BGH,
Urt. v. 17.8.2000 - 4 StR 233/00
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 233/00
vom
17. August 2000
in der Strafsache gegen
wegen unerlaubter Abgabe von Betäubungsmitteln an
Minderjährige u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 17.
August 2000, an der teilgenommen haben: Vorsitzender Richter am
Bundesgerichtshof Prof. Dr. Meyer-Goßner, die Richter am
Bundesgerichtshof Dr. Kuckein, Athing, die Richterin am
Bundesgerichtshof Solin-Stojanovic, der Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Ernemann als beisitzende Richter, Staatsanwalt in der Verhandlung,
Bundesanwalt bei der Verkündung als Vertreter der
Bundesanwaltschaft, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der
Geschäftsstelle, für Recht erkannt:
1.
Auf die Revisionen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft wird das
Urteil des Landgerichts Neubrandenburg vom 18. Januar 2000 mit den
Feststellungen aufgehoben,
a) soweit der Angeklagte in den Fällen II 2 bis 5, 7 und 8 der
Urteilsgründe verurteilt worden ist,
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe,
c) soweit von der Anordnung der Unterbringung in einer
Entziehungsanstalt abgesehen worden ist.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine
andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision des Angeklagten wird verworfen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freisprechung im
übrigen "wegen unerlaubten Handeltreibens mit
Betäubungsmitteln in 15 Fällen, davon in einem Fall
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und in 14
Fällen in Tateinheit mit unerlaubtem Erwerb von
Betäubungsmitteln, sowie wegen Erwerbs von
Betäubungsmitteln in zwei Fällen und wegen Abgabe
oder Überlassen von Betäubungsmitteln an eine Person
unter 18 Jahren in 14 Fällen, davon in einem Fall in
Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit
Betäubungsmitteln" zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei
Jahren und sechs Monaten verurteilt. Ferner hat es die Einziehung
sichergestellter Gegenstände und den Verfall von 450 DM
Bargeld angeordnet.
Der Angeklagte rügt mit seiner Revision die Verletzung
formellen und materiellen Rechts. Die Staatsanwaltschaft rügt
mit ihrer zu Ungunsten des Angeklagten eingelegten Revision die
Verletzung sachlichen Rechts. Sie wendet sich gegen die Verurteilung in
den Fällen II 3, 4 und 8 der Urteilsgründe und
beanstandet, daß der Angeklagte insoweit nicht jeweils wegen
Bestimmens von Minderjährigen zum unerlaubten Handeltreiben
mit Betäubungsmitteln (§ 30 a Abs. 2 Nr. 1 BtMG)
verurteilt worden ist.
Das Rechtsmittel des Angeklagten hat mit der Sachbeschwerde teilweise
Erfolg; im übrigen ist es unbegründet. Die vom
Generalbundesanwalt vertretene Revision der Staatsanwaltschaft hat
Erfolg.
I.
Nach den Feststellungen entschloß sich der
betäubungsmittel- und medikamentenabhängige
Angeklagte, Drogen in größeren Mengen aufzukaufen,
um durch deren Verkauf seinen Eigenbedarf zu finanzieren und seine
Rente aufzubessern. In dem Zeitraum Ende August 1998 bis 18. Mai 1999
bezog er von seinen Lieferanten in fünfzehn Fällen
(II 1, 2, 5, 7 der Urteilsgründe) Haschisch, in einigen der
Fälle zugleich auch Marihuana, Ecstasy-Pillen, Kokain, und
LSD-Pappen. Der Angeklagte verbrauchte jeweils einen Teil der
Betäubungsmittel selbst und veräußerte sie
im übrigen - mit Ausnahme der im Mai bei ihm sichergestellten
Restmengen - mit Gewinn. Im März/April 1999 kaufte der
Angeklagte jeweils für den Eigenkonsum 10 Ecstasy-Pillen sowie
5 g Amphetamin (Fälle II 6 der Urteilsgründe).
