BGH,
Urt. v. 12.2.2009 - 4 StR 529/08
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 529/08
vom
12. Februar 2009
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes
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Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 12.
Februar 2009, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Tepperwien,
Richter am Bundesgerichtshof Maatz, Athing,
Richterin am Bundesgerichtshof Solin-Stojanović,
Richter am Bundesgerichtshof Dr. Mutzbauer als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof als Vertreter der
Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwältin
als Nebenkläger-Vertreterin,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
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1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Saarbrücken vom 2. Juli 2008 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die
der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen
notwendigen Auslagen zu tragen.
2. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das vorbezeichnete
Urteil mit den Feststellungen zum Ausnutzungsbewusstsein hinsichtlich
der Heimtücke aufgehoben; die übrigen Feststellungen
bleiben aufrechterhalten.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels der
Staatsanwaltschaft, an eine andere als Schwurgericht
zuständige Strafkammer des Landgerichts
zurückverwiesen.
Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Von Rechts wegen
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Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags zu einer
Freiheitsstrafe von 13 Jahren verurteilt und seine Unterbringung in der
Sicherungsverwahrung angeordnet.
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Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung
sachlichen Rechts. Die Staatsanwaltschaft rügt mit ihrer
Revision die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Mit der
Sachrüge beanstandet sie, dass der Angeklagte nicht wegen
Mordes verurteilt ist.
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I.
Der Angeklagte und Andrea Sch. - das spätere Tatopfer - hatten
seit 1987 eine von Anfang an konfliktbeladene Beziehung unterhalten, in
deren Verlauf es mehrfach zu Trennungen und anschließenden
Versöhnungen kam. Ihre im April 2004 geschlossene Ehe wurde im
April 2007 geschieden. Am Tattage, dem 3. Oktober 2007, machte der
Angeklagte, dem zugetragen worden war, dass sich Andrea Sch. mit einem
verheirateten Mann in einem Lokal aufgehalten und mit diesem getrunken
habe, ihr Vorhaltungen, weil sie mit jenem Mann
"fremdgegangen“ sei. Im weiteren Verlauf des Tages kam es
zwischen dem Angeklagten und Andrea Sch. zu zahlreichen telefonischen
Kontakten. Gegen 20.15 Uhr rief der Angeklagte Andrea Sch. , die sich
zu diesem Zeitpunkt außerhalb ihrer Wohnung aufhielt, ein
weiteres Mal an und erklärte, sie und ihre Freundin
könnten sich "auf ein Schlachtfest vorbereiten" und sich
"gegenseitig zugucken". Andrea Sch. wusste mit dieser
Äußerung des Angeklagten, der mehrfach ohne
realistischen Hintergrund verbal ausfällig geworden war,
nichts anzufangen. Gegen 21.00 Uhr kehrte sie in Begleitung der Zeugin
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K. in ihre Wohnung zurück. Im Arbeitszimmer nahmen beide am PC
Platz und suchten das Internetportal "Gesichterparty" auf. Der
alkoholgewohnte, mitelgradig alkoholisierte Angeklagte hatte sich zuvor
Zugang zu der Wohnung verschafft und sich hinter einer Couch versteckt.
Das Landgericht hat zum weiteren Geschehen folgendes festgestellt:
"Andrea Sch. und die Zeugin K. bemerkten den in der Tür
stehenden Angeklagten erst, als dieser mit erhobener Stimme und in
bösem Ton sinngemäß
äußerte 'Ach, Gesichterparty ist dir wichtiger!'.
Zwischen dem Angeklagten, der um den in der Mitte des Raumes stehenden
Schreibtisch herum auf Andrea Sch. zuging, und Andrea Sch. gab es einen
kurzen Wortwechsel. Der Angeklagte drückte dann mit der linken
Hand Andrea Sch. nach hinten, so dass sie in der Ecke des Raumes stand.
Er stach sodann mit dem von ihm mitgeführten Klappmesser mit
einer Klingenlänge von etwa 7,5 cm vielfach auf Andrea Sch.
ein, und zwar insbesondere in deren Hals- und Brustbereich, um sie zu
töten, und äußerte dabei 'Das hast du
davon!' ".
