BGH,
Urt. v. 15.8.2002 - 3 StR 11/02
3 StR 11/02
UWG § 4 Abs. 1
Zur Strafbarkeit falscher Versprechungen, mit denen zur Teilnahme an
entgeltlichen "Kaffeefahrten" gelockt werden soll.
BGH, Urteil vom 15. August 2002 - - LG Oldenburg
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom
15. August 2002
in der Strafsache gegen
wegen strafbarer Werbung u. a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofes hat in der Sitzung vom 15.
August 2002, an der teilgenommen haben: Vorsitzender Richter am
Bundesgerichtshof Prof. Dr. Tolksdorf, die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Miebach, Winkler, von Lienen, Becker als beisitzende Richter,
Staatsanwältin als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt als Verteidiger, Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle, für Recht erkannt:
1. Das Verfahren wird gemäß § 154 a StPO
auf den Vorwurf der strafbaren Werbung beschränkt.
2. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Oldenburg vom 19. Juli 2001 wird verworfen.
3. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das vorbezeichnete
Urteil aufgehoben,
a) soweit der Angeklagte im Fall II. 1 der Urteilsgründe
freigesprochen wurde; insoweit wird er wegen eines weiteren Falles der
strafbaren Werbung verurteilt;
b) im gesamten Strafausspruch mit den zugehörigen
Feststellungen.
4. Der Schuldspruch wird dahin klargestellt, daß der
Angeklagte der strafbaren Werbung in sechs Fällen schuldig ist.
5. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine
andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen strafbarer Werbung in
fünf Fällen (II. 2 bis 6) sowie wegen Betrugs in zwei
Fällen (II. 7 und 8) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem
Jahr verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt
und ihn vom Vorwurf strafbarer Werbung im Fall II. 1 freigesprochen.
I. 1. Nach den Feststellungen des Landgerichts ist der Angeklagte seit
Jahren in der Verkaufsfahrtenbranche selbständig
tätig. Er organisierte Tagesbusfahrten mit
Verkaufsveranstaltungen, die er entweder auf eigene Rechnung
durchführte oder an andere Unternehmen gegen Entgelt abgab.
Seine Kunden warb er mit selbst verfaßten Schreiben, von
denen er pro Busreise mindestens 1.500 Stück versandte. Die
bevorzugte Zielgruppe dieser Werbeschreiben bestand aus
älteren und nicht berufstätigen Personen.
Um die tatsächliche Herkunft der Werbeschreiben und seine
Verantwortlichkeit hierfür zu verschleiern, verwendete der
Angeklagte wechselnde Phantasienamen und gab unterschiedliche Orte als
Absender an. Zudem beauftragte er Ende 1998 einen früheren
Mitangeklagten als "Strohmann", der für ihn unter dem Namen
einer angeblichen Firma Postfächer anmietete. Diese wurden in
der Folgezeit auf den Werbeschreiben des Angeklagten als
Zustellanschrift für die dort verwendeten Scheinfirmierungen
genannt. Damit erreichte der Angeklagte, daß es den
Empfängern der Schreiben fast unmöglich wurde, den
Absender und tatsächlichen Reiseveranstalter festzustellen,
und daß sich Abmahnungen der
Verbraucherschutzverbände an nicht existente Firmen und
Personen richteten.
Im Fall II. 1 verfaßte der Angeklagte Werbeschreiben
für eine Verkaufsfahrt zum Preis von 19,90 DM mit der
Überschrift "Jackpot geknackt - Voucher für Herrn/
Frau .....", wobei er den jeweiligen Namen der Empfänger
einfügte. Im Text gab er wahrheitswidrig an, der
Empfänger habe bei einer Verlosung unter 99 Preisen einen
"Topgewinn" erzielt und den "Jackpot" im Wert von 500 DM gewonnen,
wobei er den Gewinn auf der Tagesfahrt überreicht bekomme. Der
Text war für alle etwa 1.500 angeschriebenen Adressaten
gleich. Entgegen der Ankündigung hatte eine Verlosung nicht
stattgefunden, vielmehr erhielten alle Reiseteilnehmer einen
Reisegutschein im Wert von 500 DM, der aber nur bei der Buchung einer
Auslandsreise bei der Firma des Angeklagten eingelöst werden
konnte.
