BGH,
Urt. v. 1.3.2007 - 4 StR 544/06
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 544/06
vom
1.3.2007
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen zu 1.: bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln
in nicht geringer Menge u.a.
zu 2. und 3.: unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln
in nicht geringer Menge
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Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
1.3.2007, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Tepperwien,
Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Kuckein, Athing,
Richterin am Bundesgerichtshof Solin-Stojanović,
Richter am Bundesgerichtshof Dr. Ernemann als beisitzende Richter,
Staatsanwalt als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin
als Verteidigerin für den Angeklagten S. ,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
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1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des
Landgerichts Münster vom 3. Juli 2006, soweit es die
Angeklagten St. , E. und S. betrifft, im Ausspruch über den
Verfall von Wertersatz mit den zugehörigen Feststellungen
aufgehoben.
2. Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine
andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Gründe:
I.
Das Landgericht hat die Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in einer
Vielzahl von Einzelfällen, den Angeklagten St.
zusätzlich in einem Fall unter Mitführen einer Waffe
und in Tateinheit mit gefährlichem Eingriff in den
Straßenverkehr und mit unerlaubtem Führen einer
halbautomatischen Kurzwaffe, zu jeweils mehrjährigen
Gesamtfreiheitsstrafen verurteilt. Zugleich hat es - neben weiteren
Maßregeln nach §§ 64, 69 a StGB - bei den
Angeklagten E. und S. sichergestellte Geldbeträge in
Höhe von 7.010 € (E. ) und 7.000 € (S. )
für verfallen erklärt sowie gegen alle drei
Angeklagten den Verfall von Wertersatz angeordnet, und zwar gegen den
Angeklagten St. in Höhe von 19.500 €, gegen den
Angeklagten E. in Höhe von 4.000 € und gegen den
Angeklagten S. in Höhe von 3.000 €. Darüber
hinaus wurden die vom Angeklagten St. verwen-
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dete Schusswaffe und die bei ihm sichergestellten
Betäubungsmittel eingezogen. Mit ihren zu Ungunsten der
Angeklagten eingelegten und wirksam (vgl. BGH NStZ-RR 1997, 270;
Meyer-Goßner StPO 49. Aufl. § 318 Rdn. 22) auf die
Aussprüche über den Wertersatzverfall
beschränkten Revisionen rügt die Staatsanwaltschaft
die Verletzung materiellen Rechts. Die Rechtsmittel erweisen sich als
begründet.
II.
1. Nach den Feststellungen erwarb der Angeklagte St. in insgesamt
zwölf Fällen von diversen Lieferanten
Betäubungsmittel (Heroin) in Mengen von 100 bis zu 400 g, die
er nach Streckung, zumeist gemeinsam mit dem früheren
Mitangeklagten P. , gewinnbringend weiterveräußerte.
Soweit P. beteiligt war, teilte er sich den erzielten Gewinn
hälftig mit diesem. Abnehmer des Angeklagten St. waren die
Angeklagten E. und S. , die ihrerseits überwiegend die Drogen
mit Gewinn an Endkonsumenten weiterverkauften. Bei ihrer Festnahme
führte der Angeklagte E. Geldscheine im Gesamtwert von 7.010
€ und der Angeklagte S. solche im Gesamtwert von 7.000
€ bei sich, die aus den Drogenverkäufen stammten. Der
Verbleib der übrigen von den Angeklagten aus den
Betäubungsmittelverkäufen erlangten Geldscheine
konnte nicht geklärt werden.
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2. a) Im Ansatz zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass
die von den Angeklagten aus den
Betäubungsmittelgeschäften erzielten Erlöse,
soweit die Anordnung des Verfalls nach § 73 StGB an den
unmittelbar aus den Drogenverkäufen erlangten Geldscheinen aus
tatsächlichen Gründen nicht mehr möglich
war, dem Wertersatzverfall gemäß § 73 a
StGB unterliegen. Bei
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der Bemessung der Höhe des Wertersatzverfalls hat es sodann im
Weiteren ausgeführt:
Der Angeklagte St. habe aus den
Betäubungsmittelverkäufen zwar insgesamt 92.500
€ erlangt. Hiervon seien ihm jedoch nach Abzug der gezahlten
Einkaufspreise und der an P. abgeführten Gewinnbeteiligungen
nicht mehr als 19.500 € verblieben. Gemäß
§ 73 c Abs. 1 Satz 2 StGB werde daher die Anordnung des
Ersatzverfalls auf einen Geldbetrag in dieser Höhe
beschränkt, „auch wenn der Angeklagte St. zusammen
mit seiner Mutter Miteigentümer des mit einer Grundschuld ...
belasteten Grundstücks in Ibbenbüren …
ist“. Bei dem Angeklagten E. , bei welchem bereits ein
Geldbetrag von 7.010 € für verfallen erklärt
worden sei, werde der Wertersatzverfall nach § 73 c Abs. 1
Satz 2 StGB auf 4.000 € beschränkt, da die Kammer
sich sicher sei, dass ihm nach Abzug der von ihm geleisteten
Einkaufspreisanteile nicht mehr als dieser Betrag verblieben sei.
Hierbei sei auch berücksichtigt worden, dass der Angeklagte
einen Teil des Erlöses zur Finanzierung der eigenen
Drogensucht eingesetzt habe. Mit ähnlichen Erwägungen
hat das Landgericht schließ-lich auch gegen den Angeklagten
S. den Ersatz des Wertverfalls auf 3.000 €
beschränkt, wobei es bei diesem Angeklagten ein
Fünftel der auf ihn entfallenen Verkaufsmengen zum Abzug
gebracht hat, da dies der Menge entspreche, die er nach seiner
Einlassung für den eigenen Heroinkonsum verbraucht habe.
