BGH,
Urt. v. 14.8.2009 - 3 StR 552/08
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 552/08
vom
14. August 2009
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja (nicht: B. III., C. V.-VII.)
Veröffentlichung: ja
____________________________________
I. StPO § 100 c Abs. 4, 5, 6, § 100 d Abs. 5 Nr. 3
1. Die Verwendungsregelung des § 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO setzt
grundsätzlich voraus, dass die zu verwendenden Daten
polizeirechtlich rechtmäßig erhoben wurden.
2. Die in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zu den
sog. relativen Beweisverwertungsverboten, nach denen nicht jeder
Verstoß bei der Beweiserhebung zu einem Verwertungsverbot
hinsichtlich der so erlangten Erkenntnisse führt, gelten auch
für die in neuerer Zeit vermehrt in die Strafprozessordnung
eingeführten Verwendungsregelungen bzw.
Verwendungsbeschränkungen.
- 2 -
3. Zur Verwendbarkeit von Daten im Strafverfahren, die durch eine
akustische Wohnraumüberwachung auf der Grundlage einer
polizeirechtlichen Ermächtigung zur Gefahrenabwehr gewonnen
worden sind, welche noch keine Regelung zum Schutz des Kernbereichs
privater Lebensgestaltung enthielt.
4. Der Begriff "verwertbare Daten" in § 100 d Abs. 5 Nr. 3
StPO bezieht sich auf die gesetzlichen Beweisverwertungsverbote in
§ 100 c Abs. 5 und 6 StPO sowie auf das Beweiserhebungsverbot
aus § 100 c Abs. 4 StPO.
5. Werden durch eine Wohnraumüberwachungsmaßnahme
Gespräche eines nach § 52 StPO
Zeugnisverweigerungsberechtigten aufgezeichnet, so richtet sich die
Verwertbarkeit dieser Gesprächsinhalte stets nach der
Vorschrift des § 100 c Abs. 6 StPO. Für eine
isolierte Anwendung des § 52 StPO ist daneben kein Raum.
II. StGB §§ 129, 129 a, 129 b
1. Zur Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen
Vereinigung, wenn sich der Täter ausschließlich im
Inland aufgehalten hat.
2. Das Unterstützen einer Vereinigung umfasst
regelmäßig auch Sachverhalte, die ansonsten
materiellrechtlich als Beihilfe (§ 27 Abs. 1 StGB) zur
mitgliedschaftlichen Beteiligung an der Vereinigung zu bewerten
wären.
III. StGB § 263
Mit dem Abschluss des Lebensversicherungsvertrags ist der
Eingehungsbetrug vollendet, wenn der Versicherungsnehmer
darüber getäuscht hat, dass er den Versicherungsfall
fingieren will, um die Versicherungssumme geltend machen zu lassen.
BGH, Urt. vom 14. August 2009 - 3 StR 552/08 - OLG Düsseldorf
- 3 -
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen zu 1.: Mitgliedschaft in einer ausländischen
terroristischen Vereinigung u. a.
zu 2. und 3.: Unterstützung einer ausländischen
terroristischen Vereinigung u. a.
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Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung
vom 28. Mai 2009 in der Sitzung am 14. August 2009, an denen
teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Becker,
Richter am Bundesgerichtshof
Pfister,
Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible,
die Richter am Bundesgerichtshof
Hubert,
Dr. Schäfer
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin und
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten K. ,
Rechtsanwältin
als Verteidigerin des Angeklagten Y. A. ,
Rechtsanwalt und
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten I. A. ,
Justizangestellte in der Verhandlung vom 28. Mai 2009,
Justizamtsinspektor bei der Verkündung am 14. August 2009
als Urkundsbeamte der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
- 5 -
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des
Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 5. Dezember 2007
a) in den Schuldsprüchen dahin geändert, dass die
Angeklagten wie folgt schuldig sind:
aa) der Angeklagte K. der Mitgliedschaft in einer
ausländischen terroristischen Vereinigung in Tateinheit mit
Betrug in neun sowie mit versuchtem Betrug in neunzehn tateinheitlichen
Fällen;
bb) der Angeklagte Y. A. der Unterstützung einer
ausländischen terroristischen Vereinigung in Tateinheit mit
Betrug in neun sowie mit versuchtem Betrug in neunzehn tateinheitlichen
Fällen;
cc) der Angeklagte I. A. der Unterstützung einer
ausländischen terroristischen Vereinigung in Tateinheit mit
Betrug in fünf sowie mit versuchtem Betrug in achtzehn
tateinheitlichen Fällen;
b) im Strafausspruch betreffend den Angeklagten Y. A. aufgehoben;
jedoch bleiben die zugehörigen Feststellungen aufrechterhalten.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels des
Angeklagten Y. A. , an
- 6 -
einen anderen Strafsenat des Oberlandesgerichts
zurückverwiesen.
3. Die weitergehenden Revisionen der Angeklagten und die sofortige
Beschwerde des Angeklagten I. A. gegen die Kostenentscheidung des
angefochtenen Urteils werden verworfen.
4. Die Angeklagten K. und I. A. haben die Kosten ihrer Rechtsmittel zu
tragen.
Von Rechts wegen
Gründe:
A. Prozessgeschichte, Feststellungen und Wertungen des
Oberlandesgerichts
1
Das Oberlandesgericht hat die Angeklagten K. und Y. A. wegen
Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen
Vereinigung in Tateinheit mit versuchtem
"bandenmäßigen" Betrug in 28 tateinheitlich
begangenen Fällen zu Freiheitsstrafen von sieben Jahren (K. )
bzw. sechs Jahren (Y. A. ) und den Angeklagten I. A. wegen
Unterstützung einer ausländischen terroristischen
Vereinigung in Tateinheit mit versuchtem
bandenmäßigen Betrug in 28 tateinheitlich begangenen
Fällen zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs
Monaten
2
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verurteilt. Hiergegen richten sich die Revisionen der Angeklagten, die
sowohl mehrere Verfahrensrügen erheben als auch mit
Einzelbeanstandungen die Verletzung sachlichen Rechts geltend machen.
Die beiden Angeklagten A. haben außerdem sofortige Beschwerde
gegen die Kostenentscheidung eingelegt.
Die Revision des Angeklagten Y. A. führt zur Änderung
des Schuldspruchs und zur Aufhebung des Strafausspruchs. Die
übrigen Rechtsmittel bleiben im Wesentlichen ohne Erfolg.
3
Das Oberlandesgericht hat folgende Feststellungen getroffen und
Bewertungen vorgenommen:
4
I. Die Organisation Al Qaida
5
In den Jahren 1996/1997 entstand aus einem Bündnis zwischen
Usama Bin Laden und Aiman Al Zawahiri die Organisation Al Qaida, die
zum Kampf einer "Islamischen Weltfront für den Jihad gegen
Juden und Kreuzzügler" aufrief und es mit dem Ziel, westliche,
vor allem amerikanische Truppen aus der arabischen Halbinsel zu
vertreiben, als individuelle Glaubenspflicht eines jeden Muslim
bezeichnete, die Amerikaner und ihre Verbündeten an jedem
möglichen Ort zu töten. Al Qaida war im Kern in
Afghanistan angesiedelt. An der Spitze der hierarchisch aufgebauten
Organisation standen Bin Laden, Al Zawahiri und Muhammed Atef sowie die
Leiter der für Militär, Finanzen, religiöse
Fragen und Medienarbeit zuständigen Abteilungen.
"Jihadwillige" Islamisten, die mittels des von der Organisation
verbreiteten Propagandamaterials angeworben worden waren, wurden in
Ausbildungslagern in Afghanistan als Kämpfer geschult.
Besonders geeignet erscheinenden Kandidaten wurde sodann in speziellen
Vertiefungskursen Sonderwissen vermittelt. Wer an einer derartigen -
privilegierten -
6
- 8 -
Spezialausbildung in den Jahren vor 2001 teilgenommen hatte, war der
Organisation Al Qaida in der Regel im Sinne einer "Mitgliedschaft"
unmittelbar zuzuordnen. Nach Abschluss ihrer Ausbildung kehrten die
Kämpfer in ihre Herkunftsländer zurück und
bildeten dort operative Zellen. Von der Organisation, deren Zweck und
Tätigkeit im Wesentlichen in der Tötung von "Feinden
des Islams" bestand, wurden in der Folgezeit mehrere Anschläge
ausgeführt, die eine erhebliche Zahl von Menschenleben
forderten. Zu ihnen gehörten auch die Selbstmordattentate auf
das World-Trade-Center und das Pentagon am 11. September 2001.
Die dadurch ausgelösten militärischen Reaktionen
beeinträchtigten in der Folgezeit die operative
Handlungsfähigkeit der Organisation, führten aber
nicht zu einer vollständigen Zerschlagung sämtlicher
Strukturen von Al Qaida, sondern nur zu deren - dem Verfolgungsdruck
vorübergehend angepassten - Modifizierung. Den in
großer Zahl aus Afghanistan geflohenen Anhängern
wurde durch Audio- und Videobotschaften verdeutlicht, dass die obersten
Führungskräfte von Al Qaida dort weiterhin
unverändert aktiv waren. Es gelang der Aufbau von regional
tätigen Teilstrukturen in Form der "Al Qaida auf der
Arabischen Halbinsel" und einer Gruppe türkischer Islamisten.
Außerdem konnte Al Qaida mehrere selbständige
islamistische Organisationen ("Al Qaida im Zweistromland" sowie "Al
Qaida im islamischen Maghreb") an sich binden. Durch den über
Rundfunk und Fernsehen verbreiteten Führungsanspruch von Bin
Laden und Al Zawahiri gelang es, auch ohne die Bildung
eigenständiger Netzwerke neue Mitglieder der Organisation
unter dem "Dach" der Al Qaida zu rekrutieren. An die Stelle des vor
2001 üblichen Gefolgschaftseids traten zur Begründung
der Mitgliedschaft in der Organisation mehr und mehr einseitige
Loyalitätserklärungen sowie an den Zielvorgaben von
Al Qaida orientierte Handlungen.
7
- 9 -
II. Die Tathandlungen der Angeklagten
8
Der Angeklagte K. , der schon 2000 und Anfang 2001 in Trainingslagern
der Al Qaida eine terroristische Ausbildung erhalten und seither den
gewaltsamen Jihad gegen die "Ungläubigen" als seine
außer jeder Diskussion stehende Individualpflicht betrachtet
hatte, reiste nach einem zwischenzeitlichen Aufenthalt in Deutschland
im Oktober 2001 erneut nach Afghanistan und nahm dort Ende 2001 /
Anfang 2002 an Kampfhandlungen der Al Qaida-Verbände teil.
Dabei hatte er Kontakt zu Bin Laden und gliederte sich in die
Hierarchie der Organisation ein. Im Frühjahr 2002 floh er vor
den Amerikanern und deren Verbündeten. Er folgte der von Bin
Laden an die im Besitz europäischer Pässe
befindlichen "Kämpfer" erteilten Order, sich nach
Möglichkeit in ihre Herkunftsländer zu begeben und
weiterhin für Al Qaida zu arbeiten. Mitte Juli 2002 kehrte er
nach Deutschland zurück und zog nach M. .
9
In M. lernte der Angeklagte K. den Angeklagten Y. A. kennen. Dieser
hatte sich schon seit längerem für den gewaltsamen
Kampf der Muslime begeistert sowie seine Sympathie zu Al Qaida zum
Ausdruck gebracht und war in M. in Kontakt zu weiteren gleichgesinnten
Personen gekommen. Die Wohnung des Angeklagten K. in der P.
straße wurde zum Treffpunkt dieses Freundeskreises. Der
Angeklagte Y. A. besuchte den Angeklagten K. auch in der JVA , nachdem
dieser im Januar 2004 in einem Verfahren wegen Betruges verhaftet und
für vier Monate in Untersuchungshaft genommen worden war.
10
- 10 -
Der Angeklagte K. , der sich nach wie vor der Al Qaida
zugehörig und in der Rolle eines "Murabit" fühlte,
der nur zeitweilig den Kampfschauplatz des Jihad hatte verlassen
müssen, entfaltete in der Folgezeit umfangreiche
Aktivitäten für die Organisation. Er befasste sich zu
deren Gunsten in erster Linie mit Rekrutierungs- und
Beschaffungsmaßnahmen und warb für die
Unterstützung des gewaltsamen Jihad durch einen
Märtyrereinsatz oder zumindest durch eine Spende an seine
Organisation. Dabei gelang es ihm, den Angeklagten Y. A. zur Mitarbeit
zu bewegen. Dieser entschloss sich vor dem Hintergrund seiner eigenen
ideologischen Vorprägung, auf die Angebote des Angeklagten K.
einzugehen und seine Tätigkeit in Deutschland fortan in den
Dienst von Al Qaida zu stellen. Dementsprechend machte er die Planung
und Durchführung einer Betrugsserie zum Nachteil von
Lebensversicherungsgesellschaften zum "Mittelpunkt seines Lebens",
deren erhebliche Beute zum einen Teil Al Qaida und zum anderen seiner
Familie zugute kommen und zuletzt ihm ermöglichen sollte, dem
Angeklagten K. zur Teilnahme am Jihad in den Irak zu folgen.
11
Der Plan einer Betrugsserie sah vor, dass der Angeklagte Y. A.
innerhalb eines auf zwei bis drei Monate angelegten Tatzeitraums
zahlreiche Lebensversicherungsverträge abschließen,
sodann nach Ägypten verreisen und von dort aus mittels
Bestechung von Amtspersonen inhaltlich falsche Urkunden
übersenden sollte, um gegenüber den
Versicherungsunternehmen einen tödlichen Verkehrsunfall in
Ägypten vortäuschen zu können. Der
Angeklagte I. A. sollte sodann als Begünstigter mit
Unterstützung des Angeklagten K. die Versicherungssummen
geltend machen. In Verfolgung dieses zuerst zwischen den Angeklagten K.
und Y. A. entwickelten Plans holte letzterer ab Mai 2004 bei
Versicherungsunternehmen erste Erkundigungen über die
möglichen Vertragsge-
12
- 11 -
staltungen ein und begann am 10. August 2004 mit der Stellung von
Versicherungsanträgen. Der Angeklagte K. stellte sicher, dass
die ersten Prämien bezahlt werden konnten. Der Angeklagte I.
A. , der am 21. September 2004 umfassend in den Tatplan eingeweiht
worden war, nahm an zahlreichen Besprechungen des Vorhabens teil,
ließ hierbei keine Zweifel an seiner
uneingeschränkten Bereitschaft zur Mitwirkung bei der
späteren Geltendmachung der Versicherungssummen und deren
Verwendung aufkommen und unterstützte ferner die gemeinsame
Tatplanung durch die Einholung zusätzlicher Informationen zum
Procedere der Leistungsprüfung bei Lebensversicherungen sowie
durch Vorschläge und Anregungen allgemeiner Art. Er nahm dabei
billigend in Kauf, dass zumindest ein Teil der Beute über den
Angeklagten K. der Al Qaida zufließen und auf diese Weise
ihren organisatorischen Zusammenhang fördern sowie die
Verfolgung ihrer terroristischen Aktivitäten erleichtern werde.
Im Einzelnen stellte der Angeklagte Y. A. zwischen dem 10. August 2004
und dem 15. Januar 2005 bei verschiedenen Versicherungsunternehmen
insgesamt 28 Anträge auf Abschluss von
Lebensversicherungsverträgen. Entsprechend der Tatplanung kam
es in neun Fällen zum Abschluss eines Versicherungsvertrages
mit einer garantierten Todesfallsumme von 1.264.092 €. In 19
Fällen wurden die Anträge des
Beschwerdeführers - teilweise aufgrund der zwischenzeitlichen
Warnhinweise der Polizei an die Versicherungsunternehmen, zuletzt auch
wegen der Festnahme der Angeklagten K. und Y. A. am 23. Januar 2005 -
abgelehnt bzw. nicht mehr weiter bearbeitet.
13
- 12 -
III. Beweisgrundlage und rechtliche Würdigung des
Oberlandesgerichts
14
Das Oberlandesgericht hat seine Überzeugung im Wesentlichen
auf Erkenntnisse gestützt, die durch
Wohnraumüberwachungsmaßnahmen in der von den
Angeklagten K. und Y. A. bewohnten Wohnung in M. gewonnen worden waren.
15
Nach der rechtlichen Würdigung des Oberlandesgerichts war Al
Qaida trotz der strukturellen Veränderungen aufgrund der
Verfolgung seit Ende des Jahres 2001 auch im Tatzeitraum eine
ausländische terroristische Vereinigung. In dieser haben sich
die Angeklagten K. und Y. A. als Mitglieder betätigt,
während der Angeklagte I. A. nach Auffassung des
Oberlandesgerichts die Vereinigung unterstützt hat. Die Taten
der Angeklagten zum Nachteil der Versicherungen stellen sich nach
Ansicht des Oberlandesgerichts in allen Fällen, also auch
soweit es zu Vertragsabschlüssen gekommen ist, als
täterschaftlich und bandenmäßig begangener
versuchter Betrug dar.
16
B. Die Verfahrensrügen
17
I. Verwertbarkeit der Erkenntnisse aus der Wohnraumüberwachung
18
Die Beschwerdeführer rügen unter mehreren rechtlichen
Gesichtspunkten die Verwertung der aus einer
Wohnraumüberwachungsmaßnahme gewonnenen
Erkenntnisse. Den Verfahrensbeanstandungen liegt folgender Sachverhalt
zugrunde:
19
- 13 -
Das Polizeipräsidium M. beantragte am 22. Juni 2004 beim
Amtsgericht M. gemäß § 29 Abs. 1 des
Rheinland-Pfälzischen Polizei- und
Ordnungsbehördengesetzes (im Folgenden: POG RhPf) die
richterliche Anordnung der Wohnraumüberwachung mit technischen
Mitteln für die Wohnung des Angeklagten K. .
Begründet wurde der Antrag u. a. mit der dringenden Gefahr,
dass der sich dort regelmäßig treffende
Personenkreis die Begehung von terroristischen Anschlägen
plane. Nachdem der Ermittlungsrichter beim Amtsgericht den Antrag
zunächst am 28. Juni 2004 abgelehnt hatte, weil bereits der
Anfangsverdacht einer Straftat nach §§ 129 a, 129 b
StGB gegen die Betroffenen bestehe, genehmigte das Landgericht M. auf
die sofortige Beschwerde des Polizeipräsidiums mit Beschluss
vom 14. Juli 2004 gemäß § 29 Abs. 1 Satz 1
Nr. 1 und 2, Abs. 2 Satz 1, Abs. 4 POG RhPf aF die Datenerhebung durch
den verdeckten Einsatz technischer Mittel in Wohnungen. Es bejahte
entsprechend dem Antrag des Polizeipräsidiums das Vorliegen
einer dringenden Gefahr für die öffentliche
Sicherheit, weil in der Wohnung Anschläge geplant werden
könnten. Eine Befristung der Maßnahme enthielt der
Beschluss nicht. Vor Ablauf der damaligen Höchstfrist von drei
Monaten gemäß § 29 Abs. 4 Satz 2 POG RhPf
aF beantragte das Polizeipräsidium am 8. Oktober 2004 die
Verlängerung der Maßnahme. Neben einer Verstrickung
des Angeklagten K. in die Netzwerke arabischer Mudjahedin habe die
Überwachung die Bereitschaft der Angeklagten K. und Y. A.
ergeben, den "Märtyrertod" zu sterben, woraus sich wegen zu
befürchtender Anschlagsplanungen eine fortdauernde dringende
Gefahr für die öffentliche Sicherheit ergebe. Der
Ermittlungsrichter des Amtsgerichts M. verlängerte am 12.
Oktober 2004 aus den fortgeltenden Gründen des
Anordnungsbeschlusses die Wohnraumüberwachung für die
Dauer von drei Monaten. Nach dem Beschluss war die Überwachung
sofort abzubrechen, wenn sich der Angeklagte K. oder der Angeklagte Y.
A. jeweils allein in der Wohnung aufhalte, wenn Gespräche
offensichtlich für die
20
- 14 -
Gefahrenabwehr irrelevant seien oder wenn der Kernbereich der privaten
Lebensgestaltung - auch kurzzeitig - betroffen sei.
Am 12. Oktober 2004 leitete der Generalbundesanwalt gegen die
Angeklagten K. und Y. A. das Ermittlungsverfahren wegen Verdachts der
Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung ein. Am 11.
November 2004 beantragte er beim Landgericht Ka. die Anordnung der
Wohnraumüberwachung für die Dauer von drei Monaten
gemäß § 100 c Abs. 1 Nr. 3 Buchst. e, Abs.
2 und Abs. 3 StPO aF. In dem Antrag wurden Erkenntnisse aus der zuvor
auf polizeirechtlicher Grundlage durchgeführten
Wohnraumüberwachung zur Begründung des Tatverdachts
verwendet. Das Landgericht Ka. ordnete die Maßnahme mit
Beschluss vom 24. November 2004 für die Dauer von vier Wochen
an. Die bisher gewonnenen Erkenntnisse ließen den Schluss zu,
dass der Angeklagte K. im Auftrag der Al Qaida Mitglieder zur Begehung
von Selbstmordattentaten rekrutiere und in dem Angeklagten Y. A. auch
bereits einen zum "Märtyrertod" Bereiten gefunden habe, mit
dem er an der Umsetzung des Plans arbeite. Beide stünden damit
im Verdacht, sich an einer terroristischen Vereinigung im Ausland als
Mitglieder zu beteiligen. Ohne die Wohnraumüberwachung werde
die Erforschung des Sachverhalts
unverhältnismäßig erschwert, weil keine
sonstigen Beweismittel ersichtlich seien, mit denen Erkenntnisse
über Zielsetzung oder Aktivitäten der Angeklagten
gewonnen werden könnten. Eine weitere Aufklärung sei
auch erforderlich, weil die bisherigen Erkenntnisse noch keinen
hinreichenden Tatverdacht bezüglich der Mitgliedschaft der
Angeklagten in der Al Qaida und ihre konkrete Art der Beteiligung
ergeben hätten. Eine Ausforschung des unantastbaren
Kernbereichs privater Lebensgestaltung sei nicht mit Wahrscheinlichkeit
zu erwarten, weil die in der abgehörten Wohnung
zusammentreffenden Personen nicht miteinander verwandt seien und nicht
in einer Beziehung
21
- 15 -
höchstpersönlichen Vertrauens zueinander
stünden. Soweit die Brüder des Angeklagten Y. A. in
der Wohnung anwesend seien, müssten die
Ermittlungsbehörden dafür Sorge tragen, dass die
Überwachung sofort abgebrochen werde, sobald der Kernbereich
der privaten Lebensgestaltung berührt werde. Auf entsprechende
Anträge des Generalbundesanwalts, mit denen weitere
Erkenntnisse zu dem geplanten Versicherungsbetrug, aber auch zu einem
möglichen Handel mit Uran mitgeteilt wurden,
verlängerte das Landgericht Ka. mit Beschlüssen vom
22. Dezember 2004 und vom 19. Januar 2005 die Maßnahme um
jeweils vier Wochen.
