BGH,
Urt. v. 11.4.2002 - 4 StR 538/01
4 StR 538/01
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
vom
11. April 2002
in der Strafsache gegen
wegen schwerer räuberischer Erpressung
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofes hat in der Sitzung vom 11.
April 2002, an der teilgenommen haben: Vorsitzende Richterin am
Bundesgerichtshof Dr. Tepperwien, Richter am Bundesgerichtshof Dr.
Kuckein, Athing, Richterin am Bundesgerichtshof Solin-Stojanovic,
Richter am Bundesgerichtshof Dr. Ernemann als beisitzende Richter,
Bundesanwalt als Vertreter der Bundesanwaltschaft, Rechtsanwalt als
Verteidiger, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der
Geschäftsstelle, für Recht erkannt:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Bochum
vom 8. August 2001 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu
tragen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer
räuberischer Erpressung in zwei Fällen zu einer
Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Ferner hat es die
Einziehung zweier Schußwaffen nebst Munition und eines
Schalldämpfers angeordnet. Hiergegen wendet sich der
Angeklagte mit seiner Revision, die er wirksam auf den
Rechtsfolgenausspruch beschränkt hat und mit der er die
Verletzung materiellen Rechts rügt.
Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
1. Die Nachprüfung des Urteils auf Grund der
Revisionsrechtfertigung hat zur Einziehungsanordnung keinen
Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
2. Auch der Strafausspruch hält rechtlicher
Nachprüfung stand.
Das Landgericht hat auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen
rechtsfehlerfrei die Voraussetzungen des § 250 Abs. 2 Nr. 1
StGB angenommen. Es hat das Vorliegen minder schwerer Fälle im
Sinne des § 250 Abs. 3 StGB bejaht und die verhängten
Einzelstrafen dessen Strafrahmen entnommen. Bei der Strafzumessung hat
es zu Lasten des Angeklagten die Verwendung funktionsfähiger,
geladener Schußwaffen berücksichtigt, "die im
Vergleich zu sonstigen tatbestandsmäßigen Tatmitteln
des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB höchstes
Gefährdungspotential aufweisen". Ferner hat es
straferschwerend gewertet, daß es der Angeklagte bei den
beiden Banküberfällen in Kauf genommen habe, "eine
größere Zahl von Menschen in das Geschehen
einzubeziehen und in Angst und Schrecken zu versetzen". Dies ist
entgegen der Auffassung der Revision und des Generalbundesanwalts
rechtlich nicht zu beanstanden.
a) Zwar hat der Bundesgerichtshof zu § 250 Abs. 1 Nr. 1 StGB
a.F. wiederholt entschieden, daß es gegen das Verbot der
Doppelverwertung des § 46 Abs. 3 StGB
verstößt, wenn bei einer Verurteilung
strafschärfend berücksichtigt wird, daß bei
der Tat eine Schußwaffe benutzt worden ist, da es sich bei
einer solchen um das im Tatbestand des § 250 Abs. 1 Nr. 1 StGB
(a.F.) genannte (alleinige) Tatmittel handelt (vgl. BGHR StGB
§ 46 Abs. 3 Raub 2; BGH StV 1996, 206). In der durch das 6.
Strafrechtsreformgesetz neugefaßten Bestimmung des §
250 Abs. 2 Nr. 1 StGB wird jedoch der Kreis der potentiellen Tatmittel
erheblich weiter gezogen: danach unterliegt der erhöhten
Strafandrohung nach dieser Vorschrift, wer bei der Tat eine Waffe oder
ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet. Erfaßt
werden damit nicht nur - wie bei § 250 Abs. 1 Nr. 1 StGB a.F.
- Schußwaffen, sondern alle Waffen im technischen Sinn sowie
sonstige Gegenstände, die nach ihrer objektiven Beschaffenheit
und der Art ihrer Benutzung im Einzelfall geeignet sind, erhebliche
Verletzungen zuzufügen (vgl. BGH NStZ 1998, 567; NStZ-RR 1998,
224). Der Regelung des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB
unterfällt daher der Einsatz eines einfachen Schlaginstruments
ebenso wie die Verwendung einer aufmunitionierten vollautomatischen
Selbstladeschußwaffe oder einer scharfen Handgranate; sie
erfaßt daher ohne weitere Differenzierung
Tatmodalitäten, die sich in ihrer Gefährlichkeit
für die betroffenen Tatopfer sehr unterschiedlich darstellen
können. In einem solchen Fall verbietet es § 46 Abs.
