BGH,
Urt. v. 12.11.2009 - 4 StR 227/09
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 227/09
vom
12. November 2009
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
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Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 12.
November 2009, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Tepperwien,
Richter am Bundesgerichtshof
Athing, Richterin am Bundesgerichtshof Solin-Stojanović,
Richter am Bundesgerichtshof Dr. Ernemann,
Dr. Franke als beisitzende Richter,
Staatsanwalt als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
Rechtsanwältin
als Verteidiger,
Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der
Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
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1. Die Revision der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Siegen vom 1. Dezember 2008 wird verworfen. Die
Beschwerdeführerin hat die Kosten ihres Rechtsmittels zu
tragen.
2. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das vorbezeichnete
Urteil
a) im Schuldspruch hinsichtlich der Tat III 1 der
Urteilsgründe,
b) im gesamten Strafausspruch
mit den Feststellungen aufgehoben.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels der
Staatsanwaltschaft, an eine als Schwurgericht zuständige
Strafkammer des Landgerichts Münster zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen Totschlags in zwei
Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei
Monaten verurteilt. Hiergegen wenden sich die Angeklagte und - zu ihren
Ungunsten - die Staatsanwaltschaft mit ihren jeweils auf die
Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestütz-
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ten Revisionen; die Angeklagte erhebt darüber hinaus eine
Verfahrensrüge. Die Staatsanwaltschaft beanstandet mit ihrem
Rechtsmittel, dass das Landgericht im Fall III 1 der
Urteilsgründe nicht von einem Totschlag durch aktives Tun
sowie dass es bei beiden Taten von minder schweren Fällen des
Totschlags (§ 213 2. Alt. StGB) ausgegangen ist.
I.
Das Landgericht hat festgestellt:
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Die Angeklagte brachte in der Zeit von 1984 bis 2004 sechs eheliche
Kinder lebend zur Welt. Drei Entbindungen (in den Jahren 1984, 1985 und
1990) erfolgten im Krankenhaus, in das sie sich von ihrem Ehemann
jeweils unmittelbar vor dem Geburtsbeginn hatte bringen lassen. Dreimal
(in den Jahren 1986, 1988 - Tat III 1 - und 2004 - Tat III 2) kam es zu
ungewollten Schwangerschaften, die die Angeklagte nicht nur vor ihrer
Familie und ihren Bekannten, sondern auch vor ihrem Ehemann
verheimlichte. Sie gebar diese Kinder heimlich und, obwohl ihr Ehemann
im Hause war, ohne fremde Hilfe im Badezimmer. Die Kinder waren
lebensfähig, verstarben jedoch kurz nach ihrer Geburt, weil
ihnen nicht die erforderliche Fürsorge entgegengebracht wurde.
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Im Jahre 1986 brachte die Angeklagte das Kind unter der laufenden
Dusche zur Welt. Beim Durchtrennen der Nabelschnur bemerkte sie, dass
das Kind leblos war, und glaubte, es sei während der Geburt
verstorben. Tatsächlich war das lebend geborene Kind dadurch
erstickt, dass Duschwasser in seine Lunge gelangt war. Die Angeklagte
berichtete niemandem von dem Tod des Kindes, an dem sie sich wegen der
heimlich durchgeführten Geburt schuldig
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fühlte. Sie begann, zur Bekämpfung dieser
Schuldgefühle abends regelmäßig Bier zu
trinken.
Diesen Alkoholkonsum stellte sie auch nicht ein, als sie im Jahre 1988
wieder ungewollt schwanger wurde, obwohl ihr die schädlichen
Auswirkungen auf das ungeborene Kind bekannt waren. Als nachts die
Wehen einsetzten, entschloss sie sich, ihren Mann davon nicht zu
informieren und das Kind in der Duschwanne allein zur Welt zu bringen.
Mit dem Risiko, dass es dabei wiederum zum Tod des Neugeborenen kommen
könnte, fand sie sich ab. Als der Geburtsvorgang ins Stocken
geriet, zog die Angeklagte "panisch" an dem bereits herausgetretenen
Kopf des Kindes, bis dieses samt Mutterkuchen austrat. Dabei glitt ihr
das Kind aus den Händen und fiel zu Boden, wobei es einen
Schrei ausstieß. Beim Aufheben des Kindes rutschte die
Angeklagte auf dem vom Fruchtwasser nassen Fliesenboden aus und
stürzte auf ihr Gesäß. In dieser Stellung
verharrend hielt sie das Kind, das sie bei dem Sturz "reflexartig
schützend" an sich genommen hatte, einige Minuten lang so fest
an sich gedrückt, dass es erstickte. Auch diesmal
verheimlichte sie den Tod des Kindes. Ihre Schuldgefühle
steigerten sich weiter, was dazu führte, dass sie
verstärkt auch schon tagsüber Alkohol zu sich nahm.