Im Fall II. 2 versandte der Angeklagte ein entsprechendes
Werbeschreiben, versprach jedoch zusätzlich jedem Reisegast "-
im Fahrpreis enthalten - ein leckeres, reichhaltiges
Mittagsmenü, welches man einfach mitnehmen muß". Die
Teilnehmer erhielten neben den Kleingeschenken wiederum einen
Reisegutschein wie im Fall II. 1 und anstelle des "leckeren,
reichhaltigen Mittagsmenüs" eine Konservendose Erbsensuppe zum
Mitnehmen.
In den Fällen II. 3 bis 6 änderte der Angeklagte die
Werbeschreiben dahin ab, daß er anstelle des Gewinns eines
"Voucher" vorspiegelte, man habe für den wiederum namentlich
angesprochenen Empfänger einen Lotterieschein
ausgefüllt, fünf "Richtige" getroffen und werde den
Gewinn von 483,10 DM (II. 3, 4), 452,66 DM (II. 5) und 621,74 DM (II.
6) auf der Tagesfahrt in bar auszahlen. Daneben wurde neben kleineren
Geschenken ein im Reisepreis von 19,50 DM enthaltenes "leckeres,
schmackhaftes Mittagessen" versprochen. Anstelle des versprochenen
Gewinns von rund 500 DM wurden den Reisegästen lediglich
kleine Geldbeträge zwischen 3 und 10 DM, in einigen
Fällen eine Flasche Shampoo im Wert von 2,80 DM
ausgehändigt. Statt des Mittagessens erhielten sie wiederum
nur eine Konservendose mit Suppe oder Brechbohnen. In den
Fällen II. 4 bis 6 hatte der Angeklagte auf die Buchung von
Teilnehmern hin eine "Platzbestätigung" übersandt,
die auf der Rückseite kleingedruckte
Geschäftsbedingungen enthielt, deren Umfang bei der Wiedergabe
im Urteil über fünf Schreibmaschinenseiten
umfaßt. Unter Nr. 8. b.) ist die Klausel enthalten: "Die
Mindestteilnehmerzahl an einer Verlosung/Gewinnspiel/Spielgemeinschaft
auf einer Tagesfahrt beträgt 250 Reiseteilnehmer,
Bargeldpreise (Lotto, Lotterie) werden ggf. gesplittet."
2. Das Landgericht hat die unzutreffenden Angaben zum Mittagessen in
den Fällen II. 2 bis 6 als strafbare Werbung nach § 4
Abs. 1 UWG gewertet, während es in dem unwahren Versprechen
eines Gewinns keine auf die angebotene Leistung einer Tagesfahrt
bezogene unwahre Angabe über geschäftliche
Verhältnisse im Sinne des § 4 Abs. 1 UWG gesehen hat.
Daher hat es den Angeklagten im Fall II. 1, in dem kein Mittagessen
angeboten war, freigesprochen und in den Fällen II. 2 bis 6
die Ankündigung eines Gewinnes nicht dem abgeurteilten
Schuldumfang zugrunde gelegt. Unter Fall-Nr. II. 7 und 8 hat das
Landgericht den Angeklagten wegen Betrugs in zwei Fällen durch
die Einrichtung und den Betrieb von zwei 0190-Telefon-Servicenummern
verurteilt, unter denen er Informationen angeboten, aber nicht erteilt
habe. Bei der Strafzumessung hat das Landgericht in allen
Fällen "zu Gunsten" des Angeklagten das Vorhandensein eines -
allerdings vermeidbaren - Verbotsirrtums nach § 17 StGB
angenommen und die Strafrahmen nach § 17 Satz 2, § 49
Abs. 1 StGB gemildert.
