BGH,
Beschl. v. 30.7.2003 - 5 StR 221/03
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
Nachschlagewerk: ja
BGHSt : ja
Veröffentlichung : ja
StGB § 266a Abs. 1;
GmbHG § 64
Unterläßt der Verantwortliche während des
Laufs der Insolvenzantragsfrist
nach § 64 Abs. 1 GmbHG die Abführung von
Arbeitnehmerbeiträgen
an die Sozialversicherung, macht er sich nicht nach § 266a
Abs.1 StGB strafbar.
Die Strafvorschrift des § 266a Abs. 1 StGB verlangt auch dann
die vorrangige Abführung von Arbeitnehmerbeiträgen,
wenn
die Zahlung möglicherweise im Insolvenzverfahren
später angefochten
werden kann (im Anschluß an BGHSt 47, 318).
BGH, Beschluß vom 30. Juli 2003 - 5 StR 221/03
LG Potsdam -
5 StR 221/03
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
vom 30. Juli 2003
in der Strafsache
gegen
wegen vorsätzlicher Konkursverschleppung u.a.
- 2 -
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 30. Juli 2003
beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten P wird das Urteil
des Landgerichts Potsdam vom 14. Januar 2003, soweit
es ihn betrifft, gemäß § 349 Abs. 4 StPO
a) aufgehoben bezüglich der Fälle 3, 4, 6, 7, 9, 10,
12
und 13 der Urteilsgründe; hinsichtlich dieser Fälle
wird der Angeklagte freigesprochen; insoweit trägt
die Staatskasse die Kosten des Verfahrens und die
notwendigen Auslagen des Angeklagten;
b) im übrigen dahin abgeändert, daß der
Angeklagte
P wegen vorsätzlicher Konkursverschleppung
und Vorenthaltens von Arbeitnehmerbeiträgen in
vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben
Monaten verurteilt wird, deren Vollstreckung
zur Bewährung ausgesetzt ist.
2. Die weitergehende Revision des Angeklagten P
wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
Der Angeklagte trägt die verbleibenden Kosten
des Revisionsverfahrens.
G r ü n d e
Das Landgericht hat den allein revidierenden Angeklagten P wegen
vorsätzlicher Konkursverschleppung und Vorenthaltens von
Arbeitnehmerbeiträgen
in zwölf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von
neun Mona-
3 -
ten verurteilt und die Vollstreckung der Freiheitsstrafe zur
Bewährung ausgesetzt.
Dagegen wendet sich der Angeklagte mit der Sachrüge. Die
Revision
hat in dem aus dem Beschlußtenor ersichtlichen Umfang Erfolg;
im übrigen
ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
I.
Nach den Feststellungen des Landgerichts war der Angeklagte
- ebenso wie der Mitangeklagte O - Gesellschafter und
Mitgeschäftsführer
der O & P G , die im Jahre 1993 gegründet wurde
und deren Geschäftsgegenstand die Durchführung von
Zimmerer- und
Bautischlerarbeiten war. Im Zuge der allgemeinen Wirtschaftskrise im
Baugewerbe
geriet das Unternehmen im Jahr 1997 in wirtschaftliche Schwierigkeiten;
es war spätestens mit Ablauf des 30. September 1997
zahlungsunfähig
und erheblich überschuldet. Obwohl der Angeklagte die
Zahlungsunfähigkeit
erkannte, stellten er und der Mitangeklagte O keinen Insolvenzantrag.
Sie veräußerten im Notartermin vom 5. Dezember 1997
ihre Geschäftsanteile
an die Om G , die von einem sogenannten
„Firmenbeerdiger“
beherrscht wurde. Dessen Funktion bestand im wesentlichen
darin, durch Sitz- und Firmenänderungen die Gläubiger
der Gesellschaft faktisch
abzuschütteln und sie zur Aufgabe der Verfolgung ihrer
Ansprüche zu
veranlassen. Im Notartermin wurden der Angeklagte und der Mitangeklagte
O als Geschäftsführer abberufen und durch den
Mitangeklagten
S ersetzt.
Der Angeklagte unterließ es ebenso wie der Mitangeklagte O
, die Arbeitnehmerbeiträge an die
Sozialversicherungsträger abzuführen.
