BGH,
Urt. v. 14.11.2003 - 2 StR 164/03
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: nein
Veröffentlichung: ja
StGB §§ 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c), 78 b Abs. 4
1. Der Geschäftsführer einer GmbH, die sich in
städtischem Alleinbesitz befindet
und deren wesentliche Geschäftstätigkeit die
Versorgung der Einwohner mit
Fernwärme ist, ist Amtsträger
gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c) StGB,
wenn die
Stadt die Geschäftstätigkeit im öffentlichen
Interesse steuert.
2. Liegen wegen einer Veränderung der Strafdrohung die
Voraussetzungen der Ruhensvorschrift
des § 78 b Abs. 4 StGB vor, so ist § 2 Abs. 3 StGB zu
beachten.
BGH, Urteil vom 14.11.2003 - 2 StR 164/03 - LG Erfurt
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 164/03
vom
14.11.2003
in der Strafsache
gegen
- 2 -
1.
2.
wegen Bestechung
- 3 -
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 14.
November
2003 aufgrund der Verhandlung vom 1.10.2003, an denen teilgenommen
haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Rissing-van Saan,
der Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Bode,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Otten,
der Richter am Bundesgerichtshof
Rothfuß
und die Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwälte
als Verteidiger des Angeklagten M. G. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger der Angeklagten G. G.
- in der Verhandlung -
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
- 4 -
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des
Landgerichts Erfurt vom 10. Dezember 2002 mit den Feststellungen
aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer
des Landgerichts Erfurt zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat die Angeklagten vom Vorwurf der Bestechung in
acht Fällen aus Rechtsgründen freigesprochen. Die
gegen dieses Urteil eingelegte
Revision der Staatsanwaltschaft, die vom Generalbundesanwalt vertreten
wird, führt mit der Sachrüge zur Aufhebung des
Urteils.
I.
Den Angeklagten war zur Last gelegt worden, aufgrund einer
entsprechenden
Vereinbarung in acht Fällen an den
Geschäftsführer der
G. GmbH Zahlungen in Höhe von 3 bis 5 % der Nettohonorarsumme
als Gegenleistung für die Erteilung von
Planungsaufträgen an ihr Ingenieurbüro
erbracht zu haben.
Das Landgericht hat im wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:
- 5 -
Der Angeklagte M. G. war Alleingesellschafter und faktischer
Geschäftsführer der Firma P. GmbH, einem
Ingenieurbüro, das sich
unter anderem mit Planung und Vertrieb von Heizungs-,
Sanitär-, Lüftungs- und
Elektroanlagen befaßte; die Angeklagte G. G. war im
Handelsregister
eingetragene Geschäftsführerin und erledigte
Buchhaltungs- und Büroarbeiten.
Die P. GmbH stand in Geschäftsbeziehung zu der
G. GmbH, deren alleinige Gesellschafterin die Stadt G. ist.
Gegenstand dieser im Jahr 1991 gegründeten GmbH ist nach dem
Gesellschaftsvertrag
die Erzeugung von Fernwärme und Energie und die Versorgung
des Stadtgebiets G. und Umgebung. In dem von der Anklage
umfaßten
Zeitraum (1992 bis 1995) wurde etwa die Hälfte der
Bürger der Stadt G. mit
Fernwärme versorgt; die Stadt G. hatte bestimmte
Fernwärmepräferenzgebiete
in einem Plan ausgewiesen und in der von ihr erlassenen
Fernwärmesatzung
für die im Versorgungsgebiet liegenden Grundstücke
einen Anschlußund
Benutzungszwang festgelegt. Nach den Feststellungen des Landgerichts
wurde dieser "in der Realität gegenüber den
Bürgern der Stadt nicht angewandt,
... die freie Entscheidung für eine andere Energiequelle wurde
stets geduldet".
Zwischen 1992 und 1995 leistete die P. GmbH an den alleinigen
Geschäftsführer der G. GmbH, M. , Zahlungen
in einer Gesamthöhe von rund 200.000 DM für die
Vergabe von Ingenieuraufträgen
an die P. GmbH.