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Während der Schwangerschaft mit ihrem 1990 geborenen
"Wunschkind" verzichtete sie allerdings auf den Konsum von Alkohol.
Danach setzte sie ihren Alkoholmissbrauch fort und steigerte ihn sogar
noch, indem sie auch hochprozentige Alkoholika trank.
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Diese Gewohnheit behielt sie während ihrer nächsten -
ungewollten - Schwangerschaft bei. Als sich im
Spätsommer/Herbst 2004 Zeichen der beginnenden Geburt zeigten,
entschloss sie sich erneut zu einer - wie sie wusste,
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risikobehafteten - Alleingeburt. Sie war bereits alkoholisiert und
begab sich unter Mitnahme einer Tasse Jägermeister-Cola in das
im Dachgeschoss gelegene Badezimmer. Während der Wehen legte
sie sich in die mit heißem Wasser gefüllte
Badewanne, wo sie infolge der hohen Wassertemperatur und ihrer
Blutalkoholkonzentration von etwa 1 ‰ vorübergehend
das Bewusstsein verlor. Nach der in der Badewanne erfolgten Geburt
legte sie das Kind auf ihren Bauch, danach wurde sie erneut bewusstlos.
Als sie wieder erwachte, war das Neugeborene verstorben, weil es
während des Geburtsverlaufs Fruchtwasser eingeatmet und auf
Grund einer Blutalkoholkonzentration von 0,52 ‰ unter einer
Anpassungsstörung gelitten hatte. Diese wäre bei
einer sofortigen adäquaten Versorgung durch einen Arzt oder
Geburtshelfer gut beherrschbar gewesen. Auch dieses Geschehen hielt die
Angeklagte geheim und legte die Leiche zu den beiden anderen toten
Kindern in die Tiefkühltruhe, wo sie bis zu ihrer Entdeckung
im Jahre 2008 verblieben.
II.
Revision der Angeklagten
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Die Revision der Angeklagten erweist sich als unbegründet.
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1. Die von ihr erhobene Verfahrensrüge hat aus den in der
Antragsschrift des Generalbundesanwalts genannten Gründen
keinen Erfolg.
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2. Die Überprüfung des Urteils auf Grund der
Sachrüge hat keinen die Angeklagte belastenden Rechtsfehler
ergeben.
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a) Dies gilt zunächst insoweit, als das Landgericht im Fall
III 1 der Urteilsgründe einen Totschlag durch Unterlassen
angenommen hat.
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Die Garantenstellung der Angeklagten gegenüber ihrem Kind
ergab sich aus ihrer Stellung als Mutter. Damit traf sie vom Einsetzen
der Geburtswehen an (vgl. Weigend in LK 12. Aufl. § 13 Rdn.
26) die Verpflichtung, diejenigen Maßnahmen zu treffen, die
erforderlich sind, um das Leben des Kindes zu erhalten (vgl. BGH,
Urteil vom 14. Juni 1955 - 2 StR 102/55; Urteil vom 29. April 1969 - 1
StR 49/69, GA 1970, 86).
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Da die Schwangerschaft problemlos verlaufen war, musste die Angeklagte
nicht mit einem erhöhten gesundheitlichen Risiko für
das Kind während der Geburt rechnen. Eine Hausgeburt
wäre daher nicht von vornherein pflichtwidrig gewesen. Die
Angeklagte hatte sich aber nicht nur zu einer solchen, sondern auch
dazu entschlossen, das Kind heimlich und ohne fremde Hilfe im
Badezimmer zur Welt zu bringen, obwohl bereits ein unter derartigen
Umständen geborenes Kind zu Tode gekommen war.
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Es kann dahinstehen, ob, wie das Landgericht meint, eine werdende
Mutter stets verpflichtet ist, sich für die Geburt fremder
Hilfe zu vergewissern. Die Annahme einer solchen Handlungsverpflichtung
ohne Bezug zu einer konkreten, mit der Geburt einhergehenden Gefahr
erscheint sehr weit gehend. Eine Verpflichtung zur Inanspruchnahme von
Hilfe bei der Geburt wird aber immer dann anzunehmen sein, wenn es
für die Schwangere im Hinblick auf bekannte Vorerkrankungen
oder sonstige Risiken absehbar ist, dass bei der Geburt Gefahren
für Leib oder Leben des Kindes entstehen können.