Die Revision der Staatsanwaltschaft wendet sich mit der
Sachrüge dagegen, daß das Versprechen eines Gewinnes
der Verurteilung wegen strafbarer Werbung nicht zugrunde gelegt und der
Angeklagte im Fall II. 1 daher freigesprochen worden ist. Ferner
beanstandet sie die Strafmilderung nach § 17 StGB.
Der Angeklagte macht mit der Sachrüge geltend, die
Feststellung des Landgerichts, er habe entsprechend seiner Absicht in
den Fällen II. 7 und 8 den Anrufern keine Informationen von
Wert zukommen lassen, sei nicht belegt. Dazu hat er ferner eine
Aufklärungsrüge erhoben.
Der Senat hat das Verfahren unter Ausscheidung des Vorwurfs des Betrugs
auf den Tatbestand der strafbaren Werbung beschränkt. Auf die
Revision der Staatsanwaltschaft hat er den Freispruch im Fall II. 1
aufgehoben und auch insoweit auf ein Vergehen der strafbaren Werbung
durcherkannt, sowie den gesamten Strafausspruch aufgehoben. Die
Revision des Angeklagten, die nach der Verfahrensbeschränkung
nur noch die strafbare Werbung betrifft, hat er verworfen.
II. Strafbare Werbung:
1. Die Annahme einer strafbaren Werbung nach § 4 Abs. 1 UWG in
den Fällen II. 2 bis 6 hält rechtlicher
Nachprüfung stand. Das Landgericht hat in der Werbeangabe, die
Reisegäste erhielten ein "leckeres, reichhaltiges
Mittagsmenü", bzw. ein "leckeres, schmackhaftes Mittagessen",
obgleich sie lediglich eine verschlossene Konservendose mit einer Suppe
oder mit Brechbohnen zum Mitnehmen ausgehändigt bekommen
sollten, mit Recht eine wissentlich unwahre, zur Irreführung
geeignete Angabe gesehen, die auch die übrigen
tatbestandlichen Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 UWG
erfüllt. Dies bedarf keiner näheren
Begründung.
2. Dagegen kann dem Landgericht nicht gefolgt werden, soweit es im
Versprechen eines Gewinns keine Angabe über
geschäftliche Verhältnisse im Sinne des § 4
Abs. 1 UWG gesehen hat, die den Anschein eines besonders
günstigen Angebots hervorruft.
a) Die Angaben zu den versprochenen Gewinnen sind wissentlich unwahr.
Für das falsche Versprechen der Auszahlung eines
größeren Bargeldgewinnes in den Fällen II.
3 bis 6 hat die Strafkammer die Unwahrheit ohne Rechtsfehler selbst
festgestellt. Dabei hat sie zutreffend dargelegt, daß die
nicht auf dem Werbeschreiben selbst, sondern nur auf der erst
später nach der Buchung einer Reise zugesandten
"Platzbestätigung" enthaltene Klausel 8. b.) der
"Geschäftsbedingungen" dieser Annahme nicht entgegensteht.
Denn abgesehen davon, daß es sich um eine Passage eines
längeren, sehr klein gedruckten Textes handelte, der sich
weitgehend nicht auf die Verhältnisse einer Tagesfahrt bezog,
konnte diese nachträgliche Einschränkung die
Unwahrheit der Angabe im Werbeschreiben nicht mehr beseitigen (vgl. BGH
BB 2000, 1429 f.).
Unwahr sind entgegen der Annahme des Landgerichts aber auch die
Versprechungen über den Gewinn eines "Voucher" im Wert von 500
DM in den Fällen II. 1 und 2, denn bei den
tatsächlich ausgegebenen Gutscheinen, die nur bei Buchung
einer Auslandsreise bei der Firma des Angeklagten hätten in
Zahlung gegeben werden können, handelte es sich weder um einen
Gewinn, noch tatsächlich um einen "Voucher".
Das Landgericht hat insoweit festgestellt, daß ein "Voucher"
ein Touristik-Gutschein für in voraus bezahlte Leistungen ist.