Obwohl die Wohnraumüberwachung bereits mit Beschluss vom 14.
Juli 2004 genehmigt worden war, begann die Ausführung der
Maßnahme erst am 24. August 2004. Am 30. August 2004
erließ das Polizeipräsidium
Handlungsgrundsätze für die Durchführung der
Wohnraumüberwachung, die allen beteiligten Beamten bekannt
gemacht wurden. Mit diesen Handlungsanweisungen sollten die Vorgaben
aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 3. März 2004
(BVerfGE 109, 279) zum Schutz des Kernbereichs der privaten
Lebensgestaltung umgesetzt werden. Insbesondere wurde nicht eine
automatische, sondern eine manuelle Gesprächsaufzeichnung
angeordnet. Dafür wurden Polizeibeamte und Dolmetscher im
Schichtbetrieb eingesetzt, die nur dann Gespräche
aufzeichneten, wenn aufgrund einer Einschätzung der aktuellen
Situation in der Wohnung relevante Erkenntnisse zu erwarten waren. Die
Handlungsanweisungen wurden entsprechend den Beschlüssen des
Amtsgerichts M. vom 12. Oktober 2004 und des Landgerichts Ka. vom 24.
November 2004 fortgeschrieben und berücksichtigten die dort
aufgestellten Vorgaben. Die Wohnraumüberwachung wurde mit der
vorläufigen Festnahme der Angeklagten K. und Y. A. am 23.
Januar 2005 beendet; sie dauerte mithin ca. fünf Monate. In
dieser Zeit (insgesamt über 3.620 Stunden)
22
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wurden 703 Aufzeichnungen mit einer Gesamtlänge von etwas
über 304 Stunden erstellt, was bezogen auf die Gesamtdauer der
Maßnahme einem Anteil von 8,4 % entspricht. Von den 703
aufgezeichneten Gesprächen wurden 313 übersetzt, 144
der Anklageschrift zu Grunde gelegt, 142 in die Hauptverhandlung
eingeführt und Passagen aus 86
Gesprächsaufzeichnungen im angefochtenen Urteil verwertet.
Alle Angeklagten haben in der Hauptverhandlung der Verwertung der
Erkenntnisse aus der Wohnraumüberwachung widersprochen.
Die Rüge hat keinen Erfolg.
23
1. Ob das Oberlandesgericht die im Rahmen der
präventivpolizeilichen Wohnraumüberwachung gewonnenen
Informationen in die Hauptverhandlung einführen und bei seiner
Beweiswürdigung verwerten durfte, bestimmt sich
zunächst nach § 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO in der
Fassung des Gesetzes zur Neuregelung der
Telekommunikationsüberwachung und anderer verdeckter
Ermittlungsmaßnahmen sowie zur Umsetzung der Richtlinie
2006/24/EG vom 21. Dezember 2007 (BGBl I 3198 ff.). Zwar ist diese
Vorschrift erst am 1. Januar 2008 und damit nach Erlass des
angefochtenen Urteils in Kraft getreten. Jedoch ist bei der
Änderung strafprozessualer Bestimmungen für das
weitere Verfahren grundsätzlich auf die neue Rechtslage
abzustellen (BGH NJW 2009, 791, 792 m. w. N.; Knierim StV 2009, 206,
207). Dies gilt auch bei einer Änderung des Rechtszustands
zwischen dem tatrichterlichen Urteil und der Revisionsentscheidung
(Meyer-Goßner, StPO 52. Aufl. § 354 a Rdn. 4;
Kuckein in KK 6. Aufl. § 354 a Rdn. 5). Nach dem somit
maßgeblichen § 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO - der im
Übrigen dem im Zeitpunkt der Verkündung des
oberlandesgerichtlichen Urteils geltenden § 100 d Abs. 6 Nr. 3
StPO aF entspricht - können aus einer polizeilichen
akustischen Wohnraumüberwachung erlangte, verwertbare
personenbezogene Daten im Strafverfahren ohne Einwilligung der
über-
24
- 17 -
wachten Personen unter anderem zur Aufklärung einer Straftat
verwendet werden, auf Grund derer die Maßnahme nach
§ 100 c StPO angeordnet werden könnte. Diese
Voraussetzungen sind hier erfüllt:
a) Die auf der Grundlage der polizeirechtlichen
Wohnraumüberwachung gewonnenen Erkenntnisse sind zum Nachweis
von Straftaten herangezogen worden, zu deren Aufklärung die
Wohnraumüberwachung auch nach § 100 c StPO angeordnet
werden könnte (Gedanke des hypothetischen Ersatzeingriffs,
vgl. dazu BTDrucks. 16/5846 S. 64; Wolter in SK-StPO § 100 d
Rdn. 33). Dabei kommt es nicht darauf an, ob ein Verdacht, dass
entsprechende Taten begangen worden sind, bereits im Zeitpunkt der
Anordnung bzw. Durchführung der polizeirechtlichen
Maßnahme bestanden hatte, denn es handelt sich bei §
100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO um eine Verwendungsregelung für
Erkenntnisse, die zur Gefahrenabwehr, nicht dagegen zur Strafverfolgung
erhoben worden waren. Daher ist allein maßgeblich, ob die
Daten nunmehr im Strafverfahren zur Klärung des Verdachts
einer Katalogtat nach § 100 c Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 StPO
verwendet werden sollen.
25
Hier sind die Protokolle der präventiv-polizeilichen
Wohnraumüberwachung zum Nachweis der Mitgliedschaft in einer
ausländischen terroristischen Vereinigung bzw. deren
Unterstützung (§ 129 a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 Satz 1 1.
Alt., § 129 b Abs. 1 StGB) verwertet worden, mithin von
Katalogtaten im Sinne des § 100 c Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1
Buchst. b StPO.
26
Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführer durften sie aber
auch zur Beweisführung hinsichtlich der ihnen angelasteten
Betrugstaten herangezogen werden. Zwar sind diese nicht im Katalog des
§ 100 c Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 StPO enthalten. Wie jedoch auch
die Revisionen letztlich nicht in Abrede nehmen, liegt zwischen den
Betrugshandlungen, die sich als Betätigungsakte der durch
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§ 100 c Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b StPO als Katalogtat erfassten
Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen
Vereinigung bzw. deren Unterstützung darstellen, Tateinheit im
Sinne des § 52 Abs. 1 StGB vor. In einer solchen Konstellation
entspricht es bei Maßnahmen der
Telekommunikationsüberwachung der ständigen
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass die Erkenntnisse aus diesen
Ermittlungsmaßnahmen auch zum Nachweis der mit der Katalogtat
in Zusammenhang stehenden Nichtkatalogtat verwertet werden
dürfen (BGHSt 28, 122, 127 f.; 30, 317, 320; BGH StV 1998,
247, 248). Diese Grundsätze sind im Schrifttum gebilligt und
für die Verwertung von Erkenntnissen aus einer
Wohnraumüberwachungsmaßnahme übernommen
worden (Nack in KK § 100 d Rdn. 33; Wolter aaO § 100
d Rdn. 74; jeweils m. w. N.). Es besteht insoweit kein Anlass, aufgrund
der unterschiedlichen betroffenen Grundrechte die Fälle der
Wohnraumüberwachung anders als diejenigen der
Telekommunikationsüberwachung zu behandeln. Den entsprechenden
Ausführungen in der Zuschrift des Generalbundesanwalts tritt
der Senat bei.
Die den Angeklagten angelasteten Taten nach § 129 a Abs. 1 Nr.
1, Abs. 5 Satz 1 1. Alt., § 129 b Abs. 1 StGB wogen auch im
konkreten Fall besonders schwer (§ 100 c Abs. 1 Nr. 2 StPO).
Zum einen handelt es sich bei der öffentlichen Sicherheit und
staatlichen Ordnung (vgl. Fischer, StGB 56. Aufl. § 129 Rdn. 2
m. w. N.) um hochrangige Rechtsgüter; diese werden von
§ 129 a StGB geschützt. Zum anderen kam das
arbeitsteilige, äußerst konspirative Zusammenwirken
mehrerer Täter zur Umsetzung eines komplexen Tatplans hinzu,
wodurch zugleich noch weitere Rechtsgüter - das
Vermögen der Versicherungsunternehmen - verletzt wurden (zu
diesen Anforderungen vgl. BTDrucks. 15/4533 S. 12).
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Die Aufklärung der den Angeklagten angelasteten Taten
wäre ohne die Erkenntnisse aus der
Wohnraumüberwachung
unverhältnismäßig erschwert oder
unmöglich gemacht worden (§ 100 c Abs. 1 Nr. 4 StPO).
Es ist insoweit wiederum nicht auf den Zeitpunkt der Erlangung der
Erkenntnisse abzustellen, denn die Regelung des § 100 d Abs. 5
Nr. 3 StPO bezieht sich nur auf den erneuten aus der anderweitigen
Verwendung der zweckgebundenen Daten folgenden Grundrechtseingriff
(vgl. BGH NJW 2009, 791, 792; BVerfGE 100, 313, 391). Zum Zeitpunkt der
Verwertung in dem angefochtenen Urteil stellten die
Wohnraumüberwachungsprotokolle indes die zentralen
Beweismittel dar, ohne die ein Tatnachweis nicht möglich
gewesen wäre.
29
b) Bei den Erkenntnissen aus der polizeirechtlichen
Wohnraumüberwachung handelt sich um verwertbare Daten im Sinne
des § 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO.
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Der Begriff der Verwertbarkeit bezieht sich auf die Verwertungsverbote
aus § 100 c StPO (Nack aaO § 100 d Rdn. 18;
Meyer-Goßner aaO § 100 d Rdn. 6). Dies folgt schon
aus dem Vergleich zu § 100 d Abs. 5 Nr. 1 StPO, der die
Verwendbarkeit "verwertbarer personenbezogener Daten" regelt, die in
einem anderen Strafverfahren gewonnen worden sind. Durch die
Verwendungsregelungen in § 100 d Abs. 5 StPO (seinerzeit:
§ 100 d Abs. 6 StPO aF) sollte ein den Vorgaben aus dem Urteil
des Bundesverfassungsgerichts vom 3. März 2004 zum Schutz des
Kernbereichs privater Lebensgestaltung (BVerfGE 109, 279)
entsprechendes Schutzniveau geschaffen werden, um für den
Bereich der Strafverfolgung die einfachgesetzlichen Regelungen zur
Wohnraumüberwachung und der Verwendung der aus einer solchen
Maßnahme - sei es auch auf anderer gesetzlicher Grundlage als
derjenigen der StPO - erlangten personenbezogenen Informationen
insgesamt verfassungsgemäß auszugestalten
31
- 20 -
(BTDrucks. 15/4533 S. 1). Dies erforderte einen einheitlichen
Anknüpfungspunkt, wie ihn die Verwertungsverbote des
§ 100 c StPO boten. Dementsprechend nimmt die
Begründung des Gesetzentwurfs zu § 100 d Abs. 6 Nr. 3
StPO aF durch den Verweis auf § 100 d Abs. 6 Nr. 1 StPO aF
auch auf die Verwertungsverbote aus § 100 c StPO Bezug, die
der Gesetzgeber im Regelungsbereich des § 100 d Abs. 6 Nr. 1
StPO aF beachtet wissen wollte (vgl. BTDrucks. 15/4533 S. 17 f.).
Daraus erhellt, dass diese Verwertungsverbote auch im Rahmen des
§ 100 d Abs. 6 Nr. 3 StPO aF (jetzt: § 100 d Abs. 5
Nr. 3 StPO) Anwendung finden und dies durch die gesetzliche
Verwendungsvoraussetzung der "verwertbaren" personenbezogenen Daten zum
Ausdruck gebracht werden sollte.
Die Gegenauffassung, die auf eine Verwertbarkeit im polizeirechtlichen
Ausgangsverfahren abstellen will (Wolter aaO § 100 d Rdn. 64),
könnte demgegenüber dazu führen, dass
für die Verwendbarkeit durch
Wohnraumüberwachungsmaßnahmen gewonnener Daten nach
§ 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO andere, gegebenenfalls
großzügigere Maßstäbe gelten
würden, als für diejenige nach § 100 d Abs.
5 Nr. 1 StPO. Denn im Polizeirecht kommt dem Aspekt der aus Art. 2 Abs.
2 i. V. m. Art. 1 GG abzuleitenden Schutzpflichten des Staates zur
Abwehr von Gefahren insbesondere für überragend
wichtige Gemeinschaftsgüter eine weitaus
größere Bedeutung zu als im Strafprozess (vgl.
Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht 4. Aufl. Rdn. 215 f.;
Würtenberger/Heckmann, Polizeirecht in
Baden-Württemberg 6. Aufl. Rdn. 659; Götz,
Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht 14. Aufl. § 17 Rdn.
69). Eine nach polizeirechtlichen Grundsätzen
durchgeführte Abwägung zwischen den Grundrechten des
durch die Maßnahme Betroffenen und den zu
schützenden Rechtsgütern der Allgemeinheit oder eines
Einzelnen könnte also auch dann noch zur Verwertbarkeit von
erlangten Erkenntnissen führen, wenn diese nach strafpro-
32
- 21 -
zessualen Grundsätzen zu verneinen wäre. Selbst wenn
man für das Merkmal der Verwertbarkeit in § 100 d
Abs. 5 Nr. 3 StPO nur auf die polizeirechtlichen Regelungen zum
Kernbereichsschutz abstellen wollte, könnte aufgrund der
insoweit teilweise unterschiedlichen Regelungen in den Polizeigesetzen
der Länder und des Bundes (vgl. dazu Wolter aaO § 100
c Rdn. 17, 19) die Verwendung im Strafverfahren davon
abhängen, in welchem Bundesland bzw. nach welchem Bundesgesetz
die Maßnahme angeordnet wurde. Dies wäre in sich
nicht stimmig.
Unverwertbare Daten im Sinne des § 100 c Abs. 4-6 StPO sind
vorliegend nicht verwendet, insbesondere in dem angefochtenen Urteil
nicht gegen die Beschwerdeführer verwertet worden (dazu unten
2. d) und e).
33
2. Auch die weiteren Voraussetzungen für die Verwendung der
durch die Wohnraumüberwachung auf polizeirechtlicher Grundlage
gewonnenen Daten im Strafverfahren gegen die Angeklagten liegen vor.
34
a) Das zur Erhebung der Daten ermächtigende Gesetz gestattet
deren Umwidmung für Zwecke der Strafverfolgung (s. dazu Nack
aaO § 100 d Rdn. 19; Wolter aaO § 100 d Rdn. 65;
allgemein zu dieser Voraussetzung Singelnstein ZStW 120 (2008), 854,
859 ff.). Die entsprechende Verwendungsbefugnis enthält
§ 29 Abs. 9 Satz 3 Nr. 1 POG RhPf, der auch bereits im
Zeitpunkt der Verwertung der Daten in dem angefochtenen Urteil galt.
35
b) Zutreffend machen die Beschwerdeführer allerdings geltend,
dass § 29 POG RhPf aF, auf den die akustische
Überwachung der Wohnung des Angeklagten K. gestützt
worden war, nicht in vollem Umfang verfassungsrechtlichen Anforderungen
entsprach. Dies führt indes nicht dazu, dass die aus
36
- 22 -
der Maßnahme erlangten Erkenntnisse nicht
gemäß § 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO im
Strafverfahren gegen die Angeklagten verwendet werden durften. Hierzu
gilt:
§ 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO setzt grundsätzlich voraus,
dass die zu verwendenden Daten polizeirechtlich
rechtmäßig erhoben wurden (Nack aaO § 100 d
Rdn. 19; Wolter aaO § 100 c Rdn. 32; Eisenberg, Beweisrecht
der StPO 6. Aufl. Rdn. 358; s. auch Singelnstein aaO S. 887 f.;
Griesbaum in KK § 161 Rdn. 40 - jeweils zur parallelen
Problematik bei § 161 Abs. 2 StPO; BGHSt 48, 240, 249; BGHR
StPO § 100 a Verwertungsverbot 10; Schäfer in
Löwe/Rosenberg, 25. Aufl. § 100 a Rdn. 87 - jeweils
zur Verwendungsregelung des § 100 b Abs. 5 StPO aF).
37
aa) Bedingung dafür ist zunächst eine wirksame
Ermächtigungsgrundlage zur Datenerhebung, die den
verfassungsrechtlichen Vorgaben des Art. 13 GG genügt (Wolter
aaO § 100 d Rdn. 64 f.). Ermächtigungsgrundlage war
hier § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 POG RhPf aF, der die Erhebung
von Daten durch den verdeckten Einsatz technischer Mittel in der
Wohnung des Betroffenen zur Abwehr einer dringenden Gefahr für
die öffentliche Sicherheit erlaubte. Diese
Eingriffsvoraussetzungen stehen im Einklang mit der das Grundrecht aus
Art. 13 Abs. 1 GG einschränkenden Vorschrift des Art. 13 Abs.
4 GG, die eine Wohnraumüberwachung zur Abwehr dringender
Gefahren für die öffentliche Sicherheit, also bei
einer konkreten Gefährdung eines wichtigen Rechtsgutes (vgl.
Jarass in Jarass/Pieroth, GG 10. Aufl. Art. 13 Rdn. 30)
zulässt. Durch die Aufzählung einer gemeinen Gefahr
und der Lebensgefahr in Art. 13 Abs. 4 GG wird die Eingriffsschwelle
beispielhaft definiert (Gornig in v. Mangoldt/Klein/Stark, GG 5. Aufl.
Art. 13 Rdn. 126), was auch bei der Auslegung des § 29 Abs. 1
Satz 1 Nr. 1 POG RhPf aF zu berücksichtigen ist. Bei Beachtung
dieser Maßstäbe ergeben sich insoweit keine Bedenken
gegen die Verfassungsmäßigkeit
38
- 23 -
der Eingriffsermächtigung (vgl. VerfGH Rheinland-Pfalz DVBl
2007, 569, 577 zum weitgehend inhaltsgleichen § 29 Abs. 1 Satz
1 Nr. 1 POG RhPf nF). Diese ist auch einfachrechtlich hinreichend
bestimmt: Der unbestimmte Rechtsbegriff der dringenden Gefahr
für die öffentliche Sicherheit ist insbesondere durch
die Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte konturiert worden und setzt
voraus, dass bei ungehindertem Ablauf des objektiv zu erwartenden
Geschehens mit hinreichender Wahrscheinlichkeit die Schädigung
eines hochrangigen Rechtsguts droht; auf eine zeitliche Komponente,
etwa in dem Sinne, dass der Schadenseintritt unmittelbar bevorstehen
muss, kommt es hingegen nicht entscheidend an (BVerwGE 47, 31, 40;
Jarass aaO Art. 13 Rdn. 37).
Die von den Beschwerdeführern zur Begründung ihrer
Gegenauffassung herangezogene verfassungsgerichtliche Rechtsprechung
(BVerfGE 113, 348; MVVerfG LKV 2000, 345) ist nicht
einschlägig. Die in jenen Entscheidungen für nichtig
erklärten Vorschriften des § 33 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2
des Gesetzes über die Öffentliche Sicherheit und
Ordnung in Mecklenburg-Vorpommern (SOG M-V) bzw. § 33 a Abs. 1
Nr. 2 und 3 Niedersächsisches Gesetz über die
Öffentliche Sicherheit und Ordnung (SOG Nds.)
knüpften als Eingriffsvoraussetzung nicht an die Abwehr einer
dringenden Gefahr, sondern an die vorsorgende Strafverfolgung und
Verhütung von Straftaten an (BVerfGE 113, 348, 350 f., 368 f.;
MVVerfG LKV 2000, 345, 349 f.; siehe auch VerfGH Rheinland-Pfalz DVBl
2007, 569, 577). Die mit § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 POG RhPf
vergleichbare Vorschrift des § 33 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SOG M-V,
der die Wohnraumüberwachung zur Abwehr einer
gegenwärtigen Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit
einer Person zulässt, ist nach der Entscheidung des
Landesverfassungsgerichts von Mecklenburg-Vorpommern hingegen
verfassungsgemäß (MVVerfG LKV 2000, 345, 349); der
unter den gleichen Voraussetzungen die Anordnung der
Telefonüberwachung zulassende § 33 a Abs. 1 Nr. 1 SOG
Nds. war nicht
39
- 24 -
Gegenstand der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, weil er in
jenem Verfahren mit der Verfassungsbeschwerde nicht angefochten worden
war. Aus den vorgenannten Entscheidungen lassen sich
verfassungsrechtliche Bedenken gegen § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
POG RhPf aF somit nicht herleiten.
Die Ermächtigungsgrundlage genügte auch im Hinblick
auf den in der Schrankenregelung des Art. 13 Abs. 4 GG geforderten
Richtervorbehalt den verfassungsrechtlichen Vorgaben (vgl. §
29 Abs. 4 Satz 1 POG RhPf aF).
40
bb) Jedoch enthielt der am 3. März 2004 in Kraft getretene
§ 29 POG RhPf aF keine Vorschriften zum Schutz des
Kernbereichs privater Lebensgestaltung. Solche Regelungen hatte das
Bundesverfassungsgericht mit Urteil vom selben Tag zur Anordnung einer
Wohnraumüberwachung nach der Strafprozessordnung gefordert und
die §§ 100 c, 100 d, 100 f und 101 StPO aF deshalb
teilweise für unvereinbar mit dem Grundgesetz
erklärt. Gleichwohl hatte das Bundesverfassungsgericht dem
Gesetzgeber eine Übergangsfrist zur Neufassung dieser
Bestimmungen eingeräumt, in der die bisherigen Regelungen
unter Beachtung der in der Entscheidung aufgestellten Vorgaben zum
Schutz der Menschenwürde und zur Einhaltung des Grundsatzes
der Verhältnismäßigkeit fortgalten (BVerfGE
109, 279). Mittlerweile - und auch bereits im Zeitpunkt der
Hauptverhandlung vor dem Oberlandesgericht - sind solche Regelungen zum
Kernbereichsschutz sowohl in § 100 c Abs. 4-6 StPO als auch in
§ 29 Abs. 3-6 POG RhPf nF enthalten.
41
Das Fehlen von Kernbereichsschutzregelungen in § 29 POG RhPf
aF führt nicht zur Unverwertbarkeit der aus der
Maßnahme erlangten Erkenntnisse.