Zwischen dem 1. Juli 1999 und dem 27. Juli 1999 erwarb er "auf
Kommission" 200 Ecstasy-Pillen, von denen 141 Pillen sichergestellt
wurden (Fall II 8 der Urteilsgründe).
In dem Zeitraum zwischen dem 1. November 1998 und dem 17. März
1999 bat die damals minderjährige Beatrice F. den Angeklagten,
ihr Drogen zu überlassen, die sie verkaufen wollte, um Geld zu
verdienen. Der Angeklagte war "hiermit einverstanden." Beatrice F. ,
der die "Verkaufskonditionen" bekannt waren, "entnahm" in acht
Fällen (II 3 der Urteilsgründe) aus dem Bestand des
Angeklagten insgesamt 100 g Haschisch sowie "eine unbekannte geringere
Menge" Marihuana. "Sie wußte, daß sie einen
Grammpreis von mindestens 10, 00 DM für Haschisch beim Verkauf
verlangen mußte."
Zwischen dem 1. November 1998 und dem 27. Juli 1999 wollte die damals
minderjährige Claudia K. ihr Taschengeld durch den Verkauf von
Drogen aufbessern und bat den Angeklagten, ihr zu helfen. Der
Angeklagte riet von dem Drogenverkauf ab, "war aber letztlich damit
einverstanden." Er vereinbarte mit Claudia K. , der die
"Verkaufskonditionen" bekannt waren, daß der Gewinn geteilt
werden sollte. In fünf Fällen (II 4 der
Urteilsgründe) übergab er ihr "eine unbestimmte Menge
- jeweils abgepackte Mengen zwischen 2 g und 20 g, insgesamt 100 g -
Cannabisprodukte sowie eine geringe Menge Amphetamin." Anfang Juli 1999
entnahm Claudia K. , die dies zuvor mit dem Angeklagten telefonisch
abgesprochen hatte, aus dem Bestand des Angeklagten 25 Ecstasy-Pillen
und veräußerte sie mit Gewinn. Nach der
Veräußerung der Drogen übergab Claudia K.
dem Angeklagten jeweils "die vereinbarten Geldbeträge."
II.
Revision des Angeklagten:
1. Die Verfahrensrüge ist nicht ausgeführt und daher
unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO).
2. Die Überprüfung des Urteils auf die
Sachrüge ergibt folgendes:
a) Kein Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten liegt vor, soweit er
in den Fällen II 1 der Urteilsgründe (unerlaubtes
Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in Tateinheit mit
unerlaubtem Erwerb von Betäubungsmitteln) und II 6 der
Urteilsgründe (unerlaubter Erwerb von
Betäubungsmitteln in zwei Fällen) verurteilt worden
ist.
b) Die Verurteilung in den Fällen II 2, 5 und 7 der
Urteilsgründe kann nicht bestehen bleiben, weil insoweit die
Annahme jeweils rechtlich selbständiger Taten durchgreifenden
rechtlichen Bedenken begegnet:
Eine Bewertungseinheit (vgl. BGHSt 30, 28, 31; BGHR BtMG § 29
Bewertungseinheit 4 und 11) kommt nicht nur beim Handeltreiben mit
Betäubungsmitteln, sondern bei allen Absatzdelikten in
Betracht, also auch beim Veräußern und Abgeben (BGH
NStZ 1997, 243 m. N.). Demgemäß ist, soweit ein und
derselbe Güterumsatz Gegenstand der strafrechtlichen Bewertung
ist, auch bei der Abgabe von Betäubungsmitteln an
Minderjährige eine Tat im Sinne einer Bewertungseinheit
anzunehmen (vgl. BGH StV 1997, 636. 637; 1999, 431). Das Landgericht
hat dies zwar nicht verkannt. Es hat aber lediglich die
Veräußerung von 25 Ecstasy-Pillen an die
minderjährige Claudia K. im Juli 1999 (Fall 22 der
Anklageschrift) und das 200 Ecstasy-Pillen betreffende
Betäubungsmittelgeschäft (Fall 38 der Anklageschrift)
zu einer Bewertungseinheit zusammengefaßt und den Angeklagten
insoweit wegen "Abgabe oder Überlassen" von
Betäubungsmitteln in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben
mit Betäubungsmitteln verurteilt.