Ein derartiger Gutschein wird nach der (vollständigen)
Bezahlung einer bestimmten touristischen Dienstleistung, etwa eines
Hotelaufenthalts oder einer Reise, ausgehändigt und berechtigt
den Inhaber zur Inanspruchnahme dieser Leistung, ohne daß er
dabei weitere Aufzahlungen zu erbringen hätte. Dagegen konnte
hier ein Reiseteilnehmer für den "Reisegutschein" allein keine
touristische Dienstleistung erhalten, sondern mußte vielmehr
erst eine Auslandsreise beim Angeklagten buchen, also eine erhebliche
finanzielle Verpflichtung eingehen, um dann auf den Reisepreis diesen
Gutschein angerechnet zu bekommen.
Es kommt hinzu, daß durch die unwahre Angabe "Topgewinn" dem
Empfänger der Eindruck vermittelt wird, er sei ein
gegenüber den anderen Teilnehmern einer Verlosung
herausgehobener "Glückspilz", was ihn in besonderer Weise
veranlassen kann und soll, die angebotene Tagesfahrt zu buchen, um in
den Genuß des Gewinnes kommen zu können (vgl. zur
Befriedigung ideeller Bedürfnisse des Abnehmers BGH wistra
1987, 221). Zudem wird hierdurch auch in wirtschaftlicher Hinsicht ein
besonders günstiges Angebot vorgetäuscht. Denn ein
Interessent wird den tatsächlichen Wert eines solchen
Gutscheins höher bewerten, wenn er davon ausgehen kann, allein
er - unter einer größeren Anzahl von Teilnehmern -
erhalte diese Vergünstigung. Wüßte er
dagegen, daß in Wirklichkeit jeder Teilnehmer diesen Rabatt
erhält, läge für ihn der Schluß
nahe, es handle sich in Wahrheit nicht um einen echten Gewinn, sondern
lediglich um einen Scheinrabatt auf eine zuvor entsprechend verteuerte
Leistung.
b) Die unwahren Angaben sind auch zur Irreführung geeignet.
Dies ist bei jeder Angabe der Fall, die einen nicht ganz unbeachtlichen
Teil der durch die Werbung angesprochenen Verkehrskreise veranlassen
kann, sie für wahr zu halten und dadurch getäuscht zu
werden; dabei genügt - ebenso wie bei § 3 UWG - die
Gefahr einer Irreführung (BGH BB 1954, 299, 300; Otto in
Großkommentar zum UWG, 1992 § 3 Rdn. 34 m. w. N.).
Die näheren Ausführungen in den persönlich
adressierten Werbeschreiben über die Verlosungen und
Lotterieteilnahmen sowie zur Höhe des Gewinns ("krumme"
Beträge wie z. B. 462,66 DM) und zur Auszahlung ("garantiert
in bar", "darauf unser Wort") vermögen jedenfalls die hier
bevorzugt angesprochenen älteren und nicht mehr
berufstätigen Personen zu täuschen.
c) Die unwahren Angaben betreffen auch geschäftliche
Verhältnisse. Der in den §§ 3 und 4 UWG
identisch verwendete Begriff der geschäftlichen
Verhältnisse ist in einem weiten Sinne zu verstehen und
umfaßt alle mit dem Geschäftsbetrieb unmittelbar
oder mittelbar in Beziehung stehenden Umstände; lediglich
persönliche Verhältnisse des Werbenden ohne
Verbindung mit den Belangen des Betriebs u. ä. werden nicht
erfaßt (BGHSt 36, 389, 392 m. w. N.). Danach kann nicht
zweifelhaft sein, daß Angaben zu Leistungen, die den
Empfänger anlocken sollen, die angebotene Werbefahrt zu
buchen, auf geschäftliche Verhältnisse bezogen sind.
