BGH,
Beschl. v. 4.12.2002 - 2 StR 332/02
2 StR 332/02
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
vom
4. Dezember 2002
in der Strafsache gegen
wegen Betruges
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofes hat am 4. Dezember 2002
gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Koblenz vom 27. Februar 2002 im Schuldspruch mit den Feststellungen
aufgehoben, soweit der Angeklagte verurteilt worden ist; ausgenommen
sind die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen in
den Fällen 1 bis 33 und 35 bis 42 der Urteilsgründe,
welche bestehen bleiben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Koblenz
zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betruges in 42
Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und
sechs Monaten verurteilt und ihn im übrigen freigesprochen.
Der Angeklagte rügt mit seiner Revision die Verletzung
formellen und materiellen Rechts. Das Urteil ist in dem aus dem Tenor
ersichtlichen Umfang auf die Sachrüge aufzuheben, so
daß es auf die Verfahrensrügen, die
ausschließlich die Feststellungen des Landgerichts zur
subjektiven Tatseite betreffen, nicht ankommt.
I.
Nach den Feststellungen vermittelte der Angeklagte vom Sommer 1992 bis
August 1995 als Mitarbeiter der "L. GmbH" (im folgenden: L. GmbH) neben
anderen Vermögensanlageformen auch Kapitalanlagen im
sogenannten Bankgarantiehandel. Anbieter des angeblich
hochverzinslichen Handels mit sogenannten "Prime Bank Guarantees" und
"Standby Letters of Credit" waren die Firma "S. " mit Sitz in Z. und P.
sowie die "H. Bank" mit Sitz in V. ( ), bei der kleinere
Anlagebeträge über Treuhandgesellschaften ("S. ", "V.
") angelegt werden mußten. Tatsächlich gibt es einen
Handel mit Banksicherheiten nicht. Zinsen und gekündigte
Kapitalbeträge wurden aus Neueinzahlungen von Anlagekapital
entnommen ("Schneeballsystem"). Ende 1995 wurden die Zahlungen
eingestellt.
Der Angeklagte vermittelte Kapitalanlagen dieser Art einer Vielzahl von
Anlegern. Soweit er die Anleger über Risiken bis hin zum
Kapitalverlust informierte, wurde er vom Vorwurf des Betruges
freigesprochen. In den Fällen, in denen er verurteilt worden
ist, hat der Angeklagte gegenüber den Anlegern die
Möglichkeit eines Kapitalverlustes entweder
ausdrücklich ausgeschlossen oder jedenfalls verschwiegen. Die
Geschädigten schlossen die Verträge im Vertrauen auf
die Angaben des Angeklagten zur Sicherheit und Seriosität der
Anlage und händigten ihm das Anlagekapital in bar aus. In
einigen Fällen haben die Geschädigten Zinszahlungen
erhalten; das Anlagekapital ist in keinem der Urteilsfälle
zurückgezahlt worden. Der Angeklagte wollte mit den
für die Vermittlung gezahlten Provisionsbeträgen von
3 Prozent des Anlagekapitals seinen Lebensunterhalt sichern. Das
Landgericht konnte nicht feststellen, ob die Provisionen unmittelbar
dem Anlagekapital entnommen wurden, bevor dieses an die
Betreibergesellschaften weitergeleitet wurde, oder erst später
den Zinszahlungen der Betreibergesellschaften.
Zur subjektiven Tatseite hat das Landgericht ausgeführt,
daß dem Angeklagten nicht positiv bekannt gewesen sei,
daß es sich bei dem Handel mit Banksicherheiten um ein nicht
existierendes, betrügerisches Anlagesystem gehandelt habe. Der
Angeklagte habe aber aufgrund des Fehlens von
verläßlichen Produktinformationen, der
ungewöhnlichen Abwicklung der Transaktionen in bar und der
Warnhinweise in der Presse gewußt, daß er
verläßliche und seriöse Angaben nicht
machten konnte und daß die Anlageformen Risiken bis hin zum
Verlust des Anlagekapitals einschlossen, wenngleich er diese Gefahr
für gering hielt. Indem er seine Unkenntnis über die
tatsächliche Natur der Anlage und die von ihm erkannte,
wenngleich als fernliegend eingeschätzte Möglichkeit
eines Kapitalverlustes verbarg - möglicherweise auch "zum
Besten" seiner Kunden - habe er sich von seriöser Beratung
weit entfernt und daher mit bedingtem Täuschungs- und
Schädigungsvorsatz gehandelt.
II.
Die Verurteilung wegen Betruges hält der rechtlichen
Nachprüfung nicht stand.
