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BGH, Urteil vom 11. April 2001 - 3 StR 503/00


Entscheidungstext  
 
BGH, Urt. v. 11.4.2001 - 3 StR 503/00
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: nein
Veröffentlichung: ja
__________________
StGB § 332 Abs. 1
Ein Amtsträger, der sich im Rahmen von Vertragsverhandlungen für eine
pflichtwidrige Diensthandlung einen Preisnachlaß auf den von dem Bestechenden
geforderten Preis zusagen läßt, läßt sich einen zur Vollendung der Bestechlichkeit
führenden materiellen Vorteil versprechen. Dies gilt auch für den
Fall, daß die von dem Bestechenden zu erbringende Gesamtleistung für den
Amtsträger trotz des vereinbarten Rabatts tatsächlich nicht wirtschaftlich vorteilhaft
ist, etwa weil der Preis, auf den der Rabatt gewährt wird, überhöht war.
BGH, Urt. vom 11. April 2001 - 3 StR 503/00 - LG Mönchengladbach
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 503/00
vom
11. April 2001
in der Strafsache
gegen
wegen Bestechlichkeit
- 2 -
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 11. April
2001, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Kutzer,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Miebach,
Winkler,
Dr. Boetticher,
von Lienen
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
in der Verhandlung,
Bundesanwalt bei der Verkündung
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
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1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil
des Landgerichts Mönchengladbach vom 6. April
2000
a) im Schuldspruch dahin geändert, daß der Angeklagte
der Bestechlichkeit schuldig ist,
b) im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen
aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer
Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten
des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des
Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die Revision des Angeklagten gegen das vorbezeichnete
Urteil wird als unbegründet verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels
zu tragen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchter Bestechlichkeit
zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten mit Strafaussetzung zur Bewährung
- 4 -
verurteilt. Mit seiner Revision beanstandet der Angeklagte die Verletzung formellen
und materiellen Rechts. Die Staatsanwaltschaft erstrebt mit der Rüge
der Verletzung materiellen Rechts eine Verurteilung wegen vollendeter Bestechlichkeit.
Das Rechtsmittel des Angeklagten ist unbegründet, das der
Staatsanwaltschaft hat Erfolg.
I. Die Strafkammer hat folgende Feststellungen getroffen:
Der Angeklagte, der Abteilungsleiter eines Ausländeramtes war, vereinbarte
beim Abschluß des Vertrages über den Bau seines Wohnhauses mit der
Inhaberin der Baufirma und deren Ehemann einen Preisnachlaß in Höhe von
26.000 DM als Entgelt für die von ihm zugesagte Hilfe bei der Erteilung von
Aufenthaltsgenehmigungen für drei polnische Bauarbeiter. In der Folgezeit gab
er in amtlicher Funktion die erforderlichen Zustimmungen des Ausländeramtes
zur Erteilung der von den polnischen Staatsangehörigen beantragten Visa,
nachdem er zuvor bei einem der Antragsteller die wegen einer Ausweisung
verhängte Sperrfrist um ein Jahr verkürzt hatte, und verlängerte später die Aufenthaltsgenehmigungen.
Dabei rechnete der Angeklagte damit, daß die Zuständigkeit
des Ausländeramtes nur durch die Angabe von Scheinwohnsitzen
begründet worden war, die polnischen Bauarbeiter nicht als selbständige Gesellschafter
erwerbstätig sind, sondern als weisungsabhängige Arbeitnehmer
arbeiten und dies durch den Abschluß eines Gesellschaftsvertrages verschleiert
werden sollte. Ihm war bewußt, daß den polnischen Staatsangehörigen die
Aufenthaltsgenehmigungen nur zur Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit,
nicht aber einer abhängigen Arbeit erteilt werden durften.
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II. Revision des Angeklagten
Die Revision des Angeklagten ist unbegründet im Sinne des § 349
Abs. 2 StPO.