Dies betraf gegenüber jeweils unterschiedlichen gesetzlichen
Krankenkassen
die Beiträge für Oktober 1997 (Fälle 2, 5, 8
und 11 der Urteilsgründe), für
November 1997 (Fälle 3, 6, 9 und 12) und für Dezember
1997 (Fälle 4, 7, 10
und 13). Die O & P G hat dadurch
Beitragsrückstände in Höhe
von etwa 23.000 DM auflaufen lassen. Nach den Feststellungen des Landge-
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richts verfügte sie jedenfalls bis 17. Dezember 1997 auf ihrem
Geschäftskonto
über einen Betrag in Höhe von 18.000 DM, bevor der
Mitangeklagte
O diese Summe auf das Konto eines anderen, von ihm beherrschten
Unternehmens überwies.
II.
Die Revision des Angeklagten führt zu einem Teilfreispruch
hinsichtlich
des Vorwurfs der Nichtabführung von
Arbeitnehmerbeiträgen an die Sozialversicherung
für die Monate November und Dezember 1997 und folglich
zu einer Herabsetzung der Gesamtstrafe.
1. Ohne Rechtsfehler hat das Landgericht den Angeklagten wegen
vierer tatmehrheitlich begangener Vergehen des Vorenthaltens von
Sozialversicherungsbeiträgen
nach § 266a Abs. 1 StGB verurteilt, soweit er die
Arbeitnehmerbeiträge für Oktober 1997 nicht an die
jeweiligen Sozialversicherungsträger
abgeführt hat.
a) Einer Strafbarkeit nach § 266a Abs. 1 StGB steht nicht
entgegen,
daß nach den Feststellungen des Landgerichts die O &
P G
bereits seit 30. September 1997 zahlungsunfähig war.
aa) Allerdings bedeutet der Eintritt der Zahlungsunfähigkeit,
den der
Angeklagte nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen des Landgerichts
erkannt
hat, daß der Geschäftsführer nach
§ 64 Abs. 1 GmbHG unverzüglich,
spätestens aber nach drei Wochen, die Eröffnung des
Insolvenzverfahrens
hätte beantragen müssen. Diese Drei-Wochen-Frist des
§ 64 Abs. 1 GmbHG
ist eine Höchstfrist, die mit der Kenntnis des Organs beginnt
(BGHZ 75, 96,
110 f.). Sie dient dazu, den Organen der Gesellschaft noch die
Möglichkeit
zu geben, Sanierungsversuche durchzuführen (vgl.
Schmidt-Leithoff in Rowedder/
Schmidt-Leithoff, GmbHG 4. Aufl. § 64 Rdn. 12 ff.;
Schulze-Osterloh
in Baumbach/Hueck, GmbHG 17. Aufl. § 64 Rdn. 44). Deshalb ist
der Insol-
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venzantrag dann früher zu stellen, wenn sich bereits vor
Ablauf der Drei-
Wochen-Frist ersehen läßt, daß mit einer
fristgerechten Sanierung nicht
ernstlich zu rechnen ist.
bb) Während des Laufs der Drei-Wochen-Frist des
§ 64 Abs. 1 GmbHG ist - wie sich aus dem besonderen Zweck der
Schutzvorschrift
des § 64 Abs. 2 GmbHG ergibt - die verteilungsfähige
Vermögensmasse
einer insolvenzreifen GmbH im Interesse der Gesamtheit der
Gläubiger zu erhalten und eine zu ihrem Nachteil gehende
bevorzugte Befriedigung
einzelner Gläubiger zu verhindern (BGHZ 143, 184, 188 f.; 146,
264, 274 f.). Dementsprechend hat der Gesetzgeber, um den Schutz der
Massesicherung zu verstärken, in § 64 Abs. 2 Satz 1
GmbHG eine persönliche
Haftung der Geschäftsführer für den Fall
angeordnet, daß nach Eintritt
der Insolvenzreife Zahlungen der Gesellschaft geleistet werden.