Nach Auffassung des Landgerichts schied eine Strafbarkeit der
Angeklagten
wegen Bestechung oder Vorteilsgewährung aus, da der
Geschäftsführer
der G. GmbH kein Amtsträger gemäß
§ 11 Abs. 1
Nr. 2 Buchst. c) StGB gewesen sei. Die GmbH könne nicht als
sonstige Stelle
- 6 -
im Sinne dieser Vorschrift einer Behörde gleichgestellt
werden, weil sie bei einer
Gesamtbetrachtung eher mit einem privaten Wirtschaftsunternehmen
vergleichbar
und nicht aufgrund staatlicher Steuerung
behördenähnlich organisiert
sei. Weder der Umstand, daß die GmbH mit der
Energieversorgung eine öffentliche
Aufgabe der Daseinsvorsorge wahrgenommen habe, noch die
100 %ige Beteiligung der Stadt G. oder deren
Einflußmöglichkeiten über
den Aufsichtsrat reichten aus, um die Gleichstellung mit einer
Behörde zu
rechtfertigen. Vielmehr sei die GmbH nach privatrechtlichen
Geschäftsgrundsätzen
geführt worden und habe nach dem Gesellschaftsvertrag ein
breites, nicht auf die Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben
beschränktes Betätigungsfeld
gehabt, indem sie sich neben der Energieversorgung auch mit Heizungsbau
beschäftigte.
II.
Der Freispruch hält der sachlich-rechtlichen Prüfung
nicht stand.
1. Auf der Grundlage der bisher getroffenen Feststellungen tragen die
Erwägungen der Strafkammer die Verneinung der
Amtsträgereigenschaft des
Geschäftsführers der G. GmbH nicht.
Amtsträger im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c)
StGB ist, wer sonst
dazu bestellt ist, bei oder im Auftrag einer Behörde oder
sonstigen Stelle Aufgaben
der öffentlichen Verwaltung wahrzunehmen. Unter "sonstigen
Stellen"
sind - ohne Rücksicht auf ihre Organisationsform -
behördenähnliche Institutionen
zu verstehen, die zwar keine Behörden im organisatorischen
Sinne sind,
aber rechtlich befugt sind, bei der Ausführung von Gesetzen
und Erfüllung öffentlicher
Aufgaben mitzuwirken (vgl. BGHSt 43, 370, 376; Tröndle/Fischer,
StGB 51. Aufl. § 11 Rdn. 19; Gesetzentwurf zum EGStGB
BTDrucks. 7/550,
- 7 -
S. 209). Es entspricht gefestigter Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs,
daß auch als juristische Personen des Privatrechts
organisierte Einrichtungen
und Unternehmen der öffentlichen Hand als "sonstige Stellen"
den Behörden
gleichzustellen sind, wenn bei ihnen Merkmale vorliegen, die eine
Gleichstellung
rechtfertigen. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn sie bei ihrer
Tätigkeit
öffentliche Aufgaben wahrnehmen - unten a) - und dabei derart
staatlicher
bzw. hier kommunaler Steuerung unterliegen, daß sie bei einer
Gesamtbewertung
der sie kennzeichnenden Merkmale als "verlängerter Arm" des
Staates erscheinen - unten b) - (vgl. BGHSt 43, 370, 377; 45, 16, 19;
46, 310,
312 f.; BGH NJW 2001, 3062, 3063).
Das Landgericht ist zwar von dieser Begriffsbestimmung ausgegangen,
hat aber bei der gebotenen Gesamtbewertung verschiedene
Umstände außer
acht gelassen und teilweise falsch gewichtet.
a) Bei der Energieversorgung, nach dem Gesellschaftsvertrag
maßgeblicher
Gegenstand der G. GmbH, handelt es sich um
eine Aufgabe aus dem Bereich der Daseinsvorsorge. Tätigkeiten
dieser Art, die
dazu bestimmt sind, unmittelbar für die Daseinsvoraussetzungen
der Allgemeinheit
oder ihrer Glieder zu sorgen, wurden von der Rechtsprechung seit
jeher als öffentliche Aufgaben angesehen (vgl. BGHSt 12, 89,
90; 31, 264, 268;
45, 16, 19). Entsprechend ging auch der Gesetzgeber des
Korruptionsbekämpfungsgesetzes
davon aus, daß die Leistungsverwaltung zur Daseinsvorsorge,
welche zunehmend in privatrechtlich organisierter Form
ausgeführt werde,
zu den Aufgaben der öffentlichen Verwaltung zu rechnen sei
(vgl. Gesetzentwurf
BTDrucks. 13/5584, S. 12).
