BGH,
Urt. v. 12.7.2001 - 4 StR 154/01
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 154/01
vom
12. Juli 2001
in dem Sicherungsverfahren
gegen
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Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 12. Juli
2001, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Meyer-Goßner,
die Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Tolksdorf,
Dr. Kuckein
und Athing,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Solin-Stojanovic
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
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Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des
Landgerichts Dortmund vom 11. Juli 2000 wird verworfen.
Die Kosten des Rechtsmittels und die dem Beschuldigten im
Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen hat
die Staatskasse zu tragen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat die Unterbringung des Beschuldigten in einem
psychiatrischen Krankenhaus angeordnet und die Vollstreckung der
Maßregel
zur Bewährung ausgesetzt. Gegen das Urteil haben der
Beschuldigte und die
Staatsanwaltschaft Revision eingelegt. Die Revision des Beschuldigten
hat der
Senat durch Beschluß gemäß § 349
Abs. 2 StPO verworfen. Die Staatsanwaltschaft,
die sich mit ihrem Rechtsmittel ausschließlich gegen die
Aussetzung
der Vollstreckung zur Bewährung wendet, rügt die
Verletzung materiellen
Rechts. Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel hat keinen
Erfolg.
Die Erwägungen, mit denen die Strafkammer das Vorliegen
besonderer
Umstände bejaht, die nach § 67b Abs. 1 StGB
Voraussetzung einer Aussetzung
der Vollstreckung sind, lassen keinen Rechtsfehler erkennen. Das
Landgericht
durfte es als besonderen Umstand werten, daß sich der
Beschuldigte,
wenn auch unter dem Druck des Sicherungsverfahrens, zur Vornahme einer
ambulanten Therapie bereit erklärt hat und daß ihm
nach der Tat aufgrund seines
Einverständnisses ein Betreuer zur Seite gestellt worden ist.
Rechtlich
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nicht zu beanstanden ist auch die daran anknüpfende Annahme,
“daß die dem
Beschuldigten im Rahmen der Führungsaufsicht erteilten
Auflagen, insbesondere
die Auflage, sich zunächst nach Weisung seines Betreuers
weiterhin in
stationäre Behandlung in ... zu begeben und
anschließend eine ambulante
ärztliche Behandlung aufzunehmen, die Erwartung rechtfertigen,
daß der
Zweck der Maßregel auch so” - also ohne ihre
Vollstreckung - “erreicht werden
kann”. Daß nach § 67b Abs. 2 StGB mit der
Aussetzung der Vollstreckung
Führungsaufsicht eintritt und der Beschuldigte einen
Bewährungshelfer erhält
(§ 68a StGB), stellt zwar für sich allein keinen
besonderen Umstand im Sinne
des § 67b Abs. 1 StGB dar. Die damit gegebenen
Überwachungsmöglichkeiten
und die dem Beschuldigten nach § 68b StGB zu erteilenden
Weisungen können
aber - was bei der Entscheidung über die Frage der
Vollstreckungsaussetzung
zu berücksichtigen ist (BGHR StGB § 67b Abs. 1
besondere Umstände
2) - eine hinreichende Gewähr dafür bieten,
daß er sich einer die Gefahr
weiterer Taten ausschließender, ambulanten
medikamentösen Behandlung
unterzieht.
Soweit die Revision die gebotene umfassende Abwägung aller
für die
Aussetzungsentscheidung erheblichen Umstände
vermißt, kann ihr nicht gefolgt
werden. Nach dem Gesamtzusammenhang der die Anordnung der
Maßregel
und die Vollzugsaussetzung betreffenden Urteilsgründe kann
ausgeschlossen
werden, daß die Strafkammer die Wahnidee des Beschuldigten und
seine fortbestehende Überzeugung, zum Widerstand gegen
Behörden berechtigt
zu sein, im Rahmen ihrer Prognoseentscheidung nicht
berücksichtigt hat.
Daß - wie die Revision mit näheren
Ausführungen hervorhebt - von dem Beschuldigten
infolge seines Zustands auch künftig erhebliche rechtswidrige
Taten
zu erwarten wären, bliebe die begangene Tat ohne
strafrechtliche Reaktion,
ist nach § 63 StGB Voraussetzung für die Anordnung
seiner Unterbringung
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in einem psychiatrischen Krankenhaus. Als ein für die
Anordnung der Maßregel
erforderlicher Umstand kann die Gefährlichkeit des
Täters für die Allgemeinheit
aber als solche nicht zugleich hinreichender Grund für die
Versagung der Aussetzung
des Vollzugs zur Bewährung sein. Anderenfalls bliebe
für eine Aussetzung
zugleich mit der Anordnung gemäß § 67b StGB
kein Anwendungsbereich.
Daß die Strafkammer, worauf der Generalbundesanwalt hinweist,
inzwischen
wieder die einstweilige Unterbringung des Beschuldigten
gemäß § 126a
StPO angeordnet hat (anscheinend, weil sich die in die Einrichtung der
Betreuung
sowie in die freiwillige Therapie gesetzten Erwartungen nicht
erfüllt haben),
ist - abgesehen davon, daß es sich um einen urteilsfremden
Umstand
handelt, der im Rahmen der Urteilsnachprüfung auf die
Sachrüge ohnehin nicht
berücksichtigt werden kann - auch deswegen ohne Bedeutung,
weil maßgeblicher
Zeitpunkt für die Prognoseentscheidung der der
tatrichterlichen Hauptverhandlung
ist. Sollte sich - entgegen der rechtlich nicht zu beanstandenden
tatrichterlichen Prognose - erweisen, daß die Aussetzung der
Vollstreckung
nicht verantwortet werden kann, so wird der von dem Beschuldigten
ausgehenden
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Gefahr durch einen unverzüglichen Widerruf der Aussetzung zu
begegnen
sein.
Meyer-Goßner Tolksdorf Kuckein
Athing Solin-Stojanovic |