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BGH, Beschluss vom 7. März 2002 - 3 StR 335/01


Entscheidungstext  
 
BGH, Beschl. v. 7.3.2002 - 3 StR 335/01
3 StR 335/01
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
vom
7. März 2002
in der Strafsache gegen
wegen Mordes
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofes hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 7. März 2002 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Oldenburg vom 23. März 2001 im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Mordes zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Hiergegen wendet sich die Revision des Angeklagten mit Verfahrensrügen und sachlich-rechtlichen Beanstandungen. Während die Überprüfung des Urteils zum Schuldspruch keinen Rechtsfehler ergeben hat, kann der Strafausspruch nicht bestehen bleiben, weil das Landgericht seine Entscheidung, der Angeklagte habe in voller strafrechtlicher Verantwortlichkeit gehandelt, nicht ausreichend begründet hat.
1. Die Beurteilung der Schuldfähigkeit des Angeklagten begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
Das Landgericht ist in Übereinstimmung mit den Sachverständigen von einer Persönlichkeitsstörung beim Angeklagten ausgegangen. Eine generelle Krankheitswertigkeit dieser die Persönlichkeitsstruktur des Angeklagten prägenden Wesensmerkmale in ihrer Gesamtheit im Sinne der §§ 20, 21 StGB von einer Intensität, die eine erheblich schuldmildernde Überlagerung auch planmäßigen Vorgehens bei der Begehung einer Straftat besorgen ließe, liege nicht vor (UA S. 61).
Nach der Wiedergabe der Einschätzung durch die Sachverständigen hat die Strafkammer ihre eigene Überzeugung von der voll erhaltenen Steuerungsfähigkeit des Angeklagten damit begründet, daß sich der Angeklagte bei der Tötungshandlung kontrollieren und konzentrieren konnte und zu umsichtigem Nachtatverhalten in der Lage war (UA S. 62).
Damit hat das Landgericht diesem Leistungsverhalten eine zu große Bedeutung gegeben. Im Bereich der Beurteilung von Schuldfähigkeit nach vorangegangenem Alkoholgenuß ist dem Leistungsverhalten des Täters als einem psychodiagnostischen Kriterium gegenüber der Blutalkoholkonzentration in der jüngeren Rechtsprechung zwar wieder größeres Gewicht beigemessen worden (vgl. BGHSt 43, 66). Dies läßt sich aber nicht ohne weiteres auf die Beurteilung der Beeinträchtigung durch eine schwere andere seelische Abartigkeit übertragen. Das Tatverhalten wie auch das Verhalten vor und nach der Tat sind vergleichsweise wenig bedeutsam, wenn eine schwere Persönlichkeitsstörung zu diagnostizieren ist (Rasch, Forensische Psychiatrie 2. Aufl. S. 360).
Zudem hat das Landgericht in diesem Zusammenhang nicht erkennbar Besonderheiten des Tat- und Nachtatverhaltens berücksichtigt (vgl. auch BGH, Beschl. vom 28. November 2001 - 5 StR 434/01 - und vom 23. Januar 2002 - 5 StR 391/01). Der Angeklagte hatte seine Mitarbeiterin, als diese sich gegen seinen sexuellen Annäherungsversuch zur Wehr setzte, zuerst bis zur Bewußtlosigkeit gewürgt, sie sodann entkleidet, ihr den Mund verklebt und danach an ihr den Geschlechtsverkehr ausgeübt. Die weiterhin bewußtlose Frau tötete er danach, indem er ihr an elf Stellen des Körpers, darunter in eine Herzkammer, mittels einer 60 ml fassenden Kolbenspritze Dieselöl injizierte. Zu dieser außergewöhnlichen Tötungsform tritt die anschließende Verstümmelung durch eine Reihe von Stichen in den Genital- und Analbereich ebenso hinzu wie die Art, in der die Leiche vergraben war. Sie wurde auf den Unterschenkeln sitzend mit postmortal auf den Rücken gefesselten Händen und auf die Brust herabgedrücktem Kopf aufgefunden. Das Landgericht hat es für möglich gehalten, daß der Angeklagte diese Position bewußt wählte, um den Bestrafungscharakter seiner Tat zu unterstreichen.
Diese Umstände hätten hier im Zusammenhang mit der Entscheidung über die strafrechtliche Verantwortlichkeit ausdrücklicher Erörterung bedurft. Die im Rahmen der Urteilsfeststellungen vom Landgericht geäußerte Mutmaßung, der Angeklagte habe mit seinen massiven Stichen möglicherweise Spuren seines Geschlechtsverkehrs mit der Bewußtlosen beseitigen wollen, greift bei dem im Normbereich intelligenten Angeklagten zu kurz.
2. Dieser Rechtsfehler gefährdet den Schuldspruch wegen Mordes nicht. Zustände, die den schweren anderen seelischen Abartigkeiten zuzurechnen sind, führen nur in seltenen Ausnahmefällen zur Annahme von Schuldunfähigkeit und damit zu völliger Exkulpation (vgl. BGHR StGB § 20 seelische Abartigkeit 3 m. w. N.; BGH NStZ-RR 1999, 359; Jähnke in LK 11. Aufl. § 20 Rdn. 64). Ein solcher Ausnahmefall liegt hier erkennbar nicht vor.
3. Da der Strafausspruch bereits auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts der Aufhebung unterliegt, kommt es auf die Aufklärungsrüge nicht an, in deren Rahmen die Revision - unter Vorlage einer entsprechenden Erklärung der Sachverständigen Prof. Dr. R. und eines Auszugs aus dem Manuskript des von der Sachverständigen in der Hauptverhandlung erstatteten mündlichen Gutachtens - vorträgt, das Landgericht habe die Stellungnahme der Sachverständigen "völlig entstellt" wiedergegeben, tatsächlich sei sie im Gegensatz zu der Wiedergabe ihres Gutachtens im Urteil "ganz eindeutig von einer verminderten Steuerungsfähigkeit des Angeklagten zur Tatzeit ausgegangen". Diese Aufklärungsrüge, mit der die Revision eine erneute Vernehmung der Sachverständigen Prof. Dr. R. vermißt, hätte - wie der Senat in Ergänzung der Antragsschrift des Generalbundesanwalts bemerkt - allerdings auch deshalb kaum Aussicht auf Erfolg gehabt, weil das sie stützende Vorbringen, es sei erstmals in der Hauptverhandlung am 20. März 2001 nach der Entlassung der Sachverständigen die von einem Tötungsplan des Angeklagten ausgehende Tatvariante in den Raum gestellt worden, sich nicht beweisen lassen wird. In dem tatsächlichen Hinweis nach § 265 StPO nimmt die Kammer ausdrücklich Bezug auf vorangegangene Erörterungen dieser Frage. Damit liegt es aber nahe, daß diese Tatvariante auch schon in Anwesenheit der Gutachterin erörtert worden ist.
Tolksdorf Rissing van Saan Miebach
Pfister Richter am Bundesgerichtshof
Becker ist infolge Urlaubs an der Unterschrift gehindert.
Tolksdorf 



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