BGH,
Beschl. v. 9.7.2004 - 2 StR 155/04
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
2 StR 155/04
vom
9. Juli 2004
in der Strafsache
gegen
wegen sexuellen Mißbrauchs von Kindern u.a.
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Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des
Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 9. Juli 2004
gemäß § 349 Abs. 2
und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Wiesbaden vom 6. Oktober 2003
a) im Schuldspruch geändert:
Der Angeklagte ist schuldig des sexuellen Mißbrauchs von
Kindern in acht Fällen, davon in zwei Fällen in
Tateinheit mit
sexuellem Mißbrauch von Schutzbefohlenen, des sexuellen
Mißbrauchs von Schutzbefohlenen in 20 Fällen, der
sexuellen
Nötigung in zwei Fällen, jeweils in Tateinheit mit
sexuellem
Mißbrauch von Kindern und sexuellem Mißbrauch von
Schutzbefohlenen,
b) mit den Feststelllungen aufgehoben im Strafausspruch hinsichtlich
der Taten zwischen November 2000 und Januar
2001 und im Ausspruch über die Gesamtstrafe.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels,
an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision wird verworfen.
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Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen
Mißbrauchs von
Kindern in 28 Fällen, davon in 26 Fällen in
Tateinheit mit sexuellem Mißbrauch
von Schutzbefohlenen, sowie wegen sexueller Nötigung in zwei
Fällen, jeweils
in Tateinheit mit sexuellem Mißbrauch von Kindern und
sexuellem Mißbrauch
von Schutzbefohlenen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Jahren
verurteilt.
Die gegen diese Entscheidung gerichtete, auf die Rüge der
Verletzung
formellen und sachlichen Rechts gestützte Revision des
Angeklagten hat mit
der Sachrüge in dem aus der Beschlußformel
ersichtlichem Umfang Erfolg. Im
übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne von
§ 349 Abs. 2 StPO.
1. In den vier Fällen, die im Tatzeitraum zwischen Ende der
Sommerferien
1995 und dem 10. Oktober 1995 begangen wurden (UA S. 4-6), ist, wie
der Generalbundesanwalt zutreffend ausführt, hinsichtlich des
tateinheitlich
begangenen sexuellen Mißbrauchs von Schutzbefohlenen
Strafverfolgungsverjährung
eingetreten. Erste Unterbrechungshandlung im Sinne von § 78c
Abs. 1
Nr. 1 StGB war die erstmalige Vernehmung des Angeklagten am 21. August
2001. Zu diesem Zeitpunkt war - da die Tatzeiten insoweit nicht sicher
festgestellt
werden konnten und sie auch vor diesem Zeitpunkt liegen können
- bereits
Strafverfolgungsverjährung eingetreten. Die tateinheitliche
Verurteilung
wegen sexuellen Mißbrauchs von Schutzbefohlenen muß
deshalb in diesen
Fällen entfallen. Bestehen bleibt die Verurteilung wegen
sexuellen Mißbrauchs
von Kindern nach § 176 StGB. Auswirkungen auf den
Strafausspruch hat diese
Änderung des Schuldspruchs nicht. Nach den
Urteilsgründen ist der Umstand
tateinheitlicher Begehung mehrerer Straftatbestände nicht zum
Nachteil des
Angeklagten berücksichtigt worden. Strafschärfend
verwertet werden durfte
trotz der Verjährung des Vergehens nach § 174 StGB,
daß der Angeklagte "un-
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ter Ausnutzung eines bestehenden Vertrauensverhältnisses"
handelte (UA
S. 39).
2. Keinen Bestand haben kann des Weiteren die Verurteilung des
Angeklagten
wegen sexuellen Mißbrauchs von Kindern (§ 176 StGB)
hinsichtlich der
in der Zeit von November 2000 bis Januar 2001 verübten 20
Mißbrauchsfälle
zum Nachteil der Stieftochter V. H. (UA S. 8). Das Tatopfer ist am 4.
Oktober
1986 geboren und hat somit das 14. Lebensjahr am 4. Oktober 2000
vollendet.
Die Feststellungen ergeben nicht, daß einzelne
Vorfälle vor dem 4. Oktober
2000 geschehen sind. Die Verurteilung wegen sexuellen
Mißbrauchs von Kindern
hat somit für die Zeit von November 2000 bis Januar 2001 zu
entfallen.
Bestehen bleibt aber die rechtsfehlerfreie Verurteilung wegen sexuellen
Mißbrauchs
von Schutzbefohlenen in diesen Fällen.
Einzelstrafen für die Taten in der Zeit von November 2000 bis
Januar
2001 hat das Landgericht nicht festgesetzt. Eine Nachholung der
fehlenden
Festsetzung der 20 Einzelstrafen durch den Senat entsprechend dem Antrag
des Generalbundesanwalts scheidet schon angesichts des
geänderten Schuldspruchs
aus. Der neue Tatrichter wird Gelegenheit haben, die Festsetzung
nachzuholen. Das Verschlechterungsverbot (§ 358 Abs. 2 StPO)
steht dem
nicht entgegen (BGHSt 4, 345, 346; BGHR StPO § 358 II 1
Einzelstrafe, fehlende
2; § 354 Abs. 1 Strafausspruch 10 m.w.N).
Die Aufhebung erfaßt auch die Gesamtfreiheitsstrafe, da ohne
die
Kenntnis der Einzelstrafen in den 20
Mißbrauchsfällen in der Zeit von November
2000 bis Januar 2001 deren rechtlich zutreffende Bildung nicht
überprüft
werden kann.
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Für die neue Verhandlung weist der Senat daraufhin,
daß eine im Vergleich
zur Einsatzstrafe stark erhöhte Gesamtstrafe besonderer
Begründung
bedarf (vgl. BGH StV 2003, 555, 556).
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Unterschrift gehindert.
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