BGH,
Urt. v. 18.4.2001 - 2 StR 492/00
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 492/00
vom
18. April 2001
in der Strafsache
gegen
alias:
alias:
wegen Totschlags u.a.
- 2 -
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 18.
April
2001, an der teilgenommen haben:
Vizepräsident des Bundesgerichtshofes
Dr. Jähnke
als Vorsitzender,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Otten,
die Richter am Bundesgerichtshof
Rothfuß,
Prof. Dr. Fischer,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
- 3 -
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Frankfurt am Main vom 13. Juli 2000 wird verworfen.
2. Es wird davon abgesehen, dem Angeklagten die Kosten und
gerichtlichen Auslagen des Rechtsmittels aufzuerlegen.
Von Rechts wegen
Gründe:
I. Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags und wegen
gefährlicher Körperverletzung zu einer
Einheitsjugendstrafe von sechs Jahren
verurteilt und das sichergestellte Springmesser eingezogen.
Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten, mit der er die
Verletzung
formellen und materiellen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat
keinen
Erfolg.
II. Verfahrensrügen
Von den beanstandeten Verfahrensverstößen bedarf
allein die Rüge der
vorschriftswidrigen Besetzung des erkennenden Gerichts
(§§ 222 b, 338
Nr. 1 b StPO) der Erörterung. Die weiteren auf § 244
Abs. 3 und Abs. 2 StPO
gestützten Verfahrensrügen sind im Sinne von
§ 349 Abs. 2 StPO unbegründet.
1. Die Besetzungsrüge ist im wesentlichen auf folgendes
gestützt:
An der Hauptverhandlung, die der ordentliche Vorsitzende der 3.
Großen
Strafkammer (Jugendkammer) geleitet hat, haben als Beisitzer die Richter
- 4 -
Dr. M. , welcher der 8. Strafkammer, und R. , welcher der 28.
Strafkammer
angehört, teilgenommen. Nach dem
Geschäftsverteilungsplan werden die
Beisitzer der 3. Strafkammer primär von Mitgliedern der 8.
Strafkammer, sodann
der 25. Strafkammer und danach von Mitgliedern der Strafkammern in
aufsteigender Reihenfolge, beginnend mit der 26. Strafkammer,
vertreten. Die
Richter Dr. M. und R. durften an der Hauptverhandlung nur mitwirken,
wenn die ordentlichen Beisitzer, Richter S. und Richterin St. ,
verhindert
waren. Bezüglich Richter R. mußten
zusätzlich sämtliche Mitglieder
der vorrangig vertretenden Strafkammern verhindert gewesen sein.
Hinsichtlich
der Beisitzer hat der Angeklagte in der Hauptverhandlung den
Besetzungseinwand
form- und fristgerecht erhoben. Dieser wurde durch Beschluß
der Kammer
zurückgewiesen.
Der Beschwerdeführer ist der Ansicht, die Richter Dr. M. und R.
seien nicht seine gesetzlichen Richter. Eine Verhinderung der
ordentlichen
Beisitzer sei weder offensichtlich noch für ihn erkennbar
durch den Präsidenten
des Landgerichts festgestellt. Aus den beiden, in der Revision
dargelegten,
Überlastungsanzeigen des Vorsitzenden sei eine Verhinderung
nicht zu entnehmen.
Ferner seien Richter Dr. Mü. und Richterin B. aus der
26. Strafkammer zu Unrecht in der Reihenfolge der Vertretung
übersprungen
worden, weil bei ihnen nur eine Terminskollision von einem Tag
vorgelegen
hat.
2. Die Besetzungsrüge hat keinen Erfolg.
a) Soweit die Revision die Rüge auf die fehlende Verhinderung
der ordentlichen
Beisitzer der 3. Großen Strafkammer stützt, kann
dahinstehen, ob
die Rüge unzulässig ist. Denn sie ist jedenfalls
unbegründet, weil eine offenkundige
Verhinderung der Beisitzer aus tatsächlichen Gründen
gegeben ist. In
- 5 -
einem solchen Fall ist die Feststellung der Verhinderung durch den
Landgerichtspräsidenten
entbehrlich, auch wenn sie sich auf andere Kammern auswirkt
(vgl. BGHSt 18, 162).
