugenscheinnahme "einiger Bänder", die lediglich die
Gespräche an einem bestimmten Tag, dem 21. September 2000,
betrafen, nur teilweise möglich war, die im
Ermittlungsverfahren von einer anderen Übersetzerin
gefertigten Niederschriften der aufgezeichneten Gespräche zu
bestätigen, weil sie einen Teil der Gespräche nicht
verstanden (UA S. 37). Aus dem Urteil ergibt sich aber weiter,
daß die Strafkammer auch den Kriminalbeamten R. als Zeugen
vernommen hat. Dieser hat - wie der Zusammenhang der
Urteilsgründe ebenfalls belegt - die im Urteil teilweise
wiedergegebenen Gesprächspassagen berichtet, die die im
Ermittlungsverfahren tätig gewesene Übersetzerin
niedergeschrieben hatte.
Damit hat die Strafkammer die im Urteil wörtlich zitierten
Gesprächsteile (UA S. 35/36) ordnungsgemäß
in die Beweisaufnahme eingeführt. Die teilweise von den
Dolmetschern in der Hauptverhandlung nicht verstandenen Passagen hatte
der Zeuge R. - wenn auch als Zeuge vom Hörensagen - bekundet.
Das war unter dem Gesichtspunkt der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme
(§ 250 StPO), aber auch unter dem der
ordnungsgemäßen Beweiserhebung als solcher
(§ 261 StPO) rechtsfehlerfrei. Es handelte sich nicht um den
Beweis eines Vorganges, dessen wahrheitsgemäße
Wiedergabe nur durch eine Person möglich ist, welche ihn
selbst wahrgenommen hat; nur in solchen Fällen ist dem Gericht
die Ersetzung dieses Beweismittels verwehrt (vgl. BGHSt 27, 135, 137).
Auch der von der Revision bemühte Grundsatz, daß der
Urkundsbeweis nicht durch eine auf Grund umfangreicher Vorhalte zum
genauen Wortlaut von langen, schwierigen Texten gewonnene Zeugenaussage
ersetzt werden darf (vgl. dazu BGH NStZ 2000, 427, 429 m.w.Nachw.;
Kleinknecht/Meyer-Goßner StPO 50. Aufl. § 249 Rdn.
28 m.w.Nachw.), greift hier nicht. Bei der gegebenen
Verfahrensgestaltung ist nicht etwa durch Vorhalt der Erinnerung eines
Zeugen zum umfangreichen Wortlaut einer Urkunde aufgeholfen worden, den
der Zeuge selbst so nicht mehr in allen Einzelheiten erinnern konnte
und dessen Erklärungsgehalt er möglicherweise nicht
richtig erfassen konnte (vgl. BGH aaO). Vielmehr hat die Strafkammer
einen Polizeibeamten als Zeugen vernommen, der mit der Sache und
ersichtlich auch der Niederschrift der Gesprächsaufzeichnungen
durch eine Übersetzerin dienstlich befaßt war, diese
als Aktenteile naheliegender Weise zur Verfügung hatte und
darüber in der Beweisaufnahme berichtet hat. Dieser Bericht
des Zeugen war - ergänzend - Beweisgrundlage, mag er teilweise
auch durch nicht protokollierungspflichtige Vorhalte
mitbeeinflußt gewesen sein. Hier war also nicht eine Urkunde
selbst originäres Beweismittel, sondern die Aufzeichnung der
überwachten Gespräche. Diese konnte - wie teilweise
geschehen - durch Augenscheinseinnahme (Abspielen), durch Urkundsbeweis
hinsichtlich der gefertigten Niederschriften, aber auch - mittelbar und
daher von grundsätzlich schwächerem Beweiswert -
durch Bericht eines mit der Auswertung befaßten
Polizeibeamten eingeführt werden, und zwar auch dann, wenn sie
zuvor von einem Dolmetscher in die deutsche Sprache übertragen
worden war (vgl. BGHSt 27, 135, 137).
