BGH,
Beschl. v. 8.7.2008 - 3 StR 190/08
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
3 StR 190/08
vom
8. Juli 2008
in der Strafsache
gegen
wegen Körperverletzung mit Todesfolge
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Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des
Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 8. Juli 2008
gemäß § 349 Abs. 4 StPO einstimmig
beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Hildesheim vom 6. Februar 2008 mit den Feststellungen aufgehoben. Die
Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über
die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des
Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Körperverletzung mit
Todesfolge zur Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt.
Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er
das Verfahren beanstandet und die Verletzung sachlichen Rechts
rügt. Das Rechtmittel hat mit der Sachrüge Erfolg.
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I. Nach den Feststellungen kam es am frühen Morgen des 23.
April 2006 zwischen dem Angeklagten und seiner Ehefrau nach einem
verbalen Streit zu einer tätlichen Auseinandersetzung. In
deren Verlauf setzte sich der 128 kg schwere Angeklagte mit Schwung auf
den Brustkorb seiner mit dem Rücken am Boden liegenden Frau.
Dadurch brachen die Rippen der Geschädigten insgesamt 18 Mal.
Der Angeklagte blieb mindestens zwei Minuten so auf seiner Frau sitzen,
dass ihr Brustkorb stark komprimiert wurde und sie kaum Luft bekam.
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Zum Tatzeitpunkt war der Angeklagte wegen eines Affektdurchbruchs in
der spezifischen Konfliktsituation in Verbindung mit seiner
Alkoholisierung (BAK höchstens 1,15 ‰) nicht
ausschließbar in seiner Steuerungsfähigkeit
erheblich beeinträchtigt.
Vom 25. bis 28. April 2006 wurde das Tatopfer im Krankenhaus behandelt.
Bei zwei Röntgenuntersuchungen diagnostizierten die
Ärzte lediglich Frakturen von drei Rippen. Am 2. Mai 2006
konsultierte die Geschädigte wegen ihrer Verletzungen einen
Hausarzt, der ihr Schmerztabletten verschrieb und häusliche
Ruhe verordnete. Sie suchte ihn am 9. Mai 2006 nochmals wegen
Beinbeschwerden auf. In der Folgezeit verschlechterte sich ihr
Gesundheitszustand immer mehr. Sie verstarb in der Nacht auf den 24.
Mai 2006. Todesursächlich war ein toxischresorptives
Herz-/Kreislaufversagen infolge Sepsis bei insgesamt 18
Rippenserienfrakturen, oft mit Durchspießungen nach
außen und innen, mit Vereiterung der rechten
Brusthöhle als Folge der Rippenverletzungen.
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Die Strafkammer ist davon ausgegangen, dass der Zurechnungszusammenhang
zwischen der Körperverletzung und dem Tod weder durch einen
schweren Behandlungsfehler der Krankenhausärzte noch ein
selbst schädigendes Verhalten des Tatopfers unterbrochen
wurde. Zum subjektiven Tatbestand hat sie ausgeführt, der
Körperverletzungsvorsatz folge aus dem objektiven Geschehen;
insbesondere sei der Angeklagte aufgrund seines beträchtlichen
Gewichts davon ausgegangen und habe billigend in Kauf genommen, dass er
seine nur halb so schwere Ehefrau durch längeres Sitzen auf
deren Thorax erheblich verletzen werde.
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II. Gegen den Schuldspruch bestehen durchgreifende rechtliche Bedenken.
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1. Die Strafkammer hat nicht ausdrücklich festgestellt, dass
der Angeklagte bei der vorsätzlich begangenen
Körperverletzung den Tod seiner Ehefrau - wie es § 18
StGB i. V. m. § 227 StGB verlangt - wenigstens
fahrlässig verursacht hat, also die Todesfolge voraussehen
konnte (vgl. Fischer, StGB 55. Aufl. § 227 Rdn. 7). Dies liegt
wegen der Besonderheiten des Tatgeschehens nicht von vornherein so auf
der Hand, dass Ausführungen dazu entbehrlich gewesen
wären.
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2. Der Fahrlässigkeitsvorwurf ergibt sich insbesondere nicht
zweifelsfrei aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe.
Zwar hat das Landgericht eine gefährliche
Körperverletzung mit der Qualifikation einer das Leben
gefährdenden Behandlung gemäß §
224 Abs. 1 Nr. 5 StGB angenommen, was häufig die
Voraussehbarkeit einer dadurch verursachten Todesfolge
einschließt. Jedoch enthält die Begründung,
mit der es diese Alternative bejaht hat, durchgreifende Rechtsfehler.
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a) Die Begründung bezieht sich schon nicht auf die
Tathandlung, durch die die Verletzungen, die in der Folgezeit letztlich
zum Tode der Geschädigten führten, verursacht wurden.
