BGH,
Urt. v. 13.11.2003 - 5 StR 327/03
5 StR 327/03
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 13.11.2003
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen fahrlässiger Tötung u.a.
- 2 -
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Grund der
Hauptverhandlungen
vom 12. und 13.11.2003, an denen teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin Harms,
Richter Basdorf,
Richterin Dr. Gerhardt,
Richter Dr. Raum,
Richter Dr. Brause
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt G
als Verteidiger des Angeklagten L ,
Rechtsanwalt E
als Verteidiger des Angeklagten H ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
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in der Sitzung vom 13.11.2003 für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das
Urteil des Landgerichts Potsdam vom 18. Oktober
2002 aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung,
auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine
andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
- Von Rechts wegen -
G r ü n d e
Das Landgericht hat die Angeklagten von dem Vorwurf freigesprochen,
als verantwortliche Ärzte der psychiatrischen Klinik des
Landeskrankenhauses
Brandenburg durch einen am 4. Oktober 1998 dem Patienten
S sorgfaltspflichtwidrig gewährten (unbeaufsichtigten) Ausgang
Körperverletzungen
von acht und den Tod von zwei Frauen fahrlässig verursacht
zu haben. Die dagegen mit der Sachrüge geführten
Revisionen der Staatsanwaltschaft,
die vom Generalbundesanwalt vertreten werden, haben Erfolg.
1. Das Landgericht hat folgendes ausgeführt:
a) Der 34 Jahre alte S wurde am 18. Juli 1997
nach langjähriger Strafhaft aufgrund
vormundschaftsgerichtlichen Beschlusses
in der vom Angeklagten L als Chefarzt geleiteten 1. Klinik für
Psychiatrie des Landeskrankenhauses Brandenburg aufgenommen und der
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vom Angeklagten H als Oberarzt betreuten geschlossenen Station
6/II zugewiesen. S war zwischen September 1980 und Mai 1988
wegen schwerwiegender Sexualdelikte, Körperverletzungen und
Diebstählen
viermal zu insgesamt 17 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt und 1986 nach
§ 16
Abs. 3 StGB-DDR in eine psychiatrische Einrichtung eingewiesen worden.
Während des Vollzuges der Einweisung im Klinikum Berlin-Buch
war
S schon nach kurzem Aufenthalt am 19. Juli 1987 Ausgang gewährt
worden, den er unter anderem zur Vornahme mehrerer versuchter
Vergewaltigungen
mißbrauchte. Daraufhin wurde eine erneute Einweisung
angeordnet.
Diese noch nach DDR-Recht getroffene Anordnung führte nach dem
3. Oktober 1990 zur Einweisung des S nach dem Brandenburgischen
Gesetz über Hilfen und Schutzmaßnahmen sowie
über den Vollzug
gerichtlich angeordneter Unterbringung für psychisch Kranke
(BbgPsychKG)
durch das Vormundschaftsgericht (vgl. zur Beurteilung der
Übergangsrechtslage
BVerfG NStZ 1995, 399). Das Amtsgericht hatte auf Grund einer
neu eingeholten Begutachtung des S als psychische Erkrankung
(§ 8 Abs. 1, § 1 Abs. 2 BbgPsychKG) eine schwere
Persönlichkeitsstörung
narzißtischer Prägung mit histrionisch-dissozialen
Zügen angenommen; eine
Fremdgefährdung (§ 8 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3 BbgPsychKG)
sah das Gericht in
der von S ausgehenden Gefahr für Leib und Leben anderer,
insbesondere
möglicher Partnerinnen.
Die Angeklagten teilten diese Beurteilung. Sie waren durch das ihnen
vorliegende psychiatrische Sachverständigengutachten
über die früheren
Straftaten des S unterrichtet und veranlaßten eine
verhaltenstherapeutisch
ausgerichtete Psychotherapie, die allerdings erfolglos blieb. Am
15. November und 20. Dezember 1997 drückte S marode
Gitterstäbe
vor Fenstern des unter Denkmalschutz stehenden
Stationsgebäudes auseinander;
mit zusammengeknoteter Bettwäsche seilte er sich ins Freie ab.
