BGH,
Urt. v. 17.8.2001 - 2 StR 197/01
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 197/01
vom
17. August 2001
in der Strafsache gegen
1.
2.
wegen erpresserischen Menschenraubs u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung
vom 15. August 2001 in der Sitzung vom 17. August 2001, an denen
teilgenommen haben: Vizepräsident des Bundesgerichtshofes Dr.
Jähnke als Vorsitzender die Richter am Bundesgerichtshof Dr.
h.c. Detter, Dr. Bode, die Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Otten,
der Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Fischer als beisitzende
Richter, - in der Verhandlung - - in der Verkündung - als
Vertreter der Bundesanwaltschaft, als Verteidiger, für den
Angeklagten Sp., Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der
Geschäftsstelle, für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Darmstadt vom 8. Januar 2001 im Schuldspruch geändert und wie
folgt neu gefaßt:
a) Der Angeklagte Sp. ist schuldig des erpresserischen Menschenraubs in
Tateinheit mit schwerer räuberischer Erpressung, des Betrugs
in Tateinheit mit Urkundenfälschung in drei Fällen
sowie des Computerbetrugs in sechs Fällen.
b) Der Angeklagte S. ist schuldig der tateinheitlich begangenen
Beihilfe zum erpresserischen Menschenraub, zur räuberischen
Erpressung und zum Computerbetrug.
2. Der Angeklagte S. wird anstelle der verhängten
Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und elf Monaten zu einer
Freiheitsstrafe von zwei Jahren und elf Monaten verurteilt.
3. Die weitergehenden Revisionen der Angeklagten werden verworfen.
4. Die Angeklagten haben die Kosten ihrer Rechtsmittel und die dem
Nebenkläger im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen
Auslagen zu tragen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten Sp. wegen räuberischen
Angriffs auf Kraftfahrer in Tateinheit mit erpresserischem Menschenraub
und mit schwerer räuberischer Erpressung zu einer Einzelstrafe
von fünf Jahren und zwei Monaten, wegen Betrugs in Tateinheit
mit Urkundenfälschung in drei Fällen zu
Einzelgeldstrafen von jeweils 70 Tagessätzen zu je 10 DM sowie
wegen Computerbetrugs in sechs Fällen zu Einzelgeldstrafen von
jeweils 100 Tagessätzen zu je 10 DM verurteilt und hieraus
eine Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und drei Monaten
gebildet. Den Angeklagten S. hat das Landgericht wegen Beihilfe zum
räuberischen Angriff auf Kraftfahrer in Tateinheit mit
Beihilfe zum erpresserischen Menschenraub und zur räuberischen
Erpressung zu einer Einzelstrafe von zwei Jahren neun Monaten sowie
wegen Beihilfe zum Computerbetrug in sechs Fällen zu
Einzelgeldstrafen von jeweils 30 Tagessätzen zu je 10 DM
verurteilt und hieraus eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und
elf Monaten gebildet. Die hiergegen eingelegten, vom Angeklagten Sp.
auf zwei Verfahrensrügen und die Sachrüge, vom
Angeklagten S. auf die Sachrüge gestützten Revisionen
führen lediglich zur Änderung der
Schuldsprüche und zur Umstellung der gegen den Angeklagten S.
festgesetzten Freiheitsstrafe; im übrigen sind sie
unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
1. Nach den Feststellungen verabredete sich der Angeklagte Sp. unter
einem Vorwand mit dem Tatopfer K., einem Finanzberater, um diesen zu
entführen und 170.000 DM von ihm zu erpressen. Der Angeklagte
S. , der zunächst nicht eingeweiht war, sollte als Fahrer
tätig werden. Zum Tatzeitpunkt wartete der
Nebenkläger K. am telefonisch vereinbarten Treffpunkt in
seinem geparkten Pkw. Der Angeklagte Sp. trat von außen an
das geöffnete Seitenfenster heran, bedrohte K. mit einer echt
aussehenden Spielzeugpistole, zwang ihn, sich auf die Rückbank
zu setzen, und fuhr zunächst zu dem an anderer Stelle
wartenden Angeklagten S. , der das Fahrzeug im weiteren Verlauf
steuerte und spätestens jetzt Kenntnis von den Absichten des
Mitangeklagten Sp. hatte. Der Nebenkläger, der mittels einer
undurchsichtigen Brille und eines Kopfhörers von der
Außenwelt abgeschirmt wurde, wurde vom Angeklagten Sp.
mehrfach mit dem Tode sowie mit der Kastration bedroht; er nahm diese
Drohungen ernst.