Daß die Stadt G. mit der Fernwärmeversorgung hier
auch tatsächlich
eine Aufgabe der öffentlichen Verwaltung wahrnehmen und sich
nicht etwa
- 8 -
ausschließlich gewinnbringend wirtschaftlich
betätigen wollte, ergibt sich insbesondere
aus der Tatsache, daß die Stadt am 23. Oktober 1991 und am 3.
Februar 1993 Fernwärmesatzungen beschlossen hatte, die nicht
nur einen
Anschluß- und Benutzungszwang, sondern auch ein
Anschluß- und Benutzungsrecht
der im Versorgungsgebiet liegenden
Grundstückseigentümer vorsahen
und damit deren Versorgung sicherstellten. Grundlagen dieser Satzungen
waren §§ 5 und 15 des Gesetzes über die
Selbstverwaltung der Gemeinden
und Landkreise in der DDR (Kommunalverfassung) vom 17. Mai 1990 (GBl
1990, 255) sowie §§ 5, 15 der Vorläufigen
Kommunalordnung für das Land
Thüringen in der Fassung der Neubekanntmachung vom 24. Juli
1992 (GVBl
1992, 383), wonach die Gemeinden die Angelegenheiten ihres eigenen
Wirkungskreises
durch Satzung regeln können, soweit Gesetze nichts anderes
bestimmen. Darüber hinaus lagen dem in der Satzung normierten
Anschlußund
Benutzungszwang Zwecke des Umweltschutzes zugrunde, wie sich auch
aus den entsprechenden Rechtsgrundlagen ergibt. Diese Gesichtspunkte -
auf
die im folgenden noch näher einzugehen sein wird -
läßt das Landgericht unberücksichtigt,
wenn es, ohne dies näher zu belegen, ausführt, bei
der Entscheidung
über den Anschluß neuer Wohnungen seien allein
wirtschaftliche Gründe
ausschlaggebend gewesen. Eine derartige, ausschließlich an
wirtschaftlichen
Gesichtspunkten orientierte Vorgehensweise stünde im Gegensatz
zu den von
der Stadt selbst aufgestellten Rechtssätzen und
könnte angesichts der Satzungsregelungen
nicht ohne weiteres als Indiz dafür herangezogen werden,
daß es der Stadt nicht um die Wahrnehmung
öffentlicher Aufgaben ging. Im
übrigen steht eine etwa zusätzlich zu Zwecken des
Allgemeinwohls hinzutretende
Gewinnerzielungsabsicht der Einstufung als öffentliche Aufgabe
nicht
entgegen (vgl. BGH NJW 2001, 3062, 3064; Heinrich, Der
Amtsträgerbegriff im
Strafrecht S. 412).
- 9 -
Durch die Wahl der privatrechtlichen Organisationsform "GmbH" verliert
die hier wahrgenommene Tätigkeit der Energieversorgung nicht
ihren Charakter
als Aufgabe der öffentlichen Verwaltung. Denn die Stadt G. gab
die
Aufgabe nicht gänzlich aus der Hand, sondern erfüllte
sie durch eine von ihr
beherrschte, als Alleingesellschafterin gehaltene juristische Person
des Privatrechts,
so daß nur die Organisation der Aufgabenwahrnehmung
privatisiert
wurde (vgl. BGHSt 43, 370, 374; Ossenbühl JR 1992, 473, 475;
Dölling, Gutachten
zum 61. Deutschen Juristentag, C 55). Die Unbeachtlichkeit der
Organisationsform
ist durch das Korruptionsbekämpfungsgesetz vom 13. August
1997 (BGBl I 2038) ausdrücklich in den Gesetzeswortlaut des
§ 11 Abs. 1 Nr. 2
Buchst. c) StGB aufgenommen worden. Wie der Senat bereits in seiner in
BGHSt 43, 370 abgedruckten Entscheidung dargelegt hat, ist es
angesichts der
bloßen Klarstellung durch den Gesetzgeber (vgl. auch BGHSt
46, 310, 312 und
BGH NJW 2001, 3062, 3063 sowie Gesetzentwürfe BTDrucks.
13/5584, S. 12
und gleichlautend BTDrucks. 13/6424, S. 4) unerheblich, daß
der hier von der
Anklage umfaßte Zeitraum vor der durch das
Korruptionsbekämpfungsgesetz
erfolgten Gesetzesänderung liegt.