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Die Angeklagte traf die Pflicht, einen für das Kind
möglichst sicheren Geburtsverlauf und die erforderliche
Erstversorgung des Neugeborenen sicherzustellen. Zu Recht geht das
Landgericht davon aus, dass die Angeklagte gegen diese Pflicht
verstoßen hat, indem sie ihr Kind im Badezimmer und nicht in
einer schützenden Umgebung, etwa im Bett, zur Welt brachte.
Wie der tatsächliche Verlauf der Geburt zeigt, war das
Neugeborene dadurch erheblichen Gefährdungen ausgesetzt: Erst
fiel das Kind auf den gefliesten Boden, dann stürzte die
Angeklagte mit dem Kind im Arm. Auf Grund ihres durch den
äußerst schmerzhaften Geburtsvorgang
beeinträchtigten Zustands war die Angeklagte nicht in der
Lage, ihr Kind vor diesen Gefahren zu bewahren.
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Zwar waren nicht diese Stürze todesursächlich,
sondern das mehrminütige Ansichpressen des Kindes durch die
Angeklagte. Dieses aktive Tun unterbricht aber dann nicht in relevanter
Weise den Kausalzusammenhang, wenn man - wie es das Landgericht
zugunsten der Angeklagten getan hat - unterstellt, dass das
Ansichpressen nicht mit Tötungsvorsatz geschah, sondern
lediglich aus Unachtsamkeit der noch von den Anstrengungen der Geburt
beeinträchtigten Angeklagten erfolgte. Eine solche
Fehlreaktion im unmittelbaren Anschluss an die Geburt liegt noch
innerhalb der Grenzen des nach allgemeiner Lebenserfahrung
Vorhersehbaren. Sie wäre vermieden worden, wenn die Angeklagte
ihrer Garantenpflicht entsprechend für einen
möglichst sicheren Geburtsverlauf gesorgt hätte.
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Da die Angeklagte sich nach den Feststellungen damit abgefunden hatte,
dass es auch diesmal wieder auf Grund der von ihr gewählten
Art und Weise der Entbindung zum Tod des Kindes kommen werde [UA 9],
ist auch der bedingte Tötungsvorsatz hinsichtlich des konkret
eingetretenen Erfolges belegt.
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b) Die Verurteilung im Fall III 2 der Urteilsgründe weist
ebenfalls keinen die Angeklagte belastenden Rechtsfehler auf.
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In diesem Fall ergab sich die Garantenstellung der Angeklagten nicht
nur aus ihrer Eigenschaft als Mutter, sondern auch aus
schädigendem Vorverhalten. Der Angeklagten war bewusst, dass
wegen ihres erheblichen und regelmäßigen
Alkoholkonsums während der Schwangerschaft und der weiteren
Alkoholaufnahme unmittelbar vor der Geburt besondere gesundheitliche
Risiken für das Kind bestanden. Sie war daher, wie sie wusste,
verpflichtet, die Geburt nicht ohne ärztlichen Beistand
durchzuführen. Die unterlassene Inanspruchnahme
ärztlicher Hilfe war kausal für den Tod des
Neugeborenen, da der Sauerstoffmangel, an dem das Kind durch eine
Anpassungsstörung und die akute Alkoholisierung gestorben ist,
bei zeitnaher ärztlicher Betreuung hätte behoben
werden können.
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3. Schließlich ist aus Rechtsgründen auch nicht zu
beanstanden, dass das sachverständig beratene Landgericht eine
erheblich verminderte Schuldfähigkeit der Angeklagten bei
Begehung beider Taten trotz der bei ihr vorliegenden
Persönlichkeitsstörung vom
ängstlich-vermeidenden Typ (ICD-10 F 60.6) verneint hat. Die
Diagnose "Persönlichkeitsstörung" lässt
für sich genommen eine Aussage über die Frage der
Schuldfähigkeit des Täters nicht zu. Es bedarf
vielmehr einer Gesamtschau, ob die Störung in ihrer Gesamtheit
das Leben des Täters vergleichbar schwer und mit
ähnlichen Folgen belastet wie eine krankhafte seelische
Störung. Eine solche hat das Landgericht vorgenommen.
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III.
Revision der Staatsanwaltschaft
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1. Mit Erfolg wendet sich die Staatsanwaltschaft dagegen, dass das
Landgericht im Fall III 1 der Urteilsgründe ohne
nähere Erläuterung davon ausgegangen ist, die
Angeklagte habe bei dem zum Ersticken führenden festen
Ansichpressen des Kindes nur fahrlässig gehandelt.