Die Ersatzpflicht des Geschäftsführers hat
Auswirkungen auf die Auslegung
des § 266a Abs. 1 StGB. Der Gedanke der Sicherung der Masse ist
im Rahmen der den Geschäftsführern
eingeräumten zeitlichen Zwischenphase
für Sanierungsbemühungen im Hinblick auf
Sozialversicherungsbeiträge
zu beachten. Da die Sozialversicherungsbeiträge im hier in
Betracht kommenden
Gesamtvollstreckungsverfahren (vgl. § 13 Abs. 1 Nr. 3b GesO)
nicht
denselben absoluten Vorrang - wie außerhalb des
Gesamtvollstreckungsverfahrens
durch § 266a Abs. 1 StGB - genießen, würde
eine Zahlung der
Arbeitnehmerbeiträge letztlich die Masse schmälern.
Dieses Ergebnis wäre
mit dem Schutzzweck des § 64 Abs. 2 GmbHG nicht vereinbar, der
die Massesicherung
und -erhaltung gewährleisten soll (vgl. Goette DStR 2003, 604
m.w.N.). Dazu stünde aber die strafbewehrte Pflicht zur
Zahlung von Arbeitnehmerbeiträgen
in Widerspruch. Dieser ist nach dem auch hier geltenden
Grundsatz der Einheitlichkeit der Rechtsordnung dadurch
aufzulösen, daß
die Regelung des § 64 Abs. 2 Satz 1 GmbHG während des
Laufs der Drei-
Wochen-Frist die Nichtabführung der
Arbeitnehmerbeiträge rechtfertigt.
- 6 -
Zwar ist die Bestimmung des § 64 Abs. 2 Satz 1 GmbHG als
Ersatzanspruch
gegen den Geschäftsführer ausgestaltet. Jedoch setzt
dies voraus
- um im Wege einer zivilrechtlichen Sanktion zu einem entsprechenden
Ersatzanspruch
zu kommen -, daß es einen Normbefehl gibt, dessen Verletzung
in Form eines Ausgleichsanspruches kompensiert wird. Auch wenn der
Grundsatz der Massesicherung und -erhaltung nur in der negativen Form,
als
Anspruchsgrundlage für den Verletzungsfall formuliert ist,
steht dies deshalb
der Annahme einer Rechtfertigung auch in strafrechtlicher Hinsicht
nicht entgegen.
Da der Geschäftsführer sich nach § 266a Abs.
1 StGB im Falle einer
Nichtzahlung deshalb weder strafbar macht noch zivilrechtlich
für die Nichtabführung
der Beiträge in Anspruch genommen werden kann - es entstehen
keine Ansprüche aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m.
§ 266a Abs. 1 StGB -, befindet
er sich in keiner Pflichtenkollision, wenn er die
Sozialversicherungsbeiträge
nicht abführt. Dementsprechend kann der
Geschäftsführer, wenn er
dennoch zahlt, sich nicht ohne weiteres darauf berufen, mit der
Sorgfalt eines
ordentlichen Kaufmanns im Sinne des § 64 Abs. 2 Satz 2 GmbHG
gehandelt
zu haben (BGHZ 146, 264, 275).
cc) Läßt der Geschäftsführer die
Frist für die Stellung des Konkursantrages
verstreichen, fällt diese sich aus § 64 Abs. 2 GmbHG
ergebende
Rechtfertigung weg. Dies gilt namentlich dann, wenn die Insolvenzreife
des
Unternehmens fortbesteht. Die aus § 64 Abs. 2 GmbHG
hergeleitete Rechtfertigung
knüpft nämlich nicht an der Insolvenzreife des
Unternehmens an
sich an, sondern sie privilegiert lediglich die noch aussichtsreichen
Sanierungsversuche
nach Eintritt der Krise, und zwar beschränkt auf einen Zeitraum
von höchstens drei Wochen. Daraus folgt, daß die
Nichtbeachtung der
strafbewehrten Pflicht zur Abführung der
Arbeitnehmerbeiträge nach Ablauf
der Frist nicht mehr gerechtfertigt ist. Soweit noch
verfügbare Mittel des Unternehmens
zur Verfügung stehen, sind diese dann in erster Linie
für die Begleichung
der Arbeitnehmerbeiträge im Sinne des § 266a Abs. 1
StGB einzusetzen.
