BGH,
Beschl. v. 31.7.2009 - StB 34/09
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
StB 34/09
vom
31. Juli 2009
in dem Ermittlungsverfahren
gegen
1.
2.
wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in einer terroristischen
Vereinigung im Ausland
- 2 -
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 31. Juli 2009
beschlossen:
Auf die Beschwerde des Generalbundesanwalts wird der Beschluss des
Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 19. Mai 2009 aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Behandlung und Entscheidung über die
Anträge des Generalbundesanwalts vom 20. April 2009 unter
Beachtung der Rechtsauffassung des Senats an den Ermittlungsrichter
zurückverwiesen.
Gründe:
Der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs hat mit Beschluss vom 19.
Mai 2009 die Anträge des Generalbundesanwalts abgelehnt,
für Telekommunikationsanschlüsse der Beschuldigten
und dreier Kontaktpersonen nach § 100 a StPO die
Überwachung der Telekommunikation bzw. nach § 100 g
StPO die Erhebung der Verkehrsdaten anzuordnen. Er ist der Ansicht,
dass auf die den Beschuldigten angelasteten Taten deutsches Strafrecht
keine Anwendung findet. Die Beschwerde des Generalbundesanwalts
führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur
Zurückverweisung der Sache an den Ermittlungsrichter.
1
I.
Den Beschuldigten, die gleichzeitig die deutsche und die a
Staatsangehörigkeit besitzen, wird vorgeworfen, sich als
Mitglieder an der ausländischen terroristischen Vereinigung
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V beteiligt zu haben. (Wird ausgeführt.)
II.
1. Die bisher gewonnenen Erkenntnisse begründen den Verdacht,
dass die Beschuldigten sich an einer terroristischen Vereinigung
außerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union
als Mitglied beteiligt haben, deren Tätigkeit darauf gerichtet
ist, Menschen zu töten (§§ 129 b Abs. 1 Satz
2, 129 a Abs. 1 Nr. 1 StGB; §§ 100 a Abs. 1 Nr. 1,
Abs. 2 Nr. 1 d, 100 g Abs. 1 Nr. 1 StPO). Die Beschuldigten sind
aufgrund der verbreiteten Botschaften nicht lediglich werbender oder
unterstützender Erklärungen für die V
verdächtig, sondern aktiver mitgliedschaftlicher Handlungen
zur Förderung von deren Aufbau und Fortdauer. Ihre
Äußerungen lassen eine Eingliederung in die
Organisation (vgl. BGHSt 51, 345, 353), eine Unterordnung unter deren
Ziele und ein Handeln in deren Namen erkennen. Die in den Botschaften
enthaltenen Aufrufe sind ersichtlich darauf angelegt, die Schlagkraft
der V zu stärken. (Wird ausgeführt.)
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2. Zutreffend geht der Ermittlungsrichter davon aus, dass die
Beschuldigten einer Tat verdächtig sind, die sie
ausschließlich durch eine im Ausland ausgeübte
Tätigkeit begangen haben (§ 129 b Abs. 1 Satz 2
StGB). Nicht anschließen kann sich der Senat aber dessen
Meinung, die Geltung des deutschen Strafrechts sei nicht hinreichend
wahrscheinlich.
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a) Dabei kann der Senat offenlassen, ob sich die Anwendbarkeit des
§ 129 b Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 129 a Abs. 1 Nr. 1
StGB unmittelbar aus § 129 b Abs. 1 Satz 2 2. Alt. StGB
ergibt. Zwar enthält § 129 b Abs. 1 Satz 2 StGB nach
herrschender Ansicht keine die §§ 3 ff. StGB
verdrängenden Sonderrege-
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lungen über die Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts
(Altvater, NStZ 2003, 179 f.; Fischer, StGB 56. Aufl. § 129 b
Rdn. 4; Krauß in LK 12. Aufl. § 129 b Rdn. 13;
Lenckner/Sternberg-Lieben in Schönke/Schröder, StGB
27. Aufl. § 129 b Rdn. 3; Miebach/Schäfer in
MünchKomm-StGB § 129 b Rdn. 18). Zumindest
für die zweite Alternative dieser Vorschrift, die
Auslandstaten eines Deutschen nach § 129 b Abs. 1 Satz 1 i. V.
