BGH,
Beschl. v. 6.9.2001 - 3 StR 283/01
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
3 StR 283/01
vom
6. September 2001
in der Strafsache gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des
Generalbundesanwalts und nach Anhörung des
Beschwerdeführers am 6. September 2001
gemäß § 349 Abs. 4 StPO einstimmig
beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Wuppertal vom 9. Januar 2001 im Strafausspruch mit den
zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Landfriedensbruchs in
Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung in zwei
Fällen und mit Störung von Versammlungen und
Aufzügen zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und drei
Monaten verurteilt. Seine wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch
beschränkte Revision hat - trotz der an sich
maßvollen Strafe - Erfolg.
Im Rahmen der Strafzumessung hat das Landgericht u.a. zu Ungunsten des
Angeklagten folgendes berücksichtigt:
"Das hohe Maß an persönlicher Schuld, das ihn trifft
an dem Zustandekommen und Ablauf des Angriffs hat der Angeklagte bis
heute noch nicht akzeptiert. Er versteckt sich weiterhin hinter
Allgemeinheiten, wie der Behauptung, daß er ein Mensch sei,
der Gewalt ablehne, und Worthülsen wie, ´die Sache
ist plötzlich aus dem Ruder gelaufen´, ohne sich den
Fakten und seiner Verantwortung zu stellen."
Hierzu hat der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift folgendes
ausgeführt:
"Diese Strafzumessungserwägung begegnet durchgreifenden
rechtlichen Bedenken. Strafschärfend wird von der Kammer
berücksichtigt, dass es dem Angeklagten an Schuldeinsicht
fehle und er die Tat verharmlose.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes darf ein
Prozessverhalten, das sich im Rahmen einer zulässigen
Verteidigungsstrategie hält (BGH, Beschluss vom 23. Mai 2000 -
1 StR 193/00), dem Angeklagten nicht strafschärfend angelastet
werden, weil dadurch sein Recht, sich zu verteidigen, mittelbar in
Frage gestellt werde (BGH wistra 1988, 303; BGH, Beschluss vom 13.
Februar 2001 - 4 StR 562/00). Das gilt nicht nur für das
Leugnen der Tat, sondern auch, wenn der Angeklagte versucht, die Tat in
einem wesentlich milderen Licht darzustellen (BGH, Beschluss vom 23.
Mai 2000 - 1 StR 193/00). Anhaltspunkte dafür, dass vorliegend
das Prozessverhalten des Angeklagten - Anpassung der Einlassung an die
jeweilige Beweislage - auf einer rechtsfeindlichen Gesinnung beruht
(BGH StV 1999, 657) sind von der Kammer nicht festgestellt. Zudem
ergibt sich aus den Urteilsfeststellungen, dass sich die Situation beim
Angriff auf die Gedenkveranstaltung für die Täter
kurzfristig insoweit tatsächlich anders darstellte als
vorgestellt, weil bei dem Mahnmal nicht die erwarteten
´Antifaschos´, sondern Versammlungsteilnehmer
breitgestreuter Herkunft, unter ihnen auch Frauen und ältere
Menschen, versammelt waren, weshalb die Einlassung des Angeklagten,
´die Sache sei plötzlich aus dem Ruder
gelaufen´, nicht jeder Grundlage entbehrt.
Das Beruhen des Urteils auf dem Rechtsfehler wird nicht auszu-
schließen sein, weil es nicht unwahrscheinlich erscheint,
dass sich die Strafkammer von der beanstandeten
Strafzumessungserwägung bei der Festsetzung der
Freiheitsstrafe hat leiten lassen."
Dem kann sich der Senat nicht verschließen.
Rissing-van Saan Winkler Pfister von Lienen Becker |