BGH,
Urt. v. 16.11.2006 - 3 StR 204/06
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 204/06
vom
16.11.2006
in der Strafsache
gegen
wegen Betruges
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Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung
vom 26. Oktober 2006 in der Sitzung am 16. November 2006, an denen
teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Tolksdorf,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Miebach,
Winkler,
von Lienen,
Becker
als beisitzende Richter,
Richter am Landgericht
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin
als Verteidigerin in der Verhandlung vom 26. Oktober 2006,
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
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1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des
Landgerichts Duisburg vom 30. August 2005 wird
a) das Verfahren in den Fällen 37 bis 41 der
Urteilsgründe eingestellt; im Umfang der Einstellung fallen
die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten
der Staatskasse zur Last,
b) das vorgenannte Urteil im Schuldspruch dahin geändert, dass
der Angeklagte des gewerbs- und bandenmäßigen
Betruges in 36 Fällen schuldig ist.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
3. Die Staatskasse hat die verbleibenden Kosten des Rechtsmittels und
die dem Angeklagten dadurch erwachsenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betruges in 41
Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zehn
Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung
ausgesetzt. Mit ihrer zum Nachteil des Angeklagten eingelegten, mit der
Rüge der Verletzung sachlichen Rechts begründeten
Revision erstrebt die Staatsanwaltschaft eine Verurteilung des
Angeklagten wegen gewerbs- und bandenmäßigen
Betruges (§ 263 Abs. 5 StGB) und beanstandet im
Übrigen die Strafzumessung.
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Auf Antrag des Generalbundesanwalts stellt der Senat das Verfahren
gemäß § 154 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 StPO ein,
soweit der Angeklagte in den Fällen 37 bis 41 der
Urteilsgründe wegen Betruges verurteilt worden ist. Im
verbleibenden Umfang führt das Rechtsmittel zu der beantragten
Änderung des Schuldspruchs. Im Übrigen hat es keinen
Erfolg.
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I. Nach den Feststellungen bezog der Angeklagte - ein
kassenärztlich zugelassener Zahnarzt - für seine
Praxis von der Firma G. Dentalhandelsgesellschaft mbH (im Folgenden:
Firma G. ) Zahnersatz. Für die Geschäftsbeziehung
galt ein Rabattsystem, das er mit den Verantwortlichen dieser Firma -
den bereits rechtskräftig abgeurteilten Zeugen T. M. , O. M.
und B. - über deren Außendienstmitarbeiter K.
vereinbart hatte. Danach hatte der Angeklagte die Rechnungen der Firma
G. , welche die vereinbarten Rabatte nicht auswiesen, in voller
Höhe zu bezahlen, erhielt aber nachträglich
umsatzbezogene monatliche Rückvergütungen
("kickbacks") in Höhe von 30 % bzw. 25 % der
Nettobeträge (Fälle II. 1 - 34 der
Urteilsgründe) oder sollte sie
absprachegemäß erhalten.
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Am Ende jeden Monats oder Anfang des Folgemonats ließ der
Angeklagte von seinen Angestellten die Behandlungskosten mit der
zuständigen Kassenzahnärztlichen Vereinigung
Nordrhein und/oder - soweit es Eigenanteile oder Privatleistungen
betraf - mit den Patienten abrechnen und die Rechnungen der
Dentalhandelsgesellschaft zur Erstattung vorlegen. Dabei verschwieg er
die mit den Verantwortlichen der Firma G. vereinbarten
Rückvergütungen. Die Sachbearbeiter der
Kassenzahnärztlichen Vereinigung und die Patienten, welche die
Rechnungen beglichen, gingen irrtümlich davon aus, dass der
Angeklagte die in den Rechnungen angegebenen Preise für den
Zahnersatz tat-
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sächlich verauslagt hatte und er deshalb Erstattung verlangen
konnte. Sie bezahlten daher die geforderten Beträge. Der
Angeklagte wollte sich damit eine dauernde zusätzliche
Einnahmequelle von erheblichem Umfang verschaffen.
In den 41 Monaten von Juni 1999 bis Oktober 2002 betrugen die
vereinbarten Rückvergütungen nach Abzug von 6 %
für ein dem Angeklagten eingeräumtes Zahlungsziel
monatlich zwischen 1.130 € und 9.995 €. Unter
Berücksichtigung von Forderungsausfällen
ließ sich der Angeklagte insgesamt mindestens ca. 176.398
€ erstatten, auf die er keinen Anspruch hatte. Für
die Abrechnungsmonate April 1999 bis März 2002 wurden dem
Angeklagten der "kick-back" in bar ausbezahlt. In den weiteren Monaten
kam es zu keinen Auszahlungen mehr, weil der Angeklagte mit seinen
Zahlungsverpflichtungen in Verzug geraten war.