1. Zu den Verfahrensrügen bemerkt der Senat ergänzend zu den Ausführungen
des Generalbundesanwalts in dessen Antragsschrift:
Die Aufklärungsrüge (Verfahrensrüge A. VIII.) ist schon unzulässig, weil
die Revision das erwartete Beweisergebnis nicht bestimmt behauptet. Der Vortrag,
"es sei nicht auszuschließen, im Gegenteil höchstwahrscheinlich, daß
diese Aufklärung ganz wesentliche für die objektive und subjektive Tatseite ....
höchst bedeutsame Umstände ergeben hätte", genügt den Anforderungen gemäß
§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO an eine ordnungsgemäße Begründung nicht
(vgl. Kuckein in KK 4. Aufl. § 344 Rdn. 51; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO
44. Aufl. § 244 Rdn. 81).
Soweit die Revision mit mehreren Rügen beanstandet, es sei der Inhalt
von in der Hauptverhandlung nicht verlesenen Urkunden bei der Beweiswürdigung
rechtsfehlerhaft verwertet worden, gehört zur ordnungsgemäßen Begründung
der Rüge auch die Darlegung, daß er nicht auf andere zulässige Weise
- etwa durch Vorhalt an den Angeklagten oder an Zeugen - in die Hauptverhandlung
eingeführt worden ist (vgl. Kuckein aaO § 344 Rdn. 58 m.w.Nachw.;
Kleinknecht/Meyer-Goßner, aaO § 249 Rdn. 30). In der Revisionsbegründung
fehlen weitgehend solche Ausführungen. Im übrigen ist die Rüge der Verletzung
des § 261 StPO nur dann erfolgreich, wenn ohne Rekonstruktion der Beweisaufnahme
der Nachweis geführt werden kann, daß die im Urteil getroffenen
Feststellungen nicht durch die in der Hauptverhandlung verwendeten Be-
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weismittel gewonnen wurden (vgl. Engelhardt in KK 4. Aufl. § 261 Rdn. 52;
Kleinknecht/Meyer-Goßner, aaO § 261 Rdn. 38 a). Selbst wenn man in der
unterlassenen Verlesung des vom Angeklagten gefertigten umfangreichen, im
Urteil wörtlich wiedergebenen Vermerks vom 12. August 1997 eine Verletzung
des § 261 StPO sehen würde (Rüge B. XXII.), würde das Urteil auf diesem
Rechtsfehler nicht beruhen, weil es auf den genauen Wortlaut des Vermerks
nicht ankommt (vgl. BGH, Beschl. vom 16. August 2000 - 3 StR 242/00) und
das Landgericht bei seiner Beweiswürdigung aus dem Vermerk nur die
Schlußfolgerung gezogen hat, daß der Angeklagte den wahren Sachverhalt
gezielt verschleiern wollte. Diese zusammenfassende Wertung kann sich ohne
weiteres aus der Aussage des Zeugen K. ergeben haben, dem der Vermerk
vorgehalten wurde.
2. Die Überprüfung des Urteils auf Grund der Sachrüge hat keinen
durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
a) Die Angriffe der Revision gegen die Beweiswürdigung des Landgerichts
erschöpfen sich in dem revisionsrechtlich unzulässigen Versuch, die
Wertung des hierzu berufenen Tatgerichts durch eine eigene zu ersetzen (vgl.
BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 2 und Überzeugungsbildung 21). Zum
Teil enthalten sie urteilsfremdes Vorbringen, das im Rahmen der Sachbeschwerde
vom Revisionsgericht nicht berücksichtigt werden kann (vgl. Kuckein
aaO § 337 Rdn. 3, 27 und § 352 Rdn. 16). Auch die Revisionsbegründung hat
nicht aufgezeigt, daß die Beweiswürdigung in sich widersprüchlich, lückenhaft
oder unklar ist oder gegen Denkgesetze, wissenschaftliche Erkenntnisse oder
Erfahrungssätze verstößt. Die Überzeugungsbildung der Strafkammer beruht
auf einer tragfähigen Tatsachengrundlage. Alle von ihr gezogenen Schlußfol-
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gerungen sind plausibel, zwingend brauchen sie nicht sein. Wegen der Einzelheiten
nimmt der Senat Bezug auf die zutreffenden Ausführungen des Generalbundesanwalts
in dessen Antragsschrift.