3 StGB nicht, eine im Einzelfall aufgrund des verwendeten Tatwerkzeuges
besonders gefährliche Art der Tatausführung, durch
die das geschützte Rechtsgut in besonders intensiver Form
gefährdet wird, straferschwerend zu berücksichtigen
(vgl. auch BGHSt 44, 361, 368; Gribbohm in LK 11. Aufl. § 46
Rdn. 300). Aus der Entscheidung BGH StV 1999, 597 ergibt sich nichts
Gegenteiliges; sie betrifft den im Tatsächlichen ganz anders
gelagerten - unter den Tatbestand des § 250 Abs. 1 Nr. 1 b
StGB fallenden - Fall der Bedrohung mit einer ungeladenen und damit
für das Tatopfer ungefährlichen Gaspistole. Es ist
daher aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, daß
das Landgericht im vorliegenden Fall die konkrete Art und Weise der
Tatausführung, bei der der Angeklagte und sein
Mittäter jeweils mit 14 Patronen geladene
Schußwaffen einsetzten, mit denen sie sowohl die
Bankangestellten als auch mehrere anwesende Kunden bedrohten, als
besonders gefährlich eingestuft und dem Angeklagten
strafschärfend angelastet hat (vgl. auch BGH, Beschl. vom 15.
März 2001 - 3 StR 54/01 a.E.).
b) Auch die strafschärfende Erwägung, der Angeklagte
habe es in Kauf genommen, durch die Tat eine größere
Anzahl von Menschen in Furcht und Schrecken zu versetzen,
läßt Rechtsfehler nicht erkennen. Zwar ist bei der
Begehung einer Straftat nach § 255 StGB die Angst des
Tatopfers regelmäßig nur die Folge der für
die Tatbestandsverwirklichung erforderlichen Drohung mit
gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben; sie stellt
daher grundsätzlich keinen selbständigen
Strafschärfungsgrund dar (§ 46 Abs. 3 StGB; vgl. BGHR
StGB § 46 Abs. 3 Raub 3; BGH StV 1996, 206; NStZ 1998, 404;
offen gelassen in BGHR StGB § 46 Abs. 3 Raub 5). Erkennbar
wollte das Landgericht dem Angeklagten jedoch insoweit nur besonders
anlasten, daß bei den Banküberfällen
jeweils mehrere Menschen, darunter auch unbeteiligte Bankkunden, in
Angst um ihr Leben versetzt worden sind. Dies ist nicht zu beanstanden
(vgl. auch BGH NStZ 1998, 404, 405).
c) Zu Unrecht rügt die Revision schließlich, es
seien keine Gründe erkennbar, die es rechtfertigen
würden, den zweiten Banküberfall
(Einzelfreiheitsstrafe: vier Jahre sechs Monate) im Verhältnis
zu dem ersten (Einzelfreiheitsstrafe: drei Jahre sechs Monate) mit
einer höheren Freiheitsstrafe zu ahnden. Ersichtlich hat
nämlich das Landgericht dem Angeklagten bei der Bemessung der
Einzelstrafe für den ersten Überfall in besonderem
Maße zugute gebracht, daß er zu dieser Tat
maßgeblich durch den früheren Mitangeklagten W.
bestimmt worden ist. So mußte der Angeklagte hier von W.
unmittelbar vor der Tat noch durch die Eingangstür der Bank
geschoben werden, "um letzte Zweifel und Hemmungen zu
überwinden" (UA 19/20).
d) Der Strafausspruch läßt auch im übrigen
durchgreifende Rechtsfehler nicht erkennen.
Tepperwien Kuckein Athing
Richterin am Bundesgerichtshof
Solin-Stojanovic ist infolge Urlaubs an der Unterschrift gehindert.
Tepperwien Ernemann |