Nachdem sich herausgestellt hatte, daß K. nicht über
den vom Angeklagten Sp. erwarteten Geldbetrag verfügte, nahm
dieser dem Tatopfer 1.000 DM Bargeld, Scheck- und Kreditkarten ab und
zwang K. unter wiederholter Bedrohung dazu, die Geheimzahlen
preiszugeben. Auf Geheiß des Angeklagten Sp. fuhr der
Angeklagte S. sodann zu Kreditinstituten in Mainz, Bingen und
Bingerbrück, wo der Angeklagte Sp. an sechs verschiedenen
Geldautomaten unter Verwendung der Karten insgesamt 7.000 DM abhob.
Außerdem kaufte er, ohne daß der Angeklagte S.
hiervon Kenntnis hatte, mit den Kreditkarten in drei verschiedenen
Geschäften Schmuckgegenstände im Wert von insgesamt
ca. 6.250 DM, wobei er auf den Belastungsbelegen jeweils die
Unterschrift des K. nachmachte.
Der Nebenkläger befand sich insgesamt etwa 3 1/2 Stunden in
der Gewalt der Angeklagten. Die Tat hat bei ihm zu langdauernden
psychischen Beeinträchtigungen geführt.
Der Angeklagte S. erhielt von der Tatbeute 3.000 DM. Daß er
Kenntnis vom Einsatz der Spielzeugpistole durch den Angeklagten Sp.
hatte, hat das Landgericht nicht festgestellt.
2. Die vom Angeklagten Sp. erhobenen Verfahrensrügen sind nach
§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO unzulässig; sie sind im
übrigen auch offensichtlich unbegründet.
3. Die Sachrügen führen zur Änderung der
Schuldsprüche; im übrigen sind sie
unbegründet.
a) Die Voraussetzungen des § 316 a Abs. 1 StGB sind nicht
gegeben. Der Tatbestand setzt voraus, daß der Angriff unter
Ausnutzung der besonderen Verhältnisse des
Straßenverkehrs erfolgt. Eine solche, die hohe Strafdrohung
des § 316 a StGB rechtfertigende Gefahrenlage besteht vor
allem während des Fahrvorgangs; sie kann auch noch
während eines verkehrsbedingten und im Einzelfall auch
während eines sonstigen kurzfristigen Halts vorliegen (vgl.
BGHSt 6, 82, 84; 13, 27, 30; 18, 170, 171 ff.; 38, 196 ff.). Sie
besteht aber nicht, wenn der Täter, wie hier der Angeklagte
Sp. , als er sich des Geschädigten bemächtigte, zu
Fuß an ein geparktes Kraftfahrzeug herantritt, um dessen
Insassen zu berauben (vgl. BGHSt 24, 320, 321; BGH NStZ-RR 1997, 356);
auch der Transport eines Tatopfers mit dem Kraftfahrzeug an einen Ort,
an welchem eine geplante Erpressung ausgeführt werden soll,
erfüllt in einem solchen Fall den Tatbestand nicht (vgl. BGH
NStZ 1998, 263; Tröndle/Fischer, StGB 50. Aufl., Rdn. 3 zu
§ 316 a m.w.N.). Nach den Feststellungen des Landgerichts
hatte K., bevor der Angeklagte Sp. ihn bedrohte und entführte,
sein
- vorläufiges - Fahrziel erreicht. Er hatte seinen Pkw am
Treffpunkt geparkt; als der Angeklagte sich dem Fahrzeug
näherte, telefonierte K.. Daher nutzte der Angeklagte Sp. zu
diesem Zeitpunkt nicht die besonderen Verhältnisse des
Straßenverkehrs aus, als er K. in seine Gewalt brachte. Das
spätere Hinzukommen des Angeklagten S. könnte nur
dann als eigenständiger Angriff im Sinne des § 316 a
Abs. 1 StGB beurteilt werden, wenn es sich seinerseits als Ausnutzung
der besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs
gegen den als Mitfahrer im Fahrzeug gefangenen Nebenkläger
darstellte. Dies war jedoch nicht der Fall. Die objektive Lage des
Tatopfers wurde durch das Hinzukommen des Tatgehilfen nicht
geändert; eine Verschlechterung seiner Abwehr- oder
Fluchtmöglichkeiten ist nicht festgestellt. Die
Durchführung der vom Angeklagten Sp. begangenen schweren
räuberischen Erpressung wurde durch das Umherfahren mit dem
entführten Tatopfer auch nicht erleichtert; auch die auf einem
Vorsatzwechsel beruhende Abpressung des Bargeldes und der Karten
während der Entführung bei Fortdauer der Bedrohung
machte den Angriff daher nicht zu einem solchen im Sinne des §
316 a Abs. 1 StGB. Der Senat hat die Schuldsprüche
entsprechend geändert.