42
- 25 -
(1) Nicht zu teilen vermag der Senat allerdings die vom
Oberlandesgericht und - ihm folgend - vom Generalbundesanwalt
vertretene Auffassung, die Vorschrift sei einer verfassungskonformen
Auslegung dahin zugänglich gewesen, dass sie unter Beachtung
der vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Vorgaben jedenfalls
für eine Übergangszeit der Verfassung entsprochen
habe und so als rechtmäßige
Ermächtigungsgrundlage für
Wohnraumüberwachungsmaßnahmen habe dienen
können.
43
Eine verfassungskonforme Auslegung kommt in Betracht, wenn eine
auslegungsfähige Norm nach den üblichen
Interpretationsregeln mehrere Auslegungen zulässt, von denen
eine oder mehrere mit der Verfassung übereinstimmen,
während andere zu einem verfassungswidrigen Ergebnis
führen (BVerfGE 19, 1, 5; 32, 373, 383 f.; 48, 40, 45). Die
Grenzen einer solchen Auslegung sind indes erreicht, wenn durch sie der
wesentliche Inhalt der gesetzlichen Regelung erst geschaffen werden
müsste (BVerfGE 8, 71, 78 f.; 45, 393, 400); es steht den
Fachgerichten insbesondere in Fällen, in denen der Gesetzgeber
unterschiedliche Möglichkeiten zu einer verfassungskonformen
Neuregelung hat, nicht zu, die gesetzgeberische Aufgabe der
Rechtssetzung zu übernehmen (BVerfGE 72, 51, 62 f.; 100, 313,
396; vgl. auch BVerfGE 8, 71, 79). Hier erweist sich die vom
Oberlandesgericht vorgenommene "verfassungskonforme Auslegung" der
Sache nach als übergangsweise Regelung zur Fortgeltung eines
mit der Verfassung nicht vereinbaren Gesetzes unter
Berücksichtigung bestimmter verfassungsrechtlicher Vorgaben;
zu solchen Übergangsregelungen sind gemäß
§ 35 BVerfGG nur das Bundesverfassungsgericht bzw. nach den
entsprechenden landesgesetzlichen Vorschriften die
Landesverfassungsgerichte befugt (vgl. Bethge in
Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG § 35 Rdn. 69,
43; Heusch in Mitarbeiterkommentar-BVerfGG 2. Aufl.
44
- 26 -
§ 31 Rdn. 81 f.; s. etwa § 26 Abs. 3 des
Landesgesetzes über den Verfassungsgerichtshof
Rheinland-Pfalz).
Gegen die Möglichkeit einer verfassungskonformen Auslegung mit
dem vom Oberlandesgericht angenommenen Inhalt spricht zudem, dass sich
das Bundesverfassungsgericht selbst - bezogen auf die Vorschriften der
Strafprozessordnung - zu einer solchen außer Stande sah und
ausdrücklich eine Regelung durch den Gesetzgeber forderte
(BVerfGE 109, 279). In Kenntnis der Übergangsregelung des
Bundesverfassungsgerichts hat auch der Sächsische
Verfassungsgerichtshof die die Wohnraumüberwachung zulassenden
Vorschriften im Sächsischen Verfassungsschutzgesetz, die
ebenfalls keine Regelungen zum Kernbereichsschutz enthielten, nicht
aufgrund einer verfassungskonformen Auslegung unbeanstandet gelassen,
sondern sie unter Bestimmung einer Übergangsfrist für
mit der Verfassung unvereinbar erklärt (SächsVerfGH
NVwZ 2005, 1310).
45
(2) Obwohl danach wegen der fehlenden Regelungen zum Kernbereichsschutz
von der Unvereinbarkeit des § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 POG RhPf
aF mit Art. 13 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG und damit von
der Rechtswidrigkeit der Wohnraumüberwachung ausgegangen
werden muss, lässt dies hier die Verwendbarkeit der aus der
Maßnahme gewonnenen Erkenntnisse im Sinne des § 100
d Abs. 5 Nr. 3 StPO unberührt.
46
Nach ständiger Rechtsprechung führt nicht jeder
Rechtsverstoß bei der strafprozessualen Beweisgewinnung zu
einem Verwertungsverbot hinsichtlich der so erlangten Erkenntnisse.
Vielmehr ist je nach den Umständen des Einzelfalles unter
Abwägung aller maßgeblichen Gesichtspunkte und der
widerstreitenden Interessen zu entscheiden. Bedeutsam sind dabei
insbesondere die Art des etwaigen Beweiserhebungsverbots und das
Gewicht des in Rede stehen-
47
- 27 -
den Verfahrensverstoßes, das seinerseits wesentlich von der
Bedeutung der im Einzelfall betroffenen Rechtsgüter bestimmt
wird (vgl. BGHSt 19, 325, 329 ff.; 27, 355, 357; 31, 304, 307 ff.; 35,
32, 34 f.; 37, 30, 31 f.; 38, 214, 219 ff.; 38, 372, 373 f.; 42, 372,
377; 44, 243, 249; BGH NStZ 2007, 601, 602; BVerfG NStZ 2006, 46; NJW
2008, 3053). Dabei ist in den Blick zu nehmen, dass die Annahme eines
Verwertungsverbots ein wesentliches Prinzip des Strafverfahrensrechts -
den Grundsatz, dass das Gericht die Wahrheit zu erforschen und dazu die
Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu
erstrecken hat, die von Bedeutung sind - einschränkt. Aus
diesem Grund stellt ein Beweisverwertungsverbot eine Ausnahme dar, die
nur bei ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung oder aus
übergeordneten wichtigen Gründen im Einzelfall
anzuerkennen ist (BGHSt 37, 30, 32 m. w. N.; 44, 243, 249).
Diese Grundsätze gelten auch für die in neuerer Zeit
vermehrt in die Strafprozessordnung eingeführten
Verwendungsregelungen (der Sache nach auch BGHSt 48, 240, 249 zu
§ 100 b Abs. 5 StPO aF), zu denen auch § 100 d Abs. 5
Nr. 3 StPO zählt.
48
Zwar wird in Teilen der Literatur die Auffassung vertreten,
Verwendungsregelungen müssten bei Nichtvorliegen ihrer
Voraussetzungen stets wie ein geschriebenes Verwertungsverbot wirken,
das keiner Abwägung zugänglich sei, so dass in
derartigen Fällen jegliche Verwendung und damit auch jede
Verwertung der jeweils in Rede stehenden Daten ausgeschlossen werden
müsse (Singelnstein aaO S. 889 m. w. N.). Nach dieser Ansicht
sollen sich - mangels einer ausdrücklichen
Ermächtigung, auch rechtswidrig erlangte Erkenntnisse
für einen anderen Verfahrenszweck umzuwidmen - die
Verwendungsregelungen der Strafprozessordnung ausschließlich
auf rechtmäßig erhobene Daten beziehen, weil eine
rechtswidrige Datenerhebung im Vergleich zu einer
rechtmäßigen ei-
49
- 28 -
nen schwereren Eingriff in die Grundrechte der Betroffenen darstelle
(Singelnstein aaO S. 887 f.).
Dem vermag der Senat jedoch nicht zu folgen. Eine solche
Beschränkung nur auf rechtmäßig erhobene
Daten ergibt sich aus dem Wortlaut der Verwendungsregelungen nicht. Aus
der Entstehungsgeschichte der Vorschriften zur Verwendung von
Erkenntnissen aus präventiv-polizeilichen Maßnahmen
im Strafverfahren ist allerdings zu entnehmen, dass der Gesetzgeber
grundsätzlich von der rechtmäßigen
Datenerhebung ausgegangen ist (Wollweber NJW 2000, 3623 unter Hinweis
auf die Materialien zum Strafverfahrensänderungsgesetz 1999,
vgl. BRDrucks. 64/00 S. 6 f.). Daraus kann jedoch nicht der Schluss
gezogen werden, dass auf polizeigesetzlicher Grundlage rechtswidrig
erhobene Daten unter keinen Umständen für Zwecke des
Strafverfahrens zur Verfügung stehen sollten (Zöller
in Roggan/Kutscha, Handbuch zum Recht der Inneren Sicherheit 2. Aufl.
S. 496 f.). Denn es entspricht der üblichen Regelungstechnik
der Strafprozessordnung, dass der Gesetzgeber zwar die Voraussetzungen
normiert, unter denen zur strafprozessualen Beweisgewinnung durch
Ermittlungsmaßnahmen rechtmäßig in
(Grund-)Rechte der jeweils Betroffenen eingegriffen werden darf, jedoch
- abgesehen von wenigen Ausnahmen (s. etwa § 136 a Abs. 3 Satz
2 StPO) - keine Bestimmungen dazu trifft, ob und gegebenenfalls unter
welchen Voraussetzungen rechtswidrig erlangte Beweisergebnisse im
weiteren Verfahren verwertet werden dürfen. Es ist kein
Anhaltspunkt dafür vorhanden, dass der Gesetzgeber bei
Einführung der Regelungen zur Verwendung von Daten, die in
anderen Verfahren und eventuell auch unter Geltung anderer
Rechtsgrundlagen für die Informationsbeschaffung gewonnen
worden sind, von diesem Konzept abweichen wollte.
50
- 29 -
Auch von Verfassungs wegen folgt aus der Rechtswidrigkeit einer
Datenerhebung nicht zwangsläufig das Verbot einer
zweckändernden Verwendung (Wolter aaO vor § 151 Rdn.
167 a; Albers, Die Determination polizeilicher Tätigkeit in
den Bereichen der Straftatenverhütung und der
Verfolgungsvorsorge S. 330 f.; Singelnstein aaO S. 887). Damit
entspricht die rechtliche Ausgangslage aber derjenigen bei den sog.
relativen Verwertungsverboten. Auch hier besteht ein
ausdrückliches gesetzliches Verwertungsverbot nicht; ob die
gewonnenen Erkenntnisse möglicherweise unverwertbar sind, wird
auf der Grundlage der oben dargestellten Abwägungskriterien
vielmehr nur deshalb geprüft, weil die
Ermittlungsbehörden bei der Beweisgewinnung gegen Vorschriften
der Strafprozessordnung verstoßen haben, von deren Einhaltung
durch die Behörden der Gesetzgeber grundsätzlich
ausgeht. Wenn aber in diesen Fällen die Rechtswidrigkeit der
Ermittlungshandlung nicht stets zur Unverwertbarkeit der Beweismittel
führt, so ist kein Grund dafür ersichtlich, in der
vergleichbaren Situation der Verwendungsregelungen jede Verwendung und
damit auch die Verwertung von der Rechtmäßigkeit der
Datengewinnung abhängig zu machen. Besonders
augenfällig wird dies bei der Vorschrift des § 477
Abs. 2 Satz 2 StPO, die die Verwendung von Zufallsfunden regelt:
Während die Rechtswidrigkeit der Ermittlungsmaßnahme
die Verwertbarkeit der Erkenntnisse zu der Straftat, zu deren
Aufklärung sie angeordnet wurde, gegebenenfalls
unberührt lassen würde, dürften gleichzeitig
gewonnene Beweisergebnisse, die eine andere Tat des selben
Täters betreffen, nicht verwertet werden. Diesem unstimmigen
Ergebnis kann auch nicht mit dem Hinweis darauf begegnet werden, dass
die Zweckänderung einen erneuten Grundrechtseingriff
darstellt, der durch die Verwendungsregelung nur gerechtfertigt werden
könne, wenn die Datenerhebung selbst
rechtmäßig war. Denn auch die Verwertung von
rechtswidrig erlangten Erkenntnissen in demselben Verfahren stellt
einen erneuten Grundrechtseingriff oder zumindest eine Vertiefung des
zuvor erfolgten dar. Dessen
51
- 30 -
Rechtfertigung kann sich bei einem Überwiegen der Belange der
Allgemeinheit, insbesondere des öffentlichen Interesses an der
Strafverfolgung - einem Prinzip von Verfassungsrang (BVerfGE 44, 353,
374; BVerfG StV 1985, 177) - aus der nach den dargestellten
Grundsätzen vorzunehmenden Güterabwägung
ergeben.
Ob - was allerdings nahe liegen dürfte - von diesem Ergebnis
abzuweichen ist, wenn durch die Nutzung der rechtswidrig erhobenen
Daten eine in der Verwendungsregelung enthaltene Beschränkung
umgangen würde, etwa wenn die Wohnraumüberwachung
nicht zur Aufklärung einer Katalogtat oder eines
vergleichbaren präventiv-polizeilichen Zwecks angeordnet wurde
(vgl. Albers aaO S. 331; Schäfer aaO § 100 a Rdn. 97
zu § 100 b Abs. 5 StPO aF; Weßlau in SK-StPO
§ 477 Rdn. 41; in diesem Sinne wohl auch Dencker in FS
für Meyer-Goßner S. 237, 249 f.), kann der Senat
offen lassen. Zu einer solchen Verletzung der
Verwendungsbeschränkung des § 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO
ist es nicht gekommen (dazu oben 1. a). Im Übrigen
würde in solchen Fällen auch die Auffassung, die ein
Verwertungsverbot von einer Güterabwägung
abhängig macht, regelmäßig zu dem Ergebnis
einer Unverwertbarkeit der Daten gelangen (vgl. BGHSt 31, 304, 309; 41,
30; 47, 362).
52
Für alle anderen Verstöße ist
abzuwägen, ob die Rechtswidrigkeit der Datenerhebung auch die
zweckändernde Verwendung und damit hier die Verwertung im
Strafverfahren verbietet (vgl. Nack aaO § 100 d Rdn. 31 ff.;
Albers aaO S. 331 f.; vgl. auch Wolter aaO § 100 d Rdn. 69,
der bei "Minimalverstößen" ebenfalls eine
Abwägung für geboten hält, aA wohl
Singelnstein aaO).
53
(3) Ist nach alledem eine Verwendung der aus der polizeirechtlichen
Wohnraumüberwachung erlangten Daten wegen der fehlenden
Regelungen zum Kernbereichsschutz in § 29 POG RhPf aF und
einer daraus resultierenden
54
- 31 -
Rechtswidrigkeit der Maßnahme nicht von vornherein
ausgeschlossen, ergibt die vorzunehmende Abwägung der
maßgeblichen Gesichtspunkte ein Überwiegen des
öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung, was zur
Verwertbarkeit der gewonnen Erkenntnisse führt. Im Einzelnen:
Der Rechtsverstoß bei der Informationsbeschaffung liegt hier
darin, dass die Abhörmaßnahme auf der Grundlage
einer mit dem Grundgesetz nicht in vollem Umfang vereinbaren
einfachgesetzlichen Ermächtigung durchgeführt worden
ist. Der Senat verkennt nicht, dass die Unvereinbarkeit der
Ermächtigungsgrundlage zur Datenerhebung mit
höherrangigem Recht einen Verstoß von Gewicht
begründet, der regelmäßig zur
Unverwertbarkeit der erlangten Erkenntnisse führen wird.
Jedoch sind vorliegend besondere Umstände zu beachten, die zu
einer abweichenden Beurteilung führen:
55
Das Bundesverfassungsgericht hatte die entsprechenden strafprozessualen
Regelungen trotz ihrer teilweisen Unvereinbarkeit mit dem Grundgesetz
nicht für nichtig, sondern sie unter Beachtung der in der
Entscheidung aufgestellten verfassungsrechtlichen Vorgaben im Hinblick
auf die Erfordernisse einer funktionierenden Strafrechtspflege
für eine Übergangszeit weiterhin für
anwendbar erklärt. Dem entnimmt der Senat, dass auch
§ 29 POG RhPf aF, wäre er zur verfassungsrechtlichen
Prüfung durch das Bundes- oder Landesverfassungsgericht
gestellt worden, nicht etwa für nichtig, sondern unter
entsprechenden Vorgaben ebenfalls für eine
Übergangszeit für weiter anwendbar erklärt
worden wäre (vgl. SächsVerfGH NVwZ 2005, 1310).
56
Die Vorschrift des § 29 POG RhPf aF entsprach in Bezug auf den
Überwachungsgrund der Gefahrenabwehr sowie im Hinblick auf die
Eingriffsschwelle und den Richtervorbehalt der Schrankenregelung des
Art. 13 Abs. 4 GG. Sie konnte die Maßgaben des
Verfassungsgerichts zum Schutz des Kernbereichs
57
- 32 -
der privaten Lebensführung nicht berücksichtigen,
weil für den Gesetzgeber noch keine Möglichkeit
bestand, diese in das Gesetz einzuarbeiten; denn zwischen der
Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts und der Erstanordnung der
Maßnahme lagen nur etwas über vier Monate (das
Bundesverfassungsgericht hatte dem Bundesgesetzgeber in seinem Urteil
vom 3. März 2004 eine Frist von mehr als einem Jahr und drei
Monaten zur verfassungskonformen Neufassung der einschlägigen
Bestimmungen der Strafprozessordnung zur Wohnraumüberwachung
gesetzt, vgl. BVerfGE 109, 279, 381). Gleichwohl waren Betroffene von
Wohnraumüberwachungsmaßnahmen im Hinblick auf ihr
Grundrecht aus Art. 13 Abs. 1 GG nicht schutzlos gestellt; vielmehr
ergibt sich bei Fehlen entsprechender Vorschriften in den
Polizeigesetzen ein solcher Schutz unmittelbar aus Art. 13 Abs. 4 GG in
Anlehnung an die vom Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung
aufgestellten Grundsätze (Wolter aaO § 100 c Rdn. 19
m. w. N.).
Bei dieser Ausgangslage war die Annahme des Polizeipräsidiums
und der die präventiv-polizeiliche
Wohnraumüberwachung anordnenden bzw. die Anordnung
verlängernden Gerichte nicht unvertretbar, dass die
Maßnahme trotz des Fehlens einer gesetzlichen Regelung zum
Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung durchgeführt
werden durfte und den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts durch
entsprechende Vorkehrungen im Vollzug der Wohnraumüberwachung
Rechnung getragen werden konnte. Jedenfalls stellte sich diese Annahme
nicht als eine bewusste Umgehung des Gesetzes oder grundrechtlich
geschützter Positionen der Angeklagten dar.
58
Nach alldem wiegt die teilweise Unvereinbarkeit des § 29 POG
RhPf aF mit verfassungsrechtlichen Anforderungen hier nicht so schwer,
dass sie eine nach den dargelegten Grundsätzen nur
ausnahmsweise anzuerkennende Un-
59
- 33 -
verwertbarkeit der bei der Wohnraumüberwachung erlangten
Erkenntnisse zur Folge hätte. Dabei ist insbesondere zu
beachten, dass wegen der Respektierung des Kernbereichs der privaten
Lebensführung bei Durchführung der Maßnahme
(s. unten d) und e) jedenfalls materiell ein ungerechtfertigter
Eingriff in das Grundrecht der Angeklagten K. und Y. A. aus Art. 13
Abs. 1 GG sowie eine Verletzung ihrer Menschenwürde nicht
vorlag. Angesichts dessen kann auch die überragende Bedeutung
dieser Grundrechte keine andere Beurteilung rechtfertigen.
c) Die Anordnung der Wohnraumüberwachung unterliegt im
Übrigen keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Die
entgegenstehende Rüge, mit der die Beschwerdeführer
geltend machen, die Voraussetzungen einer Anordnung der
Wohnraumüberwachung nach § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 POG
RhPf aF hätten nicht vorgelegen, ist unbegründet.
60
aa) Die Anordnung wurde nach dem ausdrücklichen Wortlaut des
Anordnungsbeschlusses des Landgerichts M. vom 14. Juli 2004 zur Abwehr
einer dringenden Gefahr für die öffentliche
Sicherheit getroffen. Auch in der Sache lag kein Eingriff zur
bloßen Gefahrenvorsorge oder zur vorbeugenden Strafverfolgung
vor.
61
Die gegenteilige Ansicht der Beschwerdeführer beruht auf einer
Verkennung des Begriffs der dringenden Gefahr. Eine solche braucht
nicht bereits eingetreten zu sein; es genügt, dass die
Beschränkung des Grundrechts dem Zweck dient, einen Zustand
nicht eintreten zu lassen, der seinerseits eine dringende Gefahr
für die öffentliche Sicherheit darstellen
würde (vgl. BVerfGE 17, 232, 251 f.). Damit liegt eine
dringende Gefahr im Sinne des für den vorliegenden Eingriff
maßgeblichen § 13 Abs. 4 GG vor, wenn eine Sachlage
oder ein Verhalten bei ungehindertem Ablauf des objektiv zu erwartenden
Geschehens
62
- 34 -
mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein bedeutendes Rechtsgut
schädigen wird (vgl. BVerwGE 47, 31, 40). Nach dem Grundsatz
der Verhältnismäßigkeit sind zudem an die
Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts umso geringere Anforderungen
zu stellen, je größer und folgenschwerer der
möglicherweise eintretende Schaden wäre (BVerwGE 47,
31, 40; 57, 61, 65; 88, 348, 351; 116, 347, 356; Gusy, Polizeirecht 6.
Aufl. Rdn. 119; vgl. BVerfGE 49, 89, 135 ff.). Zuzugeben ist den
Beschwerdeführern insoweit allerdings, dass auch angesichts
der Größe eines möglichen Schadens
bloße Vermutungen oder die Inbezugnahme einer allgemeinen
Sicherheitslage nicht zur Begründung einer Gefahr ausreichend
sind; erforderlich ist vielmehr eine im konkreten Fall durch
hinreichende Tatsachen zu belegende Gefahrenlage (BVerfGE 115, 320, 368
f.).
Nach diesen Grundsätzen ist die Anordnung der
Wohnraumüberwachung durch das Landgericht M. jedenfalls im
Ergebnis insoweit nicht zu beanstanden. Das Oberlandesgericht hat das
Vorliegen einer dringenden Gefahr auf die konkreten Einwände
der Beschwerdeführer gegen die
Rechtmäßigkeit der Maßnahme anhand einer
eigenständigen Rekonstruktion des Ermittlungsstandes im
Zeitpunkt der Anordnung (vgl. dazu BGHSt 47, 362, 367) geprüft
und - wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend
ausgeführt hat - im Beschluss vom 21. August 2007 mit
plausibler und rechtlich nicht zu beanstandender Begründung
bejaht. Dabei hat es insbesondere darauf abgestellt, dass die
Ermittlungslage wegen einer zu vorangegangenen
Terroranschlägen parallelen Grundkonstellation
befürchten ließ, dass in der Wohnung des Angeklagten
K. Planungs- oder Vorbereitungshandlungen für
Terroranschläge, also schwerste Straftaten gegen Leib und
Leben Unbeteiligter durchgeführt würden, und damit
eine gemeine Gefahr (vgl. dazu Gornig in v. Mangoldt/Klein/Stark, GG
aaO Art. 13 Rdn. 127) vorlag. Diese Einschätzung basierte
nicht auf bloßen Vermutungen, sondern auf konkreten
Tatsachen, namentlich
63
- 35 -
der extremistischen Grundeinstellung der sich in der Wohnung des
Angeklagten K. treffenden Personen, ihren teilweisen Kontakten zu
weiteren Personen, gegen die wegen des Verdachts der Einbindung in
terroristische Netzwerke ermittelt wurde, dem konkreten Verdacht, dass
der Angeklagte K. Kontakt zu terroristischen Strukturen in Afghanistan
aufgenommen und sich dort an Kampfhandlungen beteiligt hatte, sowie
nicht zuletzt auf dem Umstand, dass die Besucher der Wohnung
konspirativ miteinander kommunizierten und sich
Observationsmaßnahmen entzogen.