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II. Das Landgericht ist davon ausgegangen, der Angeklagte habe
gewerbsmäßig, aber nicht als Mitglied einer Bande
gehandelt. Zwar hätten die Zeugen T. M. , O. M. und B. als die
Verantwortlichen der Firma G. und möglicherweise auch deren
Außendienstmitarbeiter K. eine Bande zur fortgesetzten
Begehung von Betrugsstraftaten gegründet. Der Angeklagte sei
jedoch nicht Mitglied dieser Bande gewesen, weil er
Geschäftspartner der Firma G. gewesen sei und deshalb nicht im
Lager der Bandenmitglieder gestanden habe.
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III. Die Verurteilung des Angeklagten wegen Betruges in allen
Fällen (vgl. BGH NStZ 2004, 568, 569) jeweils unter Annahme
des Regelbeispiels der gewerbsmäßigen Begehung
(§ 263 Abs. 3 Nr. 1 StGB) lässt keinen Rechtsfehler
erkennen. Entgegen der Meinung des Landgerichts hat der Angeklagte die
Betrugsstraftaten indes auch bandenmäßig begangen,
so dass er sich in 36 Fällen
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wegen gewerbs- und bandenmäßigen Betruges
(§ 263 Abs. 5 StGB) strafbar gemacht hat.
1. Der Begriff der Bande setzt den Zusammenschluss von mindestens drei
Personen voraus, die sich mit dem Willen verbunden haben,
künftig für eine gewisse Dauer mehrere
selbständige, im Einzelnen noch ungewisse Straftaten des im
Gesetz genannten Deliktstyps zu begehen. Danach unterscheidet sich die
Bande von der Mittäterschaft durch das Element der auf eine
gewisse Dauer angelegten Verbindung zu zukünftiger gemeinsamer
Deliktsbegehung. Ein "gefestigter Bandenwille" oder ein
"Tätigwerden in einem übergeordneten Bandeninteresse"
ist nicht erforderlich. Es steht der Annahme einer Bande deshalb nicht
entgegen, wenn ihre Mitglieder bei der Tatbegehung ihre eigenen
Interessen an einer risikolosen und effektiven Tatausführung
sowie Beute- und Gewinnerzielung verfolgen (vgl. BGHSt 46, 321, 325
ff., 329, 330).
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2. Auf der Grundlage der von der Strafkammer rechtsfehlerfrei
getroffenen Feststellungen haben sich der Angeklagte, die bereits
rechtskräftig abgeurteilten Zeugen T. M. , O. M. und B. sowie
der Außendienstmitarbeiter K. zu
bandenmäßiger Begehung der Betrugstaten
zusammengeschlossen.
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Nach den Abreden, die er vor Beginn der Tatserie mit den
Verantwortlichen der Firma G. getroffenen hatte, sollte der Angeklagte
für eine gewisse Dauer und in einer Vielzahl im Einzelnen noch
unbestimmter selbständiger Fälle unter Vorlage der
Rechnungen der Dentalhandelsgesellschaft, die das vereinbarte
"kickback" nicht auswiesen, als Täter Betrugstaten zum
Nachteil der Kassenzahnärztlichen Vereinigung und von
Patienten begehen. An diesen sollten sich die rechtskräftig
abgeurteilten Zeugen sowie der Außendienstmitarbei-
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ter K. durch Erstellung und Übergabe der um die
Rückvergütungen überhöhten
Rechnungen beteiligen. Ob sich diese Beteiligung rechtlich als
Mittäterschaft oder Beihilfe darstellt, ist für die
Frage der bandenmäßigen Begehung ohne Belang. Es
liegt nahe, zumindest die Zeugen T. M. , O. M. und B. als
Mittäter einzuordnen. Dafür spricht schon, dass die
Idee und die Initiative zu den Betrugstaten von ihnen ausging und
für diese ihre Tatbeiträge zwingend erforderlich
waren. Außerdem hatten sie ein erhebliches eigenes Interesse
am Taterfolg, weil sie durch das auf Betrug aufgebaute Rabattsystem den
Angeklagten als Kunden an sich binden und dadurch ihren eigenen Gewinn
steigern konnten. Aber selbst wenn man die Verantwortlichen der Firma
G. nicht als Mittäter ansehen, sondern ihre Beteiligung als
die eines Gehilfen einordnen wollte, stünde dies der Annahme
einer Bande nicht entgegen (vgl. BGHSt 47, 214).
