BGH,
Beschl. v. 7.5.2003 - 5 StR 536/02
5 StR 536/02
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
vom 7. Mai 2003
in der Strafsache gegen
wegen Zuhälterei u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofes hat am 7. Mai 2003
beschlossen:
I. Dem Angeklagten T wird gegen die Versäumung der Frist zur
Begründung der Revision gegen das Urteil des Landgerichts
Berlin vom 20. April 2001 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
gewährt.
II. Auf die Revision des Angeklagten T wird das vorgenannte Urteil
gemäß § 349 Abs. 4 StPO, soweit es ihn
betrifft,
a) im Schuldspruch insoweit abgeändert, als jeweils die
tateinheitlichen Verurteilungen wegen Förderung der
Prostitution in Wegfall kommen, und
b) unter Aufrechterhaltung der Feststellungen im gesamten
Rechtsfolgenausspruch aufgehoben.
III. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird nach §
349 Abs. 2 StPO verworfen.
IV. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer
des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten T wegen Förderung der
Prostitution in drei Fällen, in einem Fall in Tateinheit mit
vorsätzlicher Körperverletzung, mit
Zuhälterei, mit gewerbsmäßiger
Hilfeleistung zum Verstoß gegen § 92 Abs. 1 Nr. 1
AuslG sowie mit Beihilfe zum Verstoß gegen § 92 Abs.
1 Nr. 3 AuslG und zur nach § 61 Abs. 1 AsylVfG unerlaubten
Ausübung einer Erwerbstätigkeit, in einem Fall in
Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung, mit
tateinheitlich in vier Fällen begangener Zuhälterei,
mit gewerbsmäßiger Hilfeleistung zum
Verstoß gegen die §§ 92 Abs. 1 Nr. 1 und
Abs. 2 Nr. 2 AuslG sowie mit Beihilfe zur nach § 61 Abs. 1
AsylVfG unerlaubten Ausübung einer Erwerbstätigkeit,
in einem Fall in Tateinheit mit gewerbsmäßiger
Hilfeleistung zum Verstoß gegen § 92 Abs. 1 Nr. 1
AuslG sowie mit Beihilfe zur nach § 61 Abs. 1 AsylVfG
unerlaubten Ausübung
einer Erwerbstätigkeit zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei
Jahren und sechs Monaten verurteilt. Seine Revision hat in dem aus dem
Beschlußtenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Im
übrigen ist sein Rechtsmittel unbegründet im Sinne
des § 349 Abs. 2 StPO.
Die tateinheitlichen Verurteilungen wegen Förderung der
Prostitution nach § 180a Abs. 1 Nr. 2 StGB a. F. haben aus
Rechtsgründen keinen Bestand. Dieser Straftatbestand ist durch
das Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der
Prostituierten - ProstG - vom 20. Dezember 2001 (BGBl I S. 3983)
aufgehoben worden. Diese Rechtsänderung hat das
Revisionsgericht nach § 354a StPO zu berücksichtigen.
Die Korrektur des Schuldspruches führt zur Aufhebung des
gesamten Strafausspruches, weil nicht ausgeschlossen werden kann,
daß ohne die Berücksichtigung des mittlerweile
außer Kraft getretenen Straftatbestandes das Landgericht
geringere Einzelstrafen und eine niedrigere Gesamtstrafe
verhängt hätte.
Die Anordnung des Verfalls unterliegt durchgreifenden Bedenken.
Insoweit hat das Landgericht die durch die
Zuhältereihandlungen des Angeklagten betroffenen Frauen zu
Unrecht nicht als Verletzte im Sinne des § 73 Abs. 1 Satz 2
StGB angesehen. Das Landgericht hat seine Auffassung darauf
gestützt, daß diese Frauen im Hinblick auf ihre
gesetz- und sittenwidrigen Einkünfte keine Ansprüche
gegen den Angeklagten T hätten. Der Senat kann dahinstehen
lassen, ob diese Rechtsauffassung vor der Neuregelung der
Rechtsverhältnisse der Prostituierten zutreffend war.
Jedenfalls nach der nunmehr getroffenen Wertentscheidung (§ 1
ProstG) sind weder die Rechtsgeschäfte im Zusammenhang mit der
Prostitutionsausübung gemäß § 138
Abs. 1 BGB sittenwidrig und nichtig noch sind rechtliche
Hinderungsgründe ersichtlich, wonach Prostituierte
rechtswidrige Einbußen ihres (jedenfalls auch) aus den
Prostitutionserlösen bestehenden Vermögens nicht im
Wege eines Schadensersatzanspruches geltend machen könnten. Da
die Strafvorschrift des § 181a StGB gerade auch dem Schutz der
Prostituierten dient und sie vor finanzieller Abhängigkeit und
Ausbeutung durch den Zuhälter bewahren will (vgl. BGHSt 42,
179, 180 f.), ist diese Regelung auch Schutzgesetz im Sinne des
§ 823 Abs. 2 BGB.
Der neue Tatrichter wird deshalb festzustellen haben, inwieweit -
über die vom Angeklagten im Vergleichswege bereits zugesagten
Schadensersatzzahlungen in Höhe von 104.000 DM an die
Nebenklägerinnen hinaus -
entsprechende Schadensersatzansprüche bestehen. Dabei sind die
Möglichkeiten der Zurückgewinnungshilfe (§
111b Abs. 5 StPO) in Betracht zu ziehen. Weiterhin sind, da Gegenstand
des Verfalls nach dem Wegfall des § 180a Abs. 1 Nr. 2 StGB a.
F. nur noch die Vorteile aus den verbleibenden
ausländerrechtlichen Taten sein können, nur diese aus
dem Gesamtumfang der Prostitutionserlöse zu
berücksichtigen. Die hierzu noch vorzunehmenden Ermittlungen
berühren die vom Landgericht bislang getroffenen
Feststellungen nicht, weshalb diese im vollen Umfang aufrechterhalten
werden können. Der neue Tatrichter ist nicht gehindert,
zusätzliche Feststellungen zu treffen, die mit den bisherigen
nicht in Widerspruch stehen.
Bei der Neubemessung der Strafen wird die unerklärlich lange
Zeitdauer des Revisionsverfahrens (Übersendung der Akten an
den Generalbundesanwalt erst ein Jahr nach Eingang der
Revisionsbegründung) zu Gunsten des Angeklagten zu
berücksichtigen sein (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 2
Verfahrensverzögerung 13).
Harms Häger Basdorf
Raum Brause
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