Die Einwendungen der Revisionen gehen auf die eine konkrete
Gefahrenlage begründenden Umstände nicht ein und
beschränken sich auf eine - im Revisionsverfahren
unbehelfliche - eigene, abweichende Wertung des Ermittlungsstandes, der
- wie vom Generalbundesanwalt aufgezeigt - teilweise auch unzutreffend
wiedergegeben wird. Soweit sie darauf abstellen, dass sich im Zeitpunkt
der Anordnung vorliegende Verdachtsmomente in der Hauptverhandlung
nicht bestätigt hätten (Kodiertabelle),
können sie mit diesem Einwand nicht gehört werden: Im
Polizeirecht beschränkt sich die gerichtliche Kontrolle einer
Gefahrenprognose auf eine Überprüfung der
tatsächlichen Anhaltspunkte und den daraus resultierenden
Schluss auf zukünftige Schäden aus einer
ex-ante-Perspektive (Gusy aaO Rdn. 121).
64
bb) Der Rechtmäßigkeit der Anordnung steht - wie der
Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend
ausgeführt hat - nicht entgegen, dass sie sich in Rubrum und
Tenor des Beschlusses des Landgerichts M. vom 14. Juli 2004 nicht auch
gegen den Angeklagten Y. A. als weiteren Bewohner der
überwachten Wohnung richtete. Insbesondere ist die Behauptung
der Beschwerdeführer nicht nachvollziehbar, die Polizei habe
es bewusst unterlassen, eine entsprechende richterliche Anordnung auch
gegen
65
- 36 -
ihn einzuholen. Aufgrund der Angaben in dem Antrag des
Polizeipräsidiums war dem Landgericht M. ausweislich des
Beschlusses bekannt, dass der Angeklagte Y. A. in der Wohnung des
Angeklagten K. gemeldet war. Von einer bewussten Umgehung oder
Missachtung des Richtervorbehalts kann mithin keine Rede sein. Der
Angeklagte wurde vielmehr in ihn nicht beschwerender Weise im Ergebnis
wie ein Dritter im Sinne des § 29 Abs. 1 Satz 2 POG RhPf aF
behandelt; auch insoweit war die Aufzeichnung des von ihm gesprochenen
Wortes zulässig.
Die Anordnung hätte nach den obigen Darlegungen zudem auch
gegen den Angeklagten Y. A. jederzeit erwirkt werden können.
Dieser Umstand führt dazu, dass auch dann nicht von einer
Unverwertbarkeit der gewonnenen Erkenntnisse auszugehen wäre,
wenn man insoweit von einer Fehlerhaftigkeit der Anordnung ausgehen
wollte. Vielmehr ist nach den oben dargelegten Grundsätzen in
Fällen der Rechtswidrigkeit der polizeilichen
Maßnahme im Wege einer Abwägung zu ermitteln, ob die
so gewonnenen Daten verwendet werden dürfen (dazu oben b) bb)
(2)). Eine solche Abwägung würde hier wegen der
unproblematisch möglichen Anordnung der Maßnahme
auch gegenüber dem Angeklagten Y. A. zur Verwendbarkeit und
damit auch zur Verwertbarkeit der Ergebnisse der
Wohnraumüberwachung führen. Denn angesichts der
daraus resultierenden Geringfügigkeit eines etwaigen
Verstoßes würden die öffentlichen Belange,
namentlich die gerichtliche Aufklärungspflicht und das
öffentliche Strafverfolgungsinteresse vorgehen.
66
cc) Die Einwendungen der Revisionen gegen den
Verlängerungsbeschluss des Amtsgerichts M. vom 12. Oktober
2004 greifen ebenfalls nicht durch. Soweit damit nicht die
Beanstandungen gegenüber der Erstanordnung wiederholt werden,
beschränken sich die Beschwerdeführer darauf, dass die
67
- 37 -
durchgeführte Überwachung eine dringende Gefahr
für die öffentliche Sicherheit, insbesondere wegen
konkreter Anschlagsplanungen, nicht ergeben habe.
Wie der Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt hat, hat
sich das Oberlandesgericht mit diesem Argument bereits eingehend
auseinandergesetzt und anhand einer freibeweislichen Rekonstruktion des
Ermittlungsstandes im Zeitpunkt der Verlängerung das weitere
Vorliegen einer dringenden Gefahr für die öffentliche
Sicherheit nach eingehender Prüfung anhand konkreter Tatsachen
gleichwohl bejaht. Rechtsfehler zeigen die Revisionen auch insoweit
nicht auf. Hinweise auf eine Rechtswidrigkeit der Verlängerung
der Wohnraumüberwachung, die zu einer Unverwertbarkeit der
erlangten Erkenntnisse führen könnten, ergeben sich
damit nicht.
68
d) Die Beschwerdeführer machen weiter geltend, die
Erkenntnisse aus der Wohnraumüberwachung seien insgesamt
"wegen Verletzung des Schutzes des Kernbereichs der
Persönlichkeit" unverwertbar. Die Rüge ist jedenfalls
unbegründet.
69
Im Ausgangspunkt zutreffend ist die Annahme, dass nach § 100 d
Abs. 5 Nr. 3 StPO nur solche Daten verwendet werden dürfen,
die nicht unter ein Verwertungsverbot aus § 100 c StPO fallen
(dazu oben 1. b). Die Vorschrift des § 100 c Abs. 5 Satz 3
StPO normiert ein Verwertungsverbot für Erkenntnisse aus
Äußerungen, die dem Kernbereich der privaten
Lebensgestaltung zuzurechnen sind. Daraus ergibt sich indes kein
umfassendes Verwertungsverbot für alle aus einer
Wohnraumüberwachung gewonnenen Erkenntnisse, sondern nur
für diejenigen, die durch eine Kernbereichsverletzung erzielt
wurden (Nack aaO § 100 d Rdn. 29; Wolter aaO § 100 c
Rdn. 71). Dass kernbereichsrelevante Gesprächsteile in dem
Urteil gegen sie verwertet worden seien, behaupten die
Beschwerdeführer nicht. Dies ergibt sich auch nicht aus dem
angefochtenen
70
- 38 -
Urteil, das die verwerteten Passagen zitiert; diese lassen
Kernbereichsverletzungen nicht erkennen.
aa) Nach der hier über § 100 d Abs. 5 Nr. 3 StPO
heranzuziehenden gesetzlichen Regelung in § 100 c StPO kommt
eine Unverwertbarkeit sämtlicher Erkenntnisse aus einer
Wohnraumüberwachungsmaßnahme nur in Betracht, wenn
gegen das Beweiserhebungsverbot des § 100 c Abs. 4 Satz 1 StPO
verstoßen wurde (Nack aaO § 100 d Rdn. 28; Wolter
aaO § 100 c Rdn. 73; vgl. auch BVerfGE 109, 279, 331). Ob ein
solches Verwertungsverbot vorliegt, hat das erkennende Gericht zu
prüfen, dessen Entscheidung wiederum der revisionsrechtlichen
Kontrolle unterliegt (Nack aaO § 100 c Rdn. 41).
71
Das Erhebungsverbot des § 100 c Abs. 4 Satz 1 StPO (und des
inhaltsgleichen § 29 Abs. 3 POG RhPf nF) knüpft an
die Anordnung der Maßnahme an. Diese darf nur ergehen, soweit
auf Grund tatsächlicher Anhaltspunkte anzunehmen ist, dass
Äußerungen, die dem Kernbereich privater
Lebensgestaltung zuzurechnen sind, nicht erfasst werden. Sie erfordert
somit eine negative Kernbereichsprognose durch das anordnende Gericht,
für die - wie bei anderen Prognoseentscheidungen auch - ein
Beurteilungsspielraum besteht (Nack aaO § 100 c Rdn. 25). Ein
Verwertungsverbot wegen eines Verstoßes gegen das
Erhebungsverbot besteht demnach nur dann, wenn das Gericht diesen
Beurteilungsspielraum klar erkennbar und damit rechtsfehlerhaft
überschritten hat (Wolter aaO § 100 c Rdn. 73).
72
Eine in diesem Sinne rechtsfehlerhafte Anordnung der
Wohnraumüberwachung zeigen die Beschwerdeführer weder
auf, noch ist sie ersichtlich. Sie ergibt sich insbesondere nicht aus
der Aufzählung von Gesprächen, hinsichtlich derer
eine Kernbereichsrelevanz lediglich pauschal durch schlagwortartige
Bezeichnungen ("Beten", "Heirat", "Tod des Vaters" etc.) behauptet
wird. Das
73
- 39 -
Oberlandesgericht hat zudem auch insoweit auf der Grundlage einer
Rekonstruktion der tatsächlichen Verhältnisse zum
Anordnungszeitpunkt das Vorliegen einer negativen Kernbereichsprognose
geprüft und bejaht. Die Beschwerdeführer legen erneut
nicht dar, dass diese Entscheidung Rechtsfehler enthält. Es
haben sich auch nach revisionsrechtlicher Prüfung keinerlei
Anhaltspunkte dafür ergeben, dass sich die Sachlage anders als
vom Oberlandesgericht angenommen dargestellt hat, so dass eine
vertiefte freibeweisliche Prüfung (vgl. BGHSt 16, 164, 166 f.)
nicht veranlasst war. Der Senat neigt ohnehin der Ansicht zu, dass in
Abkehr von bisheriger Rechtsprechung tatsächliche
Feststellungen, die der Tatrichter freibeweislich trifft, in der
Revisionsinstanz ebenso wie seine Überzeugungsbildung auf
strengbeweislicher Grundlage nur auf Rechtsfehler in der
Beweiswürdigung zu überprüfen sind; dies
bedarf hier aus den dargelegten Gründen aber keiner
näheren Erörterung.
bb) Die Rüge wendet sich der Sache nach gegen den Vollzug der
Maßnahme. Durch die unzureichenden Handlungsanweisungen des
Polizeipräsidiums sei es zu einer Vielzahl von
Kernbereichsverletzungen gekommen, so dass die Maßnahme
insgesamt unzulässig gewesen sei. Auch insoweit hat die
Verfahrensbeanstandung keinen Erfolg.
74
Im Ansatz ist allerdings zutreffend, dass das Bundesverfassungsgericht
nicht allein auf die richterliche Anordnung abgestellt, sondern ein
umfassendes Verwertungsverbot für den Fall als erforderlich
angesehen hat, dass die Behörden in Überschreitung
der Ermächtigung die Wohnraumüberwachung
durchführen, obwohl eine Wahrscheinlichkeit dafür
besteht, dass mit ihr absolut geschützte, dem Kernbereich der
privaten Lebensgestaltung zuzurechnende Gespräche erfasst
werden (BVerfGE 109, 279, 331). Dementsprechend ist auch das
Oberlandesgericht davon ausgegangen, dass ein nicht am Kernbereichs-
75
- 40 -
schutz ausgerichteter Vollzug zur Unverwertbarkeit der Erkenntnisse aus
der gesamten Maßnahme führen könnte.
Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer genügte
die tatsächliche Durchführung der
Wohnraumüberwachung jedoch grundsätzlich den
verfassungsrechtlichen Vorgaben. Insoweit nimmt der Senat Bezug auf die
zutreffenden Ausführungen des Generalbundesanwalts in seiner
Antragsschrift: In technischer und personeller Hinsicht war ein
möglichst schonender Maßnahmevollzug bereits dadurch
gewährleistet, dass in jedem Einzelfall durch den
diensthabenden Polizeibeamten unter Zuhilfenahme des stets anwesenden
Dolmetschers entschieden wurde, ob die Aufzeichnung gestartet wurde und
wie lange sie andauerte. Soweit die generellen Handlungsanweisungen
nach Ansicht des Oberlandesgerichts rechtlich bedenklich waren, hat es
die Erkenntnisse entweder nicht verwertet (Selbstgespräche des
Angeklagten K. ) oder - im Hinblick auf die den verfassungsrechtlichen
Vorgaben nicht genügende Handlungsanweisung, dass eine
Abschaltung nur bei "wesentlicher" Verletzung des Kernbereichs
über "zweifelsfrei längere Zeit" zu erfolgen habe -
die Gespräche einer eingehenden Prüfung unterzogen,
die eine Erfassung kernbereichsrelevanter Gesprächsinhalte
nicht ergab. Diese Handlungsanweisung galt entgegen der insoweit
zumindest missverständlichen Darstellung der
Beschwerdeführer ohnehin nur für den ersten Abschnitt
der Maßnahme bis zum 4. November 2004. Ab diesem Zeitpunkt
wurde sie durch eine den Kernbereichsschutz noch verstärkende
Anordnung ersetzt. Eine bewusste oder planmäßige
Überschreitung der Ermächtigung zur
Wohnraumüberwachung durch die Polizeibehörden ergibt
sich danach nicht. Diese waren vielmehr mit hohem personellem und
technischem Aufwand bemüht, die verfassungsgerichtlichen
Vorgaben umzusetzen.
76
- 41 -
Soweit die Beschwerdeführer geltend machen, es sei ein zu
enger Maßstab an den Kernbereich privater Lebensgestaltung
angelegt worden, verschweigen sie in diesem Zusammenhang, dass sich das
Oberlandesgericht bereits in der Hauptverhandlung auf den Vortrag einer
Vielzahl von angeblichen Kernbereichsverletzungen damit
auseinandergesetzt hat, dass die aufgenommenen Gebete in
gefahrrelevante Gespräche über die Rechtfertigung von
terroristischen Anschlägen oder die Verherrlichung des
"Märtyrertods" eingebettet waren und deshalb nicht
höchstpersönliche Gefühle oder Gedanken und
damit den Kernbereich berührten. Auch die weiteren von den
Revisionen schlagwortartig genannten Themen "Heirat" und "Familie"
betrafen nach den Ausführungen des Oberlandesgerichts
Gespräche, die sich vorrangig auf die Erlangung eines
gesicherten Aufenthaltsstatus in Europa bezogen oder im Zusammenhang
mit dem geplanten Versicherungsbetrug standen, der wegen der dadurch
möglichen finanziellen Versorgung der Familie eine
Voraussetzung für den von dem Angeklagten Y. A. angestrebten
"Märtyrertod" war. Die Beurteilung, dass mit der Aufzeichnung
solcher Gespräche nicht in den Kernbereich eingegriffen wurde,
ist - wie bereits vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift
dargelegt - rechtsfehlerfrei.
77
Nach alledem ist für einen den Kernbereichsschutz von
vornherein außer Acht lassenden Maßnahmevollzug,
der allein zur Unverwertbarkeit sämtlicher Erkenntnisse aus
der Wohnraumüberwachung führen könnte,
nichts ersichtlich. Vielmehr verbleibt es - soweit es zu
Kernbereichsverletzungen gekommen sein sollte - bei dem aus §
100 c Abs. 5 Satz 3 StPO resultierenden Verwertungsverbot in Bezug auf
solche einzelnen Gespräche.
78
Angesichts dessen kann offen bleiben, ob der Vortrag der Revisionen zu
einzelnen Kernbereichsverletzungen den Formerfordernissen des
§ 344 Abs. 2
79
- 42 -
Satz 2 StPO genügt. Da eine Verwertung der entsprechenden
Gesprächspassagen nicht konkret behauptet wird und sich aus
dem angefochtenen Urteil auch nicht ergibt, ist die Rüge
insoweit jedenfalls unbegründet.
e) Auch soweit die Beschwerdeführer darüber hinaus in
Bezug auf die Gespräche, an denen die Angeklagten Y. und I. A.
bzw. ihr Bruder A. A. beteiligt waren, ein Verwertungsverbot nach
§ 52 StPO bzw. gemäß § 100 c Abs.
6, § 52 StPO geltend machen, bleiben ihre Beanstandungen ohne
Erfolg.
80
Rechtlich verfehlt ist die Auffassung der Revisionen, § 100 c
Abs. 6 StPO komme jedenfalls für die aufgrund der
präventiv-polizeilichen Ermächtigungsgrundlage des
§ 29 Abs. 1 POG RhPf aF gewonnenen Erkenntnisse nicht zur
Anwendung, weil sich die Vorschrift nur auf strafprozessuale
Wohnraumüberwachungsmaßnahmen beziehe. Wie bereits
dargelegt (dazu 1. b) sind mit der Formulierung in § 100 d
Abs. 5 Nr. 3 StPO, dass nur "verwertbare" Daten aus einer nach anderen
Gesetzen durchgeführten Maßnahme im Strafverfahren
verwendet werden dürfen, die Verwertungsverbote des §
100 c StPO angesprochen. Werden durch eine
Wohnraumüberwachungsmaßnahme Gespräche
eines nach § 52 StPO Zeugnisverweigerungsberechtigten
aufgezeichnet, der infolgedessen die Entscheidung, ob er von seinem
Recht Gebrauch machen möchte, nicht mehr treffen kann, richtet
sich die Verwertbarkeit daher stets nach der Vorschrift des §
100 c Abs. 6 StPO. Dies folgt bei Erkenntnissen aus einer polizeilichen
Maßnahme aus der Verwendungsregelung des § 100 d
Abs. 5 Nr. 3 StPO; bei solchen aus einer strafprozessualen
Maßnahme gilt § 100 c Abs. 6 StPO entweder
unmittelbar oder - wenn wie hier mit dem Angeklagten I. A. ein
zunächst Unverdächtiger betroffen ist - über
die Verwendungsregelung des § 100 d Abs. 5 Nr. 1 StPO.
Für eine isolierte Anwen-
81
- 43 -
dung des § 52 StPO ist daneben kein Raum (vgl. BGHSt 40, 211;
BGH NStZ 1999, 416).
Danach gilt für die Angeklagten Y. und I. A. § 100 c
Abs. 6 Satz 3 StPO mit der Folge, dass ihre im Rahmen der
aufgezeichneten Gespräche abgegebenen
Äußerungen unbeschränkt verwertbar sind
(vgl. § 160 a Abs. 4 StPO). Entgegen der Auffassung der
Beschwerdeführer kommt es für die Frage der
Verwertbarkeit nicht darauf an, ob bereits im Zeitpunkt der
Gesprächsaufzeichnungen ein Tatverdacht bezüglich
einer Katalogtat nach § 100 c Abs. 2 StPO gegen den
Angeklagten I. A. bestand. Denn es handelt sich bei der
verfassungskonformen Vorschrift des § 100 c Abs. 6 StPO (vgl.
BVerfG NJW 2007, 2753) um eine Verwertungsregelung, so dass allein auf
den Zeitpunkt der Verwertung in dem angefochtenen Urteil abzustellen
ist, in welchem angesichts der Anklageerhebung und des
Eröffnungsbeschlusses des Oberlandesgerichts jedenfalls ein
hinreichender Tatverdacht gegeben war, dass der Angeklagte I. A. sich
der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung schuldig
gemacht hatte. Etwas anderes könnte nur gelten, wenn
für Gespräche mit Zeugnisverweigerungsberechtigten
ein Beweiserhebungsverbot gälte; ein solches hat indes auch
das Bundesverfassungsgericht nicht gefordert (vgl. BVerfGE 109, 279,
331 ff.).
82
Der Verwertung steht auch die von den Beschwerdeführern
zitierte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Unverwertbarkeit von
Erkenntnissen aus beschlagnahmefreien Urkunden im Sinne des §
97 Abs. 1 Nr. 1 StPO (BGH NStZ 2001, 604, 606) nicht entgegen. Dort
resultierte die Unverwertbarkeit der Erkenntnisse, die erst einen
Tatverdacht hätten begründen können, aus dem
Umstand, dass bereits die Beweiserhebung unzulässig war (BGH
aaO). Die Regelungen des § 100 c Abs. 6 StPO haben indes
lediglich ein Ver-
83
- 44 -
wertungsverbot im Hinblick auf im Übrigen - so auch hier -
zulässig erlangte Beweismittel zum Gegenstand.
Auch die weiteren Einwendungen der Beschwerdeführer, die von
dem Oberlandesgericht vorgenommene Abwägung zur Verwertung der
Äußerungen des nicht tatverdächtigen
Bruders der Angeklagten, A. A. , nach § 100 c Abs. 6 Satz 2
StPO sei rechtsfehlerhaft, greifen nicht durch. Insoweit nimmt der
Senat Bezug auf die zutreffenden Ausführungen des
Generalbundesanwalts.
84
3. Die Beschwerdeführer rügen weiter die Verwertung
der Erkenntnisse aus den auf strafprozessualer Grundlage ergangenen
Anordnungen der Wohnraumüberwachung. Diese hätten
nicht ergehen dürfen, weil sie sich auf unverwertbare
Erkenntnisse aus der zuvor angeordneten Maßnahme nach
§ 29 POG RhPf aF gestützt hätten.
85
Da die Erkenntnisse aus der polizeilichen Wohnraumüberwachung
indes verwendbar waren (vgl. oben 2. b) bb), konnten sie auch im
Zeitpunkt der ersten strafprozessualen Anordnung zur
Begründung des Tatverdachts verwendet werden (vgl. §
100 f Abs. 2 StPO aF).
86
Hinsichtlich der Verwertbarkeit der Erkenntnisse gelten die
Ausführungen zu 1. d) und e) entsprechend, auf die zur
Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird.
87
II. Rundumüberwachung
88
Die Beschwerdeführer rügen die Verwertung von
Erkenntnissen aus weiteren geheimen Ermittlungsmaßnahmen und
machen in diesem Zusammen-
89
- 45 -
hang geltend, dass diese - kumulativ zu der angeordneten
Wohnraumüberwachung - zu einer unzulässigen
Rundumüberwachung geführt hätten, aus der
sich wiederum die Unverwertbarkeit auch der Erkenntnisse aus der
Wohnraumüberwachung ergebe.
Den Revisionsbegründungen sowie der Gegenerklärung
des Generalbundesanwalts vom 15. Oktober 2008, der die
Beschwerdeführer insoweit zugestimmt haben, lässt
sich folgender Verfahrenssachverhalt entnehmen:
90
Die Wohnraumüberwachung dauerte - wie dargelegt - vom 24.
