BGH,
Beschl. v. 9.8.2007 - 4 StR 283/07
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
4 StR 283/07
vom
9.8.2007
in der Strafsache
gegen
wegen schwerer räuberischer Erpressung
- 2 -
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des
Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 9.8.2007
gemäß §§ 349 Abs. 2 und 4, 354 a
StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Halle vom 16. Februar 2007, soweit es den Angeklagten betrifft,
aufgehoben, soweit eine Entscheidung über die
Vollstreckungsreihenfolge gemäß § 67 Abs. 2
StGB n.F. unterblieben ist.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten der schweren räuberischen
Erpressung für schuldig befunden und ihn zu einer
Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Ferner
hat es die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt
angeordnet. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner
Revision, mit der er allgemein die Verletzung sachlichen Rechts
rügt.
1
Die Überprüfung des Urteils auf Grund der
Revisionsrechtfertigung hat zum Schuld- und zum Strafausspruch keinen
Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs.
2 StPO). Auch der Maßregelausspruch hält
2
- 3 -
der rechtlichen Nachprüfung stand. Zwar könnte die
Formulierung im angefochtenen Urteil, "ein Erfolg der Unterbringung
(sei) nicht ausgeschlossen", darauf hindeuten, dass das Landgericht
einen nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 91,
1) unzutreffenden Maßstab angelegt und verkannt hat, dass die
Anordnung danach eine hinreichend konkrete Erfolgsaussicht voraussetzt,
wie dies nunmehr auch § 64 Abs. 1 Satz 2 StGB i.d.F. des
Gesetzes zur Sicherung der Unterbringung in einem psychiatrischen
Krankenhaus und in einer Entziehungsanstalt vom 16. Juli 2007 (BGBl I
1327) bestimmt. Doch gefährdet dies hier den
Maßregelausspruch nicht. Denn die von dem gehörten
Sachverständigen herausgestellten "positive(n)
Prädiktoren" (UA 17 a.E.), wonach dem Angeklagten die
negativen Folgen seiner Drogensucht bewusst sind, er auch bereits in
Freiheit einen Entwöhnungsversuch gewagt hat und er
ersichtlich bislang wegen seiner Sucht noch nicht behandelt worden ist,
rechtfertigen ohne Weiteres die Annahme, dass für den
Angeklagten eine hinreichend konkrete Aussicht des Behandlungserfolges
besteht (vgl. BGH, Beschlüsse vom 30. Juli 2003 - 2 StR 245/03
- und vom 1. August 2003 - 2 StR 257/03).
Die Sache ist indes an das Landgericht zurückzuverweisen, weil
nach § 67 Abs. 2 Satz 2 StGB i.d.F. des vorgenannten Gesetzes
vom 16. Juli 2007 das Gericht bei der Anordnung der Unterbringung in
einer Entziehungsanstalt neben einer zeitigen Freiheitsstrafe von
über drei Jahren bestimmen soll, dass ein Teil der Strafe vor
der Maßregel zu vollziehen ist. Eine solche Entscheidung
über eine Änderung der gesetzlichen
Vollstreckungsreihenfolge gemäß § 67 Abs. 2
StGB bisheriger Fassung war für die Strafkammer nicht
veranlasst. Der Senat hat jedoch gemäß §
354 a StPO die am 20. Juli 2007 in Kraft getretene neue Regelung seiner
Entscheidung zu Grunde zulegen. Dies führt zur Aufhebung und
Zurückverweisung der Sache an das Landgericht, das nunmehr Ge-
3
- 4 -
legenheit haben muss, eine ausdrückliche Entscheidung zur
Vollstreckungsreihenfolge zu treffen.
Der Angeklagte ist durch eine solche nachträgliche
Entscheidung unter keinen Umständen beschwert. Denn im
Zusammenhang mit der gleichzeitig erfolgten Änderung von
§ 67 Abs. 5 Satz 1 StGB gemäß Artikel 1 Nr.
2 Buchst. d) des Gesetzes ist gewährleistet, dass auch bei dem
Vorwegvollzug eines Teils der Freiheitsstrafe eine Aussetzung des
Strafrestes nach Verbü-ßung der Hälfte
möglich ist. Darauf ist nach § 67 Abs. 2 Satz 3 StGB
n.F. bei der Berechnung des vorweg zu vollziehenden Teils der Strafe
Bedacht zu nehmen (vgl. BTDrucks. 16/1110 S. 14). Im Übrigen
hat der Gesetzgeber die Vorschrift des § 67 Abs. 2 Satz 2 StGB
n.F. als "Soll-Vorschrift" ausgestaltet, um dem Gericht im Einzelfall,
namentlich bei aktuell dringender Therapiebedürftigkeit des
Betreffenden, die Möglichkeit zu eröffnen, es beim
Vorwegvollzug der Maßregel nach § 67 Abs. 1 StGB zu
belassen (vgl. BTDrucks. aaO). Schließlich wird dem Gericht
hierdurch ermöglicht, bei seiner Entscheidung zu
berücksichtigen, dass die Neuregelung nach dem
gesetzgeberischen Willen nicht zu einer Verlängerung der
Gesamtdauer des Freiheitsentzuges führen darf und das Gericht
deshalb, wenn eine solche Verlängerung im Einzelfall zu
4
- 5 -
befürchten wäre, im Rahmen des ihm
eingeräumten Ermessens auf die Umkehr der
Vollstreckungsreihenfolge zu verzichten haben wird (BTDrucks. 16/5137
IV 2 zu Artikel 1 zu Nummer 2 Buchst. a), S. 25 der elektronischen
Vorab-Fassung).
Tepperwien Maatz Kuckein
RiBGH Dr. Ernemann ist infolge Urlaubs gehindert zu unterschreiben
Tepperwien Sost-Scheible |