Daß die G. GmbH neben der Energieversorgung
auch erwerbswirtschaftlich auf dem Gebiet des Heizungsbaus
tätig war,
ändert entgegen der Auffassung des Landgerichts nichts daran,
daß der eigentliche
Unternehmenszweck auf eine Aufgabe der öffentlichen Verwaltung
gerichtet war. Die verfahrensgegenständlichen
Vorgänge beziehen sich allein
auf den Bereich der Energieversorgung, so daß der Senat nicht
darüber zu
befinden hat, ob eine rein erwerbswirtschaftliche Tätigkeit
des Staates bei der
Bestimmung des Amtsträgerbegriffs dem Bereich der
öffentlichen Aufgaben
zuzurechnen ist (vgl. BGHSt 31, 264, 269; 38, 199, 202).
- 10 -
b) Die Stadt G. ist alleinige Gesellschafterin der GmbH. Als solche
und über den von ihr bestellten Aufsichtsrat bestimmt sie nach
näherer Maßgabe
des Gesellschaftsvertrags die Grundzüge der
Unternehmensführung. Wie
die bisherige Rechtsprechung angenommen hat, sind zwar weder die
alleinige
Inhaberschaft einer Gesellschaft noch die damit verbundenen
Aufsichtsbefugnisse
für sich genommen geeignet, eine ausreichende staatliche oder
kommunale
Steuerung zu bejahen (vgl. BGHSt 43, 370, 378; 45, 16, 20; BGH NJW
2001, 3062, 3064). Auch insofern sind aber die Umstände des
Einzelfalls zu
berücksichtigen, die bei einer Gesamtbewertung die
Gleichstellung mit einer
Behörde rechtfertigen können.
Hier sieht der Gesellschaftsvertrag im einzelnen nicht unbedeutende
Zustimmungserfordernisse zugunsten des Aufsichtsrates vor: So
beeinflußt
dieser nicht nur über den Wirtschaftsplan die
Finanzausstattung und Geschäftsstrategie,
sondern muß insbesondere auch einer Änderung der
Allgemeinen
Tarifpreise und der Allgemeinen Versorgungsbedingungen zustimmen.
Diese Allgemeinen Versorgungsbedingungen unterliegen der Verordnung
über
Allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit
Fernwärme vom 20. Juni 1980
(AVBFernwärmeV, BGBl I 742). Angesichts des auch in den
Regelungen der
AVBFernwärmeV zum Ausdruck kommenden öffentlichen
Interesses an der
Erbringung der Versorgungsleistungen zu einem vertretbaren Preis und
weitgehend
gleichen Bedingungen (vgl. Begründung zum Verordnungsentwurf
des
Bundeswirtschaftsministers, BRDrucks. 90/80 S. 32; Schmidt-Salzer in
Hermann
u.a., Kommentar zu den Allgemeinen Versorgungsbedingungen, Einl.
Rdn. 68) wird hier die Bedeutung der Einflußnahme durch den
Aufsichtsrat evident.
Daß die von der Stadt G. entsandten Aufsichtsratsmitglieder
die städtischen
Interessen tatsächlich nicht wahrgenommen hätten,
läßt sich den Urteilsfeststellungen
nicht entnehmen und liegt auch nicht nahe.
- 11 -
Im übrigen konnte die Stadt nach § 7 Abs. 3 Buchst.
e) des Gesellschaftsvertrags
ohne weiteres auch andere Geschäfte für
zustimmungsbedürftig
erklären. Als Alleininhaberin bestand also für sie
die Möglichkeit, die Geschäftstätigkeit
in dem von ihr für richtig gehaltenen Umfang zu steuern (vgl.
eingehend Altmeppen NJW 2003, 2561, 2565).