August 2004 bis zum 23. Januar 2005 und damit über einen
Zeitraum von etwa fünf Monaten. Die Dauer der aufgezeichneten
Gespräche betrug hingegen nur einen Bruchteil; sie machte im
Verhältnis zur Gesamtdauer der Maßnahme lediglich
8,4 % aus. Die Zeiten, in denen die Polizeibehörden das
gesprochene Wort in der Wohnung des Angeklagten K. nicht nur nicht
aufzeichneten sondern auch nicht abhörten, sind nicht
dokumentiert. Aus technischen Gründen war es nicht
möglich, bei abgeschalteter Aufzeichnung auch das
Mithören nachweisbar zu unterbrechen, was zunächst
nur durch ein Abdrehen der Lautstärke, später auch
durch ein Betätigen der "Stopp-Taste" an den eingesetzten
Rekordern zu erreichen war.
91
Darüber hinaus wurden folgende Ermittlungsmaßnahmen
durchgeführt:
92
Vom 9. August 2004 bis zum 23. Januar 2005 wurde auf Anordnung des
Landgerichts (Beschluss vom 14. Juli 2004) beziehungsweise des
Amtsgerichts M. (Beschluss vom 12. Oktober 2004) der Eingang des Hauses
videoüberwacht, in dem sich die Wohnung des Angeklagten K.
befand. Mit Beschluss vom 21. September 2004 genehmigte das Amtsgericht
M. darüber hinaus die Videoüberwachung eines
Telefonladens, den die Angeklagten K. und
93
- 46 -
Y. A. gelegentlich aufsuchten. Die Maßnahme war auf die Dauer
von zwei Monaten befristet. Für das Wochenende vom 22. bis 24.
Oktober 2004 ordnete das Polizeipräsidium zudem die Anbringung
eines GPS-Senders an zwei von dem Angeklagten Y. A. genutzten
Fahrzeugen an. Diese Maßnahmen beruhten auf
polizeirechtlicher Grundlage (§ 28 POG RhPf).
Am 8. November 2004 ordnete der Ermittlungsrichter beim
Bundesgerichtshof auf Antrag des Generalbundesanwalts die Herausgabe
der Verbindungsdaten von insgesamt sechs am 9. Oktober 2004 aus
fünf verschiedenen öffentlichen Telefonzellen in
Mü. geführten Gesprächen an. Der
Generalbundesanwalt verfügte am 10. November 2004 die
Anordnung einer planmäßig angelegten Beobachtung des
Angeklagten Y. A. für die Dauer von einem Monat. Mit Beschluss
des Ermittlungsrichters beim Bundesgerichtshof vom 9. Dezember 2004
wurde diese Observation um drei Monate verlängert; sie dauerte
bis zur vorläufigen Festnahme des Angeklagten fort. Mit
Beschlüssen des Ermittlungsrichters beim Bundesgerichtshof vom
12. November 2004 wurde sodann die Telefonüberwachung der von
den Angeklagten K. und Y. A. genutzten Mobiltelefone, die Beschlagnahme
aller an sie gerichteten Postsendungen und die langfristige Observation
des Angeklagten K. angeordnet. Diese Maßnahmen dauerten
jeweils bis zur vorläufigen Festnahme der Angeklagten K. und
Y. A. an. Mit Beschlüssen vom 12. November 2004 wurde
bezüglich dieser beiden Angeklagten auch der Einsatz eines
sogenannten IMSI-Catchers verfügt, zu dem es im
Ermittlungsverfahren indes nicht kam.
94
Die Beschwerdeführer haben in der Hauptverhandlung vor dem
Oberlandesgericht der Verwertung der Erkenntnisse aus diesen
Ermittlungsmaßnah-
95
- 47 -
men widersprochen, mit Ausnahme der Erkenntnisse aus der
GPS-Überwachung, der Videoüberwachung des
Telefonladens und der Observation des Angeklagten Y. A. . In diesen
Widersprüchen haben sie nicht geltend gemacht, dass es sich
wegen der Kumulation der Maßnahmen um eine
unzulässige Rundumüberwachung gehandelt habe.
1. Soweit die Beschwerdeführer meinen, die Erkenntnisse aus
den strafprozessualen Maßnahmen hätten nicht
verwertet werden dürfen, weil deren Anordnung auf den
unverwertbaren Erkenntnissen aus der Wohnraumüberwachung
beruhe, ist die Rüge unbegründet. Wie dargelegt
konnten die aus der Wohnraumüberwachung nach § 29
Abs. 1 Nr. 1 POG RhPf aF resultierenden
Gesprächsaufzeichnungen im Zeitpunkt der Anordnung der
strafprozessualen Maßnahmen gemäß
§ 100 f Abs. 2 StPO aF verwendet werden (dazu oben I. 3.).
96
2. Die Rüge, es habe eine unzulässige
Rundumüberwachung vorgelegen, ist ungeachtet der in der
Antragsschrift des Generalbundesanwalts aufgezeigten Bedenken gegen
ihre Zulässigkeit jedenfalls unbegründet.
97
Es ist vorliegend durch die zeitgleiche Durchführung mehrerer
Überwachungsmaßnahmen nicht zu einer
verfassungsrechtlich unzulässigen, zeitlichen und
räumlichen Rundumüberwachung (vgl. BVerfGE 65, 1, 42
f.; 109, 279, 323) gekommen. Bezüglich des Angeklagten I. A.
liegt dies bereits deshalb auf der Hand, weil gegen ihn keinerlei
Überwachungsmaßnahmen angeordnet worden sind. Er war
von solchen nur reflexartig betroffen, etwa wenn er sich in der
überwachten Wohnung des Angeklagten K. aufhielt. In den
Zeiträumen, in denen er keinen Kontakt zu den Angeklagten K.
und Y. A. hatte, fand eine Überwachung seiner Person nicht
statt.
98
- 48 -
Aber auch gegenüber den Angeklagten K. und Y. A. liegt eine
derart intensive Überwachung, die im Hinblick auf den daraus
resultierenden sog. additiven Grundrechtseingriff (vgl. BVerfGE 112,
304, 320) Bedenken an ihrer verfassungsmäßigen
Rechtmäßigkeit aufkommen lassen könnte,
nicht vor.
99
Die Wohnraumüberwachung wurde zwar über einen
längeren Zeitraum durchgeführt und war engmaschig
strukturiert. Dies war indes - wie das Oberlandesgericht
rechtsfehlerfrei ausgeführt hat - zunächst im
Hinblick auf die komplexe präventiv-polizeiliche Gefahrenlage
und im weiteren Verlauf zur Aufklärung der Vereinigungsdelikte
nach §§ 129 a, 129 b StGB, dabei insbesondere zur
Aufdeckung von Planungs- und Verbindungsstrukturen erforderlich. Bei
der konkreten Durchführung der Wohnraumüberwachung
achteten die durchführenden Beamten zudem auf einen
möglichst schonenden Maßnahmevollzug (dazu oben I.
2. d), was sich nicht zuletzt auch an der im Verhältnis zum
Zeitraum der Gesamtmaßnahme geringen Dauer der
Gesprächsaufzeichnungen zeigt. Dass die Überwachung
in Form jedenfalls des Mithörens über die gesamten
Monate "rund um die Uhr" erfolgt sei, ist eine nicht belegte
Mutmaßung der Revisionen. Aus den vom Oberlandesgericht
erlangten Erkenntnissen über die Durchführung der
Maßnahme ergibt sich vielmehr, dass der diensthabende Beamte
bei der Wahrnehmung kernbereichsrelevanter Gesprächsinhalte
die "Stopp-Taste" zu drücken hatte - mithin auch das
Mithören beendete - und nur bei veränderter
Personenkonstellation in der Wohnung durch gelegentliches
"Hereinhören" überprüfte, ob die
Gespräche sich verfahrensrelevanten, nicht dem Kernbereich
zugehörenden Materien zuwandten. In diesem Zusammenhang kommt
insbesondere der Videoüberwachung des Hauseingangs keine die
Eingriffsintensität steigernde Wirkung zu. Sie diente im
Gegenteil vorrangig dazu, den in der Wohnung verkehrenden Personenkreis
zu überprüfen. Dadurch
100
- 49 -
wurde überhaupt erst eine Prognoseentscheidung im Hinblick auf
mögliche Kernbereichsverletzungen ermöglicht, und es
konnte so im Ergebnis die Intensität der - wesentlich
grundrechtsrelevanteren - Abhörmaßnahme verringert
werden.
Die daneben auf polizeirechtlicher Grundlage angeordnete
Überwachung eines Telefonladens dauerte entgegen dem von den
Beschwerdeführern erweckten Eindruck nicht die gesamte Zeit
an, sie lief vielmehr aus, als im November 2004 mehrere
Maßnahmen auf strafprozessualer Basis angeordnet wurden. Die
Überwachung von Fahrzeugen des Angeklagten Y. A. mittels eines
GPS-Senders dauerte nur drei Tage und war im Zeitpunkt der
strafprozessualen Maßnahmen bereits beendet. Auch insoweit
kann also keine Rede von einer Rundumüberwachung sein.
101
Im Ergebnis traten zu der Wohnraumüberwachung also kumulativ
die im Wesentlichen durch den Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs
angeordneten Maßnahmen der Telefonüberwachung von
zwei Mobilfunkanschlüssen der Angeklagten K. und Y. A. , ihre
längerfristige Observation und die Beschlagnahme der an sie
gerichteten Postsendungen hinzu. Auch bei einer Gesamtschau dieser
Überwachungsmaßnahmen ergibt sich eine
unzulässige Rundumüberwachung, mit der ein
umfassendes Persönlichkeitsprofil eines Betroffenen erstellt
werden könnte, nicht. Eine solche ist nach der Rechtsprechung
des Bundesverfassungsgerichts auch bei einer Bündelung
mehrerer heimlicher Überwachungsmaßnahmen durch die
vorhandenen verfahrensrechtlichen Sicherungen, an die mit
Rücksicht auf das der Kumulation der Grundrechtseingriffe
innewohnende Gefährdungspotential allerdings besondere
Anforderungen zu stellen sind, grundsätzlich ausgeschlossen
(BVerfGE 112, 304, 319 f.; aA Puschke, Die kumulative Anordnung von
Informationsbeschaffungs-
102
- 50 -
maßnahmen im Rahmen der Strafverfolgung S. 79 ff., der eine
kumulative Überwachung als andersartigen Eingriff begreift,
für den es einer gesonderten Ermächtigungsgrundlage
bedürfe).
Die genannten verfahrensrechtlichen Sicherungen bestehen namentlich in
dem Richtervorbehalt, aber auch in Eingriffsschwellen, die besonders
schwerwiegend beeinträchtigende
Überwachungsmaßnahmen vom Vorliegen besonders
schwerer Straftaten oder bestimmten qualifizierten Verdachtsgraden
abhängig machen, sowie in sog.
Subsidiaritätsklauseln, die den Eingriff nur dann erlauben,
wenn anderweitig die Aufklärung erheblich erschwert
würde. Sie stellen letztlich Ausprägungen des
Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit dar.
Bei der gleichwohl noch erforderlichen Prüfung der
Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne
beurteilt sich die Frage der Zulässigkeit einer
Überwachungsmaßnahme auch danach, ob gegebenenfalls
mehrere, in die Grundrechte des Betroffenen eingreifende
Maßnahmen durchgeführt werden (vgl. BVerfGE aaO S.
321; BGHSt 46, 266, 277). Die besonderen vom Bundesverfassungsgericht
hervorgehobenen Anforderungen an das Verfahren sind - soweit vorliegend
maßgeblich - erfüllt, wenn sichergestellt ist, dass
die für die Beantragung oder Anordnung von
Ermittlungsmaßnahmen primär zuständige
Staatsanwaltschaft über alle den Grundrechtsträger
betreffenden Ermittlungseingriffe informiert ist (vgl. BVerfGE aaO S.
320).
103
So verhält es sich hier. Der Generalbundesanwalt war - ebenso
wie der Ermittlungsrichter beim Bundesgerichtshof - über
sämtliche Überwachungsmaßnahmen informiert.
Dies gilt auch für die - nicht vom Ermittlungsrichter
angeordnete - Wohnraumüberwachung und die sie begleitende
Videoüberwachung des Hauseingangs. In sämtlichen
Anordnungsbeschlüssen wurde dem Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit insbesondere dadurch
Genüge getan, dass
104
- 51 -
der Richtervorbehalt gewahrt blieb, die an die Schwere der Straftat
anknüpfenden Eingriffsvoraussetzungen sowie die
Subsidiaritätsklauseln in den die Maßnahmen
rechtfertigenden Vorschriften (§ 100 a Satz 1, § 100
c Abs. 1 Satz 1, § 163 f Abs. 2 Satz 1 StPO aF) beachtet
wurden. Dass die Entscheidungen des Ermittlungsrichters beim
Bundesgerichtshof oder des Landgerichts Ka. insoweit rechtsfehlerhaft
gewesen seien, behaupten die Beschwerdeführer nicht; dies ist
auch sonst nicht ersichtlich. Die Anordnung der
Ermittlungsmaßnahmen stand auch darüber hinaus zur
Schwere des Tatvorwurfs und zum Grad des sich aus den vorangegangenen
Ermittlungen ergebenden Verdachts nicht außer
Verhältnis. Dies belegen neben den in diesem Verfahren
ausgeurteilten Taten insbesondere die im November 2004 gewonnenen
Verdachtsmomente, nach denen sich der Angeklagte K. zu dieser Zeit
zumindest mit der Vermittlung von 48 Gramm hochangereichertem Uran
befasste, das - wie er den Angeklagten Y. und I. A. in einem
Gespräch erläuterte - für den Bau einer
Bombe verwendet werden konnte.
Soweit die Beschwerdeführer schließlich zum Beleg
ihrer Gegenauffassung eine Entscheidung des Europäischen
Gerichtshofes für Menschenrechte zitieren (JZ 2000, 993, 994),
befasst sich diese mit einem Fall der sog. Rundumüberwachung
nicht.
105
III. Weitere Verfahrensrügen
106
Daneben rügen die Revisionen die Verfahrensweise, in der das
Oberlandesgericht 141 der überwachten und aufgezeichneten
Wohnraumgespräche in die Hauptverhandlung eingeführt
hat. Das angeordnete Selbstleseverfahren beschränke die
Öffentlichkeit unzulässig und verstoße
gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens. Beanstandet wird weiterhin,
das Oberlandesgericht habe die Inhalte der Wohnraumüberwachung
im Urteil lückenhaft und selektiv darge-
107
- 52 -
stellt und insoweit den Inbegriff der Hauptverhandlung nicht
erschöpfend seiner Überzeugungsbildung zugrunde
gelegt. Gerügt wird ferner die Ablehnung einer Reihe von
Beweisanträgen, mit denen die Ladung und Vernehmung syrischer
Zeugen beantragt worden war. Die Zeugen - neben Bekannten des
Angeklagten K. auch dessen Eltern, Schwester und Bruder - waren im
Wesentlichen dazu benannt, den Aufenthalt des Angeklagten K. in seinem
Heimatort D. in Syrien in der Zeit von Mitte Oktober 2001 bis Ende
April/Anfang Mai 2002 zu bestätigen und so dessen durch die
Wohnraumüberwachung ermittelte Darstellung zu
erschüttern, er habe sich in diesem Zeitraum als
Kämpfer der Al Qaida in Pakistan und Afghanistan aufgehalten.
Das Oberlandesgericht hat die Vernehmung der Zeugen unter
Aufklärungsgesichtspunkten nicht für erforderlich
gehalten und deshalb diese Anträge jeweils nach § 244
Abs. 5 StPO abgelehnt. In gleicher Weise ist das Gericht mit
Anträgen verfahren, in denen die Zeugenvernehmung des in
US-Gewahrsam im Marinestützpunkt Guantanamo Bay auf Kuba
befindlichen Ramzi Binalshibh sowie die des ebenfalls in amerikanischem
Gewahrsam befindlichen Zayn Husayn alias "Abu Zubaydah" begehrt worden
war.
Diese Rügen bleiben aus den in der Zuschrift des
Generalbundesanwalts dargelegten Gründen sämtlich
ohne Erfolg.
108
C. Die Sachrügen
109
I. Beweiswürdigung
110
Die Beweiswürdigung des Oberlandesgerichts hält den
Maßstäben revisionsgerichtlicher
Nachprüfung (vgl. BGH NJW 2005, 2322, 2326) stand. Die
111
- 53 -
Rechtsmittel zeigen auch mit ihren Einzelausführungen insoweit
keinen Rechtsfehler auf, sondern legen - teilweise unter Mitteilung aus
dem Urteil nicht ersichtlicher Tatsachen - allein ihre eigene
Beweiswürdigung dar.
II. § 129 b StGB
112
1. Revision des Angeklagten K.
113
Das Oberlandesgericht hat den Angeklagten K. rechtsfehlerfrei wegen
mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung
im Ausland (§ 129 a Abs. 1 Nr. 1, § 129 b Abs. 1 Satz
1 StGB) verurteilt.
114
a) Die Wertung des Oberlandesgerichts, die Organisation Al Qaida sei
als ausländische terroristische Vereinigung im Sinne der
§§ 129 a, 129 b StGB anzusehen, hält auf der
Grundlage der von ihm getroffenen Feststellungen im Ergebnis
sachlichrechtlicher Prüfung stand.
115
aa) Als Vereinigung im Sinne der §§ 129 ff. StGB ist
nach bisher in der Rechtsprechung gebräuchlicher Definition
der auf eine gewisse Dauer angelegte, freiwillige organisatorische
Zusammenschluss von mindestens drei Personen zu verstehen, die bei
Unterordnung des Willens des Einzelnen unter den Willen der Gesamtheit
gemeinsame Zwecke verfolgen und unter sich derart in Beziehung stehen,
dass sie sich untereinander als einheitlicher Verband fühlen
(BGHSt 28, 147; 31, 202, 204 f.; 31, 239 f.; 45, 26, 35; BGH NJW 2005,
1668; 2006, 1603; BGHR StGB § 129 Vereinigung 3 m. w. N.).
Diese Kriterien liegen nach den Feststellungen für die Al
Qaida im Tatzeitraum insbesondere auch mit Blick auf die erforderliche
Struktur und Art der Willensbildung der Organisation vor. Hierzu gilt:
116
- 54 -
(1) Für eine Vereinigung in diesem Sinne konstitutiv ist das
Bestehen eines Mindestmaßes an fester Organisation mit einer
gegenseitigen Verpflichtung der Mitglieder (BGHSt 31, 202, 205; BGH
NStZ 1982, 68). Nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts lagen
diese Voraussetzungen für die Zeit bis Herbst 2001
zweifelsfrei vor; denn die Al Qaida war durch eine gefestigte
Organisation geprägt, in deren Rahmen die Mitglieder mit
verteilten Rollen und im Wege einer koordinierten Aufgabenverteilung zu
einem gemeinsamen Zweck zusammenwirkten. Die strukturellen
Voraussetzungen einer Vereinigung sind jedoch auch für den
Tatzeitraum zu bejahen. Die Feststellungen belegen, dass der seit
Herbst 2001 anhaltende Verfolgungsdruck weder auf der
Führungsebene noch in den nachgeordneten Bereichen zu einer
Zerschlagung der Organisation, sondern lediglich zu einer
entsprechenden Anpassung der Strukturen geführt und die
hierarchisch gegliederte Kernorganisation der Al Qaida in
kommunikativer und operativer Hinsicht einen bedeutenden Rest an
Handlungsfähigkeit bewahrt hat, der den erneuten Aufbau
festerer Strukturen erlaubt und hierauf auch angelegt ist. Eine solche
- möglicherweise nur vorübergehende und taktisch
bedingte - Lockerung der Organisationsstruktur führt indes
nicht dazu, dass die Gruppierung für diese Phase ihrer
Existenz die Eigenschaft als Vereinigung verliert. Insoweit gilt
Ähnliches wie für das Fortbestehen der Mitgliedschaft
in einer Vereinigung, das grundsätzlich auch für
solche (Zwischen-)Phasen in Betracht kommt, in denen das Mitglied -
gegebenenfalls bedingt durch die äußeren
Umstände - keine aktiven Tätigkeiten entfaltet (vgl.
BGHSt 29, 288, 294; 46, 349, 355 ff.). Hier kommt hinzu, dass nach wie
vor ein nach Art, Inhalt und Intensität enges
Beziehungsgeflecht der Mitglieder bestand, das auch in der Zeit nach
Herbst 2001 die Planung und Ausführung zentral gesteuerter
Attentate ermöglichte.
117
- 55 -
(2) Voraussetzung für eine Vereinigung ist daneben die
subjektive Einbindung der Beteiligten in die Ziele der Organisation und
in deren Willensbildung unter Zurückstellung individueller
Einzelmeinungen. Dabei ist die Art und Weise der Willensbildung
gleichgültig, solange sie ihrerseits von dem Willen der
Mitglieder der Vereinigung getragen wird. Die für alle
Mitglieder verbindlichen Regeln über die Willensbildung
können etwa dem Demokratieprinzip entsprechen oder auf dem
Prinzip von Befehl und Gehorsam aufgebaut sein (BGHSt 31, 239, 240; 45,
26, 35). Die Annahme einer Vereinigung scheidet indes aus, wenn die
Mitglieder einer Gruppierung sich nur jeweils für sich der
autoritären Führung einer Person unterwerfen, ohne
dass diese vom Gruppenwillen abgeleitet wird (BGH NJW 1992, 1518; StV
1999, 424, 425).
118
Entgegen der Auffassung der Verteidigung ist auch dieses voluntative
Element der Vereinigung hinreichend belegt. Nach der
ursprünglichen Struktur der Al Qaida in Afghanistan stand an
der Spitze der Organisation ein Führungskreis, dem Usama Bin
Laden, Aiman Al Zawahiri und Muhammed Atef sowie die Leiter
verschiedener "Fachausschüsse" angehörten. Die
Willensbildung war demnach hierarchisch strukturiert, ohne dass sich
allerdings die Mitglieder der Organisation einseitig einer nicht vom
Gruppenwillen getragenen Führungsperson unterwarfen. Im
Tatzeitraum teilten die Mitglieder der Al Qaida weiterhin die
gemeinsame politisch-ideologische Grundhaltung des gewaltbereiten
extremistischen Islamismus. Die Gruppierung verfügte nach wie
vor mit dem "Jihad gegen Juden und Kreuzzügler" bis zur
Zerstörung der USA und ihrer Verbündeten
über eine über den bloßen Zweckzusammenhang
der Vereinigung hinausreichende, von allen Mitgliedern getragene
Zielsetzung. Der fortwährende, vom Willen der Mitglieder der
Al Qaida getragene Führungsanspruch von Usama Bin Laden und
Aiman Al Zawahiri wird etwa durch deren per Internet oder Massenmedien
veröffentlichte Video- und Audiobotschaften manifestiert.
