BGH,
Beschl. v. 5.9.2002 - 4 StR 253/02
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
4 StR 253/02
vom
5. September 2002
in der Strafsache
gegen
wegen sexuellen Mißbrauchs eines Kindes u.a.
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Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des
Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO am
5. September 2002 beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des
Landgerichts Paderborn vom 28. Februar 2002 aufgehoben,
a) soweit der Angeklagte wegen Bedrohung verurteilt
wurde; insoweit wird er freigesprochen;
die ausscheidbaren Verfahrenskosten und die dem
Angeklagten insoweit erwachsenen notwendigen
Auslagen hat die Staatskasse zu tragen;
b) im gesamten Strafausspruch mit den zugehörigen
Feststellungen.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache, soweit sie
noch nicht erledigt ist, zu neuer Verhandlung und Entscheidung,
auch über die verbleibenden Kosten des
Rechtsmittels, an eine andere als Jugendschutzkammer
zuständige Strafkammer des Landgerichts
zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe:
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Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen
Mißbrauchs eines
Kindes in Tateinheit mit sexuellem Mißbrauch von
Schutzbefohlenen in
vier Fällen sowie wegen Bedrohung zu einer
Gesamtfreiheitsstrafe von zwei
Jahren und neun Monaten verurteilt. Die Revision des Angeklagten, der
die
Verletzung formellen und sachlichen Rechts rügt, hat mit der
Sachrüge teilweise
Erfolg. Im übrigen ist sie unbegründet (§
349 Abs. 2 StPO).
1. Der Schuldspruch wegen Bedrohung hält rechtlicher
Überprüfung nicht
stand. Das Landgericht hat festgestellt, daß der Angeklagte
während eines
Telefonats mit seiner getrennt lebenden Ehefrau diese aufforderte, alle
Strafanzeigen
gegen ihn zurückzunehmen. Wenn sie das nicht tue, "werde ihr
etwas
passieren". Diese Drohung wurde vom Angeklagten nicht näher
konkretisiert.
Zum Tatbestand der Bedrohung gehört die Ankündigung
eines bestimmten
tatsächlichen Verhaltens, in dem der Tatbestand eines
Verbrechens gefunden
werden kann. Eine allgemein gehaltene Drohung mit Worten, die
für sich
genommen noch nicht die tatsächlichen Merkmale eines
Verbrechens umschreiben,
kann den Tatbestand nur erfüllen, wenn sie im Zusammenhang mit
anderen Umständen den Schluß auf die
Ankündigung eines solchen Verhaltens
ermöglicht (BGHSt 17, 307, 308; vgl. auch
Senatsbeschluß vom 12. Juni
2001
- 4 StR 80/01). Dies ergeben die Feststellungen nicht.
Der Senat entscheidet in der Sache selbst und spricht den Angeklagten
frei (§ 354 Abs. 1 StPO). Entgegen der Auffassung des
Generalbundesanwalts
tragen die Feststellungen auch nicht einen Schuldspruch wegen versuchter
Nötigung, da auf der Grundlage der bislang getroffenen
Feststellungen zugun-
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sten des Angeklagten davon auszugehen ist, daß der Angeklagte
strafbefreiend
vom Versuch zurückgetreten ist. Ergänzende
Feststellungen schließt der
Senat aus.
2. In den verbleibenden vier Mißbrauchsfällen
begegnet der Strafausspruch
durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
a) Bei diesen Taten hat das Landgericht zu Lasten des Angeklagten
gewertet,
daß es sich um "jeweils erhebliche und dem Kind auch
Schmerzen bereitende
Übergriffe" (UA 38) gehandelt hat. Anders als im vierten Fall
(Tatzeit
26./27. Dezember 2000, UA 7) belegen die Feststellungen nicht,
daß der Angeklagte
auch bei den ersten drei Taten (Tatzeit jeweils von Ende Oktober
2000 bis November 2000) dem Opfer Schmerzen zugefügt hat. Nach
der Aussage
des Kindes, auf die sich die Strafkammer in diesem Zusammenhang
stützt, haben die - in der Anzahl nicht genau bestimmbaren -
sexuellen Übergriffe
des Angeklagten „auch manchmal weh getan“ (UA 25).
Ob dies auch bei
den konkret festgestellten ersten drei Taten der Fall war, ist dem
Gesamtzusammenhang
der Urteilsgründe nicht zu entnehmen.
Es ist nicht auszuschließen, daß die Strafkammer
ohne die rechtsfehlerhaften
Erwägungen für diese Taten niedrigere Einzelstrafen
festgesetzt hätte.
Der Rechtsfehler wird nicht dadurch ausgeglichen, daß das
Landgericht bei
Bemessung der Einzelstrafen von einem zu günstigen
Regelstrafrahmen
(Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren statt
sechs Monate bis zehn
Jahre Freiheitsstrafe gemäß § 176 Abs. 1 1.
Halbs. StGB, UA 39) ausgegangen
ist. Bei rechtsfehlerfreier Strafrahmenwahl hätte es
nämlich angesichts des
geringen Gewichts der festgestellten Tathandlungen nahegelegen zu
prüfen,
ob minder schwere Fälle des sexuellen Mißbrauchs von
Kindern (§ 176 Abs. 1
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2. Halbs. StGB) vorgelegen haben (vgl. BGH NStZ 1998, 351, 352; BGH bei
Miebach NStZ 1996, 121 m.w.N.); bejahendenfalls wäre der selbe
Strafrahmen
wie ihn die Strafkammer angewendet hat, der Strafzumessung zugrunde zu
legen gewesen.
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b) Die Aufhebung der Einzelstrafen für die ersten drei
Mißbrauchsfälle
zieht die Aufhebung auch der Einzelstrafe von einem Jahr
Freiheitsstrafe für
den sexuellen Mißbrauch vom 26./27. Dezember 2000 nach sich.
Die Strafkammer
hat diese Einzelstrafe ausdrücklich im Verhältnis zur
aufgehobenen
Einsatzstrafe von einem Jahr und drei Monaten für die erste
Tat bestimmt
(UA 39), so daß von einer Wechselwirkung der
verhängten Strafen ausgegangen
werden muß.
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