Der Senat hält an seiner Rechtsprechung fest, daß
sich aus der
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Strafbewehrung der Nichtabführung von
Arbeitnehmerbeiträgen nach
§ 266a Abs. 1 StGB deren Vorrang ergibt (BGHSt 47, 318, 321).
(1) Soweit in der Literatur (Radtke NStZ 2003, 154, 156; Tag JR 2002,
521, 522) diese Vorrangrechtsprechung kritisiert wird,
vermögen die vorgebrachten
Einwände nicht zu überzeugen. Weshalb ein
Vorrangverhältnis nur
durch außerstrafrechtliche Normen (insbesondere des
Zivilrechts oder des
öffentlichen Rechts) begründet werden kann (so aber
Radtke aaO), ist nicht
nachvollziehbar. Vielmehr gebietet gerade die strafrechtliche
Beurteilung eine
Prüfung, ob trotz tatbestandlicher Verwirklichung eines
Strafgesetzes (hier
§ 266a Abs. 1 StGB) die Strafbarkeit entfallen kann. In
Betracht käme - von
schuldbeseitigenden Gesichtspunkten abgesehen - nur der
Rechtfertigungsgrund
einer Pflichtenkollision. Hierfür wäre aber
erforderlich, daß die Pflichten
gleichgewichtig sind (vgl. Lenckner in
Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl.
Vorbem. §§ 32 ff. Rdn. 71 ff. m.w.N.). Daran fehlt es
indes, wenn die Nichterfüllung
der alternativen Verbindlichkeiten nicht strafbewehrt ist.
Entgegen der Auffassung von Tag (aaO) stützt weiterhin die
Regelung
des § 266a Abs. 6 (früher Abs. 5) StGB dieses
Ergebnis. Ersichtlich regelt
nämlich Satz 1 Nr. 2 dieses Absatzes nicht den
(tatbestandsausschließenden
- vgl. BGHSt 47, 318, 320) Fall, daß überhaupt keine
finanziellen Mittel mehr
vorhanden sind, sondern den Sachverhalt, daß diese in
für den Fortbestand
des Betriebes notwendige Zahlungen geflossen sind (vgl. Lenckner/Perron
in
Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl. § 266a Rdn.
23). Da der Gesetzgeber für
diese Fallkonstellation nur einen fakultativen Strafbefreiungsgrund
normiert
hat, erlaubt dies wiederum den Schluß, daß er in
der Begleichung anderer
Verbindlichkeiten weder einen Tatbestandsausschluß noch eine
Rechtfertigung
gesehen hat, mithin diese Verbindlichkeiten ungeachtet ihrer
wirtschaftlichen
Bedeutung für den Betrieb als rangniedriger eingestuft hat.
Aus der
Beschränkung der Strafbewehrung allein auf die
Arbeitnehmerbeiträge läßt
sich ebenfalls kein Argument gegen die Vorrangrechtsprechung des Senats
herleiten.
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(2) Es besteht auch kein Wertungswiderspruch zur Rechtsprechung
des IX. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs (BGHZ 149, 100 ff.; ZIP 2003,
1666 ff.). Das entspricht im übrigen auch der eigenen
Auffassung dieses Senats
(kritisch hierzu OLG Dresden ZIP 2003, 360, 364). Der IX. Zivilsenat
weist selbst darauf hin, daß die Vorrangrechtsprechung des 5.
Strafsenats
den Zeitraum betreffe, der dem Insolvenzverfahren vorgelagert sei;
für das
Insolvenzverfahren komme der Regelung des § 266a Abs. 1 StGB
aber nicht
die Bedeutung zu, daß der Sozialversicherungsträger
die Arbeitnehmerbeiträge
bevorzugt behalten dürfe (BGH ZIP 2003, 1666, 1668).