119
- 56 -
bb) Der Senat ist aus diesen Gründen nicht gehalten zu
entscheiden, ob dem Oberlandesgericht darin zugestimmt werden kann,
dass im Hinblick auf die Gemeinsame Maßnahme des Rates der
Europäischen Union vom 21. Dezember 1998 (ABl. EG 1998 Nr. L
351 S. 1) und den Rahmenbeschluss des Rates vom 13. Juni 2002 zur
Terrorismusbekämpfung (ABl. EG 2002 Nr. L 164 S. 3) der bisher
gebräuchliche Vereinigungsbegriff zu modifizieren ist und die
Anforderungen insbesondere an die organisatorischen und voluntativen
Voraussetzungen herabzusetzen sind. In der Literatur wird eine
derartige "europa-rechtsfreundliche" Interpretation des
Vereinigungsbegriffs teilweise vertreten (Krauß in LK 12.
Aufl. § 129 a Rdn. 26; Kress JA 2005, 220, 223 ff.; v.
Heintschel-Heinegg in FS für Schroeder S. 799; krit.
Rudolphi/Stein in SK-StGB § 129 Rdn. 6 b). Auch der Senat hat
eine derartige Neubestimmung zunächst grundsätzlich
in den Blick genommen, ohne sich indes im Einzelnen hierzu zu verhalten
(BGH NJW 2006, 1603); zuletzt hat er jedoch insbesondere für
die kriminelle Vereinigung im Sinne des § 129 StGB vor dem
Hintergrund des abgestuften Systems der Strafbarkeit von Tatvollendung,
Versuch und Vorbereitungshandlung, der erforderlichen Abgrenzbarkeit
der Vereinigung von einer Bande oder nur mittäterschaftlichen
Zusammenschlüssen sowie der prozessualen Folgewirkungen
Bedenken geäußert (BGHR StGB § 129
Vereinigung 3). Diese Vorbehalte gegen eine erweiternde Auslegung des
Vereinigungsbegriffs werden bei Berücksichtigung des
Strafzwecks der Vereinigungsdelikte noch verstärkt: Die
§§ 129 ff. StGB sollen die erhöhte
kriminelle Intensität erfassen, die in der Gründung
oder Fortführung einer fest gefügten, auf die
Begehung von Straftaten angelegten Organisation ihren Ausdruck findet
und die kraft der ihr innewohnenden Eigendynamik eine erhöhte
Gefährlichkeit in sich birgt. Diese Eigendynamik
führt typischerweise dazu, dass dem einzelnen Beteiligten die
Begehung von Straftaten erleichtert und bei ihm das Gefühl der
persönlichen Verantwortlichkeit
zurückgedrängt wird. Der Strafgrund der in diesem
Sinne
120
- 57 -
verstandenen spezifischen vereinigungsbezogenen Gefährlichkeit
der Organisation geriete jedoch aus dem Blick, wenn Abstriche an den
bisherigen Voraussetzungen hinsichtlich der Struktur der Vereinigung
sowie der Willensbildung und -unterordnung ihrer Mitglieder zugelassen
würden; denn nur eine ausreichend enge Verbindung der
Mitglieder sowie ein entsprechender Gruppenwille schaffen die
spezifischen Gefahren einer für die Vereinigung typischen, vom
Willen des Einzelnen losgelösten Eigendynamik. All diese
Gesichtspunkte sind gleichermaßen bei der Auslegung des
Begriffs der terroristischen Vereinigung nach §§ 129
a, 129 b StGB von Bedeutung; im Übrigen spricht auch das
Bedürfnis nach Rechtssicherheit und -klarheit dagegen, ein
wortgleiches Tatbestandsmerkmal in einem Qualifikationstatbestand
anders auszulegen als in der Grundnorm (aA Krauß aaO
§ 129 a Rdn. 26 aE).
Der Senat hält deshalb an seinen Bedenken gegen die vom
Oberlandesgericht vorgenommene Begriffsbestimmung fest. Er ist entgegen
der Auffassung der Revision allerdings nicht gehindert, auf der Basis
der Feststellungen des Oberlandesgerichts eine von dessen Rechtsansicht
abweichende Auffassung zu vertreten und seiner rechtlichen Bewertung
den herkömmlichen Vereinigungsbegriff zugrunde zu legen.
121
b) Der Angeklagte K. hat sich an der Al Qaida als Mitglied beteiligt.
122
Die mitgliedschaftliche Beteiligung erfordert, dass der Täter
sich unter Eingliederung in die Organisation deren Willen unterordnet
und eine Tätigkeit zur Förderung der Ziele der
Organisation entfaltet. Notwendig ist eine auf Dauer oder zumindest
längere Zeit angelegte Teilnahme am "Verbandsleben" (BGHSt 18,
296, 299 f.; BGH NStZ 1993, 37, 38).
123
- 58 -
Nach den Feststellungen schloss der Angeklagte K. sich der Al Qaida
während eines Aufenthalts in einem von dieser betriebenem
Ausbildungslager in Afghanistan an. Er begab sich aufgrund des
Verfolgungsdrucks nach dem Herbst 2001
absprachegemäß zurück nach Deutschland und
nahm hier Rekrutierungs- und Beschaffungsmaßnahmen
für die Vereinigung vor. Dass das Oberlandesgericht
während dieser Zeit keinen Kontakt des Angeklagten zur
Führungsebene der Al Qaida festgestellt hat, steht vor dem
Hintergrund dieser gewichtigen, fortdauernden, im
Einverständnis mit der Führungsebene entfalteten und
auf eine aktive Beteiligung an der Organisation gerichteten
Tätigkeiten der Annahme einer mitgliedschaftlichen Beteiligung
nicht entgegen (vgl. BGHSt 46, 349, 356 f.). Hinzu kommt, dass der
Aufenthalt des Angeklagten in Deutschland nicht auf Dauer angelegt war.
Vielmehr wollte er sich zurück in ein "Jihadland" begeben und
sich dort erneut den kämpfenden Verbänden der Al
Qaida anschließen. Aus alldem ergibt sich, dass die
Mitgliedschaft des Angeklagten in der Al Qaida zu keinem Zeitpunkt
beendet war; vielmehr bestand sie während des Tatzeitraums
unvermindert fort. Die Leistung des Treueids auf Usama Bin Laden durch
den Angeklagten war entgegen dem Vorbringen der Revision zum Erwerb der
Mitgliedschaft nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts nicht
konstitutiv.
124
2. Revision des Angeklagten Y. A.
125
a) Für den Angeklagten Y. A. belegen die Feststellungen des
Urteils dagegen nicht, dass dieser sich an der ausländischen
terroristischen Vereinigung Al Qaida als Mitglied beteiligt hat; denn
es fehlt an einer ausreichenden, von einem übereinstimmenden
Willen der Organisation und des Angeklagten getragenen Eingliederung in
die Vereinigung.
126
- 59 -
Das Oberlandesgericht hat im Rahmen seiner rechtlichen
Würdigung die mitgliedschaftliche Beteiligung dieses
Angeklagten an Al Qaida zum einen daran angeknüpft, dass er
sich mit hohem Zeitaufwand und als Hauptakteur der Umsetzung der
Versicherungsbetrügereien gewidmet habe. Zum anderen habe er
finanzielle Mittel beschaffen wollen, die seine eigene Teilnahme und
diejenige des Angeklagten K. am bewaffneten Jihad auf Seiten der Al
Qaida ermöglichen sollten. Damit hat das Oberlandesgericht bei
seiner Beurteilung wesentliche Kriterien, die für die
Mitgliedschaft in einer Vereinigung maßgeblich sind,
außer Acht gelassen. Im Einzelnen:
127
Die Frage, ob ein Täter, der in der Bundesrepublik Deutschland
lebt, sich als Mitglied an einer terroristischen Vereinigung im Ausland
beteiligt, bedarf regelmäßig bereits deshalb
besonderer Prüfung, weil er sich nicht im unmittelbaren
Betätigungsgebiet der (Kern-)Organisation aufhält;
dies gilt insbesondere dann, wenn sich der Täter nie an einem
Ort befunden hat, an dem Vereinigungsstrukturen bestehen, und seine
Verbindung zu der Vereinigung ausschließlich in dem Kontakt
zu einem in Deutschland befindlichen Mitglied der Organisation besteht.
Denn die Beteiligung als Mitglied setzt eine gewisse formale
Eingliederung des Täters in die Organisation voraus. Die
Begehungsform der mitgliedschaftlichen Beteiligung kommt im Unterschied
zu den Tathandlungen des Werbens für die oder des
Unterstützens der Vereinigung nur in Betracht, wenn der
Täter die Vereinigung von innen und nicht lediglich von
außen her fördert (Krauß aaO §
129 Rdn. 110). Zwar ist hierfür eine organisierte Teilnahme am
Leben der Vereinigung nicht erforderlich, weshalb es etwa einer
förmlichen Beitrittserklärung oder einer
förmlichen Mitgliedschaft mit etwa
listenmäßiger Erfassung, Zahlung von
Mitgliedsbeiträgen oder gar Ausstellung eines
Mitgliedsausweises nicht bedarf (BGHSt 18, 296, 299 f.; 29, 114, 121;
Rebmann NStZ 1989, 97, 100 Fn. 27). Notwendig ist allerdings, dass der
Täter
128
- 60 -
eine Stellung innerhalb der Vereinigung einnimmt, die ihn als zum Kreis
der Mitglieder gehörend kennzeichnet und von den
Nichtmitgliedern unterscheidbar macht. Hierfür reicht allein
die Tätigkeit für die Vereinigung, mag sie auch
besonders intensiv sein, nicht aus; denn ein Außenstehender
wird nicht allein durch die Förderung der Vereinigung zu deren
Mitglied (BGHSt 18, 296, 300; 29, 114, 123; BGH NStZ 1993, 37, 38;
Lenckner/Sternberg-Lieben in Schönke/Schröder, StGB
27. Aufl. § 129 Rdn. 13). Auch ein auf lediglich einseitigem
Willensentschluss beruhendes Unterordnen und Tätigwerden
genügt nicht, selbst wenn der Betreffende bestrebt ist, die
Vereinigung und ihre kriminellen Ziele zu fördern
(Krauß aaO § 129 Rdn. 105). Die Mitgliedschaft setzt
ihrer Natur nach eine Beziehung voraus, die der Vereinigung
regelmäßig nicht aufgedrängt werden kann,
sondern ihre Zustimmung erfordert. Eine Beteiligung als Mitglied
scheidet deshalb aus, wenn die Unterstützungshandlungen nicht
von einem einvernehmlichen Willen zu einer fortdauernden Teilnahme am
Verbandsleben getragen sind (BGH NStZ 1993, 37, 38).
Danach liegen die Voraussetzungen für eine Beteiligung des
Angeklagten Y. A. als Mitglied an der ausländischen
terroristischen Vereinigung Al Qaida nicht vor. Der Angeklagte war
nicht in der erforderlichen Weise in die Organisationsstrukturen der Al
Qaida eingebunden. Er war zu keinem Zeitpunkt etwa in Afghanistan,
Pakistan oder dem Irak und hatte keine Verbindung zu den
Führungspersonen oder den sich dort aufhaltenden Mitgliedern
der Organisation. Es ist nicht festgestellt, dass außer
seiner einzigen Kontaktperson, dem sich mit ihm in Deutschland
befindenden Angeklagten K. , irgendein sonstiges Mitglied der Al Qaida
überhaupt Kenntnis von ihm hatte. Unter diesen
Umständen kann bereits von einer mit einer Teilnahme am
Verbandsleben verbundenen Stellung des Angeklagten Y. A.
129
- 61 -
innerhalb der Vereinigung, wie sie für eine Beteiligung als
Mitglied konstitutiv ist, keine Rede sein.
Eine willentliche Übereinstimmung zwischen der Vereinigung und
dem Angeklagten bezüglich seiner Einbindung in die
Organisation ist aus den dargelegten Gründen ebenfalls nicht
feststellbar. Die Mitgliedschaft des Angeklagten lässt sich
insoweit auch nicht mit der festgestellten Übung der Al Qaida
begründen, im Tatzeitraum Mitglieder u. a. in
europäische Länder mit dem Auftrag zu senden, dort
für die Vereinigung rekrutierend tätig zu werden und
den zuvor zum Erwerb der Mitgliedschaft üblichen Treueid auf
Usama Bin Laden durch eine einseitige Erklärung der
Loyalität durch die rekrutierte Person sowie deren
Tätigkeit für die Organisation zu ersetzen. Die auf
diese Weise angeworbenen Anhänger mögen zwar durch
ihr - wie auch immer im Einzelfall geartetes - Eintreten für
die Ziele der Al Qaida dieser als Unterstützer im
untechnischen Sinne nützlich und willkommen sein; sie sind
indes nicht ohne Weiteres, sondern nur dann als Mitglieder der
Organisation im Sinne der §§ 129 a, 129 b StGB
anzusehen, wenn die oben dargelegten Voraussetzungen gegeben sind. Der
Angeklagte konnte deshalb nicht allein dadurch zum Mitglied der Al
Qaida werden, dass er einen besonderen Einsatz zeigte sowie seinen
Willen zu einer dauerhaften Beteiligung an der Organisation durch den
Wunsch manifestierte, nach Erlangung der zur Versorgung seiner Familie
erforderlichen wirtschaftlichen Mittel am Jihad im Irak teilzunehmen,
selbst wenn dies das Einverständnis seiner einzigen
Kontaktperson der Al Qaida, des Angeklagten K. , fand.
130
Ob dies möglicherweise anders zu beurteilen wäre,
wenn der Angeklagte K. von der Al Qaida den Auftrag und gleichsam die
Vollmacht erhalten hätte, allein und ohne Rücksprache
mit der Organisation neue Mitglieder im Sinne der §§
129 a, 129 b StGB in die Vereinigung aufzunehmen, hat der Senat nicht
131
- 62 -
zu entscheiden. Denn weder ein derartiger Auftrag durch die Al Qaida
noch eine solch weitgehende Befugnis des Angeklagten K. ist durch die
Feststellungen belegt. Der Senat kann den - freilich nicht an allen
Stellen vollständig übereinstimmenden -
Feststellungen im Ergebnis lediglich entnehmen, dass K. sich nach
Deutschland begab, um hier für die Al Qaida "autonom
terroristische Operationen zu planen und hierfür geeignetes
Personal heranzuziehen" (UA S. 22) bzw. "zu arbeiten" (UA S. 27, 221).
Aus diesen Formulierungen kann die spezielle Beauftragung zur
Rekrutierung und Aufnahme echter Vereinigungsmitglieder nicht
abgeleitet werden. Zudem lassen die Feststellungen zur Stellung des
Angeklagten K. innerhalb der Al Qaida lediglich erkennen, dass er in
der Hierarchie noch unterhalb der "Emire" stand. Hieraus ist zu
schließen, dass es sich bei ihm trotz seiner
persönlichen Bekanntschaft mit Usama Bin Laden lediglich um
ein gewöhnliches Mitglied der Organisation handelte, das nicht
in herausgehobener Position tätig war. Die Annahme, dass ein
derartiges "normales" Mitglied die weitreichende Befugnis hatte,
aufgrund eigener Entscheidung neue Mitglieder in die Organisation
aufzunehmen, wird von den Feststellungen auch bei
Berücksichtigung von deren Gesamtzusammenhang nicht getragen.
Diese belegen vielmehr lediglich, dass der Angeklagte K. vorgab, die
Möglichkeit zu haben, Interessenten durch die Abgabe einer
Empfehlung den Zugang zu einer kämpfenden Organisation an
einem "Jihad-schauplatz" im Ausland zu erleichtern (UA S. 42, 294).
Gegen eine darüber hinausgehende Bevollmächtigung des
Angeklagten K. spricht im Übrigen auch der Vergleich zur
festgestellten Praxis der Gewinnung von Vereinigungsmitgliedern in der
Zeit vor Herbst 2001. Damals reichte noch nicht einmal das Durchlaufen
einer "normalen" Ausbildung in einem Lager in Afghanistan aus. Die
Mitglieder der Al Qaida wurden vielmehr unter denjenigen Personen
ausgesucht, die sich als besonders qualifiziert erwiesen und
132
- 63 -
deshalb eine Spezialausbildung erhalten hatten. Hieraus folgt, dass die
Al Qaida ihrerseits an die "Kandidaten" gewisse Anforderungen stellte,
die diese erfüllen mussten, um Mitglied der Vereinigung werden
zu können. Nach den Feststellungen ist nicht zu erkennen, dass
diese Anforderungen aufgegeben wurden, als aufgrund des
Verfolgungsdrucks eine "Reorganisation durch Dezentralisierung"
erfolgte. In dieser Phase sollten zwar u. a. in Europa neue
Kämpfer für den Jihad angeworben werden; es ist
jedoch nichts dafür ersichtlich, dass die Al Qaida zu dieser
Zeit jeden in einem europäischen Land befindlichen
Interessenten ohne weitere Überprüfung wahllos als
Mitglied im Sinne der §§ 129 a, 129 b StGB in ihre
Organisation aufnehmen wollte.
b) Nach den Feststellungen hat sich der Angeklagte Y. A. allerdings
wegen Unterstützens einer terroristischen Vereinigung im
Ausland strafbar gemacht (§ 129 a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 Satz 1,
§ 129 b Abs. 1 Satz 1 StGB).
133
Nach ständiger Rechtsprechung unterstützt eine
terroristische Vereinigung, wer, ohne selbst Mitglied der Organisation
zu sein, deren Tätigkeit und terroristische Bestrebungen
direkt oder über eines ihrer Mitglieder fördert.
Dabei kann sich die Förderung richten auf die innere
Organisation der Vereinigung und deren Zusammenhalt, auf die
Erleichterung einzelner von ihr geplanter Straftaten, aber auch
allgemein auf die Erhöhung ihrer Aktionsmöglichkeiten
oder die Stärkung ihrer kriminellen Zielsetzung. Nicht
erforderlich ist, dass der Organisation durch die Tathandlung ein
messbarer Nutzen entsteht. Vielmehr genügt es, wenn die
Förderungshandlung an sich wirksam ist und der Organisation
irgendeinen Vorteil bringt; ob dieser Vorteil genutzt wird und daher
etwa eine konkrete, aus der Organisation heraus begangene Straftat oder
auch nur
134
- 64 -
eine organisationsbezogene Handlung eines ihrer Mitglieder
mitprägt, ist dagegen ohne Belang (BGHSt 51, 345, 348 f.).
Ein tatbestandliches Unterstützen liegt demgegenüber
nicht vor, wenn die Handlung der Vereinigung von vornherein nicht
nützlich war und sein konnte (vgl. BGH bei Schmidt MDR 1981,
91; Krauß aaO § 129 Rdn. 133). Es scheidet
darüber hinaus auch dann aus, wenn die unterstützende
Handlung sich der Sache nach als Werben für die Vereinigung
darstellt. Wirbt der Täter um Mitglieder oder
Unterstützer der terroristischen Vereinigung, kommt seine
Strafbarkeit - nur - nach § 129 a Abs. 5 Satz 2 StGB in
Betracht; wirbt er lediglich für die Ideologie oder Ziele der
Vereinigung, bleibt er grundsätzlich straflos (BGHSt 51, 345).
Die hieraus folgende Privilegierung des Werbens für eine
Vereinigung ist durch die entsprechende Änderung der
§§ 129, 129 a StGB durch das 34.
Strafrechtsänderungsgesetz vom 22. August 2002 (BGBl I 3390)
sowie das Gesetz zur Umsetzung des Rahmenbeschlusses des Rates vom 13.
Juni 2002 zur Terrorismusbekämpfung und zur Änderung
anderer Gesetze vom 22. Dezember 2003 (BGBl I 2836) bedingt und auf
diese Tathandlung beschränkt; sie führt insbesondere
nicht dazu, dass für die sonstigen Erscheinungsformen
möglicher Unterstützungshandlungen vergleichbare
Einschränkungen gelten etwa mit der Folge, dass die
Anforderungen an den notwendigen Vorteil der
Unterstützungshandlung für die Vereinigung generell
zu erhöhen wären.
135
Nach alldem ist als tatbestandliche Unterstützung jedes
Tätigwerden anzusehen, das die innere Organisation und den
Zusammenhalt der Vereinigung unmittelbar fördert, die
Realisierung der von der Vereinigung geplanten Straftaten - wenn auch
nicht unbedingt maßgebend - erleichtert oder sich sonst auf
Aktionsmöglichkeiten und Zwecksetzung der Vereinigung in
irgendeiner Weise
136
- 65 -
positiv auswirkt und damit die ihr wesenseigene Gefährlichkeit
festigt (vgl. Krauß aaO § 129 Rdn. 139;
Miebach/Schäfer in MünchKomm-StGB § 129 Rdn.
83), solange diese Tätigkeit sich nicht als Werben
für eine Vereinigung darstellt. Aufgrund des aus der
besonderen Tatbestandsstruktur der Vereinigungsdelikte folgenden
Verhältnisses der einzelnen Tathandlungen zueinander umfasst
das Unterstützen einer Vereinigung daher auch
Sachverhaltsgestaltungen, die ansonsten materiellrechtlich als Beihilfe
(§ 27 Abs. 1 StGB) zur mitgliedschaftlichen Beteiligung an der
Vereinigung zu bewerten wären (BGHSt 51, 345, 350 f.). Da als
Effekt des Unterstützens ein irgendwie gearteter Vorteil
für die Vereinigung ausreicht, liegt es nahe, dass bei einer
Tätigkeit, die sich in der Sache als Beihilfe zur Beteiligung
eines Mitglieds an der Vereinigung darstellt,
regelmäßig bereits hierin ein ausreichender Nutzen
für die Vereinigung zu sehen ist. Dies gilt jedenfalls dann,
wenn der Täter ein Mitglied der Vereinigung bei der
Erfüllung einer Aufgabe unterstützt, die diesem von
der Vereinigung aufgetragen worden ist. Denn die Mitwirkung an der
Erfüllung eines Auftrags, den die Vereinigung selbst einem
Mitglied erteilt hat, erweist sich nicht nur allein für das
betroffene Mitglied als im hier relevanten Sinne vorteilhaft; der
ausreichende, nicht notwendigerweise spezifizierte Nutzen wirkt sich in
einem solchen Fall vielmehr auch auf die Organisation als solche in
vergleichbarer Weise aus wie in den Fällen, in denen die
Mitglieder in ihrem Entschluss gestärkt werden, die Straftaten
zu begehen, die den Zwecken der terroristischen Vereinigung dienen oder
ihrer Tätigkeit entsprechen (BGHSt 32, 243, 244). Eines noch
weiter gehenden Vorteils für die Vereinigung bedarf es deshalb
in diesen Fallgestaltungen nicht.
In derartigen Fällen wird die gleichzeitig verwirklichte
Beihilfe des Täters zur mitgliedschaftlichen Beteiligung des
Dritten an der Vereinigung durch das täterschaftliche
Unterstützen der Vereinigung verdrängt. Ob daneben
Fallge-
137
- 66 -
staltungen denkbar sind, in denen sich die Tathandlung lediglich als
Beihilfe zur mitgliedschaftlichen Beteiligung, nicht aber als
Unterstützen der Vereinigung darstellt, kann hier offen
bleiben.
