BGH,
Beschl. v. 3.5.2001 - 4 StR 59/01
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
4 StR 59/01
vom
3. Mai 2001
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen schweren Bandendiebstahls u.a.
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Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des
Generalbundesanwalts
und der Beschwerdeführer am 3. Mai 2001
gemäß §§ 349
Abs. 2 und 4, 357 StPO beschlossen:
I. Auf die Revisionen der Angeklagten P. und
Pr. wird das Urteil des Landgerichts Essen vom
30. Juni 2000, soweit es sie und den Mitangeklagten
B. betrifft, in den Schuldsprüchen dahin geändert,
berichtigt und zur Klarstellung neu gefaßt, daß
schuldig
sind
1. der Angeklagte P. des schweren Bandendiebstahls
in zwei Fällen, des versuchten schweren
Bandendiebstahls, des Wohnungseinbruchsdiebstahls
in vier Fällen, des Diebstahls in fünf
Fällen,
des versuchten Diebstahls, der Körperverletzung,
der Brandstiftung und des Vortäuschens einer
Straftat,
2. der Angeklagte Pr. des schweren Bandendiebstahls
in zwei Fällen, des versuchten schweren
Bandendiebstahls, des Diebstahls und der unerlaubten
Ausübung der tatsächlichen Gewalt über
eine halbautomatische Selbstladekurzwaffe,
3. der Angeklagte B. des Diebstahls in drei Fällen,
des versuchten Diebstahls, der Begünstigung
und der Brandstiftung.
II. Die weiter gehenden Revisionen werden verworfen.
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III. Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels
zu tragen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten P. nach der verkündeten
Urteilsformel
"des schweren Bandendiebstahls in 3 Fällen, wobei es in einem
Fall
beim Versuch blieb, des Wohnungseinbruchsdiebstahls in 8
Fällen, wobei es in
einem Fall beim Versuch blieb, des Diebstahls in einem besonders
schweren
Fall, des Diebstahls, der Körperverletzung, der Brandstiftung
und des Vortäuschens
einer Straftat" und den Angeklagten Pr. "des schweren Bandendiebstahls
in 3 Fällen, wobei es in einem Fall beim Versuch blieb, des
Wohnungseinbruchsdiebstahls
und der verbotenen Gewaltausübung über eine
halbautomatische
Selbstladewaffe mit einer Länge von nicht mehr als 60 cm"
schuldig
gesprochen. Es hat den Angeklagten P. zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von
sechs Jahren und den Angeklagten Pr. zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von
vier Jahren verurteilt. Ferner hat es gegen sie Maßregeln
nach §§ 69, 69 a
StGB angeordnet.
Mit ihren Revisionen rügen die Angeklagten die Verletzung
materiellen
Rechts; mit einer nicht ausgeführten und daher
unzulässigen (§ 344 Abs. 2
Satz 2 StPO) Rüge beanstandet der Angeklagte Pr. zudem das
Verfahren.
Die Rechtsmittel haben mit der Sachrüge zu den
Schuldsprüchen teilweise Erfolg;
im übrigen sind sie unbegründet im Sinne des
§ 349 Abs. 2 StPO.
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I.
Soweit der Angeklagte P. in dem hinzuverbundenen Verfahren
71 Js 231/00 wegen Wohnungseinbruchsdiebstahls (Einbruch in die Wohnung
am M. 27 in M. am 4. November 1998, UA 37) verurteilt worden ist,
besteht, wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 28.
Februar
2001 zutreffend ausgeführt hat, kein Verfahrenshindernis. Das
Landgericht
hatte nämlich auch insoweit die Eröffnung des
Hauptververfahrens beschlossen:
Die Staatsanwaltschaft erhob in dem Verfahren 71 Js 231/00 Anklage
zum Landgericht mit dem Antrag, das Hauptverfahren zu eröffnen
und das
Verfahren mit dem bereits eröffneten, dort anhängigen
Verfahren zu verbinden.
Ausweislich der Sitzungsniederschrift erklärten sich der
Angeklagte P. und
sein Verteidiger im Hauptverhandlungstermin vom 15. Juni 2000 mit der
Einbeziehung
der Anklage einverstanden. Im Anschluß daran wurde der
Beschluß
des Landgerichts verkündet, daß die beiden Verfahren
zur gemeinsamen Verhandlung
und Entscheidung verbunden werden.