Danach deutete er mit dem Messer auf die Zeugin K. und fragte: "Willst
du auch?". Dann äußerte er, er wolle gemeinsam mit
Andrea Sch. sterben und rammte sich zweimal das Messer mit Kraft in den
Oberkörper und brach am Tatort zusammen. Andrea Sch. erlag den
ihr zugefügten Stichverletzungen.
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II.
Revision des Angeklagten
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Die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Sachrüge
hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Dies gilt
aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 28. Oktober
2008 ausgeführten Gründen, auf die insoweit Bezug
genommen wird, insbesondere auch für die von der Revision
angegriffene Verneinung der Voraussetzungen der §§
20, 21 StGB. Auch die Voraussetzungen für eine Unterbringung
in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB
hat das Landgericht rechtsfehlerfrei verneint. Zwar kann die Anordnung
einer Maßregel nach § 64 StGB grundsätzlich
nicht allein deswegen verneint werden, weil außer der Sucht
noch weitere Persönlichkeitsmängel eine Disposition
für die Begehung von Straftaten begründen. Die
Unterbringung in einer Entziehungsanstalt darf aber nicht
ausschließlich zur Besserung des Täters, also ohne
gleichzeitige günstige Auswirkungen auf die Interessen der
öffentlichen Sicherheit im Sinne einer Verminderung der vom
alkoholabhängigen Täter ausgehenden
Gefährlichkeit erfolgen. Vielmehr ist erforderlich, dass bei
erfolgreichem Verlauf der Behandlung jedenfalls das Ausmaß
der Gefährlichkeit des Täters nach Frequenz und
krimineller Intensität der von ihm zu befürchtenden
Straftaten deutlich herabgesetzt wird (vgl. Senat NStZ 2003, 86
m.w.N.). Davon hat sich das auch insoweit sachverständig
beratene Landgericht, wie sich den Urteilsausführungen noch
hinreichend entnehmen lässt, jedoch nicht zu
überzeugen vermocht.
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III.
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Revision der Staatsanwaltschaft
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Die Rüge der Verletzung formellen Rechts ist nicht
ausgeführt und deshalb unzulässig (§ 344
Abs. 2 Satz 2 StPO). Die vom Generalbundesanwalt nur insoweit
vertretene Revision hat jedoch mit der Sachrüge Erfolg, soweit
sie sich gegen die Verneinung des Mordmerkmals
„Heimtücke“ wendet.
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1. Entgegen der Auffassung der Staatsanwaltschaft hat das Landgericht
das Mordmerkmal „niedrige Beweggründe“
rechtsfehlerfrei abgelehnt. Beim Vorliegen eines Motivbündels
beruht die vorsätzliche Tötung nur dann auf niedrigen
Beweggründen, wenn das Hauptmotiv oder die vorherrschenden
Motive, welche der Tat ihr Gepräge geben, nach allgemeiner
sittlicher Wertung auf tiefster Stufe stehen und besonders verwerflich
sind (BGH NStZ-RR 2007, 111 m.w.N.).
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Ein solcher Fall ist nach den rechtsfehlerfrei getroffenen
Feststellungen nicht gegeben. Das Landgericht hat nicht verkannt, dass
Eifersucht eine nicht unbeträchtliche Rolle gespielt hat. Dass
es diese Motivation nicht als tatbeherrschend angesehen hat, begegnet
keinen rechtlichen Bedenken. Das Verhältnis zwischen dem
Angeklagten und dem Tatopfer war nach den Feststellungen von einem
ständigen "Hin und Her" geprägt. Es kam zwischen
ihnen häufig zu Streitigkeiten, wobei auch massive
Beschimpfungen und Beleidigungen nicht untypisch waren. Der Angeklagte
befand sich bei Begehung der Tat in einer - jedenfalls von ihm
subjektiv so empfundenen - psychisch erheblich belastenden Situation.
Vor diesem Hintergrund hält es sich im Rahmen des
tatrichterlichen Beurteilungsspielraums, dass das Landgericht die
für den Angeklagten bestimmenden Motive in ihrer Gesamtheit
nicht als niedrig im Sinne des § 211 Abs. 2 StGB gewertet hat.
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2. Die Staatsanwaltschaft beanstandet jedoch die Verneinung des
Mordmerkmals "Heimtücke" zu Recht.