Allerdings gebietet es der Zweifelssatz nicht, festgestellte
Einzelveräußerungen zu einer Bewertungseinheit
zusammenzufassen, nur weil die nicht näher konkretisierte
Möglichkeit besteht, daß die
veräußerten Betäubungsmittel ganz oder
teilweise aus demselben Verkaufsvorrat stammen (vgl. BGH StV 1999, 431;
BGHR BtMG § 29 Bewertungseinheit 14, jew. m. w. N.). Es ist
jedoch rechtsfehlerhaft, allein auf die Anzahl der
Veräußerungsgeschäfte abzustellen, wenn
sich konkrete Anhaltspunkte dafür ergeben, daß die
an sich selbständigen Veräußerungen von
Rauschgift dieselbe Erwerbsmenge betreffen. So liegt es hier: Konkrete
Anhaltspunkte dafür, daß die Beatrice F. in acht und
Claudia K. in fünf Fällen überlassenen
Cannabisprodukte aus anderen als den festgestellten, jeweils auch
Cannabisprodukte betreffenden Erwerbsgeschäften stammten,
lassen sich den Urteilsgründen nicht entnehmen.
Nach den Feststellungen kommt allerdings hinsichtlich der bereits Ende
August 1998 vom Angeklagten erworbenen 30 g Haschisch (Fall II 1 der
Urteilsgründe) wegen des erheblichen zeitlichen Abstandes die
Annahme einer Bewertungseinheit mit in den Zeitraum ab dem 1. November
1998 fallenden Veräußerungsgeschäften nicht
in Betracht. Hinsichtlich der übrigen auch Cannabisprodukte
betreffenden Erwerbsgeschäfte, die das Landgericht in den
Fällen II 2, 5 und 7 der Urteilsgründe jeweils als
unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in Tateinheit
mit unerlaubtem Erwerb von Betäubungsmitteln sowie in einem
Fall als Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge gewertet hat, liegt es jedoch im Hinblick auf die
möglichen zeitlichen Überschneidungen und auf die
Aufbewahrung der jeweiligen Vorräte in der Wohnung des
Angeklagten nahe, daß die den Minderjährigen
überlassenen Cannabisprodukte aus einem oder mehreren dieser
Verkaufsvorräte stammten. Die Beurteilung, ob
selbständige Rauschgiftgeschäfte zu einer
Bewertungseinheit zusammenzufassen sind, ist zwar in erster Linie Sache
des Tatrichters, dessen Wertung das Revisionsgericht nur auf
Rechtsfehler hin zu überprüfen hat (vgl. BGH StV
1997, 636, 637 m. N.). Da sich das Urteil aber zu der Frage der
Beurteilung der Konkurrenzen in diesen Fällen nicht
verhält, entzieht es sich insoweit der revisionsrechtlichen
Überprüfung und unterliegt daher insoweit schon aus
diesem Grunde der Aufhebung.
c) Auch die Verurteilung in den - zutreffend - als eine
Bewertungseinheit zusammengefaßten Fällen 22 und 38
der Anklageschrift kann nicht bestehen bleiben, weil der Schuldumfang
unklar ist, den das Landgericht zugrunde gelegt hat. Dem
Gesamtzusammenhang läßt sich lediglich entnehmen,
daß der Angeklagte von den "auf Kommission" erworbenen 200
Ecstasy-Pillen an Claudia K. 25 Pillen und vier Pillen an andere
Abnehmer gewinnbringend veräußert hat. Unklar bleibt
nach den bisherigen Feststellungen, ob der Angeklagte einen Teil der
Pillen - ebenso wie in anderen Fällen - zum Eigenverbrauch
erwarb, so daß nach den bisherigen Feststellungen
möglicherweise nur hinsichtlich eines Teils der erworbenen
Gesamtmenge der Tatbestand des Handeltreibens des § 29 Abs. 1
Nr. 1 BtMG und im übrigen tateinheitlich der des Erwerbs
erfüllt ist.