Die
jeweils eingeleiteten Fahndungsmaßnahmen führten zur
Festnahme und
Rückführung des S . Von einem ihm am 7. Februar 1998
gewährten
Ausgang kehrte S nicht mehr zurück. Er beging in Berlin zwei
Woh-
5 -
nungsdiebstähle zum Nachteil hochbetagter Frauen. Die
Angeklagten teilten
dem Amtsgericht in ihrer Stellungnahme vom 8. Mai 1998 mit,
daß kein Zusammenhang
zwischen der Persönlichkeitsstörung des S und seinen
Straftaten bestehe (UA S. 17). Sie attestierten ihrem Patienten eine
hohe
Bereitschaft zu kriminellem Verhalten und stuften ihn als nicht
therapiefähig
ein. Die Angeklagten regten an, die Unterbringung aufzuheben. Dazu kam
es
nicht.
S wurde nach siebenmonatiger Strafvollstreckung in Berlin
am 24. September 1998 aufgrund der fortbestehenden, nicht aufgehobenen
Anordnung erneut in die Obhut der Angeklagten in die psychiatrische
Klinik
überstellt. Obwohl die Stationsärztin Hö am
1. Oktober 1998 zu besonderer
Vorsicht mahnte und bei S Fluchtgefahr erkannte, ordnete
der Angeklagte H im Einvernehmen mit dem Angeklagten
L Ausgänge des S an. Am 4. Oktober 1998 kehrte dieser
von einem Spaziergang mit seiner Freundin nicht mehr in die Klinik
zurück.
Er lebte verborgen in Berlin und beging zwischen dem 28. Dezember 1998
und 7. Juni 1999 unter anderem acht mit gefährlichen
Körperverletzungen,
teils auch mit sexuellen Nötigungen einhergehende
Raubüberfälle und zwei
Morde zum Nachteil hochbetagter Frauen. Das Landgericht Berlin
verurteilte
den als uneingeschränkt schuldfähig beurteilten S zu
einer lebenslangen
Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe, stellte die besondere Schwere der
Schuld fest und ordnete die Sicherungsverwahrung an.
b) In dem angefochtenen Urteil hat es die Strafkammer in ihrer
rechtlichen
Würdigung letztlich dahinstehen lassen, ob die
Gewährung des Ausgangs
eine Pflichtwidrigkeit der Angeklagten darstellte. Sie hat deren
mögliche
Kausalität für den Tod und die Verletzungen der
Frauen verneint, weil
S nicht ausschließbar die ungenügend gesicherte
Station jederzeit
gewaltsam hätte verlassen und die Verbrechen auch ohne das den
Angeklagten
als rechtswidrig zur Last gelegte Verhalten hätte begehen
können.
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2. Der Freispruch hält der sachlich-rechtlichen
Prüfung nicht stand.
Das Landgericht hat es zu Unrecht unterlassen, die Frage der
Pflichtwidrigkeit
des am 4. Oktober 1998 gewährten Ausgangs
abschließend zu prüfen.
Dessen Ursächlichkeit für die Todesfälle und
die Körperverletzungen war
nicht, wie rechtsfehlerhaft angenommen, mit Rücksicht darauf
entfallen, daß
S auch durch die ungenügend gesicherten Fenster der Klinik
hätte
entweichen können.
a) Der von den Angeklagten gewährte Ausgang ist nach der
maßgeblichen
Bedingungstheorie kausal.
aa) Nach ständiger Rechtsprechung ist als
haftungsbegründende Ursache
eines strafrechtlich bedeutsamen Erfolges jede Bedingung anzusehen,
die nicht hinweggedacht werden kann, ohne daß der Erfolg
entfiele
(BGHSt 39, 195, 197; 45, 270, 294 f.). Diese Voraussetzungen liegen auch
dann vor, wenn die Möglichkeit oder die Wahrscheinlichkeit
besteht, daß ohne
die Handlung des Täters ein anderer eine - in Wirklichkeit
jedoch nicht
geschehene - Handlung vorgenommen hätte, die ebenfalls den
Erfolg herbeigeführt
haben würde (BGHSt 2, 20, 24; 45, 270, 295).