Dieser Auffassung tritt der Senat bei. Zum Vorfeld des
Insolvenzverfahrens
hat der Gesetzgeber für die Erfüllung der Pflicht zur
Abführung der
Arbeitnehmerbeiträge den besonderen strafrechtlichen Schutz
nach
§ 266a Abs. 1 StGB vorgesehen, wobei der Arbeitgeber einer
Strafbarkeit
nur unter den engen Voraussetzungen des § 266a Abs. 6 StGB
entgehen
kann. Mit dieser Vorschrift will der Gesetzgeber die Zahlung
sicherstellen,
weil erfahrungsgemäß in der sich abzeichnenden oder
eingetretenen Krisensituation
anderenfalls gerade die Ansprüche der Sozialkassen
häufig nicht
bedient würden. Der Arbeitgeber hat gerade an derartigen
Zahlungen regelmäßig
kein Eigeninteresse. Dies würde zu einem ganz erheblichen
Ausfall
bei den Sozialkassen führen. Anders ist dagegen die Situation
im Insolvenzverfahren,
das innerhalb eines förmlichen Rahmens abzuwickeln und das auf
eine gemeinschaftliche Befriedigung aller Gläubiger unter
Wahrung des
Gleichheitsgrundsatzes gerichtet ist (vgl.
Flöther/Bräuer DZWIR 2003, 353,
355 m.w.N.). Der Gleichbehandlungsgrundsatz gilt - von den inzwischen
auslaufenden Vorschriften des § 59 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 2 und
§ 61 Abs. 1 KO sowie § 13 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 2 und
§ 17 Abs. 3 GesO
abgesehen - gleichermaßen für private wie
hoheitliche Gläubiger
(BGH ZIP 2003, 1666, 1668).
Abgesehen davon, daß der Insolvenzverwalter nur unter
bestimmten
Voraussetzungen anfechten kann (vgl. § 129 Abs. 1 InsO),
besteht im Insol-
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venzverfahren eine hinreichende Gewähr dafür,
daß die vorhandene Masse
unter Wahrung des Gleichbehandlungsgrundsatzes verteilt wird. Die
Verteilung
der Masse bestimmt sich dementsprechend abschließend nach den
Regelungen
der Insolvenzordnung (bzw. für den hier vorliegenden Altfall
nach
der Gesamtvollstreckungsordnung). Da aber die Interessenlage bei
Zahlungen
im Vorfeld einer Krise oder auch in der Krise eine andere ist,
abhängig
davon, ob es überhaupt zur Durchführung eines
Insolvenzverfahrens kommt,
ist auch eine unterschiedliche gesetzliche Regelung für beide
Sachverhaltskonstellationen
kein Wertungswiderspruch. Diese unterschiedliche Interessenlage
stellt im übrigen auch den Grund dafür dar,
daß eine vorrangige
Zahlungspflicht außerhalb der Insolvenz nicht notwendig zu
einem Behaltendürfen
der Leistungen im Insolvenzverfahren führt.
In dem hier zu entscheidenden Fall wurde nach den Urteilsfeststellungen
weder ein Insolvenzverfahren durchgeführt noch die
Durchführung
eines solchen irgendwann beantragt. Auch aus diesem Grund ist eine
Kollision mit der Rechtsprechung des IX. Zivilsenats des
Bundesgerichtshofs
hier ausgeschlossen.
b) Da der Angeklagte das Unternehmen über die Drei-Wochen-Frist
hinaus weiterbetrieb, mußte er die
Arbeitnehmerbeiträge aus den noch vorhandenen
Mitteln abführen. Der Umstand, daß die O & P
G ab
30. September 1997 zahlungsunfähig war und der Angeklagte dies
wußte,
führt hier lediglich zu einer Unterbrechung der
Zahlungspflicht nach
§ 64 Abs. 1 GmbHG von längstens drei Wochen. Die
Oktoberbeiträge, die
bis spätestens 15. November 1997 fällig waren (vgl.
§ 23 SGB IV), hätte der
Angeklagte bis zu diesem Zeitpunkt an die jeweiligen Einzugstellen
überweisen
müssen.
aa) Ausreichende Gelder waren trotz Zahlungsunfähigkeit und
Überschuldung
noch vorhanden. Aus den Urteilsgründen ergibt sich
nämlich, daß
auf dem Betriebskonto der O & P G noch 18.000 DM
verfüg-
10 -
bar waren, die hier vorrangig für die Begleichung der
Sozialverbindlichkeiten
hätten verwendet werden müssen.
bb) Der Angeklagte P war als Geschäftsführer
strafrechtlich verantwortlich
(§ 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB) für die Erfüllung
der sozialversicherungsrechtlichen
Pflichten. Allein der Umstand, daß er mehr den technischen
Bereich des Unternehmens betreut hat, berührt - wie das
Landgericht zutreffend
erkannt hat - hier seine Verantwortlichkeit nicht. Er hatte
nämlich
nach den Feststellungen des Landgerichts durch betriebswirtschaftliche
Auswertungen Kenntnis über die wirtschaftliche Situation des
Unternehmens.