d) In den genannten Fällen bestehen im übrigen
Unklarheiten zum Schuldumfang. Aus der hinsichtlich der Fälle
4 bis 8 der Anklageschrift unter II 2 der Urteilsgründe
zusammengefaßten Sachdarstellung ergibt sich insoweit nur,
daß der Angeklagte in diesen fünf Fällen
insgesamt 500 g Haschisch erwarb, von denen er 150 bis 200 g
für den Eigenverbrauch behielt und den Rest gewinnbringend
veräußerte. Zudem lassen sich die in einigen dieser
Fälle zugleich mit Haschisch erworbenen Mengen anderer Drogen
keinem bestimmten Einzelfall zuordnen. Hinsichtlich der Fälle
II 5 der Urteilsgründe hat das Landgericht bezüglich
der in den sieben Fällen jeweils erworbenen Einzelmengen
lediglich mitgeteilt, der Angeklagte habe "jeweils 3, 5 g bis 100 g
Marihuana" sowie eine "unbestimmte Menge Haschisch" erworben und im
übrigen festgestellt, daß der Angeklagte in diesen
Fällen insgesamt 750 g "Cannabisprodukte",
überwiegend Marihuana, bezogen habe. Auch insoweit lassen sich
die in einigen Fällen zugleich erworbenen anderen Drogen
keinem bestimmten Einzelfall zuordnen. Das Landgericht hätte
insoweit zu den Einzelfällen nähere Feststellungen
treffen müssen. Für die Beurteilung des
(Mindest-)Schuldumfangs der Einzeltaten sind Feststellungen zu dem (Min-
dest-)Umfang des einzelnen Rauschgiftgeschäftes unentbehrlich
(vgl. Weber BtMG Vor §§ 29 ff. Rdn. 489, 491). Lassen
sich hierzu Feststellungen auf andere Weise nicht treffen, so kann die
Menge der jeweils durch eine Handlung erworbenen
Betäubungsmittel vom Tatrichter auf der Grundlage vorhandener
Beweisanzeichen geschätzt werden (BGH NStZ - RR 1997, 121;
vgl. auch BGHSt 40, 374, 376).
Im Fall 34 der Anklageschrift (II 7 der Urteilsgründe) ist
zwar hinreichend belegt, daß in dem erworbenen Haschisch
(113, 15 g) und Marihuana (100 g ) insgesamt 13,54 g THC enthalten
waren. Damit ist aber die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte habe
sich in diesem Fall des unerlaubten Handeltreibens mit
Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig gemacht,
schon deshalb nicht belegt, weil der Angeklagte nach den Feststellungen
"das Marihuana größtenteils konsumierte". Die Platte
Haschisch (THC - Anteil 1,64 g) wurde bei dem Angeklagten
sichergestellt. Dazu, ob dieses Haschisch gewinnbringend
veräußert werden sollte oder ob - wie in anderen
Fällen - ein Teil für den Eigenverbrauch vorgesehen
war, verhält sich das Urteil nicht. Da nach den bisherigen
Feststellungen die für den Handel bestimmte Menge nicht schon
für sich den Grenzwert überschreitet, liegt nur
unerlaubter Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge (§ 29 a Abs. 1 Nr. 2 BtMG) in Tateinheit mit unerlaubtem
Handeltreiben vor.
3. Die danach gebotene Aufhebung der Verurteilung in den vorgenannten
Fällen zieht die Aufhebung der Gesamtstrafe nach sich. Die in
den Fällen II 1 und 6 der Urteilsgründe
verhängten Einzelfreiheitsstrafen können jedoch
aufrechterhalten bleiben; ebenso die Anordnungen der Einziehung und des
Verfalls.