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a) Nach den Feststellungen war Andrea Sch. , was das Landgericht nicht
verkannt hat, bei Beginn des tödlichen Angriffs des
Angeklagten arglos und infolgedessen wehrlos. Sie versah sich, als sie
in ihre Wohnung zurückgekehrt war, trotz der telefonischen
Äußerung des Angeklagten, sie und ihre Freundin
könnten sich "auf ein Schlachtfest vorbereiten", keines
Angriffs. Der Angeklagte hatte keinen Schlüssel zu der Wohnung
und hatte auch nicht etwa angekündigt, er werde sich Zugang
zur Wohnung verschaffen. Lauert der Täter - wie hier - seinem
ahnungslosen Opfer auf, um an dieses heranzukommen, kommt es nicht
darauf an, ob und wann es die von dem ihm gegenüber tretenden
Täter ausgehende Gefahr erkennt (vgl. BGH NStZ 1984, 261;
NStZ-RR 1996, 98).
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b) Für das bewusste Ausnutzen von Arg- und Wehrlosigkeit
genügt es, dass der Täter diese in ihrer Bedeutung
für die hilflose Lage des Angegriffenen und die
Ausführung der Tat in dem Sinne erfasst, dass er sich bewusst
ist, einen durch seine Ahnungslosigkeit gegenüber einem
Angriff schutzlosen Menschen zu überraschen (BGH NStZ 2003,
535). Die Erwägungen mit denen das Landgericht diese
Voraussetzungen verneint hat, entbehren einer tragfähigen
Grundlage.
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Die Ankündigung des Angeklagten, das Tatopfer und dessen
Freundin könnten sich "auf ein Schlachtfest" vorbereiten,
spricht entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht gegen das
Ausnutzungsbewusstsein des Angeklagten. Der Entscheidung des 5.
Strafsenats des Bundesgerichtshofs (BGH NStZ 2007, 268), auf die das
Landgericht ersichtlich abgestellt hat, lag eine andersartige
Fallgestaltung zugrunde. Der Täter war dem Opfer kurz nach der
telefonischen Ankündigung: "Ich komme jetzt zu dir ins
Restaurant und mache dich platt" - wenn auch mit verdeckter Waffe -
entgegengetreten. Kann sich das spätere Opfer auf eine in
Kürze zu erwartende Konfrontation einstellen, liegt es fern,
dass der Täter das Ausnutzungsbewusstsein hat. So liegt es
hier jedoch nicht. Der Angeklagte war vielmehr heimlich in die Wohnung
des Tatopfers eingedrungen und hatte sich dort hinter einer Couch
versteckt. Es liegt nahe, dass er dies tat, um das Tatopfer zu
überraschen, denn er konnte, weil er nicht mehr über
einen Schlüssel zu der Wohnung verfügte, davon
ausgehen, dass das Tatopfer nicht damit rechnete, dass er sich in der
Wohnung aufhielt. Dafür, dass sich der Angeklagte der Arg- und
Wehrlosigkeit des Tatopfers bewusst war, spricht zudem, dass er erst
einige Zeit nach dem Eintreffen des Tatopfers in der Tür zum
Arbeitszimmer auftauchte und sofort zum Angriff überging.
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Soweit das Landgericht ausgeführt hat, auch die
Alkoholisierung des Angeklagten spreche gegen die Annahme des
erforderlichen Ausnutzungsbewusstseins, fehlt dafür jedwede
Begründung. Dass der Angeklagte alkoholbedingt die Arg- und
Wehrlosigkeit des Tatopfers nicht in sein Bewusstsein aufgenommen haben
könnte, versteht sich im Hinblick auf die
Ausführungen zur uneingeschränkten
Schuldfähigkeit nicht von selbst.
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c) Die danach rechtsfehlerhafte Verneinung des Mordmerkmals
„Heimtücke“ führt zur Aufhebung
des Urteils mit den Feststellungen zum Ausnutzungsbewusstsein
hinsichtlich der Heimtücke. Die übrigen
Feststellungen sind jedoch rechtsfehlerfrei getroffen und
können deshalb bestehen bleiben. Ergänzende
Feststellungen, die den bestehen gebliebenen nicht widersprechen, sind
zulässig.
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Tepperwien Maatz Athing
Solin-Stojanović Mutzbauer |