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Die Beweiswürdigung des Landgerichts weist insoweit
Lücken auf, denn sie lässt wesentliche Aspekte
unerörtert, die für ein vorsätzliches
Handeln sprechen können: Zunächst hätte sich
das Landgericht damit auseinandersetzen müssen, ob davon
ausgegangen werden kann, dass einer erfahrenen Mutter wie der
Angeklagten nicht bewusst ist, dass ein dessen Atmung behinderndes
Ansichpressen eines Neugeborenen über mehrere Minuten zu
seinem Tod führen kann. Vor allem hätte das Gericht
das Gesamtverhalten der Angeklagten während der
Schwangerschaft in den Blick nehmen müssen, zumal sich dieses
deutlich von demjenigen unterschied, welches die Angeklagte
während der Schwangerschaft mit den drei überlebenden
Kindern gezeigt hatte. Anders als bei diesen stellte sie diesmal ihren
Alkoholkonsum während der Schwangerschaft nicht ein, obwohl
ihr die schädlichen Folgen für das Kind bekannt
waren. Sie hielt die Schwangerschaft sogar vor ihrem Ehemann geheim,
was allein zur Vermeidung ärztlicher Untersuchungen, gegen die
sie eine Abneigung hatte, nicht zu erklären ist, da ihr
Ehemann sie auch bei den offenbarten Schwangerschaften nicht dazu
angehalten hatte. Zur Entbindung ließ sie sich diesmal nicht
wie bei ihren "Wunschkindern" ins Krankenhaus bringen, sondern nahm die
Strapazen einer heimlichen Hausgeburt ohne jeden Beistand auf sich.
Allein aus ihrer ängstlich-vermeidend geprägten
Persönlichkeitsstruktur erscheint dies
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nicht verständlich, zumal die Angeklagte die Existenz eines
weiteren lebenden Kindes vor ihrem Ehemann ohnehin nicht hätte
verheimlichen können.
Die Sache bedarf insoweit erneuter tatrichterlicher Würdigung.
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Sollte das Gericht in der neuen Hauptverhandlung zu dem Ergebnis
kommen, dass die Angeklagte den Tod des Neugeborenen
vorsätzlich herbeigeführt hat, so wäre in
diesem aktiven Tun der Schwerpunkt des strafrechtlich relevanten
Verhaltens (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 17. August 1999 - 1 StR
390/99, NStZ 1999, 607; Urteil vom 14. März 2003 - 2 StR
239/02, BGHR StGB § 13 Abs. 1 Tun 3; vgl. auch Fischer StGB
56. Aufl. Rdn. 17 vor § 13 m.w.N.) zu sehen mit der Folge,
dass von vornherein allein darauf und nicht auf die unterlassene
Absicherung des Geburtsverlaufs abzustellen wäre.
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2. Die Aufhebung des Schuldspruchs im Fall III 1 der
Urteilsgründe führt zur Aufhebung des gesamten
Strafausspruchs.
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Zwar lässt die Strafrahmenwahl bezüglich der Tat III
2 der Urteilsgründe entgegen der Ansicht der
Staatsanwaltschaft für sich genommen Rechtsfehler nicht
erkennen. Das Landgericht hat die wesentlichen Erschwernis- und
Milderungsgründe gegeneinander abgewogen. Dabei hat es
bedacht, dass das Vorliegen einer Wiederholungstat der Annahme eines
minder schweren Falles des Totschlags grundsätzlich
entgegenstehen kann, diese jedoch nicht zwingend ausschließt
(vgl. BGH, Urteil vom 6. November 2003 - 4 StR 296/03, NStZ-RR 2004,
80, 81 m.w.N.). Im Rahmen der erforderlichen tatrichterlichen
Gesamtwürdigung hat es insbesondere den Zeitablauf von 16
Jahren zwischen beiden Taten sowie die Tatsache, dass die Angeklagte
zur Tatzeit an einer massiven Alkoholkrankheit mit einem
Abhängigkeitssyndrom litt, mildernd berücksichtigt.
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Diese Wertung des Tatrichters ist vom Revisionsgericht hinzunehmen,
auch wenn eine andere Entscheidung möglich gewesen
wäre.
Sollte die neu entscheidende Schwurgerichtskammer im Fall III 1 der
Urteilsgründe aber zu einem Schuldspruch wegen durch aktives
Tun begangenen Totschlags kommen, könnte sich dies auch auf
die Strafzumessung im Fall III 2 der Urteilsgründe auswirken.
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IV.
Auf Anregung der Verteidigung und der Staatsanwaltschaft macht der
Senat von der Möglichkeit Gebrauch, die Sache an ein anderes
Landgericht zurückzuverweisen (§ 354 Abs. 2 StPO).
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Tepperwien Athing Solin-Stojanović
Ernemann Franke |