BGH,
Urt. v. 15.12.2005 - 3 StR 239/05
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 239/05
vom 15.12.2005
in der Strafsache
gegen 1. 2. 3.
wegen Betruges
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Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
15.12.2005, an der teilgenommen haben: Vorsitzender Richter am
Bundesgerichtshof Prof. Dr. Tolksdorf, die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Miebach, Pfister, Becker, Hubert als beisitzende Richter,
Staatsanwalt in der Verhandlung, Richter am Landgericht bei der
Verkündung als Vertreter der Bundesanwaltschaft, Rechtsanwalt
als Verteidiger für den Angeklagten L. , Rechtsanwalt als
Verteidiger für den Angeklagten La. , Justizangestellte als
Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle, für Recht erkannt:
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Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil der
Auswärtigen großen Strafkammer des Landgerichts
Kleve in Moers vom 20. Oktober 2004 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer
des Landgerichts zurückverwiesen. Von Rechts wegen
Gründe: Das Landgericht hat die Angeklagten L. und La. jeweils
wegen Betruges in 45 Fällen zu Gesamtfreiheitsstrafen von zwei
Jahren bzw. einem Jahr sowie den Angeklagten B. wegen Betruges in 25
Fällen zur Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt und
die Vollstreckung aller Freiheitsstrafen zur Bewährung
ausgesetzt. Die Revision des Angeklagten L. wendet sich hiergegen mit
Beanstandungen des Verfahrens und der näher
begründeten Sachrüge; die Revisionen der Angeklagten
La. und B. machen mit ausgeführten Sachrügen
materiellrechtliche Fehler geltend. Die Revisionen haben jeweils mit
der Sachrüge Erfolg, so dass es auf die vom Angeklagten L.
erhobenen Formalrügen nicht ankommt. 1 1. Die Angeklagten L.
und La. waren die Gesellschafter und Geschäftsführer
der La. GmbH (LEU), der Angeklagte B. war ab Anfang 1999 der
zuständige Disponent der Ge-2
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sellschaft. Auf der Grundlage eines Vertrages mit der Stadt M. besorgte
die LEU ab dem 1. Januar 1996 für 96,50 DM pro Tonne
wöchentlich zweimal die Abfuhr städtischen
Mülls. Nachdem der Angeklagte L. erkannt hatte, dass der
vereinbarte Preis nicht kostendeckend war, führte er - nach
Rücksprache mit dem Angeklagten La. - mit dem für die
Müllentsorgung zuständigen Beigeordneten der Stadt
ein Gespräch über die wirtschaftliche Kompensation
angefallener Mehrkosten. Nach den - aufgrund der Einlassung des
Angeklagten L. getroffenen - Feststellungen lehnte der Beigeordnete
dies unter Verweis auf den bestehenden Vertrag sowie eine fehlende
Kostenstelle ab. Er schlug vor, die Sache "unbürokratisch" -
wie in einem ähnlich gelagerten Fall mit einem anderen
Entsorger - zu lösen, indem die LEU Müll anderer
Kunden dem im Auftrag der Stadt eingesammelten Abfall
hinzufügen und auf Kosten der Stadt M. stillschweigend mit
abrechnen sollte. Die Angeklagten verfuhren von Januar 1996 bis
März 2001 in dieser Weise, so dass die LEU von der Stadt M.
aufgrund von 45 Einzelrechnungen mit überhöhten
Müllmengen unberechtigt mindestens 178.000 DM erhielt. 2. Der
Schuldspruch hält sachlich-rechtlicher Nachprüfung
nicht stand. Die getroffenen Feststellungen belegen nicht, dass die
Angeklagten das Vermögen der Stadt M. betrügerisch
geschädigt haben. Wegen der nach den Feststellungen
vorhandenen Kenntnis des für die Müllentsorgung
zuständigen Beigeordneten von der Wahrheitswidrigkeit der
Entsorgungsrechnungen fehlt es an einem - vom Tatbestand des §
263 Abs. 1 StGB vorausgesetzten - täuschungsbedingten Irrtum
des Verfügenden. 3 Zwar hat das Landgericht nicht
festgestellt, wer zum Ausgleich der Entsorgungsrechnungen im konkreten
Einzelfall auf welcher Grundlage und mit welcher Vorstellung die
Entscheidung über die erstrebte Leistung getroffen und 4
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damit über das städtische Vermögen
verfügt hat (zu diesem Erfordernis vgl. BGH NJW 2003, 1198;
Tröndle/Fischer, StGB 53. Aufl. § 263 Rdn. 39). Auch
wenn aber innerhalb der arbeitsteilig tätigen Stadtverwaltung
- was nahe liegt - der in die Machenschaften eingeweihte Beigeordnete
die Bezahlung der Rechnungen nicht selbst veranlasst, sondern diese
Aufgabe ein ihm innerhalb der Stadtverwaltung nachgeordneter
Mitarbeiter erfüllt hat, haben die Angeklagten sich nicht des
Betruges schuldig gemacht. Maßgeblich für die Frage
des Vorliegens eines täuschungsbedingten Irrtums des
Verfügenden ist nämlich auf die Kenntnis des
Beigeordneten von der Unrichtigkeit der Abrechnungen abzustellen. Auf
seine Vorstellungen und nicht auf die des ihm nachgeordneten,
möglicherweise gutgläubigen Sachbearbeiters kommt es
an, weil dieser seine Verfügungsbefugnis
ausschließlich aus den Befugnissen des ihm vorgesetzten
Beigeordneten ableitet. Der in der Literatur hierzu - mit
unterschiedlichen Ansätzen und Begründungen -
vertretenen Ansicht, dass es in solchen Fällen an einem
betrugsrelevanten Irrtum fehlt und eine Strafbarkeit wegen Betruges
ausscheidet (vgl. Tiedemann in LK 11. Aufl. § 263 Rdn. 82 m.
w. N.; ders. in FS für Klug S. 412 f.; Eisele in ZStW 116
(2004), 15 ff.), schließt sich der Senat an (vgl. auch schon
BGH NJW 2003, 1198). Danach kann die Verurteilung der Angeklagten wegen
Betruges nicht bestehen bleiben. Da das Landgericht lediglich zu ihren
Gunsten davon ausgegangen ist, dass der zuständige
Beigeordnete sie auf den Gedanken der Abrechnungsmanipulationen
gebracht hat und Kenntnis von den überhöhten Ab- 5
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rechnungen hatte, eine diese Feststellung tragende
Beweiswürdigung in seinem Urteil aber nicht angestellt hat,
bedarf die Sache neuer Verhandlung und Entscheidung.
Tolksdorf Miebach Pfister Becker Hubert |