BGH,
Beschl. v. 5.8.2008 - 3 StR 224/08
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
3 StR 224/08
vom
5. August 2008
in der Strafsache
gegen
wegen Bestimmens einer Person unter 18 Jahren als Person über
21 Jahre zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln u. a.
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Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung der
Beschwerdeführerin und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf
dessen Antrag - am 5. August 2008 gemäß §
349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Osnabrück vom 5. Dezember 2007 mit den zugehörigen
Feststellungen aufgehoben,
a) soweit die Angeklagte wegen Bestimmens einer Person unter 18 Jahren
zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln (Ziffer
II. 45 der Urteilsgründe) sowie wegen unerlaubter Einfuhr von
Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit
unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge in drei Fällen (Ziffern II. 46 bis 48 der
Urteilsgründe) verurteilt worden ist;
b) im gesamten Strafausspruch;
c) soweit eine Entscheidung über die Unterbringung der
Angeklagten in einer Entziehungsanstalt unterblieben ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
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Gründe:
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen unerlaubten Handeltreibens mit
Betäubungsmitteln in 44 Fällen, wegen Bestimmens
einer Person unter 18 Jahren zum unerlaubten Handeltreiben mit
Betäubungsmitteln und wegen unerlaubter Einfuhr von
Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit
unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe
von sechs Jahren verurteilt. Mit ihrer Revision rügt die
Angeklagte die Verletzung materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat in
dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im
Übrigen ist es unbegründet im Sinne des §
349 Abs. 2 StPO.
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1. Das Rechtsmittel führt zur teilweisen Aufhebung des
Schuldspruchs.
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a) Die Verurteilung der Angeklagten wegen Bestimmens einer Person unter
18 Jahren zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln
nach § 30 a Abs. 2 Nr. 1 BtMG (Fall II. 45 der
Urteilsgründe) hält rechtlicher Nachprüfung
nicht stand.
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Unter "Bestimmen" im Sinne dieser Vorschrift ist nach den allgemeinen,
zu § 26 StGB entwickelten Grundsätzen die
Einflussnahme auf den Willen eines anderen zu verstehen, die diesen zu
dem im Gesetz beschriebenen Verhalten bringt (vgl. BGHSt 45, 373, 374).
Nicht ausreichend ist es dagegen, wenn der Täter dem
Minderjährigen durch das Überlassen von Rauschgift
lediglich die Möglichkeit eröffnet, mit diesem Handel
zu treiben (BGHSt aaO 375). Das "Bestimmen" setzt mithin einen
kommunikativen Akt voraus, der zu dem Betäubungsmittelhandel
durch den Minderjährigen führt (Weber, BtMG 2. Aufl.
§ 30 a Rdn. 76).
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Eine derartige erfolgreiche Einflussnahme der Angeklagten auf den
Willen ihrer minderjährigen Tochter wird jedoch durch die
Urteilsfeststellungen nicht belegt. Danach gab die Angeklagte ihrer
siebzehnjährigen Tochter vor dem gemeinsamen Besuch einer
Diskothek 20 Ecstasy-Tabletten, die diese in ihrem
Büstenhalter versteckte. Die Tochter wusste, "ohne dass die
Angeklagte es ihr sagen musste, was damit zu tun sei, nämlich
diese gewinnbringend in der Diskothek zu verkaufen."
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Zwar hat das Landgericht auch festgestellt, dass die Tochter der
Angeklagten - wie dieser bekannt war - selbst keine Drogen konsumierte.
Dennoch belegt allein die Übergabe der Tabletten nicht die
erforderliche Einflussnahme auf den Willen der Tochter, die
Betäubungsmittel in der Diskothek gewinnbringend zu
veräußern. Dies gilt insbesondere vor dem
Hintergrund, dass die Angeklagte es ihrer Tochter ausdrücklich
untersagt hatte, weiterhin in ihrer Abwesenheit in der gemeinsamen
Wohnung Ecstasy-Tabletten an Kunden gegen Bezahlung herauszugeben (s.
UA S. 5).