Ihm war damit auch die Krisensituation des Unternehmens klar. Der
Angeklagte
durfte deshalb die Regelung der finanziellen Belange nicht mehr seinem
Mitgeschäftsführer O überlassen (vgl. BGHSt
37, 106, 125;
BGH NStZ 1997, 125, 126 f.).
c) Zutreffend ist das Landgericht hinsichtlich der Beitragsvorenthaltung
gegenüber mehreren Kassen von jeweils selbständigen
Taten im Sinne des
§ 53 Abs. 1 StGB ausgegangen. Die
Gesamtsozialversicherungsbeiträge
(§ 28d SGB IV) sind an die jeweiligen gesetzlichen
Krankenkassen abzuführen,
die nach § 28h SGB IV die Einzugstellen für den
Gesamtsozialversicherungsbeitrag
bilden. Im vorliegenden Fall waren die Mitarbeiter der O
& P G bei vier unterschiedlichen Krankenkassen versichert.
Dies bedeutet, daß die Zahlungen gegenüber vier
verschiedenen Krankenkassen
jeweils durch eine eigenständige Handlung vorzunehmen waren.
Allein
der Umstand, daß die Zahlungen zum selben Termin
fällig werden und
auf demselben Rechtsgrund beruhen, verbindet die Verletzung
gegenüber
unterschiedlichen Adressaten vorzunehmender Handlungspflichten nicht zu
einer tateinheitlichen Handlung (vgl. Lenckner/Perron in
Schönke/Schröder,
StGB 26. Aufl. § 266a Rdn. 28).
2. Hinsichtlich der weiteren Fälle der Nichtabführung
von Sozialversicherungsbeiträgen
in den Monaten November 1997 und Dezember 1997
- 11 -
(Fälle 3, 4, 6, 7, 9, 10, 12 und 13 der
Urteilsgründe) war der Angeklagte
freizusprechen. Insoweit läßt sich nicht
ausschließen, daß der Angeklagte
zu den jeweiligen Fälligkeitszeitpunkten (15. Dezember 1997 und
15. Januar 1998) zumindest subjektiv davon ausging, nicht mehr
Verantwortlicher
der O & P G gewesen zu sein.
a) Das Landgericht leitet eine fortdauernde Verantwortlichkeit des
Angeklagten
daraus ab, daß die
Geschäftsanteilsveräußerung entsprechend
§ 241 Nr. 4 AktG nichtig und damit auch seine darauf
gestützte Abberufung
als Geschäftsführer unwirksam gewesen sei.
b) Der Senat kann dahinstehen lassen, ob die Auffassung des Landgerichts
zutrifft. Selbst wenn nämlich der rechtliche Ansatzpunkt des
Landgerichts
richtig wäre, daß die
Geschäftsanteilsabtretung ungeachtet ihres
neutralen Charakters wegen der hier konkret beabsichtigten
Gläubigerbenachteiligung
mit Wirkung inter omnes (vgl. zu den Anforderungen Hüffer,
AktG 4. Aufl. § 241 Rdn. 24) nichtig wäre, dann
hätte dies nicht zwangsläufig
die Folge, daß der Angeklagte seine
Geschäftsführerstellung beibehalten
hätte. In den Verhandlungen um die einvernehmliche Abberufung
der Geschäftsführer
könnte hier nämlich zugleich eine Niederlegung dieses
Amts
durch den Angeklagten selbst gesehen werden. Ersichtlich erfolgte die
Aufgabe
seiner organschaftlichen Funktion mit dem Willen des Angeklagten. Bei
einer derartigen Fallkonstellation liegt es deshalb nahe, aus dem
Gesamtzusammenhang
eine jedenfalls auch einseitige Niederlegung der
Geschäftsführerstellung
in Betracht zu ziehen (vgl. BGH DStR 2002, 183; DStR 2003, 602
mit Anm. Goette). Dies entspräche auch dem Interesse des
Angeklagten,
das gerade darauf gerichtet war, sich der Pflichtenstellung als
Geschäftsführer
der O & P G zu entledigen.
