BGH,
Urt. v. 15.10.2003 - 2 StR 300/03
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 300/03
vom
15.10.2003
in der Strafsache
gegen
und andere
wegen Mordes u.a.
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Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 15.
Oktober
2003, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Bode
als Vorsitzender,
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. h.c. Detter,
Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Otten,
Richter am Bundesgerichtshof
Rothfuß und
Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt in der Verhandlung,
Staatsanwältin bei der Verkündung
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als amtlich bestellter Vertreter des Nebenklägervertreters
für die Nebenklägerin ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
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Auf die Revision der Nebenklägerin N. wird das Urteil
des Landgerichts Köln vom 24. Februar 2003, soweit es die
Angeklagte S. betrifft, mit den Feststellungen - mit Ausnahme
derer zum äußeren Tatgeschehen - aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an
eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts
zurückverwiesen.
Die weitergehende Revision wird verworfen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen Anstiftung zum Totschlag
und zum Führen einer halbautomatischen Selbstladekurzwaffe zu
einer Freiheitsstrafe
von zehn Jahren verurteilt.
Die Revision der Nebenklägerin N. richtet sich mit der
Sachrüge dagegen, daß keine Verurteilung wegen
Mordes in Mittäterschaft,
zumindest aber wegen Anstiftung zum Mord erfolgt ist. Das Rechtsmittel
hat
weitgehend Erfolg; lediglich die Feststellungen zum
äußeren Tatgeschehen
bleiben aufrechterhalten.
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Nach den Feststellungen des Landgerichts hatte die verheiratete
Angeklagte
S. mit dem späteren Tatopfer N. ein intimes
Verhältnis, das sie im Hinblick
auf eine neue Beziehung zum Mitangeklagten K. beendete. Da N. dies
nicht hinnehmen wollte, kamen die beiden Angeklagten überein,
daß K. den N.
erschießen solle, wenn dieser die Angeklagte S. nicht
freigebe. Am 28. Juli
2002 trafen sich N. und die beiden Angeklagten zu einer Aussprache, bei
der
K., was S. wußte, einen Revolver versteckt mit sich
führte. Die drei hatten - im
Auto des N. sitzend (N. am Steuer, die Angeklagte S. auf dem
Beifahrersitz und
K. hinter dem Fahrer) - ein längeres Streitgespräch.
Als N. den K. aufforderte,
das Fahrzeug zu verlassen, zog dieser den mitgeführten
Revolver heraus und
schoß dem N. in den Hinterkopf, wobei er dessen Arg- und
Wehrlosigkeit bewußt
ausnutzte. Das Opfer starb - wie beabsichtigt - an den Folgen des
Kopfschusses.
Das Landgericht hat den Mitangeklagten K. wegen Mordes (in Tateinheit
mit Führen einer halbautomatischen Selbstladekurzwaffe, mit
Ausübung der
tatsächlichen Gewalt über halbautomatische
Selbstladekurzwaffen und mit
Ausübung der tatsächlichen Gewalt über
Schußwaffen) zu einer lebenslangen
Freiheitsstrafe verurteilt.
Hinsichtlich der Angeklagten S. hat die Strafkammer die Annahme von
Mittäterschaft verneint und auch eine Verurteilung wegen
Anstiftung zum Mord
abgelehnt.
Beides begegnet rechtlichen Bedenken.
1. Die Verneinung von Mittäterschaft der Angeklagten S.
hält rechtlicher
Nachprüfung nicht stand.
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Der Tatrichter hat zwar die Abgrenzung von Täterschaft und
Teilnahme
erörtert (vgl. hierzu auch Senatsurteil vom 16. Juli 2003 - 2
StR 68/03). Seine
wertende Betrachtung beruht jedoch auf einem zu engen
Verständnis der Beurteilungsgrundlage.
Auch wird seine Annahme, die Angeklagte S. habe die
Tat nicht als eigene gewollt, sie habe keinen eigenständigen
Tatbeitrag geleistet
und keine Herrschaft über die konkrete Tatausführung
gehabt, von den
getroffenen Feststellungen nicht getragen.
Im Rahmen der erforderlichen Gesamtbewertung durfte das Landgericht
bei der rechtlichen Einordnung der Tatbeiträge der Angeklagten
S. nicht ausschließlich
auf die Ausführung der eigentlichen Tötungshandlung
und den
Handlungsantrieb in dieser konkreten Situation abstellen (vgl. BGH NStZ
1996,
434, 435).
Mittäterschaft (§ 25 Abs. 2 StGB) erfordert - auf der
Grundlage gemeinsamen
Wollens - einen die Tatbestandserfüllung fördernden
Beitrag, der sich
auf eine Vorbereitungs- oder Unterstützungshandlung
beschränken oder in
einer geistigen Mitwirkung liegen kann. Gemeinschaftliche Begehung der
Tat
setzt also nicht voraus, daß jeder Mittäter selbst
ein gesetzliches Tatbestandsmerkmal
verwirklicht hat. Hat ein Beteiligter einen wesentlichen Beitrag
geleistet,
so ist er als Mittäter anzusehen, wenn er die Tat als eigene
wollte. Das bedeutet
eine Einstellung des Mitwirkenden, die seinen Tatbeitrag nicht als
bloße
Förderung fremden Tuns erscheinen läßt,
sondern als Teil der Tätigkeit aller.