Danach kann allein noch eine Verletzung der Aufklärungspflicht
in Betracht kommen (§ 244 Abs. 2 StPO), die die Revision
ebenfalls beanstandet. Die Strafkammer war gehalten, sich gewissenhaft
Aufklärung zur sorgfältigen Übertragung der
Gesprächsaufzeichnungen zu verschaffen (vgl. BGHSt 27, 135,
138/139). Das ist hier ausweislich der Urteilsgründe noch
genügend geschehen. Die Kammer hat sich über die als
zuverlässig geltende Übersetzerin, welche die
Niederschriften in dem Ermittlungsverfahren gefertigt hatte, und
über deren bisherige Tätigkeit für Polizei
und Justiz in Freiburg von dem Zeugen R. berichten lassen und
überdies einige der Gesprächsaufzeichnungen in der
Hauptverhandlung durch Augenschein unter Zuziehung anderer Dolmetscher
auch unmittelbar in die Beweisaufnahme eingeführt. Selbst wenn
die in der Hauptverhandlung tätig gewesenen Dolmetscher Teile
dieser Aufzeichnungen nicht verstanden haben, so hat die Strafkammer
doch durch die von diesen Dolmetschern übersetzten
Gespräche eine eigenständige Möglichkeit zum
Abgleich mit den zuvor niedergeschriebenen Übersetzungen
gewonnen; sie konnte sich insoweit ein Bild von der Richtigkeit der
vorliegenden Übersetzung machen. Darüber hinaus hat
die Kammer - gestützt auf die Aussage des Zeugen R. -
hervorgehoben, die Übersetzerin, die die Niederschriften
gefertigt habe, stamme wie die Angeklagten aus Tirana. Sie sei, auch
auf Grund der Auswertung von 300 Stunden
Gesprächsaufzeichnungen, mit Sprache und Dialekt der
Angeklagten vertraut. Bei den in der Hauptverhandlung eingesetzten
Dolmetschern, die aus dem Kosovo und aus Kroatien stammten, verhalte
sich das anders (UA S. 37). Zudem habe sich die
Verläßlichkeit der im Ermittlungsverfahren
gefertigten Übersetzungen auch durch die Ergebnisse der
Durchsuchung der Wohnungen der Angeklagten bestätigt. Diese
hatten in den überwachten Gesprächen Hinweise auf
ihre Geldverstecke gegeben, in denen das von ihnen erbeutete Geld
später tatsächlich sichergestellt werden konnte.
Bei dieser Sach- und Verfahrenslage und im Blick auf die von der
Strafkammer angestellten Erwägungen mußte sich diese
nicht gezwungen sehen, auch noch die im Ermittlungsverfahren
tätig gewesene Übersetzerin zu vernehmen, wie die
Revision meint. Dem entspricht, daß auch sonst kein
Verfahrensbeteiligter Anlaß gesehen hat, einen dahingehenden
Beweisantrag zu stellen.
2. Bei der Anordnung des Verfalls hat das Landgericht § 73
Abs. 1 Satz 2 StGB beachtet, der hinsichtlich des erweiterten Verfalls
nach § 73d StGB nicht gilt (vgl. BGH NJW 2001, 2239). Der
erweiterte Verfall (§ 73d StGB) ist hier zulässig.
Das ergibt sich aus der Verweisung in dem von den Angeklagten zugleich
verwirklichten Straftatbestand der Verschleierung
unrechtmäßig erlangter Vermögenswerte
(§ 261 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a, Abs. 7 Satz 4 StGB), auch wenn
die Angeklagten wegen dieses begangenen Delikts nicht bestraft werden
dürfen (§ 261 Abs. 9 Satz 2 StGB).
Bundesrichter Nack ist wegen Urlaubs gehindert zu unterschreiben.
Schäfer Schäfer Boetticher Schluckebier
Hebenstreit |