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b) Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung
nicht stand.
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aa) Sie lassen bereits besorgen, dass das Landgericht bei der Bewertung
des aus der Tat „Erlangten“ im Sinne des §
73 Abs. 1 Satz 1 StGB das Wesen des Bruttoprinzips verkannt hat. Danach
unterliegt nicht nur der Gewinn,
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sondern grundsätzlich alles, was der Täter aus der
Tat erhalten hat, dem Verfall. Bei der Berechnung des aus einem
Drogenverkauf Erlangten ist deshalb vom gesamten Erlös ohne
Abzug des Einkaufspreises und sonstiger Aufwendungen auszugehen (st.
Rspr., vgl. nur BGHSt 47, 369, 370; Tröndle/Fischer StGB 54.
Aufl. § 73 Rdn. 7 jeweils m.N.).
bb) Aber auch die Erwägungen des Landgerichts zu § 73
c Abs. 1 Satz 2 StGB begegnen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
Nach § 73 c Abs. 1 Satz 2 1. Alt. StGB, auf dessen Regelung
sich das Landgericht ersichtlich stützt, kann die Anordnung
des Verfalls nur unterbleiben, soweit das Erlangte oder dessen Wert in
dem Vermögen des Betroffenen nicht mehr vorhanden ist. Das
Landgericht hätte daher in einem ersten Schritt
zunächst - gegebenenfalls im Wege der Schätzung
(§ 73 b StGB) - feststellen müssen, was die
Angeklagten aus ihren Straftaten erlangt haben. Hierzu enthält
das Urteil, wie die Beschwerdeführerin zu Recht rügt,
in Bezug auf die Angeklagten E. und S. keine konkreten Angaben. In
einem zweiten Schritt hätte sodann geprüft werden
müssen, ob die Angeklagten entreichert sind oder aber das
Erlangte noch in ihrem Vermögen vorhanden ist (vgl. BGH
NStZ-RR 2002, 7, 8; BGHR StGB § 73 c Härte 10
m.w.N.). Hierzu hätte es näherer Darlegung ihrer
Vermögensverhältnisse bedurft; denn eine Entscheidung
nach § 73 c Abs. 1 Satz 2 1. Alt. StGB scheidet
regelmäßig aus, wenn der Angeklagte noch
über Vermögen verfügt, das
wertmäßig nicht hinter dem anzuordnenden
Verfallbetrag zurückbleibt (BGHR StGB § 73 c Wert 2 =
NStZ 2000, 480). Verfügt der Täter über
Vermögen, liegt es nahe, dass der Wert des Erlangten in diesem
noch vorhanden ist, es sei denn, es stünde zweifelsfrei fest,
dass ein Vermögenswert ohne jeden denkbaren Bezug mit den
abgeurteilten Straftaten erworben wurde (vgl. BGHSt 48, 40, 42/43).
Auch insoweit fehlt es hinsichtlich der Angeklagten E. und S. an
jeglichen Feststellungen. In Bezug auf den Angeklagten St. ,
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zu dessen Vermögensverhältnissen das Urteil nur
mitteilt, dass er Miteigentümer eines mit einer Grundschuld
belasteten Wohngrundstücks ist, hätte das Landgericht
dessen Nettowert feststellen und - sofern ein Ausnahmefall im Sinne der
Senatsentscheidung in BGHSt 48, 40 nicht gegeben ist - davon ausgehend
jedenfalls den Wert des Miteigentumsanteils als vorhandenes
Vermögen berücksichtigen müssen.
3. Die Sache bedarf daher zur Frage des Wertersatzverfalls der erneuten
Verhandlung und Entscheidung. Der neue Tatrichter wird dabei folgendes
zu bedenken haben: Erlangt im Sinne des § 73 Abs. 1 Satz 1
StGB ist nur das, worüber der Täter oder Teilnehmer
auch tatsächlich Verfügungsgewalt erlangt hat. Bei
mehreren Tatbeteiligten - wie hier - genügt jedoch die
Erlangung einer (faktischen) wirtschaftlichen
Mitverfügungsgewalt (vgl. BGH NStZ 2003, 198, 199; BVerfG StV
2004, 409, 411; 2006, 449, 450). Die aus der Straftat erlangten
Betäubungsmittel als solche unterliegen nicht dem Verfall,
sondern als Beziehungsgegenstände der Einziehung nach
§ 33 Abs. 2 BtMG (Senat, Beschluss vom 8. November 2001 - 4
StR 429/01; BGH NStZ-RR 2002, 118, 119; Schmidt,
Gewinnabschöpfung im Straf- und Bußgeldverfahren, S.
25). Damit scheidet insoweit auch die ersatzweise Anordnung des
Wertersatzverfalls nach § 73 a StGB aus, die nur an Stelle des
Verfalls in Betracht kommt (Senat aaO).
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Das Landgericht hat daher auf der Grundlage der getroffenen
Feststellungen in Bezug auf den Angeklagten S. bei der Berechnung des
Wertersatzverfalls im Ergebnis zu Recht den Wert der von ihm aus den
Einkaufsmengen konsumierten Drogen außer Ansatz gelassen.
Tepperwien Kuckein Athing
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