BGH,
Urt. v. 16.8.2005 - 4 StR 168/05
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 168/05
vom
16.08.2005
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Mordes u.a.
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Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 16.
August
2005, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Tepperwien,
Richter am Bundesgerichtshof
Maatz,
Prof. Dr. Kuckein,
Richterinnen am Bundesgerichtshof
Solin-Stojanovi,
Sost-Scheible
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwältin
für die Nebenklägerin ,
Rechtsanwalt
für den Nebenkläger ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
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1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil
des Landgerichts Düsseldorf vom 30. Juli 2004 im
Schuldspruch dahin berichtigt, dass der Angeklagte des
versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher
Körperverletzung,
jeweils in sieben tateinheitlich zusammentreffenden
Fällen, sowie in weiterer Tateinheit mit gefährlichem
Eingriff in den Straßenverkehr schuldig ist.
2. Die weiter gehende Revision der Staatsanwaltschaft und
die Revision des Angeklagten gegen das vorbezeichnete
Urteil werden verworfen.
3. Die Kosten der Revision der Staatsanwaltschaft und die
dem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen
Auslagen trägt die Staatskasse. Der Angeklagte hat die
Kosten seines Rechtsmittels und die den Nebenklägern
insoweit entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Mordes in
Tateinheit
mit gefährlicher Körperverletzung (richtig: jeweils
in sieben tateinheitlich
zusammentreffenden Fällen) und mit gefährlichem
Eingriff in den Straßenverkehr
zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Es hat ihm ferner
die
Fahrerlaubnis entzogen, seinen Führerschein eingezogen und
eine Sperrfrist
für die Neuerteilung der Fahrerlaubnis von fünf
Jahren bestimmt. Gegen dieses
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Urteil richten sich die Revisionen des Angeklagten und der
Staatsanwaltschaft,
mit denen die Verletzung materiellen Rechts gerügt wird. Der
Angeklagte wendet
sich mit seinem Rechtsmittel im Wesentlichen gegen die
Beweiswürdigung
des Landgerichts zur subjektiven Tatseite. Die Staatsanwaltschaft macht
mit
ihrer zu Ungunsten des Angeklagten eingelegten und vom
Generalbundesanwalt
vertretenen Revision in erster Linie geltend, das Landgericht sei zu
Unrecht
vom Vorliegen lediglich eines einzigen Mordmerkmals ausgegangen und
habe das Geschehen rechtsfehlerhaft als natürliche
Handlungseinheit gewertet.
I.
1. Nach den Feststellungen hielt sich der zur Tatzeit 63 Jahre alte
Angeklagte
am Vormittag des 21. Juni 2003 ab etwa 9 Uhr in dem von ihm und
seiner Lebensgefährtin betriebenen Lokal "F. " in der S.
straße in
D. auf. Er hatte in der vorangegangenen Nacht nur ca. vier Stunden
geschlafen und war bereits um 6.30 Uhr aufgestanden. Er war
müde und fühlte
sich durch den am Vortag genossenen Alkohol immer noch stark
beeinträchtigt.
Gleichwohl nahm er im Verlauf des Vormittags bis kurz vor Begehung der
Tat
weitere alkoholische Getränke zu sich. Wegen seines
übermäßigen Alkoholkonsums
und seines ungepflegten Aussehens kam es am späteren Vormittag
zu einer Auseinandersetzung mit seiner Lebensgefährtin, die
ihm deswegen
Vorwürfe machte und drohte, ihn noch am selben Abend zu
verlassen.
Gegen 14.15 Uhr verließ der Angeklagte das Lokal mit dem
Bemerken,
seinen Pkw, einen Chevrolet Camaro, in die Garage fahren zu wollen,
obwohl
seine Lebensgefährtin ihn gebeten hatte, dies wegen seiner
Alkoholisierung zu
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unterlassen. Er wies zu diesem Zeitpunkt eine Blutalkoholkonzentration
von
2,22 ‰ auf. Kurz danach bestieg er sein Fahrzeug, das vor
dem Lokal am
Fahrbahnrand der S. straße in Richtung der quer zur S.
straße
verlaufenden N. straße, einer belebten
Einkaufsstraße, geparkt war. Er startete
den Motor, ließ ihn mehrfach aufheulen und lenkte das
Fahrzeug sodann
in einer etwa S-förmig verlaufenden, insgesamt 86 m langen
Wegstrecke zunächst
nach links über die S. straße hinweg auf den
gegenüberliegenden
Gehweg in den dortigen Terrassenbereich des Eiscafés "D. ".