Hier kommt für die Beurteilung der kommunalen Steuerung
zusätzlich
einem anderen Gesichtspunkt maßgebliche Bedeutung zu, den das
Landgericht
nur unzureichend berücksichtigt hat. In den bereits genannten
Satzungen
war ein Anschluß- und Benutzungszwang vorgesehen, der der
Stadt eine wesentliche
Möglichkeit der direkten Einflußnahme auf die
Geschäftstätigkeit der
GmbH eröffnete: So war nach § 4 Abs. 1 der Satzung
aus dem Jahr 1993 jeder
Eigentümer eines durch eine betriebsfertige Versorgungsleitung
angeschlossenen
und im Geltungsbereich der Satzung liegenden Grundstücks
verpflichtet,
dieses an das öffentliche Fernwärmeversorgungsnetz der
G. GmbH anzuschließen, soweit nicht auch ohne diesen
Anschluß ein
immissionsfreier Betrieb gewährleistet war. Auf
Grundstücken, die an das öffentliche
Fernwärmeversorgungsnetz angeschlossen waren, war der gesamte
Bedarf an Fernwärme (Heiz- und Prozeßwärme,
Warmwasseraufbereitung)
ausschließlich aus dem Fernwärmeversorgungsnetz zu
decken, auf den
anschlußpflichtigen Grundstücken war die Benutzung
von Feuerungsanlagen
zum Betrieb mit Kohle, Koks, Öl oder anderen Stoffen, die
Rauch oder Abgase
entwickeln können, nicht gestattet (§ 4 Abs. 2 und
3). Nach § 5 Abs. 3 dieser
Satzung mußte im Einzelfall auf Antrag Befreiung vom
Anschluß- und Benutzungszwang
erteilt werden, wenn dadurch der Satzungszweck nicht
beeinträchtigt
wurde und ein besonderes öffentliches Interesse an der
Befreiung bestand
bzw. unzumutbare Härten vermieden wurden.
Gemäß § 5 Abs. 4 und 5
- 12 -
war die Befreiung bei der Stadtverwaltung G. - nicht bei der GmbH - zu
beantragen
und wurde von der Stadtverordnetenversammlung erteilt.
Schon die Tatsache, daß die Stadt von ihrer kommunalen
Satzungsbefugnis
Gebrauch gemacht und einen Anschluß- und Benutzungszwang
statuiert
hat, verdeutlicht ihren Willen zur Einflußnahme auf die
Wahrnehmung der
Energieversorgung durch die GmbH. Die vorliegende Fallgestaltung
unterscheidet
sich maßgeblich von derjenigen, die der Entscheidung des
Senats in
BGHSt 45, 16 zugrunde liegt. Der Senat hat für den dortigen
Fall ausgesprochen,
daß dem Bestehen eines Benutzungs- und Kontrahierungszwangs
für die
Bewertung als sonstige Stelle im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2
Buchst. c) StGB
keine Bedeutung zukomme. Dabei ging es um die Pflicht des
Flughafenbetreibers,
mit jedem Nutzungswilligen einen Flughafenbenutzungsvertrag
abzuschließen.
Anders als im dortigen Fall wurden hier die Nutzer der
öffentlichen
Einrichtung verpflichtet, der Anschluß- und Benutzungszwang
betraf also die
umgekehrte Richtung. Die Regelungen der Fernwärmesatzung 1993
sahen
eine eigene Entscheidungszuständigkeit der Stadt vor,
nämlich sowohl bei der
Befreiung vom Anschlußzwang (§ 6 Abs. 5 der Satzung)
als auch bei der Versagung
des Anschlußrechts (§ 3 S. 1 der Satzung). Damit war
die Stadt als
Entscheidungsträger in das Rechtsverhältnis zwischen
der GmbH und den
Nutzern der Fernwärme gleichsam "zwischengeschaltet"; sie war
bei Vorliegen
der satzungsmäßigen Voraussetzungen verpflichtet,
dem anschlußwilligen
Grundstückseigentümer einen Anschluß an das
Fernwärmenetz der GmbH zu
verschaffen.
Demnach belegt der satzungsmäßig angeordnete
Anschluß- und Benutzungszwang,
daß die Stadt G. die Fernwärmeversorgung nicht, wie
das
Landgericht meint, ohne jede Einflußmöglichkeit
ihrerseits an eine private
- 13 -
GmbH aus der Hand gegeben hat, sondern vielmehr die
öffentlichen Belange
gewahrt sehen wollte. Diese sind nicht nur in der Sicherstellung der
Energieversorgung
in dem ausgewiesenen Gebiet zu einem sozialverträglichen Preis
zu sehen, sondern auch in der Wahrung von Umweltschutzbelangen.
Letzteres
ergibt sich insbesondere aus dem Wortlaut der
Ermächtigungsgrundlage in
§ 15 der Vorläufigen Kommunalordnung, der ersichtlich
das Ziel verfolgt, Gefahren
und Belästigungen durch Luftverunreinigung zu begegnen.
