BGH,
Beschl. v. 8.2.2000 - 4 StR 488/99
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
4 StR 488/99
vom
8. Februar 2000
in der Strafsache gegen
wegen Vergewaltigung u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des
Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 8. Februar
2000 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO
beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Heidelberg vom 22. April 1999 im gesamten Rechtsfolgenausspruch mit den
Feststellungen aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
Strafkammer des Landgerichts Mannheim zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten unter anderem wegen Vergewaltigung
in vier Fällen, sexueller Nötigung und wegen mehrerer
Straßenverkehrsdelikte unter Einbeziehung einer Strafe aus
einer Vorverurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf
Jahren verurteilt. Ferner hat es gegen ihn wegen Vergewaltigung und
anderem eine weitere Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren
verhängt. Schließlich hat das Landgericht gegen den
Angeklagten eine Sperre für die Erteilung einer Fahrerlaubnis
von fünf Jahren ausgesprochen und Führungsaufsicht
angeordnet. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die
Verletzung formellen und materiellen Rechts.
Das Rechtsmittel ist, soweit es den Schuldspruch betrifft, im Sinne des
§ 349 Abs. 2 StPO unbegründet. Es führt
jedoch mit der Sachrüge zur Aufhebung des gesamten
Rechtsfolgenausspruchs.
1. Zwar gefährdet es den Bestand des Urteils nicht,
daß in den Urteilsgründen - ohne daß
für diesen Widerspruch eine Erklärung ersichtlich ist
- abweichend von der verkündeten Urteilsformel
(Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren) für die zweite
Gesamtstrafe "eine Gesamtfreiheitsstrafe von 3 Jahren und 6 Monaten
für tat- und schuldangemessen" erachtet wird. Insoweit gilt
die für den Angeklagten günstigere
verkündete Urteilsformel (vgl. BGH, Beschlüsse vom
16. Juni 1998 - 4 StR 171/98 - und vom 17. Dezember 1999 - 1 StR
630/99).
2. Der Rechtsfolgenausspruch kann jedoch keinen Bestand haben, da zu
besorgen ist, daß das Landgericht die Möglichkeit
eines zu hohen Gesamtstrafübels nicht hinreichend bedacht hat.
Nötigt wie hier die Zäsurwirkung einer
einzubeziehenden Verurteilung zur Bildung mehrerer Gesamtstrafen,
muß das Gericht einen sich daraus möglicherweise
für den Angeklagten ergebenden Nachteil infolge eines zu hohen
Gesamtstrafübels ausgleichen. Es muß also darlegen,
daß es sich dieser Sachlage bewußt gewesen ist und
erkennen lassen, daß es das Gesamtmaß der Strafen
für schuldangemessen gehalten hat (vgl. BGHSt 41, 310, 313;
BGHR StGB § 55 Bemessung 1; 55 Abs. 1 Satz 1
Zäsurwirkung 11, 12 und 13). Dem wird das angefochtene Urteil
nicht gerecht. Das Landgericht hat nämlich hierzu bei der
Bemessung der Gesamtstrafen lediglich ausgeführt,
"daß sich die Bildung von zwei Gesamtstrafen angesichts der
niedrigen Strafe [von fünf Monaten Freiheitsstrafe] des die
Zäsur bildenden Urteils eher nachteilig für den
Angeklagten auswirkt" (UA 110). Damit hat es aber weder die
Gesamthöhe des ausgesprochenen Freiheitsentzuges von immerhin
acht Jahren erkennbar auf ihre Schuldangemessenheit geprüft
noch das Ergebnis dieser Überprüfung für das
Revisionsgericht nachvollziehbar dargelegt. Der Senat kann daher nicht
ausschließen, daß die Bemessung der Gesamtstrafen
auf diesen Mangel beruht, zumal die Taten des Angeklagten teilweise
bereits längere Zeit zurückliegen (Tatzeit im Fall 1:
August 1991; im Fall 2.1: 10. Juni 1995), zudem die das Schwergewicht
der Verurteilung bildenden Straftaten nach § 177 StGB
überwiegend im Rahmen bestehender sexueller Beziehungen
begangen wurden und das hierbei vom Angeklagten angewandte
Maß der Gewalt eher im unteren Bereich anzusiedeln ist. Er
hebt auch die Einzelstrafen und die
Maßregelaussprüche auf, um dem neuen Tatrichter
Gelegenheit zu geben, umfassend über die Rechtsfolgen zu
befinden. Dieser wird auch zu bedenken haben, daß die
Anordnung von Führungsaufsicht, die die Wahrscheinlichkeit
erneuter Straffälligkeit des Angeklagten voraussetzt (vgl.
hierzu Stree in Schönke/Schröder StGB 25. Aufl.
§ 68 Rdn. 6), bei der Verhängung
mehrjähriger Freiheitsstrafen in der Regel entbehrlich ist
(vgl. BGHR StGB § 256 Führungsaufsicht 1;
Tröndle/Fischer StGB 49. Aufl. § 68 Rdn. 6).
Der Senat macht von der Möglichkeit des § 354 Abs. 2
Satz 1 2. Alt. StPO Gebrauch.
Meyer-Goßner Kuckein Athing
Solin-Stojanovic Ernemann |