Ohne anzuhalten
fuhr er, ein Bankgebäude passierend, auf dem Gehweg weiter,
überquerte
kurz vor Erreichen der N. straße erneut die S.
straße und steuerte
das Fahrzeug auf den gegenüberliegenden Gehweg in die
Außenterrasse
des Café "Fl. ". Diese durchfuhr er über eine
Strecke von ca. 10 m. Anschließend
überquerte er die N. straße und kam nach weiteren 20
m zum
Stehen.
Der Angeklagte fuhr "zügig" mit etwa gleich bleibender
Geschwindigkeit
von max. 34 bis 37 km/h. Die Außenterrassen der beiden
Cafés waren zu dieser
Zeit voll besetzt, auf den Gehwegen herrschte
Fußgängerverkehr. Während
der Fahrt kollidierte das Fahrzeug des Angeklagte mit mehreren
Gegenständen,
unter anderem mit Mobiliar des Eiscafés "D. ". Ein
68-jähriger
Gast dieses Cafés wurde durch aufgeschleudertes Mobiliar
getroffen und verletzt.
Auf der Terrasse des Cafés "Fl. " wurden zunächst
vier erwachsene
Personen und die 7-jährige Nebenklägerin Johanna B.
vom Fahrzeug des
Angeklagten erfasst oder gestreift und hierdurch verletzt.
Schließlich erfasste
der Angeklagte mit dem Fahrzeug den an einem Tisch sitzenden
29-jährigen
Nebenkläger E. , der unter das Fahrzeug gezogen und bis zu
dessen Stillstand
20 m mitgeschleift wurde. Der Nebenkläger wurde
lebensgefährlich ver-
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letzt. Drei weitere Personen konnten dem Fahrzeug des Angeklagten durch
einen rechtzeitigen Sprung zur Seite ausweichen. Bezüglich
dieser drei und
weiterer Geschädigter hat die Staatsanwaltschaft das Verfahren
nach § 154 a
Abs. 1 StPO beschränkt. Der Angeklagte, der sich aufgrund
seines beruflichen
Misserfolgs, seiner Alkoholerkrankung, seines erheblichen
Schlafdefizits und
des Konflikts mit seiner Lebensgefährtin in einer
"Lebenskrise" befand, lenkte
sein Fahrzeug "zur Entladung eines spontanen Aggressionsstaus, der durch
eine alkoholbedingte erheblich verminderte Steuerungsfähigkeit
begünstigt
war", gezielt in die Menschenmengen auf den Caféterrassen.
Die Tötung und
Verletzung von Menschen nahm er dabei zumindest billigend in Kauf.
2. Von diesen Feststellungen ausgehend hat das Landgericht den
Angeklagten
des versuchten Mordes (§ 211, 22, 23 StGB) in Tateinheit mit
gefährlicher Körperverletzung (§ 224 Abs. 1
Nr. 2 und 5 StGB) in jeweils sieben
tateinheitlich zusammentreffenden Fällen sowie in weiterer
Tateinheit mit
gefährlichem Eingriff in den Straßenverkehr
(§ 315 b Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3,
§ 315 Abs. 3 Nr. 1 a StGB) für schuldig befunden.
Soweit es den Angeklagten
wegen versuchten Mordes verurteilt hat, hat es die Voraussetzungen des
Mordmerkmals des Handelns "mit gemeingefährlichen Mitteln"
bejaht; das
Mordmerkmal der "Heimtücke" hat es weder objektiv noch
subjektiv als
verwirklicht angesehen. Das Vorgehen des Angeklagten hat es insgesamt
als
einzige Tat im Rechtssinne bewertet, da der Angeklagte aufgrund eines
einheitlichen Tatentschlusses, innerhalb weniger Sekunden gehandelt habe
und die Taten nicht gegen individuell ausgewählte Tatopfer
gerichtet gewesen
seien.
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II.
1. Revision des Angeklagten
Der Revision des Angeklagten bleibt der Erfolg versagt.
a) Es ist sachlich-rechtlich nicht zu beanstanden, dass der Angeklagte
wegen versuchten Mordes mit gemeingefährlichen Mitteln
verurteilt worden ist.
