BGH,
Urt. v. 11.12.2008 - 4 StR 386/08
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 386/08
vom
11. Dezember 2008
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln
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Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 11.
Dezember 2008, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Tepperwien,
Richter am Bundesgerichtshof Maatz, Athing,
Dr. Ernemann,
Dr. Mutzbauer als beisitzende Richter,
Staatsanwalt als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
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1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des
Landgerichts Halle vom 7. April 2008 aufgehoben, soweit die Anordnung
des Verfalls von Wertersatz unterblieben ist.
2. Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Gründe:
I.
Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freispruch im
Übrigen wegen unerlaubten Handeltreibens mit
Betäubungsmitteln in 150 Fällen zu einer zur
Bewährung ausgesetzten Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt. Gegen
dieses Urteil haben sowohl der Angeklagte als auch die
Staatsanwaltschaft Revision eingelegt. Das Rechtsmittel des Angeklagten
hat der Senat mit Beschluss vom 6. November 2008
gemäß § 349 Abs. 2 StPO verworfen. Mit
ihrer zu Ungunsten des Angeklagten eingelegten und wirksam (vgl. BGH
NStZ-RR 1997, 270; Meyer-Goßner StPO 51. Aufl. § 318
Rdn. 22) auf die Nichtanordnung von Wertersatzverfall
beschränkten Revision rügt die Staatsanwaltschaft die
Verletzung materiellen Rechts. Das Rechtsmittel ist begründet.
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II.
1. Nach den Feststellungen verkaufte der Angeklagte im Jahre 2003 in
mindestens 150 Fällen an die anderweitig Verfolgte Katja S.
jeweils mindestens 1,5 g Heroingemisch zu einem Preis von je 60.-
€. Bei einer am 20. Juni 2007 durchgeführten
Durchsuchung der Wohnung des Angeklagten konnte in einem Mantel und in
einem Kleiderschrank Bargeld in Höhe von insgesamt 5.200.-
€ sichergestellt werden.
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2. Das Landgericht hat von einer Verfallsanordnung abgesehen. Der
Verfall des in der Wohnung des Angeklagten sichergestellten Geldes
könne nicht angeordnet werden, „weil die
Voraussetzungen des § 33 Abs. 1 Nr. 1 BtMG in Verbindung mit
§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 3 Nr. 1 BtMG in Verbindung mit
§§ 73, 73 d Abs. 1 und 2, 73 a Satz 1 StGB“
nicht gegeben seien. Allein der Umstand, dass in der Wohnung des
Angeklagten eine erhebliche Geldmenge gefunden worden sei, rechtfertige
nicht die Annahme, dass dieses Geld aus
Betäubungsmittelstraftaten des Angeklagten stamme. Die
verfahrensgegenständlichen Straftaten seien im Jahre 2003
begangen worden. Der Angeklagte habe den Drogenhandel im Jahre 2004
aufgegeben. Ein Zusammenhang zwischen dem über drei Jahre
danach vorgefundenen Bargeld und dem Erlös aus den
Drogengeschäften im Jahr 2003 könne nicht
festgestellt werden.
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3. Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung
nicht stand.
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a) Sie lassen bereits besorgen, dass das Landgericht bei seiner
Entscheidung das Verhältnis zwischen § 73 StGB
(Verfall) und § 73 d StGB (erweiterter Verfall) nicht bedacht
hat. Bei § 73 StGB muss die Tat, für die oder aus der
etwas erlangt worden ist, Gegenstand der Verurteilung sein, das
heißt, das
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Gericht muss zur Überzeugung gelangen, dass der Täter
für oder aus der/den ausgeurteilten Tat(en) etwas im Sinne des
§ 73 Abs. 1 Satz 1 StGB erlangt hat. § 73 d StGB
regelt demgegenüber den Fall, dass der Täter
über Vermögensgegenstände verfügt,
die nach Überzeugung des Gerichts (vgl. hierzu BGHSt 40, 371)
für oder aus anderen rechtswidrigen Taten erlangt worden sind.
Die Bestimmung des § 73 d StGB ist dabei gegenüber
der des § 73 StGB subsidiär (h.M.; vgl. nur W.
Schmidt in LK 12. Aufl. § 73 d Rn. 11; Fischer StGB 55. Aufl.
§ 73 d Rn. 9 jeweils m.w.N.). Vor einer Anwendung des
§ 73 d StGB muss daher unter Ausschöpfung der
zulässigen Beweismittel ausgeschlossen werden können,
dass die Voraussetzungen des § 73 StGB erfüllt sind
(vgl. BGH NStZ-RR 2003, 75; NStZ 2003, 422, 423; NStZ-RR 2006, 138,
139).
b) Jedenfalls hat die Strafkammer - wie die Revision zu Recht
rügt - die Möglichkeit der Anordnung des Verfalls von
Wertersatz gemäß §§ 73 Abs. 1 Satz
1, 73 a Satz 1 StGB nicht bedacht.
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Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen hat der Angeklagte
aus den Drogenverkäufen insgesamt 9.000 € im Sinne
des § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB erlangt. Da davon auszugehen ist,
dass die vom Angeklagten jeweils aus den Verkäufen erlangten
Geldscheine sich nicht mehr in seinem Besitz befinden, ihr Verfall
daher aus tatsächlichen Gründen nicht
möglich ist, kommt gemäß § 73 a
Satz 1 StGB die Anordnung des Verfalls eines Geldbetrages in Betracht,
der dem Wert des Erlangten entspricht (Wertersatzverfall). Ob die bei
dem Angeklagten sichergestellten 5.200 € aus den
ausgeurteilten Straftaten oder aus sonstigen rechtswidrigen Taten
stammen oder aber vom Angeklagten legal erworben worden sind, ist in
diesem Zusammenhang unerheblich. Das Landgericht hätte daher -
vorbehaltlich einer Anwendung der Härtevorschrift
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des § 73 c StGB - gemäß
§§ 73 Abs. 1 Satz 1, 73 a Satz 1 StGB auf den Verfall
eines Geldbetrages in Höhe von 9.000 € erkennen
müssen.
c) Das Urteil hat daher, soweit von der Anordnung des Verfalls
abgesehen worden ist, keinen Bestand. Der Aufhebung von Feststellungen
bedarf es nicht, da lediglich ein Subsumtionsfehler vorliegt, der sich
auf die Sachverhaltsfeststellung nicht ausgewirkt hat.
Ergänzende, den bisherigen nicht widersprechende
Feststellungen bleiben möglich. Der neue Tatrichter wird
nunmehr zu prüfen haben, ob nach § 73 c StGB ganz
oder teilweise von der Anordnung von Wertersatzverfall abzusehen ist.
Insoweit verweist der Senat auf die Grundsätze im Senatsurteil
vom 2. Oktober 2008 - 4 StR 153/08.
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Tepperwien Maatz Athing
Ernemann Mutzbauer |