4. Keinen Bestand hat das Urteil ferner, soweit von der Anordnung der
Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abgesehen
worden ist. Nach den Feststellungen zur Drogen- und
Medikamentenabhängigkeit des Angeklagten sowie wegen der in
der Haft aufgetretenen Entzugserscheinungen, die eine Behandlung
erforderten, lag die Prüfung der Anordnung einer Unterbringung
des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nahe. Daß der
Drogenkonsum des Angeklagten nicht zu einer erheblichen Verminderung
seiner Steuerungsfähigkeit geführt hat, steht der
Annahme eines Hanges im Sinne des § 64 Abs. 1 StGB im Hinblick
auf den Krankheitswert der
Betäubungsmittelabhängigkeit des Angeklagten nicht
entgegen. Daß bei dem Angeklagten die hinreichend konkrete
Aussicht eines Behandlungserfolges nicht besteht (vgl. BVerfGE 91, 1,
ff.), ist den Urteilsgründen nicht zu entnehmen; vielmehr
zeigte er sich nach den Feststellungen therapiebereit. Die Anordnung
nach § 64 StGB geht einer möglichen Entscheidung nach
§ 35 BtMG vor (Weber BtMG Vor §§ 29 ff. Rdn.
728).
III.
Revision der Staatsanwaltschaft:
1. Nach dem Revisionsvorbringen ist das Rechtsmittel zwar entgegen dem
darin gestellten unbeschränkten Aufhebungsantrag auf die
Anfechtung der Verurteilung in den Fällen II 3, 4 und 8 der
Urteilsgründe beschränkt, denn die Staatsanwaltschaft
wendet sich letztlich nur dagegen, daß das Landgericht in
diesen Fällen jeweils ein "Bestimmen" im Sinne des §
30 a Abs. 2 Nr. 1 BtMG verneint hat. Die Beschränkung ist aber
nur wirksam, soweit danach die Verurteilung in den Fällen II 1
und 6 der Urteilsgründe von der Anfechtung ausgenommen ist. Im
übrigen kann die Verurteilung in den angefochtenen
Fällen nicht losgelöst von der Verurteilung in den
die Erwerbsgeschäfte betreffenden Fällen II 2, 5 und
7 der Urteilsgründe beurteilt werden, da insoweit nach den
bisherigen Feststellungen aus den obengenannten Gründen (II 2
b) eine Zusammenfassung zu Bewertungseinheiten in Betracht kommt.
2. Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft hat Erfolg; es
führt in demselben Umfang wie das Rechtsmittel des Angeklagten
zur Aufhebung des Urteils.
Die Feststellungen zu den Fällen der Abgabe von Drogen an die
beiden Minderjährigen und die ihnen zugrunde liegende
Beweiswürdigung sind lückenhaft und
widersprüchlich. Das Urteil weist zudem
Erörterungsmängel auf, die sich hinsichtlich der
Verurteilung in den Fällen der Abgabe von Drogen an die beiden
Minderjährigen zugunsten des Angeklagten ausgewirkt haben
können:
a) Soweit das Landgericht meint, die Veräußerung der
Drogen an die beiden Minderjährigen erfülle jeweils
den Tatbestand des § 29 a Abs. 1 Nr. 1 BtMG, hält die
Verurteilung nach dieser Vorschrift rechtlicher Nachprüfung
schon deshalb nicht stand, weil das Landgericht nicht geprüft
hat, ob in diesen Fällen nicht jedenfalls auch der dem
Grunddelikt des § 29 a Abs. 1 Nr. 1 BtMG vorgehende (Weber aaO
§ 30 Rdn. 99) Qualifikationstatbestand des § 30 Abs.
1 Nr. 2 BtMG erfüllt ist, der eine erhöhte
Mindeststrafe von zwei Jahren Freiheitsstrafe vorsieht. Zwar handelt
der Täter gewerbsmäßig im Sinne dieser
Vorschrift nur dann, wenn er sich eine fortlaufende Einnahmequelle
durch wiederholte Vornahme gerade solcher Handlungen verschaffen will,
die einen der Tatbestände des § 29 a Abs.1 Nr. 1 BtMG
erfüllen (BGHR BtMG § 30 Abs. 1 Nr. 2
Gewerbsmäßig 1, 2), wobei es jedoch nicht
erforderlich ist, daß der Täter die erstrebten
Einnahmen ausschließlich aus Rauschgiftgeschäften
mit Minderjährigen erzielen will (vgl. BGHR aaO Nr. 2 m.N.).