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Dem Urteil lässt sich darüber hinaus aber auch nicht
entnehmen, dass die Tochter der Angeklagten in der Diskothek
Aktivitäten zum gewinnbringenden Absatz der Tabletten
entfaltete. Es erschöpft sich vielmehr in der Feststellung,
dass die Tochter beim Verlassen der Diskothek die Tabletten nicht mehr
bei sich hatte. Ebensowenig belegt das Urteil, dass die Tochter die
Tabletten lediglich für die Angeklagte in die Diskothek
geschmuggelt und diese sie dort gewinnbringend
veräußert hätte. Der Angeklagten kann daher
nach den bisherigen Feststellungen auch nicht angelastet werden, sie
habe ihre Tochter dazu bestimmt, ihren eigenen
Betäubungsmittelhandel zu fördern (§ 30 a
Abs. 2 Nr. 1 BtMG letzte Tatvariante).
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b) Ebenfalls keinen Bestand hat die Verurteilung der Angeklagten wegen
unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit
Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in den
Fällen II. 46 bis 48 der Urteilsgründe.
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Das Landgericht hat es versäumt, Feststellungen zum
Wirkstoffgehalt der jeweiligen Betäubungsmittel zu treffen.
Der Senat ist daher nicht in der Lage zu prüfen, ob die
Strafkammer in allen Fällen rechtsfehlerfrei davon ausgegangen
ist, dass die Taten eine nicht geringe Menge von
Betäubungsmitteln im Sinne von § 30 Abs. 1 Nr. 4,
§ 29 a Abs. 1 Nr. 2 BtMG zum Gegenstand hatten. Im Hinblick
auf die große Menge der eingeführten
Ecstasy-Tabletten wird es aber jedenfalls im Fall II. 46 der
Urteilsgründe nahe liegen, dass der Grenzwert der nicht
geringen Menge überschritten wurde.
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2. Der Wegfall der in den Fällen II. 45 bis 48
verhängten Einzelstrafen führt zur Aufhebung der
Gesamtstrafe.
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3. Der Rechtsfolgenausspruch kann darüber hinaus keinen
Bestand haben, soweit das Landgericht eine Entscheidung über
die Frage der Unterbringung der Beschwerdeführerin in einer
Entziehungsanstalt unterlassen hat.
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Nach den Feststellungen konsumierte die Angeklagte ab dem Jahr 2003
Cannabis sowie seit Anfang 2004 Kokain, und zwar im Laufe der Zeit
regelmäßig zwei bis drei Gramm an den Wochenenden,
später zusätzlich Ecstasy in einer Dosierung von
zunächst zwei bis drei, dann bis zu neun Pillen pro Abend.
Hinzu trat der Konsum von Amphetamin bis zu zwei bis drei Gramm
täglich sowie Ende 2006 von Heroin, entweder nasal mit Kokain
oder "auf Blech" geraucht. Schließlich nahm sie reines MDMA
alle zwei Wochen in einem Getränk zu sich. Die polytoxikomane
Angeklagte beging sämtliche Taten auch aufgrund ihrer
Betäubungsmittelabhängigkeit und finanzierte mit den
Gewinnen aus den
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Verkaufsgeschäften auch ihren eigenen Konsum. Mittlerweile hat
die Angeklagte ihre Betäubungsmittelabhängigkeit
erkannt und will ihr mit einer Therapie begegnen.
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Unter diesen Umständen musste das Landgericht die
Voraussetzungen der Unterbringung der Angeklagten in einer
Entziehungsanstalt prüfen (st. Rspr.; vgl. u. a. BGHR StGB
§ 64 Abs. 1 Hang 4 und 5; BGH NStZ 2005, 210).
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Dass nur die Angeklagte Revision eingelegt hat, hindert die Nachholung
der Unterbringungsanordnung nicht (BGHSt 37, 5). Sie hat die
Nichtanwendung des § 64 StGB durch das Tatgericht auch nicht
von ihrem Rechtsmittelangriff ausgenommen.
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Für die neue Hauptverhandlung wird auf § 246 a Satz 2
StPO hingewiesen.
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Becker Miebach Pfister
Sost-Scheible Schäfer |