Die von der Verteidigung geäußerten Zweifel an der
Wirksamkeit der
Satzung vom 3. Februar 1993 wegen angeblich fehlender Genehmigung durch
die Kommunalaufsicht sind nicht gerechtfertigt. Nach § 5 Abs.
5 der Vorläufigen
Kommunalordnung war lediglich eine Anzeige der Satzung an die
Rechtsaufsichtsbehörde
erforderlich, welche hier auch erfolgte. Einer Genehmigung
durch die Kommunalaufsichtsbehörde bedurfte es
demgegenüber nicht. Im übrigen
hatte die Stadt G. auf der Grundlage der damals noch geltenden
Kommunalverfassung der DDR bereits in der am 23. Oktober 1991 erlassenen
Fernwärmesatzung einen entsprechenden Anschluß- und
Benutzungszwang
festgelegt.
Die Strafkammer hat - auf der Grundlage der Aussage des
Geschäftsführers
der G. GmbH sowie eines weiteren Mitarbeiters
- zwar ausgeführt, der Anschluß- und Benutzungszwang
sei faktisch
nicht ausgeübt worden, die Inanspruchnahme anderer
Energieträger sei stets
geduldet worden. Dies steht der Bejahung einer staatlichen oder
kommunalen
Steuerung nicht entgegen. Denn die vom Landgericht getroffenen
Feststellungen
sind nicht geeignet, entgegen den in der Satzung enthaltenen Regelungen
das Vorliegen und die Konsequenzen eines Anschluß- und
Benutzungszwangs
in Abrede zu stellen, zumal die Gemeinde nach § 15 Satz 2 der
Kommunal-
14 -
verfassung sowie § 15 Abs. 1 Satz 2 der Vorläufigen
Kommunalordnung verpflichtet
war, den Anschluß- und Benutzungszwang durchzusetzen, wenn es
zur Einhaltung der geltenden Umweltschutzbestimmungen erforderlich war.
Nach den Urteilsgründen bleibt schon unklar, ob die
Stadtverwaltung mit entsprechenden
Anträgen auf Befreiung vom Anschluß- und
Benutzungszwang
überhaupt befaßt wurde oder ob das in der Satzung
vorgeschriebene förmliche
Verfahren nicht eingehalten wurde und die GmbH selbst -
außerhalb ihrer eigenen
Entscheidungszuständigkeit - die Inanspruchnahme anderer
Energieträger
gestattete. Ein den eindeutigen Regelungen der Satzung widersprechendes
und damit pflichtwidriges Verhalten der Stadt oder aber der GmbH kann
jedenfalls nicht dazu führen, die grundlegende Entscheidung
über die Ausgestaltung
des Benutzungsverhältnisses und die damit verbundenen
Steuerungsmöglichkeiten
in Frage zu stellen.
Eine kommunale Steuerung ist schließlich nicht etwa deshalb
zu verneinen,
weil der Geschäftsführer der GmbH nach § 3
des Geschäftsführervertrags
die Geschäfte mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns zu
führen hatte
- diese Regelung orientiert sich offenbar an § 43 Abs. 1 GmbHG
und § 347
Abs. 1 HGB - und im übrigen nach der Regelung in § 7
des Gesellschaftsvertrags
bis auf die dort vorgesehenen Einschränkungen weitgehende
Alleinentscheidungsbefugnisse
hatte. Die Amtsträgereigenschaft steht nicht im Widerspruch
zu dem mit der privatrechtlichen Ausgestaltung des
Anstellungsverhältnisses
verfolgten Zweck, unternehmerische Initiative und Führung des
Unternehmens
nach Rentabilitätsgesichtspunkten zu ermöglichen
(vgl. BGHSt 31,
264, 278). Es entspricht dem Wesen einer GmbH, daß eine
Beschränkung der
Vertretungsmacht des Geschäftsführers im
Außenverhältnis nicht möglich ist
(§ 37 Abs. 2 GmbHG), der Geschäftsführer
vielmehr nur im Innenverhältnis
- 15 -
verpflichtet ist, die ihm auferlegten Beschränkungen (vgl.
hier §§ 7 und 9 des
Gesellschaftsvertrags) einzuhalten (§ 37 Abs. 1 GmbHG).