Ohne Rechtsfehler geht die Strafkammer davon aus, daß bei Abschluß
des Werkvertrages vom 9. Juli 1997 ein Preisnachlaß von 26.000 DM als Gegenleistung
für die vom Angeklagten zugesagte Hilfe bei der Erteilung von Aufenthaltsgenehmigungen
für die drei polnischen Bauarbeiter vereinbart worden
ist (UA S. 99 ff., 105 ff.). Sie hat dabei die Aussagen der Hauptbelastungszeugen
C. und H. einer besonders kritischen Prüfung unterzogen
und gesehen, daß es sich um problematische Zeugen handelt. Rechtsfehlerfrei
hat es deren Aussagen insoweit als glaubhaft beurteilt, als weitere
aussagekräftige, gegen den Angeklagten sprechende Indizien vorlagen (UA
S. 106 ff.). Weiterhin hat es das Landgericht ohne Rechtsfehler als erwiesen
gewertet, daß die drei polnischen Bauarbeiter als weisungsgebundene, von
den unternehmerischen Entscheidungen ausgeschlossene Arbeitnehmer arbeiten
sollten und der Angeklagte zumindest damit rechnete (UA S. 113 ff., 115
ff.). Dessen Einlassung, er habe an eine selbständige Tätigkeit als Gesellschafter
der gegründeten Gesellschaft bürgerlichen Rechts geglaubt, hat die
Strafkammer aufgrund einer Vielzahl von Indizien rechtsfehlerfrei als widerlegt
angesehen. Aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe (UA S. 116 ff.)
ergibt sich, daß der Angeklagte nach der Überzeugung des Landgerichts die
erkannte Möglichkeit einer abhängigen Arbeit der polnischen Bauarbeiter jedenfalls
billigend in Kauf genommen hat.
b) Auch die rechtliche Würdigung des festgestellten Sachverhalts enthält
keinen den Angeklagten belastenden Rechtsfehler.
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Wegen der Verknüpfung des Preisnachlasses von 26.000 DM mit der
zugesagten Hilfe in den ausländerrechtlichen Angelegenheiten der drei polnischen
Staatsangehörigen beim Abschluß des Werkvertrages vom 9. Juli 1997
(UA S. 33 f., 44 f., 105 ff.) hat die Strafkammer rechtsfehlerfrei die für den Tatbestand
der Bestechlichkeit erforderliche Unrechtsvereinbarung bejaht (vgl.
BGHSt 15, 88, 91; BGHR StGB § 331 Unrechtsvereinbarung 1). Dabei ist es
erforderlich und ausreichend, daß mit der versprochenen Hilfe bei der Beschaffung
der Aufenthaltsgenehmigungen die zukünftigen Diensthandlungen
des Angeklagten ihrem sachlichen Gehalt nach in groben Umrissen erkennbar
waren (vgl. BGHSt 15, 88, 97; BGHR StGB § 332 I Satz 1 Unrechtsvereinbarung
2).
Bei den Zustimmungen zur Erteilung der Visa und den Verlängerungen
der Aufenthaltsgenehmigungen handelt es sich um rechtswidrige Diensthandlungen
des Angeklagten, da diese Tätigkeiten in dienstlicher Eigenschaft vorgenommen
wurden und bei der Scheinselbständigkeit der polnischen Bauarbeiter
- wie er wußte - gegen Art. 44 und 45 des Abkommens der Europäischen
Union mit Polen vom 16. Dezember 1991, in Kraft getreten am 1. Februar 1994
(BGBl II 804), in Verbindung mit dem Erlaß des Innenministeriums des Landes
Nordrhein-Westfalen vom 21. November 1996 verstießen. Die den Visa und
den Aufenthaltsgenehmigungen beigefügten Bedingungen "nur gültig für eine
Tätigkeit als Gesellschafter und Geschäftsführer der C. GbR" beseitigen
deren Rechtswidrigkeit nicht, weil sie auch unter diesen Bedingungen nicht
hätten erteilt werden dürfen. Für den subjektiven Tatbestand der Bestechlichkeit
genügt bedingter Vorsatz (vgl. Jescheck in LK 11. Aufl. § 332 Rdn. 10;
Rudolphi in SK-StGB 41. Lfg. § 331 Rdn. 30, § 332 Rdn. 17).
