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BGH, Beschluss vom 6. Dezember 2007 - 3 StR 355/07


Entscheidungstext  
 
BGH, Beschl. v. 6.12.2007 - 3 StR 355/07
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
3 StR 355/07
vom
6.12.2007
in der Strafsache
gegen
wegen versuchter Vergewaltigung
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Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 6.12.2007 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Osnabrück vom 29. März 2007
a) im Schuldspruch dahin neu gefasst, dass der Angeklagte der versuchten Vergewaltigung schuldig ist,
b) im Maßregelausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen "versuchter sexueller Nötigung (versuchter Vergewaltigung)" zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren sowie zur Zahlung von Schmerzensgeld verurteilt. Darüber hinaus hat es die Sicherungsverwahrung angeordnet. Die Revision des Angeklagten hat den aus
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der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet.
1. Die Besetzungsrüge sowie die gegen den Schuld- und den Strafausspruch gerichteten Einzelbeanstandungen zeigen keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf. Auf die im Zusammenhang mit der Ablehnung des Sachverständigen erhobene Rüge kommt es wegen der Aufhebung des Maßregelausspruchs aufgrund der Sachrüge nicht an.
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2. Nach den Feststellungen des Landgerichts packte der Angeklagte nachts auf der Straße eine junge, ihm unbekannte Frau und versuchte, sie ins Gebüsch zu ziehen und gewaltsam den Geschlechtsverkehr durchzuführen. Durch die Gegenwehr des Opfers und das Hinzutreten eines Passanten scheiterte die Tat, ehe es zu sexuellen Handlungen kam. Eine solche Tat ist rechtlich als "versuchte Vergewaltigung" zu bezeichnen (BGH NStZ 1998, 510, 511; Tröndle/Fischer, StGB 54. Aufl. § 177 Rdn. 77 m. w. N.). Der Senat hat den Schuldspruch deshalb neu gefasst.
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3. Die Anordnung der Sicherungsverwahrung (§ 66 Abs. 1 StGB) hält rechtlicher Nachprüfung nicht Stand. Das Landgericht hat bei der vorrangig anzustellenden Prüfung, ob der Gefährlichkeit des Angeklagten nicht allein durch eine andere Maßregel begegnet werden kann (vgl. § 72 Abs. 1 StGB), dessen Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) mit rechtlich unzureichender Begründung abgelehnt.
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Der Angeklagte konsumiert seit Jahren Alkohol im Übermaß. Er stand bei der Tat unter erheblichem Alkoholeinfluss (Tatzeit-BAK von 1,96 ‰). Auch eine der Symptomtaten, ebenfalls ein gewaltsamer sexueller Übergriff, beging er in
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angetrunkenem Zustand (BAK von 1,16 ‰ eineinviertel Stunden nach der Tat). Seit 1994 wurde er viermal wegen Trunkenheit im Straßenverkehr verurteilt. Nach der Überzeugung des sachverständig beratenen Landgerichts ist der Al-koholmissbrauch des Angeklagten einer der die bisherige Delinquenz des Angeklagten fördernden Faktoren und begründet auch zukünftig die Gefahr erneuter Straftaten von erheblichem Gewicht.
Von einer unter diesen Umständen im Grundsatz in Betracht kommenden Unterbringung in der Entziehungsanstalt hat das Landgericht abgesehen, weil der Angeklagte von der Behandlung in der Sozialtherapie während des vorangegangenen Strafvollzuges nach Angaben des Sachverständigen "nicht nachhaltig habe profitieren können" und deshalb eine hinreichend konkrete Aussicht eines Behandlungserfolgs nicht bestehe. Mit diesen Ausführungen sind die Voraussetzungen des § 64 Satz 2 StGB (in der Fassung des Gesetzes zur Sicherung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und in einer Entziehungsanstalt vom 16. Juli 2007 - BGBl I 1327) nicht belegt. Sie lassen schon außer Betracht, dass die Behandlung im Vollzug der Maßregel nach § 64 StGB bis zu zwei Jahre dauern kann, während der Aufenthalt des Angeklagten in der Sozialtherapeutischen Anstalt nur mehrere Monate betrug. Schon von daher sind die durchgeführte und die in Betracht kommende Behandlung nicht zu vergleichen. Zudem ist der Maßregelvollzug nach § 64 StGB ausschließlich auf die Verhinderung eines Rückfalls in den Hang gerichtet, während die Sozialtherapie - ungeachtet einer möglichen Gleichartigkeit einzelner Behandlungsmethoden - einen weiter gespannten Ansatz hat. Es kommt hinzu, dass gerade in den Fällen, in denen - wie hier - zugleich die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung in Frage steht, keine überspannten Anforderungen an die Erfolgsaussicht gestellt werden dürfen (BGH NStZ-RR 2003, 332, 333).