c) Bei einer Gesamtbetrachtung der sie kennzeichnenden Merkmale ist
die G. GmbH daher als "sonstige Stelle" im Sinne
des § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c) StGB zu qualifizieren. Dies
rechtfertigt sich
insbesondere auch unter dem Gesichtspunkt des
Rechtsgüterschutzes. Schützen
die §§ 331 ff. StGB das Vertrauen der Allgemeinheit
in die Integrität von
Trägern staatlicher Funktionen und damit zugleich in die
Sachlichkeit staatlicher
Entscheidungen (vgl. BGHSt 15, 88, 96 f.; 43, 370, 377), so gilt
gleichartiges
Vertrauen auch den Funktionsträgern einer staatlich
gesteuerten Privatrechtsorganisation
und wird durch die Erfahrung ihrer Käuflichkeit in gleicher
Weise enttäuscht wie auch bei anderen Amtsträgern
(vgl. BGHSt 43, 370, 377;
vgl. auch Welp, Festschrift für Lackner S. 761, 781; Lenckner
ZStW 106, 502,
531; Dölling aaO C 58). Aufgrund der dargelegten besonderen
Gegebenheiten
trat die G. GmbH den Bürgern im Bereich der Energieversorgung
nicht wie ein Anbieter unter mehreren gegenüber. Die
Entscheidung
für eine (nur) formelle Privatisierung unter Einrichtung von
kommunalen
Steuerungs- bzw. Einflußmöglichkeiten
begründet ein schutzwürdiges Vertrauen
des Bürgers in eine funktionierende, integre
Aufgabenwahrnehmung.
d) Der Geschäftsführer der G. GmbH war zur
Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben bei der GmbH als sonstiger
Stelle im Sinne
des § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c) StGB bestellt und hat solche
Aufgaben
auch selbst wahrgenommen. Im Hinblick auf seine herausgehobene Position
als Geschäftsführer der Gesellschaft reicht hier
für die Bestellung bereits aus,
daß ihm dauerhaft Aufgaben der öffentlichen
Verwaltung zur eigenständigen
Wahrnehmung übertragen wurden und er demnach in die
Organisation der
- 16 -
Gesellschaft fest eingegliedert war (vgl. BGHSt 43, 370, 379 f.; Eser
in Schönke/
Schröder, StGB 26. Aufl. § 11 Rdn. 27; Rudolphi in
SK-StGB § 11 Rdn. 26;
Gribbohm in LK 11. Aufl. § 11 Rdn. 32; für den anders
gelagerten Fall eines
freiberuflich für die Verwaltung tätig werdenden
Bauingenieurs vgl. BGHSt 43,
96, 105 und BGH NJW 1998, 2373 f.).
2. Da die Strafkammer infolge des von ihr vertretenen rechtlichen
Standpunkts keinerlei nähere Feststellungen zum Inhalt der
Absprachen zwischen
den Angeklagten und dem Geschäftsführer M. sowie zur
konkreten
Ausgestaltung der Zahlungsmodalitäten getroffen hat, vermag
der Senat
nicht abschließend zu beurteilen, ob in den
Einzelfällen 1, 5, 6 und 7 der Anklageschrift
Verfolgungsverjährung eingetreten ist.
a) Mehrere Vorteilsgewährungen stehen in der Regel zueinander
im
Verhältnis der Tatmehrheit, wovon auch die Anklageschrift hier
ausgegangen
war. Etwas anderes kann jedoch gelten, wenn die Annahme des Vorteils auf
eine Unrechtsvereinbarung zurückgeht, die den zu leistenden
Vorteil genau
festlegt, mag er auch in bestimmten Teilleistungen zu erbringen sein.