Denn das Versprechen des Gewinns ist maßgeblich für
dessen Einschätzung, ob sich die Reise lohnt oder nicht, und
damit auch für seine Entscheidung, diese zu buchen.
d) Die Angaben zu den angeblichen Gewinnen stehen entgegen der
Auffassung des Landgerichts auch in Zusammenhang mit der Leistung,
für die geworben wird, wie das schon nach dem Wortlaut des
§ 4 Abs. 1 UWG erforderlich ist, wonach die unwahren, zur
Irreführung geeigneten Angaben in der Absicht gemacht worden
sein müssen, den Anschein eines besonders günstigen
Angebots hervorzurufen (vgl. Otto in Großkommentar zum UWG,
1992 § 4 Rdn. 99).
Allerdings ist dieser Zusammenhang in der Rechtsprechung für
Fälle verneint worden, in denen Passanten mit schwindelhaften
Anpreisungen ("jeder Besucher bekommt 10 DM in bar" OLG Köln,
MDR 1964, 1028; Verlosung bei Verkaufsveranstaltung OLG Hamm, WRP 1963,
176 f.) von der Straße in einen Verkaufsraum gelockt wurden.
Der Senat kann offen lassen, ob er dieser Rechtsprechung zum
schwindelhaften Anlocken mit Geschenken in einen lokalen Verkaufsraum
zustimmen würde. Dagegen könnte sprechen,
daß zwar kein rechtlicher Zusammenhang zwischen dem
Versprechen eines Geschenkes mit der angebotenen Verkaufsware im Sinne
einer vertraglichen Gegenleistung, wohl aber ein wirtschaftlicher
Zusammenhang besteht. Denn der Unternehmer setzt die Anpreisung von
Geschenken als Werbemaßnahme zur Förderung seiner
Verkaufstätigkeit ein, aus deren Erlös wiederum die
Kosten der Werbung zu finanzieren sind. Umgekehrt liegt nahe,
daß ein Interessent die Möglichkeit, ein Geschenk zu
erlangen, mit dem Verkaufsangebot zusammen sehen und insgesamt von
einem günstigen Angebot ausgehen wird.
Auch wenn man der zitierten Rechtsprechung zu lokalen
Verkaufsveranstaltungen im Grundsatz folgt, kann indes in dem hier zu
beurteilenden Sachverhalt der erforderliche Zusammenhang zwischen der
unwahren Werbeangabe und der angebotenen Leistung nicht zweifelhaft
sein. Während es dort auf die Frage eines Zusammenhangs
zwischen der falschen Anpreisung und der in dem Verkaufsraum
angebotenen Ware ankam, wobei der Interessent bei freiem Eintritt das
versprochene Geschenk auch dann erhalten sollte, wenn er keinen Einkauf
tätigt, muß hier der umworbene Kunde sich erst
bereit finden, eine Fahrt mit Verkaufsveranstaltung zu buchen, um in
den Genuß des (vermeintlichen) Gewinns zu kommen. Denn das
Angebot des Angeklagten hatte eine "Werbefahrt" zum Gegenstand, bei der
ein Teilnehmer für den Preis von 19,50 DM, bzw. 19,90 DM neben
der Busbeförderung ein Mittagessen (nur Fälle II. 2
bis 6), verschiedene Sachgeschenke und schließlich einen
wertvollen Gewinn erhalten sollte. Daß diese Leistungen
gerade mit der angebotenen Werbefahrt und nicht mit der
Verkaufsveranstaltung verknüpft worden sind, ergibt sich aus
den Formulierungen der Werbeschreiben. Dies belegen Wendungen wie "im
Fahrpreis enthalten", "als Dankeschön für ihre
regelmäßige Teilnahme an unseren Fahrten", "erhalten
Sie auf dieser Tagesfahrt" und der abschließenden Bemerkung
nach Aufzählung aller Leistungen "Eine tolle Werbefahrt
für nur 19,50 DM - wer kann Ihnen das heute noch bieten?" (UA
S. 7, 11). Dagegen wird die mit der Fahrt verbundene
Verkaufsveranstaltung eher beiläufig als Nebensache mit
Hinweisen wie "Die Teilnahme an einer interessanten Produktshow ist
kostenlos und jedem freigestellt." (UA S. 13) erwähnt.
