BGH,
Beschl. v. 8.1.2008 - 1 StR 644/07
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
1 StR 644/07
vom
8.1.2008
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.
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Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 8.1.2008 beschlossen:
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
München I vom 25. Juli 2007 wird mit der Maßgabe
verworfen, dass die Anordnung des Vorwegvollzugs eines Teils der
Freiheitsstrafe entfällt.
2. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels und die dadurch
der Nebenklägerin entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher
Körperverletzung in Tateinheit mit zwei tateinheitlich
begangenen Bedrohungen und einer Nötigung sowie wegen
Freiheitsberaubung und wegen Nötigung zu einer
Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten
verurteilt. Es hat darüber hinaus die Unterbringung des
Angeklagten in einer Entziehungsanstalt sowie einen teilweisen
Vorwegvollzug der Strafe von zwei Jahren sechs Monaten angeordnet.
Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit einer
Verfahrensrüge und der Sachrüge. Das Rechtsmittel hat
nur hinsichtlich des angeordneten teilweisen Vorwegvollzugs Erfolg.
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1. Die Nachprüfung des Urteils auf Grund der
Revisionsrechtfertigung hat zum Schuld- und Strafausspruch sowie zur
Anordnung der Unterbringung in
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einer Entziehungsanstalt keinen den Angeklagten beschwerenden
Rechtsfehler ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO). Zur
Verfahrensrüge, das Gericht habe die Vernehmung eines Zeugen
zu Unrecht abgelehnt, bemerkt der Senat ergänzend: Ohne dass
es auf weiteres ankäme, kann das Urteil angesichts der
sonstigen Beweislage nicht auf der unterbliebenen Vernehmung des Zeugen
T. beruhen.
2. Allerdings kann die vom Landgericht vorgenommene Anordnung
über die Vollstreckungsreihenfolge von Strafe und
Maßregel nicht bestehen bleiben. Das Landgericht verweist bei
seiner Entscheidung über die Vollstreckungsreihenfolge auf
§ 67 Abs. 2 StGB nF (Gesetz vom 16. Juli 2007, BGBl I 1327).
Es geht davon aus, dass unter Berücksichtigung des
Vorwegvollzugs (auf den die zum Urteilszeitpunkt etwa drei Monate
andauernde Untersuchungshaft anzurechnen ist, vgl. BGH NJW 1991, 2431;
Fischer, StGB 55. Aufl. § 67 Rdn. 9 m.w.N.) und einer Dauer
des Maßregelvollzugs von etwa zwei Jahren sowie einer
erfolgreichen Beendigung der Therapie „eine Reststrafe von
etwa einem Jahr verbleiben (würde), die zur Bewährung
ausgesetzt werden könnte“. Dies hält
rechtlicher Prüfung nicht stand.
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Gemäß § 67 Abs. 1 StGB ist die
Maßregel vor der Strafe zu vollstrecken. Das Gericht bestimmt
jedoch, dass die Strafe oder ein Teil der Strafe vor der
Maßregel zu vollziehen ist, wenn der Zweck der
Maßregel dadurch leichter erreicht wird (§ 67 Abs. 2
Satz 1 StGB). Ist - wie hier - eine Freiheitsstrafe von mehr als drei
Jahren verhängt, „soll“ das Gericht
bestimmen, dass ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu
vollziehen ist (§ 67 Abs. 2 Satz 2 StGB); dies also dann, wenn
nicht aus gewichtigen Gründen des Einzelfalls eine andere
Entscheidung eher die Erreichung eines Therapieerfolges erwarten
lässt (vgl. näher Fischer aaO Rdn. 10, 12 m.w.N.).
Liegen - wie hier - keine Gründe vor, die gegen eine Anordnung
des Vorwegvollzugs eines Teils der Strafe sprechen, so
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hat der Tatrichter im Erkenntnisverfahren bei der Bemessung des vorweg
zu vollziehenden Teils der Strafe keinen Beurteilungsspielraum mehr.
„Dieser Teil ist so zu berechnen, dass nach seiner
Vollstreckung und einer anschließenden Unterbringung eine
Bewährungsentscheidung [nach § 67 Abs. 5 Satz 1 StGB
nF] möglich ist“ (vgl. BTDrucks. 16/1110 S. 11).
Hier hat die Strafkammer dagegen den Vorwegvollzug so bemessen, dass
nach Erledigung der Maßregel nur noch ein Jahr zur
Bewährung ausgesetzt werden könnte. Eine solche
Bemessung des teilweisen Vorwegvollzugs ist dem Tatrichter im
Erkenntnisverfahren nach dem eindeutigen Willen des Gesetzgebers
versagt.
Der Senat hat davon abgesehen, die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung zurückzuverweisen. Im Hinblick auf die bisher
verbüßte und auf den Vorwegvollzug anzurechnende
Untersuchungshaft von etwa neun Monaten würde jede weitere
Untersuchungshaft der Möglichkeit einer Halbstrafenentlassung
zuwiderlaufen. Der Senat erkennt daher entsprechend § 354 Abs.
1 StPO auf den Wegfall der Anordnung über den Vorwegvollzug.
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3. Der nur geringfügige Erfolg der Revision rechtfertigt es
nicht, den Beschwerdeführer - teilweise - von den durch sein
Rechtsmittel entstandenen Kosten und Auslagen freizustellen.
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Wahl Boetticher Hebenstreit
Elf Graf |