Nach diesen Maßstäben hat der Angeklagte Y. A. die
terroristische Vereinigung Al Qaida unterstützt. Der
Angeklagte hat sich in maßgebender Funktion an den
Versicherungsbetrügereien beteiligt, die u. a. dazu dienten,
finanzielle Mittel für die Al Qaida zu erschließen.
Durch diese Tätigkeit hat er die entsprechenden
Bemühungen des Al Qaida-Mitglieds K. unterstützt, die
für diesen wiederum Teil seiner mitgliedschaftlichen
Beteiligung an der Organisation waren. Die Förderung der
Betätigungen des Angeklagten K. wirkte sich für
diesen auch vorteilhaft aus; denn er wurde zum einen in dem Entschluss
gestärkt, Straftaten zu begehen, die dem Fortbestand der
terroristischen Vereinigung dienten und musste zum anderen
darüber hinaus die Tätigkeiten, die der Angeklagte Y.
A. entfaltete, nicht selbst vornehmen oder eine andere Person
hierfür gewinnen. Die Beschaffungsbemühungen des
Angeklagten K. dienten gerade der Erfüllung der allgemeinen
Order, mit der er von der Al Qaida für seine in Deutschland zu
verbringende Zeit betraut worden war. Damit wurden auch die
Bestrebungen der Vereinigung insgesamt ausreichend gefördert.
Der Vollendung der Tat steht nach alldem insbesondere nicht entgegen,
dass es hier letztlich in keinem Fall zu einer Auszahlung der
Versicherungssumme an die Beteiligten und demnach auch nicht zu einer
Weiterleitung eines Teils des Erlöses an die Organisation kam.
138
3. Revision des Angeklagten I. A.
139
Die Verurteilung des Angeklagten I. A. wegen Unterstützung
einer terroristischen Vereinigung im Ausland (§ 129 a Abs. 1
Nr. 1,
140
- 67 -
Abs. 5 Satz 1, § 129 b Abs. 1 Satz 1 StGB) hält
revisionsrechtlicher Prüfung stand.
Die Tatbeiträge des Angeklagten I. A. stellen inhaltlich
ebenso wie diejenigen des Angeklagten Y. A. eine Beihilfe zur
Beteiligung des Angeklagten K. als Mitglied an der Al Qaida dar; denn
mit ihnen förderte der Angeklagte I. A. die
Bemühungen des Angeklagten K. , seinen ihm von der Al Qaida
erteilten Auftrag zu erfüllen. Sie bewirkten somit im Ergebnis
ebenfalls für die Vereinigung als solche einen ausreichenden
Effekt.
141
Soweit der Senat in seiner Haftprüfungsentscheidung vom 19.
Mai 2005 (BGHR StGB § 129 a Abs. 5 Unterstützen 1)
Bedenken dagegen geäußert hat, dass die
Tatbeiträge des Angeklagten als vollendetes
Unterstützen zu werten seien, beruhte dies auf der dem
damaligen Ermittlungsstand, wonach sich die Tätigkeit des
Angeklagten auf die Zusage beschränkte, von der in der Zukunft
zu erwartenden Beute einen Teil an die Vereinigung abzugeben. Der Senat
ist im Revisionsverfahren auf der Basis der Feststellungen des
tatgerichtlichen Urteils nicht gehalten zu entscheiden, unter welchen
Voraussetzungen für ein Unterstützen der Vereinigung
allein die Zusage eines Nichtmitglieds ausreicht, eine Handlung
vorzunehmen, die sich auf die Organisation irgendwie vorteilhaft
auswirken kann (vgl. hierzu auch BGHR StGB § 129 a Abs. 3
Unterstützen 4); denn nach diesen Feststellungen war die
Tätigkeit des Angeklagten nicht auf die Abgabe einer
derartigen Zusage beschränkt. Der Angeklagte wirkte vielmehr
an den Versicherungsbetrügereien insgesamt mit, indem er
selbstständig recherchierte und an Besprechungen in allgemein
beratender Funktion teilnahm. Zudem war er damit einverstanden, als
Bezugsberechtigter für die Versicherungssummen aufzutreten.
Mit seiner diesbezüglichen Zusage leistete er
142
- 68 -
somit einen erheblichen Beitrag für die Durchführung
der einzelnen Betrugsstraftaten. Die Tätigkeiten des
Angeklagten begründeten deshalb - wenn sie auch hinter
denjenigen des Angeklagten Y. A. zurückblieben - jedenfalls
bei einer Gesamtschau einen hinreichenden Vorteil für die
Vereinigung im oben näher dargestellten Sinn.
III. § 263 StGB
143
Die Verurteilung der Angeklagten wegen versuchten
"bandenmäßigen" Betrugs in 28 Fällen
hält rechtlicher Überprüfung im Ergebnis
nicht in vollem Umfang stand und bedarf hinsichtlich aller Angeklagter
teilweise der Abänderung. Entgegen der Würdigung des
Oberlandesgerichts tritt in den hier vorliegenden Fällen
betrügerischer Eingehung von
Lebensversicherungsverträgen der Schaden bei den
getäuschten Versicherungsunternehmen nicht erst mit Auszahlung
der jeweiligen Versicherungsleistung, sondern bereits mit Abschluss der
Versicherungsverträge ein. Damit ist der Betrug in neun
Fällen vollendet, in den übrigen Fällen
jeweils durch die Beantragung von Versicherungsverträgen
versucht worden. Die Beanstandung der Revisionen, es habe sich wegen
der geplanten, in ferner Zukunft liegenden Vortäuschung des
Todes bei den Anträgen auf Vertragsabschluss jeweils nur um
straflose Vorbereitungshandlungen gehandelt, geht daher fehl.
144
An den Betrugstaten der Angeklagten Y. A. und K. beteiligte sich der
Angeklagte I. A. erst nach dem 21. September 2004. Entgegen der Ansicht
des Oberlandesgerichts können ihm die vorher begangenen
Betrugshandlungen der beiden Mitangeklagten nicht über die
Rechtsfigur der sukzessiven Mittäterschaft zugerechnet werden.
Damit erfüllen auch erst die nach diesem Zeitpunkt
verwirklichten Taten das Regelbeispiel des
bandenmäßigen Betrugs.
145
- 69 -
Dazu im Einzelnen:
146
1. Nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts gelang es dem
Angeklagten Y. A. in neun Fällen (Fälle 1 bis 4, 6,
16, 22, 30 und 33), Versicherungsunternehmen durch falsche Angaben
jeweils zum Abschluss eines Lebensversicherungsvertrages zu veranlassen
und damit die Deckung des Todesfallrisikos zu übernehmen.
Bereits mit dem Vertragsschluss war unter den gegebenen - in der Praxis
selten vorkommenden, zumindest selten nachweisbaren, hier allerdings
ausdrücklich festgestellten - Umständen der
Vermögensbestand der Versicherungsunternehmen gemindert und
damit der Versicherungsbetrug vollendet.
147
a) Der Angeklagte täuschte bei der Antragstellung jeweils in
mehrfacher Hinsicht über innere und äußere
Tatsachen. So verneinte er ab Fall 3 stets wahrheitswidrig eine
Vorerkrankung und in den meisten Fällen (mit Ausnahme der
Fälle 1, 2, 13, 18, 19, 25 und 26) die Fragen nach anderen
bestehenden oder beantragten Lebensversicherungsverträgen.
148
Insbesondere täuschte der Angeklagte in allen Fällen
konkludent darüber, einerseits zukünftig dauerhaft
nach den Vertragsbedingungen die Versicherungsprämien zahlen
zu wollen und zu können sowie andererseits bereit zu sein, den
beantragten Versicherungsschutz seinem Zweck entsprechend allein zur
Abdeckung des zukünftigen Risikos eines ungewissen
Schadenseintritts zu nutzen (zur Absicht der rechtswidrigen
Inanspruchnahme von Versicherungsleistungen als tauglicher Gegenstand
einer Täuschung vgl. Lindenau, Die Betrugsstrafbarkeit des
Versicherungsnehmers aus strafrechtlicher und kriminologischer Sicht S.
164).
149
- 70 -
Über die innere Tatsache, sich nicht vertragstreu verhalten zu
wollen, ist eine konkludente Täuschung möglich. Die
Vertragspartner dürfen ein Minimum an Redlichkeit im
Rechtsverkehr, das auch verbürgt bleiben muss, voraussetzen
(vgl. Cramer/Perron in Schönke/Schröder aaO
§ 263 Rdn. 14/15). Deshalb ist die Erwartung, dass keine
vorsätzliche sittenwidrige Manipulation des
Vertragsgegenstandes durch einen Vertragspartner in Rede steht,
unverzichtbare Grundlage jeden Geschäftsverkehrs und deshalb
zugleich miterklärter Inhalt entsprechender
rechtsgeschäftlicher Willensbekundungen. Dem Angebot auf
Abschluss eines Vertrages ist demnach in aller Regel die konkludente
Erklärung zu entnehmen, dass der in Bezug genommene
Vertragsgegenstand nicht vorsätzlich zum eigenen Vorteil
manipuliert wird (BGHSt 51, 165, 171).
150
Da die Manipulation des Vertragsgegenstandes eines
Lebensversicherungsvertrags in der Form der Vortäuschung des
Versicherungsfalles - ähnlich wie diejenige einer Sportwette
(vgl. dazu BGHSt aaO S. 172) - zwangsläufig erst nach
Vertragsschluss stattfinden kann, bezieht sich die konkludente
Erklärung der Manipulationsfreiheit nicht auf eine bereits
durchgeführte, sondern auf eine beabsichtigte Manipulation.
Für die Täuschung kommt es dabei nicht darauf an,
inwieweit die geplanten Beeinflussungen bereits ins Werk gesetzt sind.
151
Diese Täuschung ist tatbestandsmäßig im
Sinne des § 263 Abs. 1 StGB. Sie war unentbehrlich, um zu dem
nach dem Tatplan notwendigen Zwischenziel, dem Abschluss des
Versicherungsvertrags, zu gelangen. Dass es danach noch einer weiteren
Täuschung (über den Eintritt des Versicherungsfalls)
bedurfte, um das eigentliche Endziel der Auszahlung der
Versicherungssumme zu erreichen, ist demgegenüber für
die Täuschungshandlung rechtlich ohne Belang.
152
- 71 -
b) Den Vorstellungen des Angeklagten entsprechend ist bei den
Versicherungsunternehmen aufgrund der Täuschung jeweils eine
entsprechende Fehlvorstellung über die Leistungsbereitschaft
sowie die Vertragstreue des Angeklagten und damit über den
Umfang des zu übernehmenden Risikos eingetreten. Dieser Irrtum
war (mit)ursächlich für den jeweiligen
Vertragsabschluss durch den Versicherer.
153
c) Mit dem Vertragsabschluss ist bei dem jeweiligen
Versicherungsunternehmen ein Vermögensschaden eingetreten.
154
aa) Der Vermögensschaden beim Betrug ist nach
ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs durch einen
Vermögensvergleich mit wirtschaftlicher Betrachtungsweise zu
ermitteln (BGHSt 45, 1, 4; BGH NStZ 1996, 191; 1997, 32, 33).
155
Beim Betrug durch Abschluss eines Vertrages (Eingehungsbetrug), wie er
hier in Rede steht, ist der Vermögensvergleich auf den
Zeitpunkt des Vertragsschlusses zu beziehen. Ob ein
Vermögensschaden eingetreten ist, ergibt sich aus einer
Gegenüberstellung der Vermögenslage vor und nach
diesem Zeitpunkt. Zu vergleichen sind demnach die beiderseitigen
Vertragsverpflichtungen (BGHSt 16, 220, 221; 45, 1, 4). Bleibt der
Anspruch auf die Leistung des Täuschenden in seinem Wert
hinter der Verpflichtung zur Gegenleistung des Getäuschten
zurück, so ist dieser geschädigt (BGHSt 16 aaO).
156
Für die Beurteilung des Vermögenswertes von Leistung
und Gegenleistung kommt es weder auf den von den Vertragsparteien
vereinbarten Preis an (BGHSt 16, 220, 224) noch darauf, wie hoch der
Verfügende subjektiv ihren Wert taxiert (BGHSt 16, 321, 325).
Entscheidend für den Vermögenswert von Leistung und
Gegenleistung ist vielmehr das vernünftige Urteil eines
objektiven
157
- 72 -
Dritten (BGHSt 16, 220, 222; 16, 321, 326; BGHR StGB § 263
Abs. 1 Vermögensschaden 70 m. w. N.).
bb) Daran gemessen ist ein solcher Schaden bei dem jeweiligen
Versicherungsunternehmen hier zu bejahen. Mit dem Vertragsabschluss war
es mit der Verpflichtung zur Zahlung der Versicherungssumme im
Todesfall belastet. Dem stand die Verbindlichkeit des
Versicherungsnehmers gegenüber, an den Versicherer bis zum
Ende der vertraglich vereinbarten Laufzeit die Prämien zu
zahlen. Die Prämie ist der Preis, den der Versicherungsnehmer
dafür zu entrichten hat, dass der Versicherer bei Eintritt des
Versicherungsfalls die Versicherungssumme leistet. Sie muss in einem
ausgewogenen Verhältnis zu dem Versicherungsschutz stehen
(vgl. hierzu Lindenau aaO S. 217 f.). Der Versicherer kalkuliert die
Versicherungsprämien unter Berücksichtigung seiner
allgemeinen Kosten (u. a. Abschlussprovision, Betriebskosten) auf der
Basis von sog. Sterbetafeln, die eine aus der Erfahrung der
Vergangenheit gewonnene wahrscheinliche Lebenszeit des Versicherten
ausdrücken. Hinzu kommen ggf. Zuschläge für
besondere Risiken. In die Prämienkalkulation geht die
voraussichtliche Lebensdauer des Versicherten ebenso ein wie die Anzahl
der Prämien, die - vorbehaltlich eines vorzeitigen Todes - bis
zum Ablauf der Versicherungszeit zu zahlen sind. Im Normalfall besteht
zwischen Leistung und Gegenleistung ein Äquivalent.
158
Hier stellte die Prämie indessen keinen entsprechenden
Ausgleich für die mit dem Vertrag eingegangenen
Verpflichtungen dar; denn der Angeklagte war von vornherein
entschlossen, den Versicherungsfall zu fingieren, und hatte in Form der
Verabredungen zuerst mit dem Mitangeklagten K. , später auch
mit dem Mitangeklagten I. A. , bereits mit konkreten Vorbereitungen
begonnen. Der jeweilige Versicherer war daher mit Abschluss des Vertra-
159
- 73 -
ges rein wirtschaftlich gesehen nicht - wie von ihm angenommen - nur
mit einer aufschiebend bedingten Verpflichtung zur Zahlung der
Versicherungssumme für den Fall belastet, dass sich das - nach
allgemeinen Maßstäben bewertete - Risiko des
Todeseintritts während der Vertragslaufzeit verwirklichen
sollte. Vielmehr war seine Inanspruchnahme aufgrund der von den
Angeklagten beabsichtigten Manipulation des Vertragsgegenstandes sicher
zu erwarten. Der entsprechenden Forderung hätte er sich nur
durch den Beleg der Unredlichkeit des Versicherungsnehmers, etwa durch
den Nachweis der Unrichtigkeit der ägyptischen
Todesbescheinigung, entziehen können. Damit war die
Leistungswahrscheinlichkeit gegenüber dem vertraglich
vereinbarten Einstandsrisiko signifikant erhöht.
Bei dem Vergleich der wechselseitigen Ansprüche von
Versicherer und Versicherungsnehmer bleibt außer Betracht,
dass der Versicherer, sofern er Kenntnis von den tatsächlichen
Hintergründen des Vertragsschlusses erlangen würde,
den Vertrag wegen arglistiger Täuschung anfechten (§
123 BGB; vgl. § 22 VVG) oder sich in anderen Konstellationen,
etwa gemäß § 74 Abs. 2 VVG, auf die
Nichtigkeit des Vertrages berufen könnte; denn diese
Möglichkeit, sich vom Vertrag zu lösen, soll dem
getäuschten Versicherer gerade verborgen bleiben (vgl. RGSt
48, 186, 189; BGH StV 1985, 368 m. w. N.; Fischer aaO § 263
Rdn. 103 m. w. N.).
160
Dafür, dass bereits mit dem Vertragsabschluss beim Versicherer
ein Vermögensschaden eingetreten ist, spricht nicht zuletzt
auch die zivilrechtliche Betrachtung. Insoweit ist anerkannt, dass der
Versicherer gegenüber dem täuschenden
Versicherungsnehmer nicht nur die Möglichkeit der Anfechtung
des Vertrages hat. Daneben kommt vielmehr auch eine
Schadensersatzhaftung des Versicherungsnehmers aus dem Gesichtspunkt
der culpa in contrahendo (§ 311
161
- 74 -
Abs. 2 Nr. 1 BGB i. V. m. § 241 Abs. 2 BGB) in Betracht mit
der Folge, dass der getäuschte Versicherer
gemäß § 249 BGB die
Rückgängigmachung des Vertrages verlangen kann (vgl.
BGH NJW 1998, 302, 303). Insoweit besteht die Möglichkeit,
dass allein durch die mit dem Vertragsabschluss eingegangenen
vertraglichen Verpflichtungen ein Vermögensschaden
begründet wird, wenn der Wert der Gegenleistung hinter dem
Wert der Verpflichtungen zurückbleibt (vgl. BGH aaO S. 304).
Nach alldem ist in den Fällen, in denen es zum Abschluss des
Lebensversicherungsvertrags kam, beim Versicherer ein Schaden
entstanden, so dass insoweit jeweils ein vollendeter Eingehungsbetrug
vorliegt. Die dem Tatplan entsprechende spätere Auszahlung der
Versicherungssummen hätte lediglich zu einer
Schadensvertiefung geführt und den Eingehungs- zum
Erfüllungsbetrug werden lassen. Auch insoweit ist es
für die rechtliche Bewertung ohne Belang, dass hierzu und
damit zum Eintritt des endgültigen Verlustes des Versicherers
noch eine weitere erfolgreiche Täuschung über den
Eintritt des Versicherungsfalls erforderlich gewesen wäre.
162
Zweifel daran, dass der jeweilige Versicherer bereits mit dem Abschluss
des Lebensversicherungsvertrages in seinem Vermögen
geschädigt war, bestehen auch nicht deswegen, weil sich die
Bestimmung der Schadenshöhe als problematisch erweist.
Insoweit könnte sich eine Berechnung nach bilanziellen
Maßstäben (so BGH StV 2009, 242) etwa deswegen als
schwierig darstellen, weil es für die Bewertung der
Verpflichtung aus einem täuschungsbedingt abgeschlossenen
Lebensversicherungsvertrag keine anerkannten
Richtgrößen gibt. Diese Schwierigkeiten lassen indes
den Schaden nicht entfallen. Sie führen lediglich dazu, dass
der Tatrichter grundsätzlich unter Beachtung des
Zweifelssatzes im Wege der Schätzung Mindestfeststellungen zu
treffen hat (vgl.
163
- 75 -
BGH aaO S. 243). Hierzu wird er sich erforderlichenfalls der Hilfe von
Sachverständigen aus den Gebieten der Versicherungsmathematik
bzw. der Versicherungsökonomie und/oder des Bilanzwesens
bedienen. Unter den hier gegebenen Umständen (vgl. unten VI.)
war dies indes nicht geboten.
Dieses Ergebnis steht im Einklang mit bisheriger Rechtsprechung zum
Eingehungsbetrug.
164
So hat bereits das Reichsgericht (RGSt 48, 186) einen
Vermögensschaden des Feuerversicherers in dem bloßen
Abschluss eines Versicherungsvertrages gesehen, auf den die
Versicherungsnehmer unter Angabe eines unzutreffend hohen
Versicherungswerts in der Absicht angetragen hatten, die versicherten
Sachen alsbald in Brand zu setzen und dadurch in den Besitz der
Versicherungssumme u. a. auch für Gegenstände zu
kommen, die gar nicht vorhanden waren. Es hat dabei
ausgeführt, dass der Prämienanspruch, den die
Gesellschaft erhielt, nur den Ausgleich bildete "für die
gegenüber einem vertragstreuen Vertragsgegner
übernommene Verpflichtung zur Gefahrtragung. Dieser Anspruch
verlor an Wert und büßte ihn im wesentlichen ein bei
den Angeklagten, die überhaupt nicht die Absicht hatten, ihr
Verhalten dem Vertrage gemäß einzurichten,
… sondern im Gegenteil entschlossen waren, mit Hilfe des
Scheines eines Vertrags die Gesellschaft zu einer
vermögensrechtlichen Aufwendung, der Zahlung der
Brandentschädigung, zu veranlassen." Die
Vermögensminderung (damals bezeichnet als
Vermögensgefährdung) sah das Reichsgericht darin,
dass sich die Versicherungsgesellschaft täuschungsbedingt
vertraglich verpflichtete, "eine weit größere Gefahr
(vermögensrechtlichen Inhalts) zu tragen, als sie dem in der
Prämie ausgedrückten, demgemäß
auch vereinbarten gewöhnlichen Verlaufe der Dinge entsprach,
und die Möglichkeit einer die Gesellschaft treffenden
tatsächlichen Einbuße an ihrem Vermögen
165
- 76 -
war bei der von den Angeklagten in Aussicht genommenen alsbaldigen
Brandstiftung unmittelbar gegeben" (RGSt 48, 186, 190).
Auch der Bundesgerichtshof hat den Betrug schon als vollendet angesehen
mit dem Vertragsschluss über die Lieferung von Feinkohle, bei
dem der Angeklagte von Anfang an beabsichtigt hatte, lediglich
minderwertigen Kohlenschlamm zu liefern (BGH NJW 1953, 836). Er hat
ausgeführt, dass beim Eingehungsbetrug eine
"Vermögensgefährdung" schon darin bestehen kann, dass
der Geschädigte überhaupt in vertragliche Beziehungen
zu einem böswilligen Vertragspartner getreten ist, der von
vornherein darauf ausging, den Vertragspartner unter
planmäßiger Ausnutzung eines beim Vertragsschluss
durch Vorspiegelung von Tatsachen erregten Irrtums zur
späteren Entgegennahme einer vertragswidrigen Leistung zu
veranlassen.
166
Einen vollendeten Eingehungsbetrug hat der Bundesgerichtshof zuletzt
auch in dem betrügerisch veranlassten Eingehen eines
Risikogeschäfts gesehen, das mit einer nicht mehr
vertragsimmanenten Verlustgefahr verbunden ist (BGH NJW 2009, 2390). Er
hat dabei ausgeführt, der mit der
Vermögensverfügung unmittelbar eingetretene
Vermögensschaden sei durch das Verlustrisiko im Zeitpunkt der
Vermögensverfügung bestimmt.