1. Der Tatbestand des Betruges setzt voraus, daß der vom
Täter erstrebte Vermögensvorteil und der verursachte
Vermögensschaden einander entsprechen (BGHSt 6, 115, 116). Der
Vorteil muß die Kehrseite des Schadens, d. h. unmittelbare
Folge der täuschungsbedingten
Vermögensverfügung sein und dem Täter direkt
aus dem geschädigten Vermögen zufließen
("Stoffgleichheit"; vgl. Tröndle/Fischer, StGB, 51. Aufl.
§ 263 Rdn. 108 m. w. N.). Daran fehlt es hier. Nach den
alternativ gefaßten Feststellungen des Landgerichts ist zu
Gunsten des Angeklagten davon auszugehen, daß die erstrebten
Provisionszahlungen den Zinszahlungen der Betreibergesellschaften
entnommen wurden, also nicht unmittelbar dem aufgrund der
Täuschung übergebenen Anlagekapital der
Geschädigten entstammten, sondern den Einzahlungen
späterer Anleger.
Betrug zugunsten der Betreibergesellschaften ist nicht angeklagt und
vom dem Landgericht nicht geprüft worden, obwohl die
bisherigen Feststellungen dazu drängen. Es liegt nahe,
daß der Angeklagte den Betreibergesellschaften das
Anlagekapital verschaffen wollte, um so selbst einen Anspruch auf die
Provision zu erwerben. Bei einem fremdnützigen Betrug
bestünde ohne weiteres Stoffgleichheit zwischen dem Schaden
der Anleger in Form des Kapitalverlustes und dem Vorteil der
Betreibergesellschaften in Form des vereinnahmten Kapitals. Einer
Schuldspruchänderung durch den Senat steht schon §
265 StPO entgegen.
2. Unklar und fehlerhaft sind auch die Feststellungen des Landgerichts
zum Betrugsvorsatz des Angeklagten. Die Feststellungen rechtfertigen
zwar die Annahme, daß der Angeklagte die Anleger in den
Urteilsfällen bewußt getäuscht hat.
Darüber hinaus erfordert eine Verurteilung wegen Betrugs
jedoch, daß der Angeklagte auch eine Schädigung der
Anleger in seinen Vorsatz aufgenommen hätte. Dabei reicht es
für den Betrugsvorsatz bereits aus, daß der
Täter die schadensbegründenden Umstände
kannte. Der Betrugsvorsatz wird nicht dadurch ausgeschlossen,
daß der Täter hoffte, es werde letzten Endes alles
gutgehen und das Risiko werde sich nicht realisieren (vgl. BGHR StGB
§ 263 Abs. 1 Vorsatz 1 und 2). Die Feststellung, daß
der Angeklagte die Anleger über das Verlustrisiko
getäuscht hat, ist an sich geeignet, die Annahme eines
Schädigungsvorsatzes im Sinne eines
Gefährdungsvorsatzes zu tragen. Wer einem anderen eine sichere
Kapitalanlage vorspiegelt, obwohl er tatsächlich mit der
Möglichkeit eines Totalverlustes rechnet, kann eine
täuschungsbedingte Gefährdung des eingesetzten Geldes
des Getäuschten billigen.
Dem steht hier aber entgegen, daß nach den
Urteilsfeststellungen der Angeklagte selbst 10.000 DM und sein Vater
sogar 100.000 DM bei der "S. " angelegt und verloren haben. Dies
läßt es nicht ausgeschlossen erscheinen,
daß der Angeklagte davon überzeugt war, das
Anlagekapital werde ordnungsgemäß
zurückgezahlt werden. Dieser Umstand hätte
näherer Erörterung bedurft. Weiterhin glaubt die
Strafkammer dem Angeklagten, daß seine Tätigkeit von
dem Wunsch einer guten Beratung seiner größtenteils
finanzunerfahrenen Kunden getragen war und er diesen deshalb die
vermeintlich hochrentierlichen Anlagen empfohlen und ihnen die
für ihn fernliegende Möglichkeit des Kapitalverlustes
zu ihrem Besten verschwiegen habe. Auch diese Feststellung
verträgt sich nicht mit der Annahme, der Angeklagte habe den
möglichen Kapitalverlust der Anleger billigend in Kauf
genommen.
III.
Die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen der
Einzeltaten können mit Ausnahme des Falles 34 (Betrug zum
Nachteil der Zeugin R. im Sommer 1992) bestehen bleiben. Im Fall 34 war
nach den Feststellungen möglicherweise bereits im Zeitpunkt
der ersten zur Unterbrechung der Verjährung geeigneten
Handlung am 28. Juli 1997 die Verfolgungsverjährung
eingetreten.
Der Senat hat das Verfahren nicht selbst eingestellt, weil nicht
auszuschließen ist, daß in der neuen
Hauptverhandlung genauere Feststellungen zum Anlagezeitpunkt getroffen
werden können.
Rissing-van Saan Otten Rothfuß Fischer Roggenbuck |