b) Die Annahme von Tatmehrheit zwischen dem vom Angeklagten Sp.
begangenen erpresserischen Menschenraub in Tateinheit mit schwerer
räuberischer Erpressung einerseits und den unter Einsatz der
Geld- und Kreditkarten jeweils begangenen Vermögensstraftaten
begegnet entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts keinen
rechtlichen Bedenken, da eine Überschneidung von
Tatausführungshandlungen nicht vorliegt und der Einsatz der
Karten jeweils aufgrund eines neuen Tatentschlusses erfolgte. Jedoch
ist die vom Landgericht vorgenommene Beurteilung des
Konkurrenzverhältnisses hinsichtlich des Angeklagten S.
fehlerhaft und führt auch insoweit zur Änderung des
Schuldspruchs. Da seine Unterstützung des Haupttäters
allein in der Tätigkeit als Fahrer des Fahrzeugs bestand, hat
der Angeklagte S. nur eine - einheitliche - Beihilfetat begangen (BGH
NStZ 1993, 584; BGH wistra 1996, 141; 1997, 62; vgl.
Tröndle/Fischer, StGB 50. Aufl. Rdn. 13 zu § 27
m.w.N.).
c) Der Senat kann ausschließen, daß die
Höhe der verhängten Strafen auf den genannten
Rechtsfehlern beruht.
Hinsichtlich des Angeklagten Sp. hat das Landgericht die Einsatzstrafe
von fünf Jahren und zwei Monaten dem Strafrahmen des
§ 316 a Abs. 1 StGB entnommen. Die gegen den Angeklagten S.
festgesetzte Einsatzstrafe von zwei Jahren und neun Monaten hat es dem
nach § 27 Abs. 2, 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen des
§ 316 a Abs. 1 entnommen und bei der Zumessung der
Einsatzstrafen zutreffend ausgeführt, daß auch ein
minder schwerer Fall des erpresserischen Menschenraubs nicht vorliegt.
Beim Angeklagten Sp. hat das Landgericht sodann im Hinblick auf die
verhängten Einzelgeldstrafen von sechsmal 100
Tagessätzen und dreimal 70 Tagessätzen in Anwendung
von § 54 Absatz 1 und Absatz 3 StGB die Einsatzstrafe um einen
Monat, beim Angeklagten S. im Hinblick auf sechs Einzelgeldstrafen von
je 30 Tagessätzen um zwei Monate erhöht.
Da der Strafrahmen des § 316 a Abs. 1 StGB dem hier
richtigerweise zugrundezulegenden Strafrahmen des § 239 a Abs.
1 StGB - beim Angeklagten S. gemildert nach § 27 Absatz 2, 49
Absatz 1 StGB - entspricht und der Unrechts- und Schuldgehalt der Taten
durch eine andere rechtliche Bewertung des
Konkurrenzverhältnisses nicht berührt wird, kann der
Senat angesichts der vom Landgericht zutreffend hervorgehobenen
strafschärfenden Umstände ausschließen,
daß ein neuer Tatrichter zu noch niedrigeren Strafen gelangen
würde. Allerdings war gegen den Angeklagten S. anstelle der
vom Landgericht verhängten Gesamtfreiheitsstrafe wegen der
Änderung des Konkurrenzverhältnisses eine
Freiheitsstrafe in gleicher Höhe festzusetzen.
Jähnke Detter Bode
Otten Fischer |