BGH,
Beschl. v. 7.6.2000 - 1 StR 226/00
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
1 StR 226/00
vom
7. Juni 2000
in der Strafsache gegen
1.
2.
wegen Mordes u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 7. Juni 2000
gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Kempten (Allgäu) vom 4. Februar 2000 mit den Feststellungen
aufgehoben hinsichtlich
a) des Angeklagten R. im Strafausspruch,
b) der Angeklagten K. im Schuldspruch unter Aufrechterhaltung der
Feststellungen zum Tatgeschehen.
2. Im Umfang der Aufhebung werden die Sachen zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine
andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision der Angeklagten K. wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat die Angeklagten jeweils des Mordes in Tateinheit
mit schwerem Raub schuldig gesprochen und den Angeklagten R. zu einer
Jugendstrafe von acht Jahren und sechs Monaten sowie die Angeklagte
K. zu einer Jugendstrafe von acht Jahren verurteilt. Die Revision des
Angeklagten R. wendet sich mit einer Verfahrensrüge und der
Sachrüge gegen den Strafausspruch, die Revision der
Angeklagten K. mit einer Verfahrensrüge und der
Sachrüge gegen den Schuldspruch mit dem Ziel, die
strafrechtliche Verantwortlichkeit der Angeklagten zu verneinen. Beide
Rechtsmittel haben mit der Verfahrensrüge der Sache nach
Erfolg.
1. Die Revision rügt zu Recht, das Landgericht habe die Eltern
der beiden minderjährigen Angeklagten nach den
Schlußvorträgen der Staatsanwaltschaft und der
Verteidigung nicht befragt, ob sie noch etwas zur Verteidigung ihrer
Kinder anzuführen haben, und ihnen nicht das letzte Wort
gewährt.
a) Neben einem jugendlichen Angeklagten ist gemäß
§ 67 Abs. 1 JGG i.V.m. § 258 Abs. 2 und 3 StPO dessen
gesetzlichem Vertreter oder Erziehungsberechtigtem stets von Amts wegen
- und nicht nur auf Verlangen - das letzte Wort zu erteilen (BGHSt 21,
288, 289; BGH NStZ 1996, 612). Aufgrund des Hauptverhandlungsprotokolls
muß der Senat davon ausgehen, daß die Eltern der
zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung 17 und 15 Jahre alten Angeklagten im
Sitzungssaal anwesend waren. Die Eltern waren nach dem
gemäß Art. 21 EGBGB maßgeblichen
tschechischen Recht erziehungsberechtigt. Sie hätten daher
nach den Schlußvorträgen befragt und es
hätte ihnen das letzte Wort gewährt werden
müssen.
b) Dieser Verfahrensverstoß führt hinsichtlich des
Angeklagten R. zur Aufhebung des Strafausspruchs. Es kann nicht
ausgeschlossen werden, daß die Erwägungen der
Jugendkammer zur Verhängung der Jugendstrafe anders
ausgefallen wären, wenn die Eltern des Angeklagten Gelegenheit
zur Äußerung erhalten hätten (vgl.
Senatsbeschluß vom 21. März 2000 - 1 StR 609/99).
Hinsichtlich der Angeklagten K. berührt der Rechtsfehler
bereits den Schuldspruch, da sich nicht mit Sicherheit
ausschließen läßt, daß die
Anhörung der Mutter und des - ebenfalls erziehungsberechtigten
- Stiefvaters der Angeklagten zu einer anderen Entscheidung des
Landgerichts über die Frage der strafrechtlichen
Verantwortlichkeit der Angeklagten im Sinne des § 3 JGG
geführt hätten. K. hatte zum Tatzeitpunkt das 14.
Lebensjahr gerade erst um 10 Monate überschritten. Nach den
Feststellungen des Landgerichts war es bei ihr zu erheblichen
Entwicklungsstörungen und hierdurch verursachter emotionaler
Verwahrlosung und Labilität gekommen.
2. Die Berücksichtigung tatbezogener Umstände bei der
Bemessung der Jugendstrafe verstößt nicht gegen
§ 46 Abs. 3 StGB (vgl. BGH NStZ-RR 1997, 21).
3. Der Generalbundesanwalt hat beantragt, das angefochtene Urteil in
den Strafaussprüchen aufzuheben und die weitergehende Revision
der Angeklagten K. zu verwerfen.
Schäfer Granderath Nack
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