Das Mordmerkmal der Tötung mit gemeingefährlichen
Mitteln ist erfüllt,
wenn der Täter ein Mittel zur Tötung einsetzt, das in
der konkreten Tatsituation
eine Mehrzahl von Menschen an Leib und Leben gefährden kann,
weil er die
Ausdehnung der Gefahr nicht in seiner Gewalt hat (BGHSt 38, 353, 354
m.w.N.). Die Qualifikation hat ihren Grund in der besonderen
Rücksichtslosigkeit
des Täters, der sein Ziel durch die Schaffung unberechenbarer
Gefahren
für andere durchzusetzen sucht (BGHSt 34, 13, 14). Dabei ist
nicht allein auf
die abstrakte Gefährlichkeit eines Mittels abzustellen,
sondern auf seine Eignung
und Wirkung in der konkreten Situation unter Berücksichtigung
der persönlichen
Fähigkeiten und Absichten des Täters (vgl. BGHSt 38,
353, 354;
Jähnke in LK 11. Aufl. § 211 Rdn. 57). Die
Mordqualifikation kann deshalb
auch dann erfüllt sein, wenn ein Tötungsmittel
eingesetzt wird, das seiner Natur
nach, wie hier, nicht gemeingefährlich ist.
Maßgeblich ist dann jedoch die
Eignung des Mittels zur Gefährdung Dritter in der konkreten
Situation (vgl. zum
Steinwurf in dichtem Verkehr BGH VRS 63, 119; Jähnke aaO;
Schneider in
MünchKomm StGB § 211 Rdn. 104; a.A. Horn in SK StGB
§ 211 Rdn. 50).
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Diese an das Mordmerkmal "mit gemeingefährlichen Mitteln" zu
stellenden
Anforderungen sind nach den getroffenen Feststellungen hier
erfüllt. Welche
und wie viele Personen durch das mit zügigem Tempo durch die
Caféterrassen
und über Gehwege gelenkte Fahrzeug gefährdet,
verletzt und getötet
werden konnten, war für den Angeklagten nicht berechenbar. Er
beherrschte
den Umfang der Gefährdung nicht. Vielmehr hatte er durch seine
unkontrollierte
und deshalb für Dritte unberechenbare Fahrt durch
Menschenansammlungen
hindurch "in besonderer Rücksichtslosigkeit" (BGHSt 38, 353,
354; BGH
NJW 1985, 1477, 1478) eine Gefahr für eine unbestimmte
Vielzahl von Personen
geschaffen. Er hatte es nicht in der Hand, wie viele Menschen als
Repräsentanten
der Allgemeinheit (Rengier StV 1986, 405, 407) in den von ihm
geschaffenen
Gefahrenbereich geraten und durch sein Verhalten gefährdet
werden
konnten.
Der Fall einer von dem Mordmerkmal tatbestandlich nicht erfassten
versuchten
"schlichten" Mehrfachtötung liegt hier nicht vor, weil sich
die Tat des
Angeklagten nicht gegen eine Mehrzahl von ihm individualisierter Opfer
richtete
(vgl. Schneider in MünchKomm aaO Rdn. 103; Rengier aaO S. 406).
b) Auch im übrigen weist die Revision aus den zutreffenden
Gründen der
Antragsschrift des Generalbundesanwalts keinen Rechtsfehler zum Nachteil
des Angeklagten auf.
2. Revision der Staatsanwaltschaft
Das Urteil weist auch keinen Rechtsfehler zum Vorteil des Angeklagten
auf.
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a) Die Verneinung des Mordmerkmals der Heimtücke begegnet
jedenfalls
im Ergebnis keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
aa) Allerdings ist die rechtliche Bewertung des Landgerichts zur
objektiven
Seite des Mordmerkmals rechtsfehlerhaft. Die Begründung, die
Tatopfer
seien nicht arglos gewesen, da sie sich der Gefahrensituation bewusst
gewesen
seien und versucht hätten, ihr zu entkommen, zeigt, dass das
Landgericht
einen zu engen Maßstab an die objektiven Voraussetzungen der
Heimtücke
angelegt hat. Diese können nämlich selbst dann
erfüllt sein, wenn die Opfer
den Angeklagten jeweils kurz vor der Kollision bemerkt und mit einer
Fahrzeugattacke
gerechnet haben sollten. Dies schließt die Arglosigkeit eines
Opfers
nicht von vornherein aus.
Heimtückisch handelt, wer in feindlicher Willensrichtung die
Arg- und
Wehrlosigkeit des Opfers bewusst zur Tötung ausnutzt.