Zwar entspricht dieser Beschluß nicht dem Wortlaut des
§ 207 Abs. 1
StPO; zur Eröffnung des Hauptverfahrens genügt aber
die schlüssige und eindeutige
Willenserklärung des Gerichts, die Anklage nach
Prüfung und Bejahung
der Eröffnungsvoraussetzungen zur Hauptverhandlung zuzulassen,
wobei
eine mündlich verkündete und protokollierte
Entscheidung einer schriftlichen
gleichsteht (vgl. BGH NStZ 2000, 442 m.w.N.). Mit der
Erörterung der
Frage der "Einbeziehung" der Anklageschrift vom 23. Mai 2000 in das
bereits
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anhängige Verfahren in der Hauptverhandlung und dem im
Anschluß daran
verkündeten Verbindungsbeschluß hat das Landgericht
inzidenter die Eröffnungsvoraussetzungen
des § 203 StPO bejaht und eindeutig auch den Willen
zum Ausdruck gebracht, die Anklage zur Hauptverhandlung zuzulassen.
II.
1. Die Sachrügen der Beschwerdeführer führen
zur Änderung der sie
betreffenden Schuldsprüche in folgenden, in den
Urteilsgründen entsprechend
der Numerierung in der Anklageschrift vom 20. März 2000
bezeichneten Fällen:
a) In den Fällen 1 und 3 der Anklage haben sich der Angeklagte
P.
und der Mitangeklagte B. jeweils nicht des Wohnungseinbruchsdiebstahls
(§ 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB n.F.), sondern des Diebstahls (in
einem besonders
schweren Fall) schuldig gemacht. Zwar ist der Angeklagte P. nach den
Feststellungen im Fall 1 der Anklage am 25. Januar 1998 zur
Ausführung der
beiden Diebstahlstaten in eine Wohnung eingestiegen und im Fall 3 der
Anklage
in eine Wohnung eingebrochen. Der Qualifikationstatbestand des
§ 244
Abs. 1 Nr. 3 StGB n.F. ist aber erst nach Begehung dieser Taten durch
das am
1. April 1998 in Kraft getretene 6. Gesetz zur Reform des Strafrechts
vom
26. Januar 1998 (BGBl I S. 164) in das StGB eingefügt worden.
Demgemäß
finden als das gegenüber dieser Vorschrift mildere Gesetz die
§§ 242, 243
Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StGB a.F. Anwendung.
b) Auch die Annahme eines von dem Angeklagten P. und dem Mitangeklagten
B. mittäterschaftlich versuchten Wohnungseinbruchsdiebstahls
im Fall 12 der Anklage hält rechtlicher Nachprüfung
nicht stand. Nach
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den Feststellungen versuchten die Angeklagten am 11. oder 12. Mai 1998,
zur
Ausführung des geplanten Diebstahls in ein
Antiquitätengeschäft einzubrechen.
Wohnungen im Sinne des § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB sind jedoch nur
abgeschlossene
und überdachte Räume, die Menschen zumindest
vorübergehend
als Unterkunft dienen, nicht bloße Arbeits-,
Geschäfts- oder Ladenräume,
wie die eines Antiquitätengeschäfts (vgl.
Tröndle/Fischer StGB 50. Aufl. § 244
Rdn. 24). Die Angeklagten haben sich daher insoweit lediglich des
versuchten
Diebstahls schuldig gemacht, allerdings in einem besonders schweren
Fall, da
sie zur Ausführung der geplanten Tat mit einem Bolzenschneider
die Türscharniere
zum Hintereingang des Antiquitätengeschäftes
durchtrennt und damit zur
Verwirklichung des Regelbeispiels des § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr.
1 StGB unmittelbar
angesetzt haben (vgl. BGHSt 33, 370; Tröndle/Fischer aaO
§ 243 Rdn.
28 m. w. N.).
c) Im Fall 17 der Anklage liegen entgegen der Auffassung des
Landgerichts
die Voraussetzungen des § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB ebenfalls
nicht vor.
Die Angeklagten P. und Pr. sind zwar in der Nacht zum 27. Februar
1999 durch ein gewaltsam geöffnetes Fenster zur
Ausführung des Diebstahls
in das Hotel eingedrungen, jedoch lediglich in einen "Gastraum" des
Hotels.
Gasträume eines Hotels sind aber im Gegensatz zu von
Gästen gemieteten
Zimmern keine Wohnräume im Sinne von § 244 Abs. 1 Nr.
3 StGB (vgl. Tröndle/
Fischer aaO § 244 Rdn. 24), so daß insoweit nur eine
Strafbarkeit nach §§
242, 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StGB gegeben ist.
2. Den aus den vorgenannten Gründen gebotenen
Schuldspruchänderungen
steht § 265 Abs. 1 StPO nicht entgegen. Es ist
auszuschließen, daß
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sich die insoweit geständigen Beschwerdeführer gegen
die geänderten
Schuldvorwürfe anders als geschehen hätten
verteidigen können.
