BGH,
Beschl. v. 8.5.2007 - 4 StR 173/07
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
4 StR 173/07
vom
8.5.2007
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u. a.
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Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des
Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 8.05.2007
gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Frankenthal vom 8. Dezember 2006 im Strafausspruch aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in Tateinheit
mit gefährlicher Körperverletzung zu einer
Freiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt. Mit seiner Revision
rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen
Rechts. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge zum
Strafausspruch Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet
im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
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Der Strafausspruch hat keinen Bestand:
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Strafschärfend hat das Landgericht berücksichtigt,
dass der Angeklagte "gleich drei Tatbestandsalternativen" des
§ 224 Abs. 1 StGB verwirklicht habe. Nach den rechtsfehlerfrei
getroffenen Feststellungen hat der Angeklagte die
Körperverletzung zwar mittels eines anderen
gefährlichen Werkzeugs und einer
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das Leben gefährdenden Behandlung (§ 224 Abs. 1 Nr. 2
und 4 StGB) begangen, entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht
aber auch mittels eines hinterlistigen Überfalls im Sinne des
§ 224 Abs. 1 Nr. 3 StGB. Dass der Beschwerdeführer
den Schuldspruch wegen gefährlicher Körperverletzung
ausdrücklich von seinem Revisionsangriff ausgenommen hat,
steht der sachlichen rechtlichen Nachprüfung hier nicht
entgegen, weil bei Tateinheit die Revision nicht wirksam auf einzelne
rechtliche Gesichtspunkte des Schuldspruchs beschränkt werden
kann (vgl. BGHSt 21, 256, 258; Meyer-Goßner, StPO 49. Aufl.
§ 318 Rdn. 13 m.w.N.).
Hinterlist setzt voraus, dass der Täter, wenn er das Opfer -
wie hier - plötzlich von hinten angreift, dabei
planmäßig in einer auf Verdeckung seiner wahren
Absicht gerichteten Weise vorgeht, um dadurch dem Überfallenen
die Abwehr des nicht erwarteten Angriffs zu erschweren und eine
Vorbereitung auf die Verteidigung auszuschließen (vgl. BGH
NStZ 2005, 97; BGHR StGB § 223 a StGB Hinterlist 1; jew.
m.w.N.). Ein solches planmäßig auf Verdeckung
ausgerichtetes Verhalten des Angeklagten kann den vom Landgericht
getroffenen Feststellungen jedoch entgegen der Auffassung des
Generalbundesanwalts nicht entnommen werden. Vielmehr fasste der
Angeklagte danach den Entschluss, die Nebenklägerin zu
überfallen, erst, nachdem diese an ihm vorbeigegangen war.
Indem der Angeklagte sich der Nebenklägerin, von dieser
unbemerkt, von hinten näherte, ihr zwei an den Enden fest
verknotete Schnürsenkel um den Hals legte und diese drosselte,
hat der Angeklagte für den Angriff lediglich das
Überraschungsmoment ausgenutzt. Das genügt aber
für Hinterlist im Sinne des § 224 Abs. 1 Nr. 3 StGB
nicht (st. Rspr.; vgl. BGH NStZ 2005, 97 m.w.N.).
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Die Erwägung des Landgerichts, die Tat sei aufgrund ihrer
Begehungsweise geeignet, das "Sicherheitsgefühl der
Bevölkerung schwerwiegend zu be-
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einträchtigen", lässt besorgen, dass es sich bei der
Bemessung der Höhe der verhängten Freiheitsstrafe
auch von generalpräventiven Erwägungen hat leiten
lassen. Der Schutz der Allgemeinheit durch Abschreckung (nicht nur des
Angeklagten, sondern auch) anderer möglicher
künftiger Rechtsbrecher rechtfertigt eine schwerere Strafe als
sie sonst angemessen wäre nur dann, wenn eine
gemeinschaftsgefährliche Zunahme solcher oder
ähnlicher Straftaten, wie sie zur Aburteilung stehen,
festgestellt worden ist (vgl. BGH StraFo 2005, 515 m.N.). Das ist hier
jedoch nicht belegt.
Die Revision beanstandet zudem zu Recht, dass sich das Landgericht an
einer strafmildernden Berücksichtigung des vom Angeklagten
hinsichtlich der gefährlichen Körperverletzung
abgelegten Geständnisses gehindert gesehen hat, "weil seine
Einlassung, wie deren Entwicklung zeigt, lediglich der Beweislage
Rechnung trug und von taktischen Überlegungen getragen war".
Zwar kann in einem solchen Fall einem Geständnis eine
wesentlich strafmildernde Bedeutung fehlen (vgl. BGHSt 43, 195, 209;
BGH DAR 1999, 195, jew. m.w.N.). Dafür, dass es sich hier so
verhält, geben die Urteilsgründe jedoch nichts her.
Bei der Beurteilung der Motive für die Ablegung eines
Geständnisses ist aber im Zweifel von der für den
Angeklagten günstigsten Möglichkeit auszugehen (vgl.
BGH DAR 1999, 195 m.N.).
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Da nicht auszuschließen ist, dass sich die aufgezeigten
Rechtsfehler auf die Bemessung der Höhe der gegen den bislang
strafrechtlich "nur ganz unerheblich in Erscheinung" getretenen
Angeklagten verhängten Strafe ausgewirkt haben, hebt der Senat
den Strafausspruch auf. Die zugrunde liegenden Feststellungen
können jedoch bestehen bleiben, weil sie rechtsfehlerfrei
getroffen worden sind. Ergänzende Feststellungen, die hierzu
nicht in Widerspruch stehen, sind zulässig.
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Maatz RiBGH Prof.Dr.Kuckein und Athing RiBGH Dr.Ernemann sind
urlaubsbedingt ortsabwesend und deshalb verhindert zu unterschreiben.
Maatz
Sost-Scheible |