Eine entsprechende einseitige Niederlegung ist grundsätzlich
wirksam
(BGHZ 121, 257). Eine Ausnahme hat der Bundesgerichtshof allenfalls dann
angenommen, wenn durch die einseitige Niederlegung die insolvenzrechtli-
12 -
chen Pflichten beeinträchtigt werden, insbesondere die
notwendige Stellung
eines Insolvenzantrages dadurch umgangen werden könnte (vgl.
BGHSt 2,
53, 54). Zwar war die O & P G hier konkursreif. Es ist aber
fraglich, ob die von der Rechtsprechung gemachte Ausnahme auch dann
anzuerkennen wäre, wenn die GmbH durch einen anderen
Geschäftsführer
weitergeführt wird und damit eine Leitungsverantwortung
gewährleistet ist
(vgl. zum Streitstand Schulze-Osterloh in Baumbach/Hueck, GmbHG
17. Aufl. § 64 Rdn. 41; Schmidt-Leithoff in
Rowedder/Schmidt-Leithoff,
GmbHG 64. Aufl. Rdn. 21). Maßgebliche Erwägung ist
hierbei nämlich, daß
in der wirtschaftlichen Krisensituation die Gesellschaft nicht ohne
organschaftlich
Verantwortlichen bleiben darf, weil dann die Einhaltung der in der
Krise maßgeblichen öffentlich-rechtlichen Pflichten
nicht gewährleistet werden
könnte. Ob diese Ausgangslage auch bei einer
Sachverhaltskonstellation
gegeben sein kann, in der ein mit der wirtschaftlichen Situation der
Gesellschaft
Vertrauter als neuer Geschäftsführer bestellt wird,
kann hier
gleichfalls offenbleiben.
c) Im vorliegenden Fall sind die subjektiven Voraussetzungen vom
Landgericht nicht näher belegt. Selbst wenn nämlich
bei dem Angeklagten
eine fortdauernde Pflichtenstellung gegeben wäre,
führte dies nur dann zu
einer Strafbarkeit nach § 266a Abs. 1 StGB, wenn der
Angeklagte trotz seiner
Abberufung seine Stellung als nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB
Verantwortlicher
erkannt hätte. Dies versteht sich nicht von selbst. Eine
solche Annahme
würde nämlich voraussetzen, daß der
Angeklagte eine juristische Wertung
vorgenommen hat, die einem juristischen Laien nicht ohne weiteres
unterstellt
werden kann (vgl. BGHSt 48, 108, 117 f.; BGHR AÜG § 9
Unerlaubte
Arbeitnehmerüberlassung 1).
Ausgehend von der Auffassung des Landgerichts, das hier die
Geschäftsanteilsveräußerung
im Hinblick auf § 241 Nr. 4 AktG und sämtliche
darauf aufbauende Folgegeschäfte als unwirksam angesehen hat,
hätte der
Angeklagte nämlich das Wissen nicht nur um die
tatsächlichen Grundlagen
- 13 -
haben, sondern zugleich damit rechnen müssen, daß
die in Anwesenheit der
Alt- und Neugesellschafter geführten Verhandlungen im
Notartermin vom
5. Dezember 1997 nicht zu einem Verlust seiner
Geschäftsführerfunktion
geführt hätten. Da die Fortdauer der
Pflichtenstellung als Geschäftsführer
Tatbestandsmerkmal der Strafvorschrift des § 266a Abs. 1 i. V.
m. § 14
Abs. 1 Nr. 1 StGB ist, unterlag der Angeklagte nach § 16 Abs.
1 StGB einem
Tatbestandsirrtum, wenn er davon ausging, daß die im
Notartermin erfolgte
Abberufung auch rechtlich seine Verantwortlichkeit erlöschen
ließ (vgl.