Die Beisitzer waren in einer parallel laufenden Schwurgerichtssache
tätig,
aus der sich nach dem Revisionsvortrag jedenfalls an zwei Sitzungstagen
eine Terminskollision mit dem hiesigen Verfahren ergab,
nämlich am 16. Mai
und am 8. Juni 2000. Terminskollisionen stellen zwar nicht
grundsätzlich einen
Fall der offenkundigen Verhinderung dar, hier lassen jedoch die
besonderen
Umstände des Einzelfalles die Annahme von Offensichtlichkeit
zu. Bei den
parallel laufenden Verfahren handelte es sich jeweils um sehr
umfangreiche
Verfahren. Die Schwurgerichtssache war von November 1999 bis Anfang Juni
2000 terminiert. Im hiesigen Verfahren wurde von Anfang Mai bis Mitte
Juli
2000 verhandelt. Das Beschleunigungsgebot nach § 72 Abs. 5 JGG
mußte in
der vorliegenden Jugend-/Haftsache berücksichtigt werden. Die
Terminierung
in den Parallelverfahren erfolgte durch verschiedene Vorsitzende.
Anhaltspunkte
für eine willkürlich herbeigeführte
Terminskollision sind nicht ersichtlich.
Richter Dr. M. aus der ersten Vertreterkammer durfte daher als
geschäftsplanmäßiger
Vertreter ohne weiteres an die Stelle eines verhinderten
Beisitzers treten.
b) Soweit der Besetzungseinwand damit begründet wird, Richter
R.
sei in der Reihe der Nachfolgenden nicht der
ordnungsgemäß berufene Vertreter,
genügt das Revisionsvorbringen nicht den Anforderungen des
§ 344
Abs. 2 Satz 2 StPO.
Die Revision teilt den Beschluß der Kammer, durch den diese
den Besetzungseinwand
zurückgewiesen hat, nicht vollständig mit. Die
vollständige
- 6 -
Wiedergabe gehört aber zum notwendigen Revisionsvorbringen
(vgl. BGHR
StPO § 344 Abs. 2 Satz 2 Besetzungsrüge 2). Der
mitgeteilte Inhalt des Beschlusses
ist in sich unverständlich. Die Äußerungen
der 27. und 28. Strafkammer
zur Vertretungsmöglichkeit werden in der
Revisionsbegründung
ebenfalls nicht mitgeteilt. Auch fehlt die Bekanntgabe der im
Geschäftsverteilungsplan
des Landgerichts Frankfurt am Main für das Jahr 2000
getroffenen
Rangordnung zwischen Sitzungstätigkeit in der eigenen Kammer
und Inanspruchnahme
als Vertreter. Für das Revisionsgericht ist daher nicht
überprüfbar,
ob Richter R. der ordnungsgemäß berufene Vertreter
war.
III. Sachrüge
Die Überprüfung des Urteils aufgrund der
Sachrüge hat keinen Rechtsfehler
zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
Die Beweiswürdigung des Landgerichts begegnet keinen
durchgreifenden
rechtlichen Bedenken. Die Überzeugungsbildung von der
Täterschaft des
Angeklagten im Falle des Totschlags beruht auf der vorgenommenen
Gesamtwürdigung
und geht von einer festen Tatsachengrundlage aus. Die
Glaubwürdigkeitsprüfung
der Belastungszeugen L. und K. läßt zwar in
ihrer Darstellung Unbehelflichkeiten erkennen, enthält aber im
Ergebnis keinen
Rechtsfehler. Rechtsbedenkenfrei ist auch die Annahme, der Angeklagte
habe
mit direktem Tötungsvorsatz gehandelt. Aus der Wucht des
Stiches und dem
Nachlaufen mit dem Messer in der Hand, in Kenntnis dessen,
daß das Opfer
bereits verletzt war, hat der Tatrichter rechtsfehlerfrei auf direkten
Tötungsvorsatz
geschlossen. Bei dem alkoholgewöhnten Angeklagten und diesem
Tatgeschehen
bedurfte der Einfluß des Alkohols auf die konkrete
Vorstellung vom
Taterfolg keiner Erörterung. Für den Tatrichter
bestand bei nachvollziehbar
- 7 -
begründetem dolus directus kein Anlaß, sich mit
bewußter Fahrlässigkeit auseinanderzusetzen,
auch wenn das Tatmotiv nicht aufgeklärt werden konnte.
Jähnke Otten Rothfuß
Fischer Elf |