Wesentlich ist, dass
der Täter sein Opfer, das keinen Angriff erwartet, also arglos
ist, in einer hilflosen
Lage überrascht und dadurch daran hindert, dem Anschlag auf
sein Leben
zu begegnen oder ihn wenigstens zu erschweren (vgl. BGHSt 39, 353, 368;
BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 2 m.w.N.). Das Opfer
muss gerade aufgrund
seiner Arglosigkeit wehrlos sein (BGHSt 32, 382, 384). Allerdings kann
das Opfer auch dann arglos sein, wenn der Täter ihm offen
feindselig entgegentritt,
die Zeitspanne zwischen dem Erkennen der Gefahr und dem unmittelbaren
Angriff aber so kurz ist, dass keine Möglichkeit bleibt, dem
Angriff irgendwie
zu begegnen (BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 3 und
15).
So liegt der Fall hier. Das Landgericht hat festgestellt, dass den
Tatopfern
trotz des Erkennens der Gefahr wegen der Unberechenbarkeit der Fahr-
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weise des Angeklagten gerade keine Möglichkeit mehr blieb, der
Fahrzeugattacke
auszuweichen.
bb) Hingegen hält die Verneinung der subjektiven Seite des
Mordmerkmals
der rechtlichen Überprüfung stand.
Die sehr knapp gehaltene Begründung des Landgerichts
lässt unter Heranziehung
des Gesamtzusammenhangs der Urteilsgründe nicht besorgen,
dass hinsichtlich der subjektiven Erfordernisse heimtückischer
Begehungsweise
wesentliche Umstände nicht berücksichtigt worden sind.
Das Ausnutzungsbewusstsein setzt voraus, dass der Täter die
äußeren
Umstände der Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers wahrgenommen
und sie bewusst
zur Tatbegehung instrumentalisiert hat (st. Rspr., vgl. die
Zusammenfassung
bei Schneider in MünchKomm StGB § 211 Rdn. 140 m.N.).
Dabei kann
Spontanität des Tatentschlusses im Zusammenhang mit der
Vorgeschichte und
dem psychischen Zustand des Täters ein Beweisanzeichen
dafür sein, dass
ihm das Ausnutzungsbewusstsein fehlte (vgl. BGH NJW 1983, 2456; BGHR
StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 26). Andererseits hindert
nicht jede affektive Erregung
oder heftige Gemütsbewegung einen Täter daran, die
Bedeutung der
Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers für die Tat zu erkennen
(vgl. BGH StV
1981, 523, 524; BGH NStZ-RR 2000, 166, 167; BGH, Urteil vom 25. November
2004 - 5 StR 401/04).
Diesen Grundsätzen werden die Urteilsgründe noch
gerecht. Das Landgericht
hat nicht festzustellen vermocht, dass sich der Angeklagte bereits vor
oder bei Verlassen des Lokals mit dem Gedanken zur Tatbegehung trug,
son-
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dern es geht rechtsfehlerfrei davon aus, dass er diesen Entschluss
spontan
erst bei Fahrtantritt fasste. Ein Motiv für die Tat ist nicht
erkennbar geworden.
Das sachverständig beratene Schwurgericht ist vor diesem
Hintergrund unter
Berücksichtigung der festgestellten "Lebenskrise" des
Angeklagten infolge seines
beruflichen Misserfolgs, seiner Alkoholerkrankung und seines Konflikts
mit
seiner Lebens- und Geschäftspartnerin, sowie seiner die
Steuerungsfähigkeit
erheblich einschränkenden Alkoholisierung zur Tatzeit und
seines Schlafdefizits
rechtsfehlerfrei zu dem Ergebnis gelangt, der Angeklagte habe zur
Entladung
eines "spontanen Aggressionsstaus" gehandelt. In Anbetracht dieser
Umstände ist der Schluss, der Angeklagte habe sich infolge
dieser heftigen
Gefühlsaufwallung und seiner Enthemmung nicht
ausschließbar keine weiteren
Gedanken über die Vorstellung der Opfer gemacht, jedenfalls
möglich und
deshalb aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
b) Dass das Schwurgericht das Mordmerkmal der niedrigen
Beweggründe
unerörtert gelassen hat, unterliegt ebenfalls keinen
durchgreifenden Bedenken.