Nach den Feststellungen brachen die Rippen nämlich bereits
durch das schwungvolle Setzen auf den Brustkorb der Frau. Den bedingten
Körperverletzungsvorsatz in der Qualifikation einer das Leben
gefährdenden Behandlung hat das Landgericht jedoch aus dem
Umstand hergeleitet, dass der Angeklagte mindestens zwei Minuten lang
auf dem Thorax des Tatopfers sitzen blieb.
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b) Abgesehen davon genügen die Ausführungen des
Landgerichts nicht den Anforderungen, die an subjektiven Tatbestand der
gefährlichen Körperverletzung in der Alternative
einer das Leben gefährdenden Behandlung zu stellen sind.
Dieser setzt voraus, dass der Täter mit Verletzungsvorsatz
handelt und
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dabei die Umstände erkennt, aus denen sich in der konkreten
Situation die Lebensgefährlichkeit ergibt, also die Handlung
nach seiner Vorstellung auf Lebensgefährdung "angelegt" ist
(vgl. BGHR StGB Lebensgefährdung 5 und 6; Fischer aaO
§ 224 Rdn. 13). Ob der Angeklagte beim schwungvollen Setzen
auf den Brustkorb diese Kenntnis besaß, hat das Landgericht
nicht erkennbar geprüft.
Der subjektive Tatbestand ergibt sich bei dem hier gegebenen
außergewöhnlichen Sachverhalt nicht von selbst aus
der Schilderung des äußeren Tatgeschehens. Das
Landgericht hätte deshalb eine Gesamtwürdigung
vornehmen und die Umstände, die gegen die Vorstellung des
Angeklagten sprechen könnten, seine Handlung sei auf mehr als
Körperverletzung, nämlich auf
Lebensgefährdung, angelegt gewesen, in seine
Überlegungen einbeziehen müssen. Insbesondere
hätte es würdigen müssen, dass
handgreifliche Auseinandersetzungen zwischen den Eheleuten nicht
unüblich waren, die festgestellte Verletzungshandlung spontan
im Rahmen einer schnell eskalierenden Aus- einandersetzung erfolgte, an
der sich die Geschädigte selbst mit Beschimpfungen und
Tätlichkeiten aktiv beteiligte, und die Rippenfrakturen nach
einer sehr kurzen Gewalteinwirkung entstanden. Es hätte auch
bedenken müssen, dass der alkoholisierte und affektiv
aufgeladene Angeklagte in seiner Steuerungsfähigkeit nicht
ausschließbar erheblich eingeschränkt war.
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III. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf
Folgendes hin:
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Der Zurechnungszusammenhang zwischen der Körperverletzung und
der Todesfolge (vgl. Fischer, StGB 55. Aufl. § 226 Rdn. 2 ff.)
bedarf sorgfältiger Prüfung.
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Soweit ein Behandlungsfehler der Krankenhausärzte in Betracht
kommt, ist zunächst mit Blick auf dessen Schweregrad
festzustellen, wie viele Rippenbrüche ein radiologisch
ausgebildeter Arzt auf den gefertigten Röntgenbildern bei
sorgfältiger Auswertung tatsächlich erkennen konnte
oder ob etwa ein unklarer medizinischer Befund Anlass für
weitergehende Untersuchungen gab. Von Bedeutung für den
Schweregrad eines eventuellen Behandlungsfehlers und eine
mögliche Unterbrechung des Zurechnungszusammenhangs
dürfte auch sein, welche Behandlung aufgrund des Ergebnisses
einer sorgfältigen Diagnose nach den Regeln der
ärztlichen Kunst geboten war.
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Es ist weiterhin zu bedenken, ob ein den Zurechnungszusammenhang
unterbrechendes selbst schädigendes Verhalten des Tatopfers
möglicherweise darin zu sehen ist, dass es nach dem 2. Mai
2006 wegen der Rippenfrakturen keine ärztliche Hilfe mehr in
Anspruch nahm, obwohl sich der Gesundheitszustand ständig
verschlechterte. Dabei wird von Bedeutung sein, welche Schmerzen und
körperliche Symptome auftraten und inwieweit diese die
Verletzte zur Inanspruchnahme weiterer ärztlicher Hilfe
drängten. Die Argumentation im aufgehobenen Urteil, der
Angeklagte habe voraussehen können, dass sich seine Ehefrau
aus Scham nicht weiterbehandeln lassen würde, um den wahren
Grund der Verletzungen zu vertuschen, überzeugt schon deshalb
nicht, weil den behandelnden Ärzten die mit einem Treppensturz
erklärten Verletzungen bereits bekannt waren.
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Auch wird in den Blick zu nehmen sein, ob das Zusammenwirken eines
ärztlichen Behandlungsfehlers und eines selbst
schädigenden Verhaltens zu einer Unterbrechung des
Zurechnungszusammenhangs geführt hat.
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RiBGH Pfister befindet sich im
Urlaub und ist daher gehindert
zu unterschreiben.
Becker Miebach Becker
von Lienen Sost-Scheible |