3. Soweit es den Angeklagten P. betrifft, steht der Änderung
der
Schuldsprüche in den Fällen 1, 3, 12 und 17 der
Anklage auch nicht entgegen,
daß die Urteilsformel des schriftlichen Urteils insoweit -
wie auch hinsichtlich
der Fälle 6, 14, 23 der Anklage vom 20. März 2000 und
des in dem hinzuverbundenen
Verfahren 71 Js 231/00 angeklagten Falles - aufgrund eines
Fassungsversehens
abweichend von der verkündeten Urteilsformel keinen Ausspruch
über die insoweit erfolgte Verurteilung enthält.
Maßgebend ist die ausweislich
der Sitzungsniederschrift verkündete Urteilsformel (vgl.
Kleinknecht/
Meyer-Goßner StPO 44. Aufl. § 268 Rdn. 18 m. N.),
aus der sich ergibt,
daß der Angeklagte in den vorgenannten Fällen
“des Wohnungseinbruchsdiebstahls
in 8 Fällen, wobei es in einem Fall beim Versuch blieb,"
schuldig
gesprochen wurde. Die Urteilsformel des angefochtenen Urteils ist daher
insoweit,
allerdings unter Berücksichtigung der in den Fällen
1, 3, 12 und gebotenen
Schuldspruchänderungen, zu berichtigen.
4. Zur Klarstellung faßt der Senat die Schuldsprüche
insgesamt neu.
Soweit das Landgericht den Angeklagten P. im Fall 5 der Anklage des
“Diebstahls im besonders schweren Fall” schuldig
gesprochen hat, war die gesetzliche
Überschrift des § 243 StGB nicht in die Urteilsformel
aufzunehmen,
da diese Vorschrift keine selbständige Qualifikation, sondern
lediglich eine
Strafzumessungsregel enthält (vgl.
Kleinknecht/Meyer-Goßner aaO § 260
Rdn. 25 m.w.N.).
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III.
Trotz der Änderung der Schuldsprüche zu Gunsten der
Beschwerdeführer
können die in diesen Fällen verhängten
Einzelstrafen und damit auch die
Aussprüche über die Gesamtstrafen bestehen bleiben.
Unter den hier gegebenen
Umständen kann der Senat sicher ausschließen,
daß die Strafkammer bei
zutreffender rechtlicher Bewertung dieser Taten niedrigere Strafen
verhängt
hätte, zumal sie sich ersichtlich nicht an der unteren
Strafrahmengrenze orientiert
hat.
IV.
Die auf die Revision des Angeklagten P. gebotenen
Schuldspruchänderungen
in den Fällen 1, 3 und 12 der Anklage sind
gemäß § 357
StPO auf den Mitangeklagten B. zu erstrecken, dessen Revision als
unzulässig
verworfen wurde (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner aaO §
357 Rdn. 7);
auch bei ihm hat aus den oben genannten Gründen die
Schuldspruchänderung
keine Auswirkungen auf den Strafausspruch (vgl.
Kleinknecht/Meyer-Goßner
aaO Rdn. 16). Auch hinsichtlich des Angeklagten B. faßt der
Senat den
Schuldspruch insgesamt neu, da das Landgericht die als Diebstahl im
besonders
schweren Fall gemäß §§ 242, 243
Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StGB gewertete Tat
(Fall 5 der Anklage) in der Urteilsformel rechtsfehlerhaft als
"schweren Diebstahl"
bezeichnet hat.
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V.
Die Gründe des angefochtenen Urteils geben Anlaß zu
dem Hinweis,
daß es sich empfiehlt, die Einzelfälle mit einer
Ordnungszahl zu versehen. Dabei
sollte in aller Regel die Numerierung der Sachdarstellung auch bei der
rechtlichen Würdigung und den Ausführungen zur
Strafzumessung beibehalten
werden (vgl. BGH, Beschlüsse vom 20. April 1999 - 4 StR
102/99, vom 18. Januar
2000 - 4 StR 561/99 und vom 28. November 2000 - 5 StR 453/00;
Kroschel/Meyer-Goßner, Die Urteile in Strafsachen 26. Aufl.
S. 74 ff.). Es erschwert
nicht nur die Lesbarkeit, sondern begründet auch die Gefahr
von Fehlern,
wenn das Urteil lediglich auf Fallnummern der Anklage Bezug nimmt.
VI.
Der nur geringfügige Erfolg der Revisionen gibt keinen
Anlaß, die Angeklagten
- auch nur teilweise - von den durch ihre Rechtsmittel entstandenen
Kosten und Auslagen freizustellen.
Meyer-Goßner Maatz Athing
Solin-Stojanovic Ernemann |