Ob er ein so enges Verhältnis zur Tat hat, ist nach den
gesamten Umständen,
die von seiner Vorstellung umfaßt sind, in wertender
Betrachtung zu beurteilen.
Bedeutsame Anhaltspunkte für eine Beteiligung als
Mittäter können sein der
Grad des eigenen Interesses am Erfolg, der Umfang der Tatbeteiligung
und die
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Tatherrschaft oder wenigstens der Wille zur Tatherrschaft. Diesen
Kriterien
wird das angefochtene Urteil nicht gerecht.
Nach den Feststellungen des Landgerichts brachte die Angeklagte S.
den K. dazu, daß man sich darüber einig wurde,
daß K. den N. erschießen
sollte. Hieran hatte die S. ein starkes eigenes Interesse, da sie sich
durch N.
erheblich belästigt fühlte. Die Angeklagte S. ging
auch auf den Vorschlag des
N. ein, sich zu treffen, um - je nach Ausgang des Gesprächs -
dem K. zu ermöglichen,
den N. zu erschießen. Danach ist die Annahme des Landgerichts,
die Angeklagte S. habe die Tötung des N. nicht als eigene Tat
gewollt, nicht
nachzuvollziehen. Die Angeklagte S. hatte im übrigen auch
insoweit Tatherrschaft,
als sie die Tötung durch den Mitangeklagten K. unschwer
hätte verhindern
können. Auf die Eigenhändigkeit bei der Tatbegehung
selbst, auf die der
Tatrichter entscheidend abstellt, kommt es nicht ausschlaggebend an.
Daß sie vom konkreten Geschehensablauf "unwiderlegbar"
überrascht
und erschreckt war, wie das Landgericht meint, versteht sich - wenn man
dem
Bedeutung beimessen will - ebenfalls nicht von selbst. Diese Einlassung
der
Angeklagten war nicht ohne weiteres als glaubhaft zugrundezulegen, da
sie
wußte, daß K. die Schußwaffe zum
Töten des N. dabei hatte und die Bedingung
hierfür (nicht Freigeben der Angeklagten S. durch N.)
eingetreten war.
2. Die Verneinung einer Anstiftung zum Mord weist ebenfalls Rechtsfehler
auf.
Das Landgericht hat eine Verurteilung wegen Anstiftung zum Mord
abgelehnt,
weil der Angeklagten S. nicht nachzuweisen sei, daß die
konkrete Begehungsweise
der Tötung des N. abgesprochen gewesen sei. Die Angeklagte
S. habe sich vielmehr unwiderlegbar und glaubhaft dahingehend
eingelassen,
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daß sie von dem Knall erschreckt war und konkret mit dieser
Art und Weise der
Tatbegehung in diesem Moment nicht gerechnet habe.
Der Tatrichter hat rechtsfehlerhaft nicht erörtert, ob die
Angeklagte S.
die Möglichkeit einer heimtückischen Tatbegehung
durch K. vorhergesehen
und billigend in Kauf genommen hat (vgl. dazu Senatsurteil vom 16. Juli
2003 -
2 StR 68/03; BGH NStZ 1996, 434, 435). Der Anstiftervorsatz
muß die fremde
Haupttat nicht in allen Einzelheiten, sondern nur in ihren
Hauptmerkmalen erfassen.
In diesem Zusammenhang hätte der Tatrichter darauf eingehen
müssen,
daß der Mitangeklagte K. mit Wissen und Wollen der
Angeklagten S. versteckt
einen Revolver mit sich führte, um gegebenenfalls den N. zu
erschießen.
Die getroffenen Feststellungen legen nahe, daß auch die
Angeklagte S. sich
bewußt war, daß N. grundsätzlich
ahnungslos war. Daß die Angeklagte S. zum
Zeitpunkt der Schußabgabe "konkret mit dieser Art und Weise
der Tatbegehung
in diesem Moment nicht gerechnet hatte" (UA S. 56) - wobei die
Strafkammer
ohnehin nach den getroffenen Feststellungen die Einlassung der
Angeklagten
nicht ohne nähere Begründung als unwiderlegbar und
glaubhaft ansehen
durfte - schließt keinesfalls aus, daß sie die -
eher naheliegende - Möglichkeit
einer heimtückischen Tatbegehung durch K. vorhergesehen und
billigend
in Kauf genommen hat. Daß sie vom Knall erschreckt war,
besagt ebenfalls
nichts über ihre Vorstellung zur Tatausführung.
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Durch die aufgezeigten Rechtsfehler werden die Feststellungen zum
äußeren Tatgeschehen nicht berührt und
können daher bestehen bleiben.
Bode Detter Otten
Rothfuß Roggenbuck |