Die Strafkammer, die insoweit ersichtlich nur auf die Leistung einer
Busbeförderung (bloß mit Verköstigung ohne
Berücksichtigung der versprochenen Geschenke und eines
Gewinnes) wie bei sonstigen rein touristischen Ausflugsfahrten
abstellt, wird mit dieser Betrachtung den besonderen, sich aus dem
festgestellten Sachverhalt ergebenden Umständen nicht gerecht.
Denn diese sind auch aus der Sicht der umworbenen Teilnehmer dadurch
gekennzeichnet, daß sie ein Entgelt - wenn auch nur in
geringem Umfang - für die Werbefahrt entrichten und zudem
durch ihre Teilnahme dem Unternehmer die Möglichkeit geben,
sie im Rahmen einer Verkaufsveranstaltung in besonders intensiver Weise
zu bewerben. Dieser wird dadurch in die Lage versetzt, die dort
angebotenen Waren mit einem solchen Aufschlag ("zu
überhöhten Preisen" - UA S. 5) zu verkaufen,
daß neben der Erzielung eines erstrebten Unternehmergewinns
auch die Geschenke und sonstigen "kostenlosen" Leistungen finanziert
werden können. Daher sind für die Entscheidung des
Empfängers eines Werbeschreibens, ob er eine solche
Verkaufsfahrt buchen soll, neben dem Ausflugserlebnis auch die
angebotenen Zusatzleistungen wie Mittagessen und Geschenke von
Bedeutung. Gleiches gilt in besonderem Maße für die
versprochene Auskehrung eines angeblich erzielten Gewinnes. Da er nach
dem Inhalt der Werbung nur auf der Reise übergeben wird,
muß der Teilnehmer diese buchen, um ihn erlangen zu
können. Diese erhält damit in seinen Augen auch den
Anschein eines ganz besonders günstigen Angebots. Damit ist
ein eindeutiger Zusammenhang zwischen der angebotenen "Werbefahrt" und
der Werbeanpreisung gegeben.
3. Die Voraussetzungen strafbarer Werbung nach § 4 Abs. 1 UWG
sind damit auch hinsichtlich der versprochenen
Gewinnausschüttung in den Fällen II. 1 bis 6 gegeben.
Die vom Landgericht getroffenen Feststellungen rechtfertigen diese
rechtliche Bewertung, wobei nach Sachlage ausgeschlossen werden kann,
daß es bei Anlegung zutreffender rechtlicher
Maßstäbe zu anderen, dem entgegenstehenden
Feststellungen gelangt wäre. Der Senat entscheidet daher
entsprechend § 354 Abs. 1 StPO im Fall II. 1 unter Aufhebung
des Teilfreispruchs in der Sache und trifft den Schuldspruch selbst. In
den Fällen II. 2 bis 6 erweitert sich der Schuldumfang durch
die vorliegende Entscheidung im Hinblick auf die Einbeziehung der
Versprechungen eines Gewinnes in den Tatbestand der strafbaren Werbung.
4. Der Strafausspruch kann danach auch in den Fällen II. 2 bis
6 keinen Bestand haben. Der neue Tatrichter wird daher über
die Strafe insgesamt neu zu befinden haben. Auf die weitere
Rüge der Staatsanwaltschaft, das Landgericht habe dem
Angeklagten zu Unrecht einen - allerdings vermeidbaren - Verbotsirrtum
zugebilligt, kommt es somit nicht an. Auch diese Rüge
wäre allerdings begründet:
Für eine revisionsrechtliche Überprüfung der
Annahme eines Verbotsirrtums fehlt es bereits an einer ausreichenden
Darstellung der Einlassung des Angeklagten zur inneren Tatseite. Zur
Frage strafbarer Werbung wird lediglich mitgeteilt, er meine, seine
Angaben seien "Wort für Wort wahr". Das besagt aber nichts
dazu, ob der Angeklagte sein Tun tatsächlich für
erlaubt oder verboten hielt. Sofern sich der Angeklagte
tatsächlich auf fehlende Unrechtseinsicht berufen haben
sollte, wäre eine Auseinandersetzung der Strafkammer mit den
dagegen sprechenden Gesichtspunkten erforderlich gewesen; insbesondere
die krasse Unrichtigkeit der Angaben über das versprochene
Mittagessen und die in Aussicht gestellten
Gewinnausschüttungen in Verbindung mit den geschilderten
umfangreichen Verschleierungsmaßnahmen lassen die Annahme
eines Verbotsirrtums kaum nachvollziehbar erscheinen. Im
übrigen steht diese Annahme in Widerspruch zur Feststellung
der Strafkammer auf UA S. 43, er habe das Überschreiten der
Grenzen zur strafbaren Werbung "billigend in Kauf genommen".