Der Angeklagte hat eingeräumt, daß er sich durch
wiederholten Ankauf größerer Drogenmengen und den
gewinnbringenden Verkauf eine fortlaufende Einnahmequelle, unter
anderem zur Finanzierung seines Eigenbedarfs, verschaffen wollte. Zwar
hat das Landgericht nicht ausreichend festgestellt, daß der
Angeklagte sich diese Einnahmequelle darüber hinaus - auch -
durch den wiederholten Verkauf von Drogen an Minderjährige
schaffen wollte. Daß der Angeklagte insoweit zumindest
bedingten Vorsatz (vgl. BGHR aaO) hatte, liegt nach den bisherigen
Feststellungen aber nicht fern. Der Angeklagte hatte danach jedenfalls
mit Claudia K. die Teilung des Gewinns vereinbart und diesen auch
jeweils erhalten. Hinsichtlich der Überlassung von Drogen an
Beatrice F. sind die Urteilsausführungen
widersprüchlich. Das Landgericht hat im Rahmen der
Sachdarstellung ausgeführt, zu diesen acht Fällen der
Entnahme von Drogen aus Beständen des Angeklagten durch die
Minderjährige hätten "weitere" Feststellungen nicht
getroffen werden können. Demgegenüber deuten die
Hinweise, daß die Minderjährige gewußt
habe, "daß sie einen Grammpreis von mindestens 10, 00 DM
für Haschisch beim Verkauf verlangen mußte," und
daß "in dieser Zeit" Schulden der Minderjährigen bei
dem Angeklagten in Höhe von 300 bis 400 DM aufgelaufen seien,
darauf hin, daß der Angeklagte die Drogen auch in diesen
Fällen entgeltlich - möglicherweise gewinnbringend -
veräußert hat. Insbesondere auch im Hinblick auf die
insgesamt an die Minderjährigen abgegebenen Mengen
hätte daher die Frage einer Strafbarkeit des Angeklagten nach
§ 30 Abs. 1 Nr. 2 BtMG der Erörterung bedurft.
b) Die Erwägungen, mit denen das Landgericht in den
vorgenannten Fällen jeweils die Voraussetzungen einer
Strafbarkeit des Angeklagten nach § 30 a Abs. 2 Nr. 1 BtMG
verneint hat, halten ebenfalls rechtlicher Nachprüfung nicht
stand.
Auch für den Begriff "Bestimmen" in § 30 a Abs. 2 Nr.
1 BtMG gelten die allgemeinen, zu § 26 StGB entwickelten
Grundsätze (vgl. dazu im einzelnen BGHSt 45, 373 = NStZ 2000,
321, 322 m.N.). Danach ist es gleich, in welcher Form und durch welches
Mittel die Einflußnahme auf den Willen eines anderen erfolgt,
die diesen zu dem im Gesetz beschriebenen Verhalten, hier dem
unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln, bringt. Es
genügt die bloße Mitursächlichkeit. Der
Annahme der Mitursächlichkeit steht hier nicht entgegen,
daß die Initiative zu dem ersten
Veräußerungsgeschäft von den
Minderjährigen ausging, die "bereits fest entschlossen" waren
und einen festen Abnehmerkreis hatten. Zwar kann der zu einer konkreten
Tat bereits fest Entschlossene nicht mehr zu ihr "bestimmt" werden. So
verhält es sich jedoch nicht, wenn ein Minderjähriger
erst durch die Übergabe des Rauschgifts mit der Anweisung,
dieses zu bestimmten Bedingungen - etwa zu einem bestimmten Preis und
für Rechnung des Täters - zu verkaufen, zu konkreten
Taten des unerlaubten Handeltreibens veranlaßt worden ist. In
einem solchen Fall "benutzt" der Täter einen
Minderjährigen zum Betäubungsmittelverkehr auch dann,
wenn dieser hierzu von vornherein (allgemein) bereit war und die
Bereitschaft dem Täter gegenüber auch aufgezeigt hat
(BGH aaO).