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Erweist sich demnach die Entscheidung, den Angeklagten nicht in der Entziehungsanstalt unterzubringen, als fehlerhaft, so ist damit zugleich der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung die Grundlage entzogen. Denn diese Maßregel kommt erst in Betracht, wenn feststeht, dass die Gefährlichkeit des Angeklagten nicht schon durch eine erfolgreiche Alkoholtherapie beseitigt werden kann (§ 72 Abs. 1 Satz 1 StGB).
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4. Sollte die nunmehr zur Entscheidung berufene Strafkammer wiederum zu der Überzeugung gelangen, dass die Unterbringung des Angeklagten nach § 64 StGB ohne konkrete Erfolgsaussicht ist, und daher über die Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung zu entscheiden haben, so wird sie bei der Prüfung, ob beim Angeklagten ein Hang zur Begehung erheblicher Straftaten (§ 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB) vorliegt, auch folgende Umstände zu bedenken haben: Zum einen ist der Angeklagte aus Anlass der ersten Symptomtat nur zu einer zur Bewährung ausgesetzten Jugendstrafe verurteilt worden, die nach Ablauf der Bewährungszeit erlassen werden konnte. Er hat deshalb, was für die Anordnung nach § 66 Abs. 1 StGB zwar ausreichend, indes nach der Erfahrung des Senats eher ungewöhnlich ist, wegen der zwei symptomatischen Vortaten und der ihnen folgenden Verurteilungen nur einmal eine Freiheitsstrafe verbüßt. Zum anderen vermag der Senat in der Art der Tatbegehung der Sexualdelikte keine derartige Steigerung der Intensität der Taten zu erblicken, dass daraus auf das Bestehen eines Hanges geschlossen werden könnte.
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In Bezug auf die Prüfung der Gefährlichkeit des Angeklagten bemerkt der Senat: Das Landgericht hat, dem Sachverständigen folgend, dabei auch auf verschiedene statistische Prognoseinstrumente (vgl. hierzu Dahle, Grundlagen und Methoden der Kriminalprognose in: Kröber u. a.: Handbuch der Forensi-
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schen Psychiatrie Bd. 3 S. 1, 32 ff.) zurückgegriffen. Dies ist im Grundsatz revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Indes wird der neue Tatrichter darauf Bedacht zu nehmen haben, die insoweit gewonnenen Erkenntnisse der sachverständigen Begutachtung und die hieraus im Rahmen der Gesamtwürdigung gezogenen Schlussfolgerungen in einer Weise darzustellen, dass sie vom Revisi-onsgericht nachvollzogen und auf Rechtsfehler überprüft werden können. Das angefochtene Urteil lässt dies vermissen. Dort fällt zunächst auf, dass nur eines der herangezogenen Systeme - der Algorithmus zur Beurteilung des Risikos der Wiederverurteilung eines Sexualstraftäters nach Fisher & Thornton (1993) - ein "hohes Wiederverurteilungsrisiko" ergibt. Die Ergebnisse der anderen Prognoseinstrumente weisen demgegenüber teilweise ein deutlich geringeres Rückfallrisiko auf (LSI-R: moderates bis erhöhtes Rückfallrisiko; PCL-R: über "50-prozentiges Gewaltstrafenrisiko"; HCR-20: moderates bis erhöhtes Rückfallrisiko; SVR 20: niedriges Risiko für "sexuelle Gewaltstrafen"; Wiederverurteilungsrisiko nach Lloyd et al. [1994]: bei Endzwanzigern unter 50%). Hierbei erscheint die Heranziehung des Prognoseinstruments HCR-20 als von vornherein problematisch, weil es nach den Angaben des gehörten Sachverständigen "kriminelle Rückfälle bei psychisch Kranken" am zuverlässigsten vorhersagen kann, indes nicht festgestellt ist, dass der Angeklagte an einer psychischen Erkrankung leidet. Aber auch hinsichtlich der weiteren statistischen Beurteilungssysteme bleibt unklar, ob sie für die Rückfallgefahr beim Angeklagten ein taugliches Prognoseinstrument bilden; denn die bei diesem vorhandenen individuellen Risikofaktoren (intellektuelle Einschränkungen, "mögliche" hirnorganische Komponente, Alkoholmissbrauch) sind nach den mitgeteilten Darlegungen des Sachverständigen "für die Gesamtheit der in den statistischen Untersuchungen auftauchenden Sexualstraftäter untypisch" (UA S. 19). Vor diesem Hintergrund vermag der Senat weder zu erkennen, ob die statistischen Prognosesysteme im Fall des Angeklagten überhaupt Aussagekraft haben, noch - sofern dies der Fall
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ist - wie sie das Endergebnis der Gefährlichkeitsprognose unterfüttern können, der Angeklagte werde mit "hoher Wahrscheinlichkeit" wieder Straftaten von erheblichem Gewicht begehen. Andererseits belegen die Urteilsgründe aber auch nicht, dass sich das Landgericht allein aufgrund der beim Angeklagten vorhandenen individuellen Risikofaktoren von dessen Gefährlichkeit für die Allgemeinheit überzeugt hat.
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