Zwar kann ein Mord aus niedrigen Beweggründen vorliegen, wenn
der
Täter einen anderen Menschen zum Objekt seiner Wut und
Gereiztheit macht,
an deren Entstehung der andere nicht den geringsten Anteil hat (BGH NStZ
1981, 100, 101). Auch ist das Mordmerkmal regelmäßig
dann erfüllt, wenn der
Täter in dem Bewusstsein handelt, keinen Grund für
eine Tötung zu haben
oder zu brauchen, oder er bewusst seine frustrationsbedingten
Aggressionen
an einem unbeteiligten Opfer abreagiert (BGHSt 47, 128). In Anbetracht
der
dargelegten Feststellungen zur psychischen Verfassung des Angeklagten
zur
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Tatzeit liegt auf der Hand, dass das Mordmerkmal der niedrigen
Beweggründe
jedenfalls aus subjektiven Gründen ebenfalls ausschied.
c) Es ist schließlich sachlich-rechtlich auch nicht zu
beanstanden, dass
das Landgericht das Vorgehen des Angeklagten als einzige Tat im
Rechtssinne
bewertet hat. Nach der Rechtsprechung kann eine natürliche
Handlungseinheit
ausnahmsweise auch dann vorliegen, wenn es um die
Beeinträchtigung
höchstpersönlicher Rechtsgüter verschiedener
Personen geht. Die Annahme
einer natürlichen Handlungseinheit ist in derartigen
Fällen dann gerechtfertigt,
wenn eine Aufspaltung in Einzeltaten wegen eines
außergewöhnlich engen
zeitlichen und situativen Zusammenhangs willkürlich erschiene
(BGH NStZ-RR
2001, 82 m.w.N.).
Ein solcher Ausnahmefall liegt hier vor. Der Angeklagte griff zwar
während
seiner Fahrt nacheinander Menschen an. Die Feststellungen belegen jedoch
entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts nicht, dass der
Angeklagte
seine Opfer als bestimmte Zielobjekte aus einer Menge heraus erfasste
und sie in ihrer Individualität vernichten wollte. Sein
Angriff richtete sich vielmehr
von vornherein gegen eine nicht individualisierte Personenmehrheit und
der Kreis der Opfer war zufällig (vgl. BGH NJW 1985, 1565;
BGHR StGB vor
§ 1/natürliche Handlungseinheit, Entschluß,
einheitlicher 9). Hinzu kommt, dass
der Angeklagte nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen
aufgrund
eines einheitlichen Tatentschlusses handelte und die Angriffe sich in
einem
äußerst engen zeitlichen Zusammenhang von nur
wenigen Sekunden im Rahmen
einer ununterbrochenen Fahrt ereigneten. Die Aufspaltung in Einzeltaten
wäre in diesem Fall gekünstelt.
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d) Auch der Strafausspruch ist aus Rechtsgründen nicht zu
beanstanden.
Der Senat kann insbesondere ausschließen, dass das
Landgericht dem
erst am Ende der Beweisaufnahme abgelegten Geständnis des
Angeklagten
bei Bemessung der Strafe ein zu großes Gewicht beigemessen
hat, da sich die
Urteilsgründe ausführlich mit dem
Einlassungsverhalten des Angeklagten befassen.
Auch liegt die sehr milde Freiheitsstrafe von sechs Jahren noch
innerhalb
des dem Tatrichter bei der Strafzumessung eingeräumten
Beurteilungsspielraums
(st. Rspr., vgl. BGHSt 34, 345, 349) und löst sich nach unten
noch
nicht von ihrer Bestimmung, gerechter Schuldausgleich zu sein.
e) Die Revision der Staatsanwaltschaft führt jedoch zu einer
Ergänzung
des Schuldspruchs, um die bei dem Mordversuch und der
gefährlichen Körperverletzung
vorliegende gleichartige Tateinheit auch im Urteilsspruch kenntlich
zu machen (vgl. Meyer-Goßner/Appl, Die Urteile in
Strafsachen, 27. Aufl.
Rdn. 56). Hierdurch wird die Übersichtlichkeit des Tenors
nicht in Frage gestellt.
Tepperwien Maatz Kuckein
Solin-Stojanovi Sost-Scheible
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: nein
Veröffentlichung: ja
StGB § 211 Abs. 2
- 14 -
Zum Mordmerkmal "mit gemeingefährlichen Mitteln" beim Einsatz
eines Kraftfahrzeugs
als Tatwerkzeug.
BGH, Urteil vom 16.08.2005 - 4 StR 168/05 - LG Düsseldorf |