Dann
liegt eine tatbestandliche Handlungseinheit vor, sofern nicht die
Vorteilsgewährung
"openend"-Charakter trägt und der versprochene Vorteil von der
künftigen
Entwicklung abhängen soll (vgl. BGH StV 1995, 84, 85; BGHSt
47, 22, 30;
Senatsurteil vom 20.08.2003 - 2 StR 160/03). Sollten hingegen
Gegenleistungen,
denen mehrere Unrechtsvereinbarungen zugrunde liegen, durch
eine einzelne, zusammengefaßte Zahlung erfolgt sein (vgl. den
unklaren Begriff
der "Jahresendabrechnungen" auf Bl. 17 UA), käme
demgegenüber Tateinheit
in Betracht (vgl. BGHR StGB § 332 Abs. 1 Konkurrenzen 5; BGHSt
47, 22,
29). Angesichts der bisher unvollständigen Feststellungen kann
der Senat nicht
- 17 -
gänzlich ausschließen, daß das Verhalten
der Angeklagten letztlich als eine
Tat zu werten ist.
b) Für den Fall, daß die neu zur Entscheidung
berufene Strafkammer
hinsichtlich der genannten Einzelfälle zur Annahme von
Tatmehrheit gelangt,
sind die Taten in den Einzelfällen 1, 5, 6 und 7 der
Anklageschrift allerdings
infolge der inzwischen eingetretenen absoluten Verjährung
nicht mehr verfolgbar.
Nach der Anklageschrift erfolgten die Zahlungen an den
Geschäftsführer
der G. GmbH am 20. August 1992 (Fall 1) und am
30. Oktober 1992 (Fälle 5, 6 und 7). Die absolute
Verjährungsfrist nach § 78 c
Abs. 3 Satz 2 in Verbindung mit § 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB war am
20. August
2002 bzw. 30. Oktober 2002 abgelaufen, das Urteil des Landgerichts
datiert
vom 10. Dezember 2002.
Entgegen der Annahme der Strafkammer kam ein Ruhen der
Verjährung
gem. § 78 b Abs. 4 StGB ab Eröffnung des
Hauptverfahrens, welche hier durch
das Thüringer Oberlandesgericht am 17. Juni 2002 vor dem
Landgericht Erfurt
erfolgte, nicht in Betracht. § 78 b Abs. 4 StGB setzt voraus,
daß das Gesetz
strafschärfend für besonders schwere Fälle
Freiheitsstrafe von mehr als fünf
Jahren androht. Das Landgericht hat dies mit der Vorschrift des
§ 335 StGB,
welcher durch das Korruptionsbekämpfungsgesetz vom 13. August
1997 (BGBl
I 2038) in das Gesetz aufgenommen wurde, als gegeben angesehen und es
für
unerheblich gehalten, daß es diese Strafschärfung
zur Tatzeit der Einzelfälle 1,
5, 6 und 7 noch nicht gab.
Es trifft zwar zu, daß nach ständiger Rechtsprechung
das Rückwirkungsverbot
der nachträglichen Verlängerung von
Verjährungsfristen, die bloße
verfahrensrechtliche Regeln darstellen, nicht entgegensteht (vgl. BGHSt
2,
300, 307; 4, 379, 384; 26, 288, 289; 46, 310, 318). Resultiert jedoch,
wie im
- 18 -
vorliegenden Fall, die Verlängerung der
Verjährungsfrist bzw. der Eintritt des
Ruhens lediglich aus der Veränderung einer Strafdrohung und
damit einer
materiellrechtlichen Vorschrift, so ist § 2 Abs. 3 StGB zu
beachten mit der Folge,
daß sich die Verjährung nach dem für den
Angeklagten günstigeren Recht
der Tatzeit richtet (vgl. BGH GA 1954, 22; BGH bei Dallinger MDR 1954,
335;
Dreher NJW 1962, 2209; Tröndle/Fischer aaO § 2 Rdn.
7; Gribbohm in LK aaO
§ 2 Rdn. 8). Ein Ruhen der Verjährung unter
Rückgriff auf die erst später erfolgte
materiellrechtliche Gesetzesänderung zum Nachteil der
Angeklagten
scheidet daher aus.
In den übrigen Fällen ist die Strafkammer dagegen zu
Recht davon ausgegangen,
daß kein Verfolgungshindernis besteht. Insbesondere wurde -
entgegen
der Ansicht der Verteidigung - durch Art. 315 a Abs. 2 EGStGB in der
Fassung des 3. Verjährungsgesetzes vom 22. Dezember 1997 (BGBl
I 3223)
die Verjährung auch für die nach dem 31. Dezember
1992 begangenen Taten
verlängert, so daß Verjährung nicht vor
Ablauf des 2. Oktober 2000 eintreten
konnte (vgl. BGH NStZ 2001, 248; vgl. auch BVerfG, Beschl. vom 28.
März
2002 - 2 BvL 2/01).
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