Bei fahrlässigen Erfolgsdelikten entfällt allerdings
der ursächliche
Zusammenhang zwischen dem verkehrswidrigen Verhalten eines Angeklagten
und dem Tötungs- und Verletzungserfolg, wenn der gleiche
Erfolg auch
bei verkehrsgerechtem Verhalten des Angeklagten eingetreten
wäre oder
wenn sich dies aufgrund erheblicher Tatsachen nach der
Überzeugung des
Tatrichters nicht ausschließen läßt (BGHSt
33, 61, 63 m.w.N.).
bb) Indes hat die Prüfung der Ursächlichkeit mit dem
Eintritt der
- einer kritischen Verkehrslage vergleichbaren - konkreten Tatsituation
einzusetzen,
die unmittelbar zu dem schädigenden Ereignis geführt
hat
(vgl. BGHSt 33, 61, 63 f. m.w.N.; Jähnke in LK 11. Aufl.
§ 222 Rdn. 1). Die
Frage, welches Verhalten pflichtgemäß gewesen
wäre, ist im Hinblick auf
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den Pflichtenverstoß zu beantworten, der als (unmittelbare)
Schadensursache
in Betracht kommt. Im übrigen ist der Prüfung der
tatsächliche Geschehensablauf
zugrunde zu legen. Hinwegzudenken und durch das korrespondierende
sorgfaltsgemäße Verhalten zu ersetzen ist daher nur
der dem Täter
vorwerfbare Tatumstand; darüber hinaus darf von der konkreten
Tatsituation
nichts weggelassen, ihr nichts hinzugedacht und an ihr nichts
verändert werden
(vgl. BGHSt aaO; BGH VRS 74, 359 f.; BGHR StGB § 222
Kausalität 1;
Jähnke aaO). Zur konkreten Tatsituation zählen
demgemäß nur solche Bedingungen,
deren Grund in diesem Tatgeschehen selbst unmittelbar angelegt
sind (vgl. Schatz NStZ 2003, 581, 585), wie etwa das eigene Verhalten
von
Verkehrsopfern (vgl. BGHSt 11, 1 f.; 33, 61 f.).
b) Das Landgericht hätte deshalb das
pflichtgemäße Verhalten der
Angeklagten, die Untersagung des Ausgangs, nur mit solchen gedachten
alternativen Geschehen in Verbindung setzen dürfen, die der
konkreten Tatsituation
zuzurechnen wären. Dazu zählt aber die von der
Strafkammer herangezogene
Möglichkeit eines gewaltsamen Ausbruchs nicht. Dieser
hätte
einer völlig außerhalb des Tatgeschehens liegenden
autonomen Willensbildung
des S bedurft (vgl. Schatz aaO), für dessen Umsetzung nach
den vom Landgericht getroffenen Feststellungen auch nach den zwei
länger
zurückliegenden Ausbrüchen keine hinreichend
konkreten Anhaltspunkte
bestanden.
c) Daß die hypothetische Möglichkeit eines
gewaltsamen Entweichens
des S nicht die Kausalität des von den Angeklagten zu
verantwortenden
Ausgangs beseitigen kann, belegt auch die Verantwortung
Dritter für die Sicherheit des Klinikgebäudes (vgl.
BGHSt 30, 228, 231 f.; vgl.
auch BGHSt 48, 77, 94 f.). Im Fall einer Erfolgsverursachung nach einem
Ausbruch hätten anstelle der Angeklagten - sofern nicht sogar
diese selbst
eine Verantwortlichkeit für den maroden baulichen Zustand
getroffen hätte -
nämlich diejenigen Personen S die Freiheit verschafft, die
für die
infolge pflichtwidrigen Unterlassens fehlenden Sicherungen der
geschlosse-
8 -
nen Station der psychiatrischen Klinik die Verantwortung trugen. Demnach
durfte der von den Angeklagten gewährte Ausgang als
Erfolgsursache nicht
ausgeschlossen werden (so auch Schatz aaO 583 ff.). Die Sache bedarf
deshalb insgesamt neuer Aufklärung und Bewertung.