m. §§ 129, 129 a StGB betrifft, könnte dies
indes anders zu beurteilen sein. Denn besteht der Zweck der Bestimmung
darin, anknüpfend an den Personalitätsgrundsatz
Auslandstaten von Ausländern straffrei zu stellen (Altvater
aaO 181; Miebach/Schäfer aaO), könnte dies vor dem
Hintergrund von Art. 9 Abs. 1 c des Rahmenbeschlusses des Rates der
Europäischen Union vom 13. Juni 2002 zur
Terrorismusbekämpfung (AblEG L 164/3 vom 22. 6. 2002)
dafür sprechen, dass § 129 b Abs. 1 Satz 1 i. V. m.
§§ 129, 129 a StGB für entsprechende
Auslandstaten eines Deutschen unabhängig vom Recht des Tatorts
Anwendung findet, auch wenn im Gegensatz etwa zu § 35 AWG oder
§ 21 KWKG das Tatortrecht nicht ausdrücklich
für unmaßgeblich erklärt wird.
b) Für die den Beschuldigten vorgeworfene Tat gilt das
deutsche Strafrecht mit nach derzeitigem Ermittlungsstand hinreichender
Wahrscheinlichkeit jedenfalls nach § 7 Abs. 2 Nr. 1 StGB, und
zwar unabhängig davon, ob die V als Organisation auf b oder
auf c Gebiet existent ist und ob das betreffende Gebiet der effektiven
Ausübung staatlicher Gewalt faktisch entzogen ist mit der
Folge, dass es im Sinne von § 7 Abs. 2 Nr. 1 2. Alt. StGB
keiner Strafgewalt unterliegt (vgl. Ambos in MünchKomm-StGB
§ 7 Rdn. 18). Besteht die Strafgewalt fort, gilt das deutsche
Strafrecht nach der ersten Alternative der Vorschrift. Aus der
Veröffentlichung der einschlägigen Strafvorschriften
auf der Internetseite des United Nations Office on Drugs and Crime
(http:/www.unodc.org unter Terrorism Prevention, National Legal
Resources)
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schließt der Senat, dass das den Beschuldigten vorgeworfene
Tatgeschehen sowohl nach b als auch nach c Recht mit Strafe bedroht
ist. (Wird ausgeführt.)
c) Bei dieser Sachlage bedarf es keiner Erörterung der Frage,
ob die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts auch über
§§ 3, 9 Abs. 1 StGB unter dem Aspekt
eröffnet sein könnte, dass ein zum Tatbestand des
§ 129 b Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 129 a Abs. 1 Nr. 1
StGB gehörender Erfolg im Inland eingetreten ist.
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3. Der Senat verweist die Sache zur Entscheidung über die
Anträge des Generalbundesanwalts an den Ermittlungsrichter
zurück. Eine eigene Sachentscheidung des Beschwerdegerichts
ist in Ausnahme von § 309 Abs. 2 StPO dann nicht geboten, wenn
sich das Erstgericht von seinem Rechtsstandpunkt aus mit der Sache nur
gleichsam formal, nicht aber unter Würdigung des eigentlich
entscheidungserheblichen Sachverhalts beschäftigt hat (Frisch
in SK-StPO § 309 Rdn.13 m. w. N.). So liegt der Fall hier. Der
Ermittlungsrichter hat die Anträge mangels Geltung des
deutschen Strafrechts abgelehnt und sich somit auf einen einzelnen,
letztlich nicht tragfähigen Gesichtspunkt gestützt.
Mit den bei einer Anordnung nach §§ 100 a, 100 g StPO
aufgeworfenen zentralen,
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das Fernmeldegeheimnis berührenden und eigentlich
entscheidungserheblichen Fragen wie Erforderlichkeit der
Maßnahme und ihre Zulässigkeit gegen Dritte musste
er sich von seinem Ansatz her nicht mehr befassen. Er hat deshalb auch
von den dazu erforderlichen tatsächlichen Feststellungen
abgesehen.
Becker Sost-Scheible Mayer |