167
d) Entgegen der Ansicht der Revisionen steht auch das Erfordernis der
Stoffgleichheit einer Strafbarkeit des Angeklagten nicht entgegen. Der
rechtswidrige Vermögensvorteil, den der Täter
für sich oder einen Dritten erlangen will, muss die Kehrseite
des Schadens sein. Unmittelbare Folge des Vertragsabschlusses war
für den Angeklagten die Verbesserung seiner
Vermögenssituation. Diese bestand darin, dass der
getäuschte Lebensversicherer die Deckung des Risikos zu nicht
äquivalenten Konditionen übernahm und dem Ange-
168
- 77 -
klagten die Möglichkeit eröffnete, diese
Risikodeckung zur Fingierung des Todesfalles auszunutzen.
2. Dementsprechend setzte der Angeklagte Y. A. in 19 weiteren
Fällen (Fälle 5, 7, 10 bis 15, 17 bis 21, 24 bis 26,
29, 31 und 32) zur Begehung eines Eingehungsbetrugs unmittelbar an,
indem er mit täuschenden Angaben in den Anträgen die
Versicherungsunternehmen jeweils zum Abschluss entsprechender
Verträge zu veranlassen suchte. Mit der Einreichung des
Antrags nahm er diejenige Täuschungshandlung vor, die nach
seiner Vorstellung dazu ausreichte, denjenigen Irrtum hervorzurufen,
der den Getäuschten zu der schädigenden
Vermögensverfügung bestimmen und damit den Schaden
herbeiführen sollte (vgl. BGHSt 37, 294, 296).
169
Die Einwände der Revisionen, die Angeklagten hätten
noch nicht unmittelbar zur Tatbegehung angesetzt, sondern seien
lediglich im Stadium der straflosen Vorbereitungshandlungen verblieben,
haben deshalb im Ergebnis keinen Erfolg. Sie sind lediglich im
Ausgangspunkt insoweit berechtigt, als die Rechtsauffassung des
Oberlandesgerichts, in allen Fällen habe ein versuchter
Erfüllungsbetrug vorgelegen, rechtlich nicht haltbar ist.
170
Gemäß § 22 StGB liegt der Versuch einer
Straftat vor, sobald der Täter nach seiner Vorstellung von der
Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt. Dies ist
nicht erst dann der Fall, wenn er bereits eine der Beschreibung des
gesetzlichen Tatbestandes entsprechende Handlung vornimmt bzw. ein
Tatbestandsmerkmal verwirklicht. Auch eine frühere,
vorgelagerte Handlung kann bereits die Strafbarkeit wegen Versuchs
begründen. Dies gilt aber nur dann, wenn sie nach der
Vorstellung des Täters bei ungestörtem Fortgang ohne
Zwischenakte in die Tatbestandsverwirklichung unmittelbar
einmündet oder mit ihr in unmittelbarem räumlichen
und zeitlichen Zusammenhang
171
- 78 -
steht. Diese abstrakten Maßstäbe bedürfen
angesichts der Vielzahl denkbarer Sachverhaltsgestaltungen jedoch stets
der wertenden Konkretisierung unter Beachtung der Umstände des
Einzelfalles. Hierbei können etwa die Dichte des Tatplans oder
der Grad der Rechtsgutsgefährdung, der aus Sicht des
Täters durch die zu beurteilende Handlung bewirkt wird,
für die Abgrenzung zwischen Vorbereitungs- und Versuchsstadium
Bedeutung gewinnen (BGHR StGB § 22 Ansetzen 30 m. w. N.).
Hier fehlt es für den vom Oberlandesgericht angenommenen
Erfüllungsbetrug an einem unmittelbaren Ansetzen zur Tat im
Sinne des § 22 StGB, da zunächst noch wesentliche
Zwischenschritte erfolgreich hätten zurückgelegt
werden müssen, bevor es möglich gewesen
wäre, die Versicherungen zur Leistung auf den Todesfall in
Anspruch zu nehmen. Denn bevor nicht der Tod des Angeklagten Y. A. in
Ägypten fingiert und die entsprechend gefälschten
Unterlagen beschafft waren, wäre es nicht möglich
gewesen, die Versicherer durch deren Vorlage auf Auszahlung der
Versicherungssummen in Anspruch zu nehmen.
172
3. An den 28 Taten des vollendeten bzw. versuchten Betrugs des
Angeklagten Y. A. beteiligte sich der Angeklagte K. als
Mittäter.
173
Die Annahme von Mittäterschaft erfordert nicht zwingend eine
Mitwirkung am Kerngeschehen; es kann auch eine solche im
Vorbereitungsstadium des unmittelbar
tatbestandsmäßigen Handelns genügen. Der
Mittäter muss nur einen Beitrag leisten, der die Tat
fördert und er muss die Tat als eigene wollen. Die Annahme von
Mittäterschaft ist nach ständiger Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs in wertender Betrachtung der festgestellten
Tatsachen zu prüfen. Dafür sind der Grad des eigenen
Interesses an der Tat, der Umfang der Tatbeteiligung und die
Tatherrschaft oder wenigstens der Wille zu ihr maßgeb-
174
- 79 -
lich (BGHR StGB § 25 Abs. 2 Mittäter 26 m. w. N.).
Danach hat das Oberlandesgericht den Angeklagten K. zutreffend als
Mittäter angesehen. Er nahm zwar selbst keine
Täuschungshandlung vor, war aber der Ideengeber und beteiligte
sich intensiv an der Planung der Taten, sorgte nach den
Vertragsabschlüssen für die Bezahlung der
Prämien und sollte nach dem Tatplan bei der Geltendmachung der
Versicherungsleistungen mitwirken. An der Tat hatte er selbst ein
großes Interesse.
4. Nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts beteiligte sich der
Angeklagte I. A. , nachdem er am 21. September 2004 von den beiden
Mitangeklagten in das Betrugsvorhaben eingeweiht worden war, an den
nach diesem Tag begangenen Taten (fünf Fälle des
vollendeten und 18 Fälle des versuchten Betrugs). Die
Würdigung des Oberlandesgerichts, der Angeklagte sei dabei
Mittäter gewesen, hält rechtlicher
Überprüfung nach den oben dargelegten
Grundsätzen noch stand. Zwar nahm auch er nicht selbst
Täuschungshandlungen vor, zudem sollte er persönlich
von der erwarteten Beute nicht profitieren. Gleichwohl hatte er
insoweit ein eigenes Interesse an der Tat, als er wusste, dass mit
einem Teil der Beute seine Familie (Mutter und Geschwister)
unterstützt werden sollten. Hinzu kommt, dass er im Endstadium
des Betrugsvorhabens als Begünstigter der
Lebensversicherungsverträge die entscheidende Tatherrschaft
haben sollte und seine Mitwirkung deshalb notwendige Bedingung
für das Tatvorhaben war.
175
Für die vor dem 21. September 2004 begangenen Taten ist indes
ein strafbares Handeln des Angeklagten I. A. nicht belegt. Entgegen der
Auffassung des Oberlandesgerichts und des Generalbundesanwalts
können ihm die Tatbeiträge der Mitangeklagten auch
nicht nach den Grundsätzen der sukzessiven
Mittäterschaft zugerechnet werden. Eine solche liegt bei
176
- 80 -
demjenigen vor, der in Kenntnis und Billigung des von einem anderen
begonnenen tatbestandsmäßigen Handelns in das
tatbestandliche Geschehen eingreift. Die Zurechnung bereits
verwirklichter Tatumstände ist aber nur dann möglich,
wenn der Hinzutretende selbst einen für die
Tatbestandsverwirklichung ursächlichen Beitrag leistet. Kann
der Hinzutretende die weitere Tatausführung dagegen nicht mehr
fördern, weil für die Herbeiführung des
tatbestandsmäßigen Erfolgs schon alles getan ist und
das Tun des Eintretenden auf den weiteren Ablauf des Geschehens ohne
jeden Einfluss bleibt, kommt mittäterschaftliche Mitwirkung
trotz Kenntnis, Billigung und Ausnutzung der durch einen anderen
geschaffenen Lage nicht in Betracht (BGH NStZ 1984, 548; 1998, 565). So
liegt es hier. Der Angeklagte billigte nach seinem Hinzukommen zwar die
Tatausführung durch die Mitangeklagten, erklärte sich
bereit, in einem späteren Stadium der Tat durch eigene
Tatbeiträge zur endgültigen Beutesicherung
beizutragen, und beteiligte sich mit Vorschlägen an der
weiteren Tatausführung. Er leistete aber für diese
ersten fünf Taten selbst keinen Tatbeitrag mehr. Bei zwei
Fällen (Fälle 1 und 4) waren die
Versicherungsverträge schon abgeschlossen, in zwei
Fällen (Fälle 2 und 3) sind die
Versicherungsverträge später abgeschlossen worden, im
Fall 4 hat die Versicherung den Vertragsabschluss am 4. Oktober 2004
abgelehnt. In keinem Fall ist ein Tätigwerden des Angeklagten,
das auf den weiteren Ablauf Einfluss gehabt hätte,
festgestellt. Insoweit ist ohne Bedeutung, dass auf alle vier
abgeschlossenen Versicherungsverträge
Prämienzahlungen auch nach dem 21. September 2004 erfolgten.
Dies entsprach zwar dem inzwischen von allen drei Angeklagten gefassten
Tatplan, indes lag darin nur ein Aufrechterhalten der durch die
frühere Täuschung erreichten Fehlvorstellung des
jeweiligen Versicherers über eine korrekte Vertragsabwicklung
und keine weitere tatbestandsrelevante Täuschungshandlung.
- 81 -
Der Senat kann daher offenlassen, ob angesichts der Fallbesonderheiten
- zur Vertiefung des Schadens durch Inanspruchnahme der
Lebensversicherungen nach einem fingierten Todesfall sollte der
Angeklagte ganz erhebliche Tatbeiträge leisten - eine
sukzessive Mittäterschaft im Rahmen des Betrugstatbestands
zwischen Vollendung und Beendigung hier in Frage kommen könnte
(vgl. BGHR StGB § 25 Abs. 2 Mittäter 5; BGH, Beschl.
vom 2. Juli 2009 - 3 StR 131/09).
177
5. Mit der Zustimmung des Angeklagten I. A. zu dem Tatplan und mit
dessen erklärter Bereitschaft, sich im weiteren Verlauf der
Tat an der Geltendmachung der Ansprüche auf Auszahlung der
Versicherungssummen zu beteiligen und die Beute auszukehren, haben sich
die Angeklagten zu einer Bande verbunden, um in der Folgezeit -
jedenfalls in der in Aussicht genommenen kurzen, im einzelnen aber noch
nicht genau bestimmten Zeitspanne - weitere Betrugstaten zu begehen.
Damit liegt bei den nach dem 21. September 2004 begangenen Taten (ab
Fall 6) jeweils das Regelbeispiel bandenmäßiger
Begehung für die Annahme eines besonders schweren Falles
gemäß § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 StGB vor.
178
Entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts fehlt dieses Merkmal bei
den ersten fünf Taten. Der Angeklagte I. A. war an diesen
Taten nicht beteiligt, die für eine Bande erforderliche
Bandenabrede zum Tatzeitpunkt noch nicht getroffen. Die Mitangeklagten
handelten deshalb lediglich als Mittäter (vgl. BGH, Beschl.
vom 17. März 2009 - 4 StR 607/08).
179
- 82 -
IV. Konkurrenzen
180
Das Verhältnis zwischen der mitgliedschaftlichen Beteiligung
an einer ausländischen terroristischen Vereinigung bzw. deren
Unterstützung und den Betrugstaten hat das Oberlandesgericht
im Grundsatz zutreffend beurteilt.
181
1. Der Angeklagte K. hat die neun Taten des Betrugs (Fälle 1
bis 4, 6, 16, 22, 30, 33) und die 19 Taten des versuchten Betrugs
(Fälle 5, 7, 10 bis 15, 17 bis 21, 24 bis 26, 29, 31 und 32)
jeweils in Verfolgung der Ziele der Al Qaida begangen. Sie stehen
deshalb mit der mitgliedschaftlichen Beteiligung des Angeklagten an der
ausländischen terroristischen Vereinigung jeweils in
Tateinheit. Zugleich werden sie, da das Verbrechen nach § 129
a Abs. 1 Nr. 1, § 129 b Abs. 1 Satz 1 StGB gegenüber
den Betrugstaten das schwerere Delikt ist, von diesem zu einer Tat im
Sinne des § 52 Abs. 1 StGB verklammert (vgl. BGHSt 29, 288,
291; BGHR StGB § 129 Konkurrenzen 1; § 129 a
Konkurrenzen 4).
182
2. Bei dem Angeklagten Y. A. stellen sich die neun Taten des Betrugs
(Fälle 1 bis 4, 6, 16, 22, 30, 33) und die 19 Taten des
versuchten Betrugs (Fälle 5, 7, 10 bis 15, 17 bis 21, 24 bis
26, 29, 31 und 32) im Ergebnis als Teile einer einheitlichen
Unterstützungshandlung für die ausländische
terroristische Vereinigung dar.
183
Im Ausgangspunkt besteht allerdings bei einer Mehrzahl von
Unterstützungshandlungen zwischen diesen jeweils Tatmehrheit.
Hierin liegt der Unterschied zur mitgliedschaftlichen Beteiligung, bei
der mehrere Einzelakte zu einem tatbestandlichen Verhaltenstypus im
Sinne einer tatbestandlichen Handlungseinheit zusammengefasst werden
(vgl. Krauß aaO § 129 Rdn. 193). Eine
tatbestandliche Handlungseinheit zwischen mehreren
Unterstützungshandlun-
184
- 83 -
gen kommt nur in Betracht, wenn es um ein und denselben
Unterstützungserfolg geht und die einzelnen Akte einen engen
räumlichen, zeitlichen und bezugmäßigen
Handlungszusammenhang aufweisen (vgl. Krauß aaO m. w. N.). So
liegt es hier. Sämtliche Handlungen bezogen sich auf das
einheitliche, übergeordnete Ziel der Unterstützung.
Die Bemühungen dienten stets nach demselben Tatschema dem
Zweck, aus der gesamten erstrebten Betrugsbeute die
ausländische terroristische Vereinigung Al Qaida in Form einer
Geldzuwendung zu stärken. Die Handlungen standen in einem
engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang. Zum Teil beantragte der
Angeklagte an einem Tag bei demselben Versicherer den Abschluss
mehrerer Versicherungsverträge oder stellte Anträge
bei mehreren Versicherern.
Die somit einheitliche Unterstützungshandlung verbindet nach
den unter vorstehend 1. für die mitgliedschaftliche
Beteiligung dargestellten Grundsätzen, die im Hinblick auf den
am jeweiligen Strafrahmen zu messenden Unrechtsgehalt des §
129 a Abs. 5 Satz 1 1. Alt. StGB einerseits und des § 263 Abs.
1 bzw. Abs. 3 Satz 1 StGB andererseits für diese Konstellation
entsprechend gelten, die einzelnen vollendeten bzw. versuchten
Betrugstaten ebenfalls zur Tateinheit.
185
3. Bei dem Angeklagten I. A. stellen sich die fünf Taten des
Betrugs (Fälle 6, 16, 22, 30, 33) und die 18 Taten des
versuchten Betrugs (Fälle 7, 10 bis 15, 17 bis 21, 24 bis 26,
29, 31 und 32) im Ergebnis ebenfalls als Teile einer einheitlichen
Unterstützungshandlung für die ausländische
terroristische Vereinigung dar.
186
Als Mittäter muss sich der Angeklagte die im Rahmen des
gemeinsamen Tatplans mit seiner Billigung erbrachten Tathandlungen
seiner Mittäter - und damit alle 23 vom Mitangeklagten Y. A.
seit seinem Hinzutre-
187
- 84 -
ten und der Bildung der Bande begangenen Täuschungshandlungen
- zurechnen lassen. Die Frage des rechtlichen Zusammentreffens ist
jedoch bei einer Tatserie für jeden einzelnen Beteiligten
gesondert zu prüfen und zu entscheiden. Maßgeblich
ist dabei der Umfang des Tatbeitrags jedes Tatbeteiligten (BGH StV
2002, 73). Nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts hat der
Angeklagte seinen Tatbeitrag insgesamt durch die Bereitschaft zur
Geltendmachung der Versicherungsleistungen sowie durch die Einholung
zusätzlicher Informationen zum Verfahrensablauf der
Leistungsprüfung bei Lebensversicherungen sowie durch
Vorschläge und Anregungen allgemeiner Art erbracht.
Beiträge, die auf einzelne Betrugstaten konkretisiert waren,
sind nicht festgestellt. In diesem Fall werden ihm die Einzeltaten des
Mitangeklagten als in gleichartiger Tateinheit begangen zugerechnet
(vgl. Fischer aaO § 25 Rdn. 23 m. w. N.). Diese
Tatbeiträge zum Betrug stellen gleichzeitig die
Unterstützungshandlung des Angeklagten dar. Dementsprechend
liegt - wie das Oberlandesgericht im Ergebnis zutreffend angenommen hat
- auch nur eine Tat des Unterstützens einer
ausländischen terroristischen Vereinigung vor.
V. Schuldspruchänderung
188
Der Senat schließt aus, dass in einer neuen Hauptverhandlung
noch weitergehende Feststellungen zur Beteiligung des Angeklagten Y. A.
an der Al Qaida getroffen werden können. Er hat deshalb den
Schuldspruch dahin geändert, dass dieser Angeklagte der
Unterstützung einer ausländischen terroristischen
Vereinigung schuldig ist. Außerdem hat er die durch die
abweichende rechtliche Beurteilung der Betrugstaten notwendigen
Änderungen der Schuldsprüche vorgenommen. §
265 StPO steht dem nicht entgegen, denn die Angeklagten hätten
sich dagegen hier nicht anders als geschehen verteidigen
können.
189
- 85 -
VI. Strafausspruch
190
1. Bei dem Angeklagten K. bleibt der Strafausspruch von der
Änderung des Schuldspruchs unberührt. Das
Oberlandesgericht hat die Strafe aus dem Strafrahmen des § 129
a Abs. 1 StGB (ein Jahr bis zehn Jahre Freiheitsstrafe) entnommen. Der
Senat schließt aus, dass es bei zutreffender rechtlicher
Beurteilung der Betrugstaten auf eine geringere Freiheitsstrafe erkannt
hätte. Zwar können die Fälle 1 bis 5 nicht
mehr als bandenmäßig begangen und damit
regelmäßig als besonders schwere Fälle des
Betrugs bzw. des versuchten Betrugs beurteilt werden. Indes sind neun
der Taten als vollendet anzusehen, was deren Gewicht für die
Strafzumessung zum Nachteil des Angeklagten erhöht. Der
Bestand der Strafe ist auch nicht deshalb gefährdet, weil die
(potentiellen) Vermögensschäden der Versicherer durch
die (versuchten) Eingehungsbetrugstaten, die der
Schuldspruchänderung durch den Senat zugrunde liegen,
wesentlich hinter den Beträgen zurückbleiben, die der
Angeklagte letztlich nach gelungener Vortäuschung des
Versicherungsfalles für sich und die Mittäter
erlangen wollte. Das Oberlandesgericht ist insgesamt nur von
Versuchsfällen ausgegangen und hat demgemäß
einen Schadenseintritt verneint. Dass es die Höhe der
beabsichtigten Bereicherung durch Zahlung der Versicherungssummen im
Sinne einer Beuteerwartung strafschärfend
berücksichtigt hat, ist rechtlich nicht zu beanstanden und
stellt auch auf der Grundlage der vom Senat ausgeurteilten (versuchten)
Eingehungsbetrugstaten einen maßgeblichen bestimmenden
Strafzumessungsgrund dar. Demgegenüber hat aber auch bereits
das Oberlandesgericht ausdrücklich zu Gunsten des Angeklagten
gewertet, dass der Eintritt dieses letztendlich ins Auge gefassten
Schadens noch sehr weit entfernt war und noch weiterer Zwischenschritte
bedurft hätte.
191
- 86 -
2. Die Strafe für den Angeklagten Y. A. kann hingegen nicht
bestehen bleiben. Durch die Änderung des Schuldspruchs hat
sich der die Strafe bestimmende Strafrahmen in seiner Untergrenze von
einem Jahr auf sechs Monate Freiheitsstrafe abgesenkt. Zwar hat sich
das Oberlandesgericht daran nicht orientiert; auch ist die Obergrenze
des Strafrahmens mit zehn Jahren gleichgeblieben. Dennoch kann der
Senat - schon wegen der Nähe der verhängten Strafe zu
derjenigen für den wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung
verurteilten Mitangeklagten K. - nicht ausschließen, dass die
Strafe milder ausgefallen wäre, wenn das Oberlandesgericht den
Angeklagten zutreffend nur wegen Unterstützung einer
ausländischen terroristischen Vereinigung schuldig gesprochen
hätte.
192
Über den Strafausspruch muss deshalb erneut durch den
Tatrichter entschieden werden. Die zugehörigen Feststellungen
können bestehen bleiben, da sie von der rechtsfehlerhaften
Einordnung des Tatbeitrags des Angeklagten nicht berührt sind.
Der neue Tatrichter kann ergänzende Feststellungen treffen,
die den bisherigen nicht widersprechen dürfen.
193
Damit wird die sofortige Beschwerde des Angeklagten gegen die
Kostenentscheidung gegenstandslos (Meyer-Goßner aaO
§ 464 Rdn. 20).
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3. Bei dem Angeklagten I. A. bleibt der Strafausspruch von der
Änderung des Schuldspruchs unberührt. Das
Oberlandesgericht hat die Strafe dem Strafrahmen des § 129 a
Abs. 5 Satz 1 1. Alt. StGB (Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu
zehn Jahren) entnommen. Der Senat kann auch hier
ausschließen, dass das Tatgericht bei zutreffender
rechtlicher Beurteilung auf eine geringere Strafe erkannt
hätte. Zwar sind die ersten fünf Betrugstaten im
Schuldspruch entfallen; indes wird der Schuldumfang davon bestimmt,
dass der Angeklagte bereit war, auch hinsichtlich der ohne seine
Mitwirkung begangenen
195
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Betrugstaten die letztendlich erwartete Beute durch die Geltendmachung
und Vereinnahmung der Versicherungsleistungen zu sichern.
VII. Kostenbeschwerde
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Die sofortige Beschwerde des Angeklagten I. A. gegen die
Kostenentscheidung wird als unbegründet verworfen, da diese
dem Gesetz entspricht.
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Becker Pfister Sost-Scheible
Hubert Schäfer |