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III. Revision der Staatsanwaltschaft
Die Staatsanwaltschaft beanstandet mit Recht die Verurteilung des Angeklagten
wegen lediglich versuchter Bestechlichkeit.
Die Strafkammer ist in dem angefochtenen Urteil davon ausgegangen,
daß der Angeklagte den Preisnachlaß als Vermögensvorteil angesehen habe
(UA S. 112 f.). Da aber nach einer Wertberechnung durch einen Bausachverständigen
nicht sicher sei, ob ihm durch den Rabatt tatsächlich ein objektiver
Vermögensvorteil zugeflossen sei, weil der vereinbarte Werklohn möglicherweise
im Rahmen des Üblichen gelegen habe, sei die Tat nicht zur Vollendung
gelangt (UA S. 127 ff.). Dies hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
Ein Vorteil im Sinne des § 332 StGB ist jede Zuwendung, auf die der
Täter keinen Rechtsanspruch hat und die seine wirtschaftliche, rechtliche oder
persönliche Lage objektiv verbessert (vgl. BGHSt 31, 264, 279). Die Vereinbarung
eines Rabatts ist ein materieller Vorteil (vgl. BGH, Urt. vom 3. Juli 1991
- 2 StR 132/91; Tröndle/Fischer, StGB 50. Aufl. § 331 Rdn. 11). Ein Amtsträger,
der sich - wie der Angeklagte - im Rahmen von Vertragsverhandlungen für eine
pflichtwidrige Diensthandlung einen Preisnachlaß auf den von dem Bestechenden
geforderten Preis zusagen läßt, läßt sich einen zur Vollendung der Bestechlichkeit
führenden materiellen Vorteil versprechen. Dies gilt auch für den
Fall, daß die von dem Bestechenden zu erbringende Gesamtleistung für den
Amtsträger trotz des vereinbarten Rabatts tatsächlich nicht wirtschaftlich vorteilhaft
ist, etwa weil der Preis, auf den der Rabatt gewährt wird, überhöht war.
Bereits durch die in der Vereinbarung eines Preisvorteils als Entgelt für eine
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rechtswidrige Diensthandlung liegende Kundgabe der Bestechlichkeit wird das
der Bestechlichkeit zugrunde liegende Rechtsgut, nämlich das Vertrauen der
Allgemeinheit in die Nichtkäuflichkeit von Diensthandlungen und die Sachlichkeit
von Entscheidungen der Amtsträger zu schützen (vgl. Jescheck, aaO vor
§ 331 Rdn. 17), erschüttert (vgl. BGHSt 15, 88, 97). Die Bestechlichkeit ist kein
Vermögensdelikt, so daß der Bestechende keinen finanziellen Nachteil erleiden
muß (vgl. BGH NJW 1987, 1340, 1341; Rudolphi aaO § 331 Rdn. 20).
Der Senat hat den Schuldspruch in entsprechender Anwendung des
§ 354 Abs. 1 StPO selbst geändert, da sich die vollendete Bestechlichkeit aus
den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen ergibt und ergänzende Feststellungen,
die einer solchen Verurteilung entgegen stehen könnten, ausgeschlossen
sind. Ein Hinweis gemäß § 265 StPO war nicht veranlaßt, da der
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Angeklagte wegen vollendeter Bestechlichkeit angeklagt worden ist (vgl.
Kuckein aaO § 354 Rdn. 15; Kleinknecht/Meyer-Goßner, aaO § 354 Rdn 12
ff.). Die wegen der vollendeten Bestechlichkeit vom Angeklagten verwirkte
Strafe wird das neue Tatgericht festsetzen.
Kutzer Miebach Winkler
Boetticher von Lienen



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