Soweit das Landgericht meint, der Angeklagte habe die Betrugstaten
nicht als Mitglied einer Bande begangen, weil er der Firma G. als
Geschäftspartner gegenüber gestanden habe, hat es
sich offensichtlich an der Rechtssprechung zum
bandenmäßigen Handeltreiben mit
Betäubungsmitteln orientiert, die es als maßgeblich
ansieht, ob der Tatbeteiligte in eine Absatzorganisation eingebunden
war oder dieser als Käufer auf der Abnehmerseite
gegenüber trat (vgl. BGH NStZ 2004, 696). Diese Rechtsprechung
betrifft deliktsspezifische Fallgestaltungen mit besonderen
Umständen, die hier nicht vorliegen.
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Die für die Annahme bandenmäßiger Begehung
gegenüber der Mittäterschaft gesteigerte,
über die aktuelle Tat tendenziell hinausreichende deliktische
Zusammenarbeit (BGHSt 42, 256, 259) kann - wie der Bundesgerichtshof
noch unter der Geltung des alten, lediglich zwei Mitglieder
voraussetzenden Banden-
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begriffs ausgeführt hat - beim Handeltreiben mit
Betäubungsmitteln nicht schon darin gesehen werden, dass der
Verkäufer mit einem Erwerber zusammenwirkt. Ein solches
Zusammenwirken ist nämlich durch die Art der Deliktshandlung
notwendig vorgegeben und stellt sich grundsätzlich als jeweils
selbständige Täterschaft der Beteiligten dar (BGHSt
aaO). Dieser Grundgedanke, nach dem es für die Bejahung einer
Bande nach § 30 Abs. 1 Nr. 1 und § 30 a Abs. 1 BtMG
nicht allein ausreicht, dass die Täter beim unerlaubten
Vertrieb von Betäubungsmitteln im Rahmen eines "eingespielten
Bezugs- und Absatzsystems" handeln (BGHSt aaO), lässt sich auf
die hier zu beurteilende Konstellation nicht übertragen. Der
Angeklagte und die Verantwortlichen der Firma G. standen sich
nämlich, soweit es um die Betrugstaten zum Nachteil der
Kassenzahnärztlichen Vereinigung und der Patienten ging, nicht
als selbständige Täter mit gegenläufigen
Interessen gegenüber. Dies war lediglich in Bezug auf die
zwischen ihnen abgeschlossenen Verträge über die
Lieferung von Zahnersatz der Fall. Mit Blick auf die
betrügerische Schädigung der
Kassenzahnärztlichen Vereinigung und der Patienten zogen sie
aber am selben Strang (BGHSt aaO, 259 f.).
IV. Der Senat hat den Schuldspruch entsprechend geändert. Die
Einzelstrafen (Einsatzstrafe von zehn Monaten sowie Freiheitsstrafen
von einmal neun Monaten, zehnmal acht Monaten, sechzehnmal sieben
Monaten und achtmal sechs Monaten) sowie die Gesamtfreiheitsstrafe von
einem Jahr und zehn Monaten können bestehen bleiben, weil die
verhängten Rechtsfolgen - trotz der
Schuldspruchänderung (vgl. BGH NStZ 2005, 285) und dem dadurch
geänderten Strafrahmen - auf Grundlage der
Urteilsfeststellungen nach Abwägung aller für die
Strafzumessung erheblichen Gesichtspunkte angemessen sind (§
354 Abs. 1 a Satz 1 StPO).
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Bei den Einzelstrafen hat der Senat neben der jeweiligen
Schadenshöhe zu Gunsten des nicht vorbestraften Angeklagten
insbesondere sein von Reue und Einsicht getragenes Geständnis,
die Schadenswiedergutmachung durch Sicherheitsleistungen, die
erheblichen Tatfolgen für ihn sowie den Umstand
berücksichtigt, dass er von den Verantwortlichen der Firma G.
in die Straftaten verstrickt wurde. Diese Gesichtspunkte sprechen
für die Annahme minder schwerer Fälle und
Freiheitsstrafen im unteren Bereich des Strafrahmens von sechs Monaten
bis fünf Jahren. Bei der Einsatzstrafe von zehn Monaten
erscheint wegen des engen sachlichen Zusammenhangs der 36
Betrugsstraftaten unter Berücksichtigung des verursachten
Gesamtschadens, der Vielzahl der Geschädigten und der
eingestellten Taten die vom Landgericht verhängte
Gesamtfreiheitsstrafe als angemessen. Die Voraussetzungen für
die Strafaussetzung zur Bewährung liegen aus den
Gründen des angefochtenen Urteils vor.
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V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1, Abs.
2 StPO. Die Revision hat keinen wesentlichen Teilerfolg, weil sie nur
zu einer Schuldspruchänderung führt, die den
Angeklagten wenig belastet.
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Tolksdorf Miebach Winkler von Lienen Becker |