Für die Annahme des Unrechtsbewußtseins
genügt es nämlich, daß der Täter
bei der Tat mit der Möglichkeit rechnet, Unrecht zu tun, und
dies billigend in Kauf nimmt (BGHSt 4, 1, 4; BGH NJW 1996, 1604 f.).
III. Betrug:
Soweit es die Verurteilung des Angeklagten wegen Betruges, begangen
durch den Betrieb der 0190-Telefon-Servicenummern, anbelangt, teilt der
Senat den rechtlichen Ausgangspunkt des Landgerichts, wonach der
Tatbestand des § 263 StGB erfüllt sein kann, wenn es
dem Betreiber lediglich auf das "Abkassieren" ankommt, ohne
daß er bereit ist, die in Aussicht gestellten
Informationsleistungen zu erbringen (Koblitz in Wabnitz/Janovski,
Handbuch des Wirtschafts- und Steuerstrafrechts, 2000, S. 855; vgl.
auch OLG Frankfurt NJW-RR 1999, 409). Dies kann auch gegeben sein, wenn
sich der Betreiber - wie es die Staatsanwaltschaft dem Angeklagten
vorwirft - darauf beschränken will, bereits erteilte
Informationen (hier: die in den Werbeschreiben enthaltenen) zu
wiederholen, den Anrufenden jedoch Antworten auf die sie wirklich
interessierenden Fragen (hier etwa nach dem Top-Gewinn) vorzuenthalten.
Indes erlaubt die unzureichende Beweiswürdigung der
Strafkammer nicht die revisionsrechtliche Prüfung, ob hier ein
solcher Sachverhalt auf ausreichender Tatsachengrundlage festgestellt
worden ist. Auch ist nicht festgestellt, ob es Gespräche
gegeben hat, in denen Interessenten sich etwa nur an- oder abmelden
wollten, in denen mithin eine Information gar nicht begehrt worden war,
mit der Folge, daß eine Strafbarkeit wegen vollendeten
Betruges ausscheidet. Schließlich ist auch die
konkurrenzrechtliche Behandlung als Betrug in zwei
selbständigen Fällen rechtsfehlerhaft, da nicht die
Vorbereitungshandlung der Einrichtung der Telefonnummern entscheidend
ist, sondern die mit den einzelnen Werbeaktionen verbundene
Täuschungshandlung, so daß Tateinheit mit den
Fällen der strafbaren Werbung gegeben gewesen wäre.
Das Urteil müßte daher - auch in den Fällen
der Verurteilung nach § 4 UWG - aufgehoben und das Verfahren
zu neuer Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen werden.
In der neuen Hauptverhandlung wäre eine
möglicherweise umfangreiche Beweiserhebung zum Inhalt und
Informationswert der nunmehr bereits länger
zurückliegenden Telefongespräche erforderlich, die zu
ihrem voraussichtlichen Ertrag nicht im Verhältnis
stünde. Deshalb hat der Senat die Verfolgung nach §
154 a StPO beschränkt; die Anwendung von § 154 StPO
hätte das Vorliegen selbständiger Taten des Betruges
erfordert.
Tolksdorf Miebach Winkler RiBGH von Lienen ist durch Urlaub gehindert,
zu unterschreiben
RiBGH Becker ist durch Urlaub gehindert, zu unterschreiben
|