3. Für die Beurteilung einer Pflichtwidrigkeit des Verhaltens
der Angeklagten
weist der Senat auf folgendes hin:
Fahrlässig handelt, wer eine objektive Pflichtwidrigkeit
begeht, sofern
er diese nach seinen subjektiven Kenntnissen und Fähigkeiten
vermeiden
konnte, und wenn gerade die Pflichtwidrigkeit objektiv und subjektiv
vorhersehbar
den Erfolg gezeitigt hat (vgl. dazu näher BGHR StGB §
222 Pflichtverletzung
5 m.w.N.).
a) Die Pflichten der Angeklagten ergaben sich aus den Vorschriften
des Brandenburgischen Gesetzes über Hilfen und
Schutzmaßnahmen sowie
über den Vollzug gerichtlich angeordneter Unterbringung
für psychisch
Kranke nach Maßgabe der konkreten Umstände der
Unterbringung des
S . Nach § 15 Abs. 3 BbgPsychKG ist die Unterbringung zwar
nach Möglichkeit gelockert durchzuführen, sobald der
Zweck der Unterbringung
dies zuläßt. Sollte der neue Tatrichter erneut
feststellen, daß S
nicht therapierbar war und wegen seiner Neigung zu Straftaten die
Möglichkeit
des Mißbrauchs der offenen Unterbringung im Sinne von
§ 15
Abs. 3 BbgPsychKG bestand, hätte ein (unbeaufsichtigter)
Ausgang zu
therapeutischen Zwecken - aber auch sonst - ausscheiden müssen
(vgl.
Pollähne in Kammeier, Maßregelvollzugsrecht 2. Aufl.
Rdn. F 64; Volckart,
Maßregelvollzug 5. Aufl. S. 130); seine Anordnung
hätte dem Gesetz widersprochen
und wäre damit - naheliegend auch subjektiv - pflichtwidrig
gewesen. Anders wäre die Sachlage, falls der Ausgang etwa
therapeutisch
begründet den Regeln der psychiatrischen Kunst entsprochen
hätte.
Im Blick auf den Versagungsgrund der Mißbrauchsgefahr
wäre dann
ein prognostischer Beurteilungsspielraum eröffnet gewesen, in
dessen
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Rahmen möglicherweise mehrere gleichermaßen als
rechtlich
vertretbar bewertbare Entscheidungen hätten getroffen werden
können (vgl.
BVerfG - Kammer - NJW 1998, 2202, 2204; BGHSt 30, 320, 324 ff. zu der
ähnlichen Problematik bei Vollzugslockerungen). Eine im
Ergebnis falsche
Prognose wäre nur dann pflichtwidrig gewesen, falls auf
relevant unvollständiger
Tatsachengrundlage oder unter unrichtiger Bewertung der festgestellten
Tatsachen die Mißbrauchsgefahr verneint worden wäre
(vgl. Pollähne
NStZ 1999, 53, 54). Daneben ist der weitergehenden Erwägung
des Landgerichts
nicht zu folgen, die Angeklagten hätten
möglicherweise - mangels anderweitiger
Sicherungen - S den Aufenthalt in der Klinik durch
großzügige Gewährung von Lockerungen so
angenehm gestalten dürfen,
daß er nicht den Wunsch zum Entweichen hätte
verspüren können
(UA S. 30). Eine solche Wertung ließe den in § 9
Abs. 1 Satz 2 BbgPsychKG
normierten Zweck der Unterbringung, auch eine Gefahr von der
Öffentlichkeit
abzuwenden, gänzlich unbeachtet und würde die
vorrangig für gefährliche
Patienten in § 16 Abs. 2 Satz 1 BbgPsychKG vorgesehene
Möglichkeit einer
Verlegung aus Gründen der Sicherheit übersehen.
b) Die Zurechenbarkeit und objektive Vorhersehbarkeit des Erfolges
- der Tod und die Verletzungen der Opfer von S s Straftaten -
werden nach dem Maßstab des gewöhnlichen
Erfahrungsbereichs (vgl.