Mit seiner Wertung des Beweisergebnisses, es habe nicht zweifelsfrei
festzustellen vermocht, "daß der Angeklagte den beiden
Zeuginnen K. und F. die Betäubungsmittel übergab und
sie zugleich angewiesen hat, unter ganz bestimmten Bedingungen
für ihn zu verkaufen" (UA 16), setzt sich das Landgericht
zudem, soweit es die Fälle der Veräußerung
von Drogen an Claudia K. betrifft (II 4 der Urteilsgründe), in
Widerspruch zu den hierzu getroffenen Feststellungen. Danach wurden die
Verkaufsbedingungen festgelegt und unter anderem die Teilung des
Gewinns vereinbart; der dem Angeklagten danach zustehende Anteil wurde
an diesen in allen Fällen ausgekehrt. Auf der Grundlage dieser
Feststellungen erfüllt das Verhalten des Angeklagten
jedenfalls hinsichtlich des ersten
Veräußerungsgeschäftes, das nach den zuvor
hinsichtlich der Teilung des Gewinns getroffenen Vereinbarungen auf
Kommissionsbasis, mithin zu den Bedingungen des Angeklagten,
durchgeführt wurde, nach den obengenannten
Grundsätzen die Tathandlung des "Bestimmens" im Sinne des
§ 30 a Abs. 2 Nr. 1 BtMG. Hinsichtlich der weiteren, nach den
bisherigen Feststellungen zu denselben Bedingungen abgewickelten
Veräußerungsgeschäften wird der neue
Tatrichter im einzelnen zu prüfen haben, ob jeweils erneut auf
den Willen des Minderjährigen Einfluß genommen
wurde, so daß auch insoweit das Verhalten des Angeklagten als
eine "Benutzung" Minderjähriger zur Durchführung des
Betäubungsmittelverkehrs anzusehen ist (vgl. BGH aaO).
Jedenfalls dann, wenn die Initiative zu dem jeweiligen
Folgegeschäft wiederum von der Minderjährigen ausging
und der Angeklagte auch sonst nicht in besonderer Weise auf die
Willensentschließung der Minderjährigen einwirkte,
sondern lediglich die bestellten Drogen lieferte, wird jedoch ein
solches Verhalten nicht als erneutes "Bestimmen" gewertet werden
können.
Die bisherigen Feststellungen lassen aber auch hinsichtlich der
Fälle der Veräußerung von Drogen an
Beatrice F. eine Nachprüfung der rechtlichen
Würdigung nicht zu. Dies gilt insbesondere für die
Erwägung des Landgerichts, in dem Verhalten des Angeklagten
sei auch, "soweit in der weiteren Folge mehr oder weniger zwischen dem
Angeklagten und den Zeuginnen Tatmodalitäten - Kaufpreis und
Gewinn - besprochen wurden" (UA 16), kein Bestimmen zu sehen; denn
insoweit wird das Beweisergebnis nicht mitgeteilt, insbesondere auch
nicht, ob und wie sich der Angeklagte zu der Frage eingelassen, zu
welchen Bedingungen er der Entnahme von Drogen aus seinen
Beständen zustimmte und wann die "Tatmodalitäten"
besprochen wurde.
c) Auch auf die Revision der Staatsanwaltschaft ist das Urteil
hinsichtlich der unterbliebenen Anordnung der Unterbringung aufzuheben.
Meyer-Goßner Die Richter am BGH Dr. Kuckein und Dr. Ernemann
sind wegen Urlaubs an der Unterzeichnung verhindert.
Meyer-Goßner Athing Solin-Stojanovic |