BGHR StGB § 16 Abs. 1 Umstand 1, 2). Eine nur
vorsätzlich zu begehende
Beitragsvorenthaltung nach § 266a Abs. 1 StGB hätte
deshalb vorausgesetzt,
daß der Angeklagte die Unwirksamkeit seiner Abberufung
als Geschäftsführer erkannt hätte, weil er
überhaupt nur dann von
einer strafbewehrten Pflichtenstellung hätte ausgehen
müssen (vgl.
BGHSt 48, 108, 117 f.; BGHR AÜG § 9 Unerlaubte
Arbeitnehmerüberlassung
1). Diese hier gebotene Prüfung hat das Landgericht
unterlassen.
d) Dieser Mangel führt hier zu einem Freispruch hinsichtlich
der vorgenannten
acht Fälle, bei denen der Fälligkeitszeitpunkt
für die Abführung
der Sozialversicherungsbeiträge nach dem 5. Dezember 1997 lag.
Dies betrifft
die Verletzung der Abführungspflichten für die Monate
November und
Dezember 1997, weil deren Fälligkeit jeweils am 15. des
Folgemonats eintrat.
Das Landgericht hat zur Kenntnis des Angeklagten über die
Wirksamkeit
der Abberufung keine Feststellungen getroffen. Dies nötigt im
vorliegenden
Fall nicht zur Aufhebung der Sache und zur Zurückverweisung,
weil der
Senat ausschließen kann, daß ein neuer Tatrichter
noch zureichende Feststellungen
treffen könnte, die eine Verurteilung wegen
vorsätzlicher Beitragsvorenthaltung
nach § 266a Abs. 1 StGB für diese Monate tragen
könnten.
Die Tatbegehung liegt bereits nahezu sechs Jahre zurück,
weshalb eine Rekonstruktion
des Vorstellungsbildes des Angeklagten nicht mehr zu erwarten
ist. Im übrigen ist es gerade im Hinblick auf den Angeklagten,
der als ge-
14 -
lernter Bautischler hauptsächlich für den technischen
Bereich des Unternehmens
verantwortlich war, eher fernliegend, daß dieser die in einem
Notartermin
erfolgte Abberufung als Geschäftsführer für
unwirksam angesehen haben
sollte. Da auch keinerlei Anhaltspunkte dafür vorhanden sind,
daß der
Angeklagte sich in der Folgezeit weiter um die Belange des Unternehmens
gekümmert hat, sprechen die Gesamtumstände
dafür, daß der Angeklagte
von der Wirksamkeit seiner Abberufung ausgegangen ist.
3. Der Teilfreispruch führt zu einer Änderung der
Gesamtstrafe. Diese
setzt der Senat hier selbst auf sieben Monate Gesamtfreiheitsstrafe
fest. Im
Hinblick auf die rechtskräftige Einsatzstrafe von sechs
Monaten Freiheitsstrafe
(wegen vorsätzlicher Konkursverschleppung) sowie die vier
Einzelgeldstrafen
in Höhe von jeweils 30 Tagessätzen erscheint dem
Senat auf der
Grundlage der rechtsfehlerfreien Strafzumessungserwägungen des
Landgerichts
die Verhängung einer anderen Gesamtfreiheitsstrafe
ausgeschlossen.
III.
Eine Erstreckung der Aufhebung auf den Mitangeklagten O
gemäß § 357 StPO kam bei der hier gegebenen
Fallgestaltung nicht in Betracht.
Soweit der Mitangeklagte O ebenfalls wegen Nichtabführung
von Arbeitnehmerbeiträgen zur Sozialversicherung verurteilt
wurde, lag
dem ein anderer Sachverhalt zugrunde. Der Mitangeklagte O hatte
- 15 -
nämlich ausweislich der Urteilsgründe eine von dem
Mitangeklagten S
erteilte Abwicklungsvollmacht. Da der Mitangeklagte O damit nach
§ 14 Abs. 2 Nr. 2 StGB als Arbeitgeber im strafrechtlichen
Sinne für die
Nichtabführung der Beiträge haftet, scheidet hier
schon aus diesem Grunde
eine die Angeklagten P und O gleichermaßen betreffende
Gesetzesverletzung
aus.
Basdorf Häger Gerhardt
Raum Brauseden |