BGHSt 12, 75, 78; BGH NJW 1992, 1708, 1709; Tröndle/Fischer,
StGB 51. Aufl. § 222 Rdn. 26) jedenfalls dann angenommen
werden können,
wenn zwischen der bei S festgestellten psychischen Störung und
den von ihm begangenen Straftaten ein Zusammenhang besteht. Einen
solchen
zu begründen, erscheint die vom Amtsgericht Brandenburg
festgestellte
narzißtische Persönlichkeitsstörung
grundsätzlich geeignet, weil sie die
Hemmschwelle zur Begehung von Straftaten herabsetzen kann (vgl. Venzlaff
in Venzlaff/Foerster, Psychiatrische Begutachtung 2. Aufl. S. 296 f.),
auch
wenn im Einzelfall eine Schuldrelevanz im Sinne einer schweren anderen
seelischen Abartigkeit des § 20 StGB nicht erreicht wird (vgl.
BGHR StGB
§ 21 seelische Abartigkeit 34; Tröndle/Fischer aaO
§ 20 Rdn. 41 f.).
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Aber auch jenseits eines solchen gesicherten Zusammenhangs wäre
vorliegend aufgrund der besonderen Schadensgeneigtheit des pflichtwidrig
gewährten Ausgangs die Annahme der objektiven Vorhersehbarkeit
des Erfolges
in Betracht zu ziehen (vgl. Jähnke in LK 11. Aufl. §
222 Rdn. 6), ohne
daß an dem erforderlichen Pflichtwidrigkeitszusammenhang
gezweifelt werden
müßte. Aus dem Regelungszusammenhang von §
9 Abs. 1 Satz 2,
Abs. 3 und § 20 Abs. 1 Satz 1 BbgPsychKG folgt, daß
Zweck der Unterbringung
des S auch die Sicherung der Öffentlichkeit vor einer
Gefährdung
durch ihn war, und zwar unabhängig von bestehenden
Behandlungsmöglichkeiten.
Aus der rechtlich verbindlichen Unterbringungsanordnung ergab
sich für die Angeklagten die Pflicht, auch in den Zeiten einer
Nichtbehandlung
- etwa bis zu einer Verlegung in eine andere Einrichtung nach
§ 9
Abs. 3 und § 10 Abs. 1 Satz 2 BbgPsychKG, einer
Überstellung in den Strafvollzug
oder einer Entlassung - die Öffentlichkeit jedenfalls vor
erheblichen
Straftaten des S zu schützen, selbst wenn deren Gefahr nicht
zweifelsfrei
im Zusammenhang mit seiner psychischen Erkrankung gestanden
haben sollte (vgl. Pollähne in Kammeier,
Maßregelvollzugsrecht 2. Aufl. Rdn.
F 71). Daß sich die bestehende Gefahr in den konkret
begangenen Taten
verwirklicht hat, liegt nach den bisher getroffenen Feststellungen nahe.
c) Sollte der neue Tatrichter nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung
zu der Überzeugung gelangen, daß die Angeklagten
strafrechtlich verantwortlich
sind, wird er der Besonderheit Rechnung tragen müssen,
daß
sie fahrlässige Nebentäter neben S als
vorsätzlich handelndem
(Haupt-)Täter sind. Er wird für diesen Fall bei der
Bestimmung und Bemessung
der Rechtsfolgen maßgeblich zu Gunsten der Angeklagten zu
berück-
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sichtigen haben, daß die von ihnen geleitete geschlossene
Abteilung der
Akutpsychiatrie mit der Einweisung von kaum oder nicht therapierbaren
Schwerstkriminellen, wie dem Patienten S , ganz erheblichen
Anforderungen
bis an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit ausgesetzt war.
Harms Basdorf Gerhardt
Raum Brause |