BGH,
Urt. v. 18.4.2002 - 3 StR 52/02
3 StR 52/02
StGB § 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c
Die Gefahr einer schweren Gesundheitsbeschädigung
umfaßt außer den Risiken, die generell für
jeden Betroffenen von der Raubhandlung ausgehen, auch die konkreten
Gefahren, denen das Opfer allein wegen seiner individuellen
Schadensdisposition ausgesetzt ist.
BGH, Urteil vom 18. April 2002 - - LG Hannover BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom
18. April 2002
in der Strafsache gegen
wegen Raubes u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofes hat in der Sitzung vom 18.
April 2002, an der teilgenommen haben: Vorsitzender Richter am
Bundesgerichtshof Prof. Dr. Tolksdorf, Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Rissing-van Saan, die Richter am Bundesgerichtshof Pfister, von
Lienen, Becker als beisitzende Richter, Oberstaatsanwalt beim
Bundesgerichtshof in der Verhandlung, Oberstaatsanwalt beim
Bundesgerichtshof bei der Verkündung als Vertreter der
Bundesanwaltschaft, Rechtsanwältin als Verteidigerin,
Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
Auf die Revisionen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft wird
1. das Verfahren gemäß § 154 a Abs. 2 StPO
auf die Straftaten zum Nachteil der Zeugin D. beschränkt;
2. das Urteil des Landgerichts Hannover vom 31. August 2001 mit den
Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer
des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen "Raubes in Tateinheit mit
Körperverletzung sowie wegen räuberischen Diebstahls"
zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Mit ihren
hiergegen gerichteten Revisionen rügen die Staatsanwaltschaft
und der Angeklagte jeweils die Verletzung materiellen Rechts. Die
Staatsanwaltschaft beanstandet, daß der Angeklagte nicht des
schweren Raubes gemäß § 249 Abs. 1,
§ 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c StGB schuldig gesprochen wurde.
Der Angeklagte wendet sich gegen seine Verurteilung wegen
räuberischen Diebstahls und rügt außerdem,
daß das Landgericht die Einzelstrafe wegen Raubes in
Tateinheit mit (vorsätzlicher) Körperverletzung nicht
dem Strafrahmen des § 249 Abs. 2 StGB für minder
schwere Fälle entnommen hat. Die Rechtsmittel haben den aus
der Entscheidungsformel ersichtlichen Erfolg.
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts hatte der Angeklagte am
Abend vor der Tat Kokain konsumiert und gegen Mittag des Tattages eine
halbe Tablette Ecstasy zu sich genommen. Die Wirkung der Drogen war
abgeklungen, weswegen sich der Angeklagte in stark niedergeschlagener
Stimmung befand. Ihn beschäftigte seine Mittellosigkeit sowie
die Frage, wovon er sich neue, seine Stimmung aufhellende
Betäubungsmittel beschaffen könne. Das Landgericht
vermag nicht auszuschließen, daß wegen dieses
psychischen Zustands die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten
bei dem folgenden Geschehen erheblich vermindert war.
Als der Angeklagte die 80-jährige Rentnerin D. sah,
entschloß er sich spontan, dieser die Handtasche zu
entreißen, um das darin vermutete Geld an sich zu bringen und
für sich zu verwenden. Er erkannte dabei die
Möglichkeit, daß das Opfer bei der Tat verletzt
werden könnte, nahm dies aber billigend in Kauf. Er
näherte sich von hinten und griff nach der Tasche, die die
Geschädigte in der linken Hand hielt. Als diese die Tasche
wider Erwarten nicht los ließ, riß der Angeklagte
daran schließlich mit solcher Kraft, daß der schon
beschädigte Tragriemen abriß und der Angeklagte mit
der Tasche fliehen konnte. Durch das Entreißen der Handtasche
erlitt die Geschädigte eine schmerzhafte und komplizierte
Schulterverletzung mit Auskugelung und Verrenkung des Schultergelenks,
einer Knochenabsplitterung und einer Zerrung des Nervengeflechts, die
zu einer - wahrscheinlich dauerhaften - erheblichen
Bewegungseinschränkung des Arms in seitliche Richtung
führte. Diese Verletzung hatte der Angeklagte im einzelnen
weder vorhergesehen noch wahrgenommen. Auch bemerkte er aufgrund seiner
sofortigen Flucht nicht, daß die Geschädigte durch
das Entreißen der Handtasche zu Boden stürzte und
sich eine Platzwunde am Kopf zuzog.
Durch die Hilfeschreie der Geschädigten war der Zeuge G. auf
das Geschehen aufmerksam geworden. Er nahm die Verfolgung des
Angeklagten auf. Dieser setzte die Flucht fort und versuchte, vor allem
um sich im Besitz der Beute zu halten, sich seines Verfolgers dadurch
zu entledigen, daß er ihn mehrfach zum Zurückbleiben
aufforderte und ihm drohte ihn "abzustechen". Dabei bewegte er sich
einmal auf den Zeugen zu und tat so, als hole er ein Messer aus der
Tasche und versuche damit zuzustechen. Der Zeuge nahm die Drohungen
ernst, hielt daher stets einen sicheren Abstand zum Angeklagten, gab
die Verfolgung aber nicht auf. Er machte einen Passanten auf die
Situation aufmerksam, der seinerseits die Polizei
verständigte. Diese nahm den Angeklagten kurze Zeit
später fest.
2. Die Revision der Staatsanwaltschaft
a) Die Revisionsbegründung setzt sich allein mit dem
unterbliebenen Schuldspruch nach § 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c
StGB auseinander. Es kann dahinstehen, ob das Rechtsmittel daher trotz
des umfassend gestellten Aufhebungsantrages dahin auszulegen ist,
daß es sich auf den Schuldspruch wegen räuberischen
Diebstahls nicht erstrecken soll (vgl. BGH NJW 1989, 2760, 2762 -
insoweit in BGHSt 36, 167 nicht abgedruckt; BGH, Urt. vom 6. Februar
2002 - 1 StR 506/01). Denn eine solche Beschränkung des
Rechtsmittels wäre unwirksam, da der Raub zum Nachteil der
Zeugin D. in Gesetzeseinheit zu dem räuberischen Diebstahl
steht (s. unten c; zur Unwirksamkeit der
Rechtsmittelbeschränkung in einem solchen Fall vgl. Kuckein in
KK 4. Aufl. § 244 Rdn. 8 m. w. N.).
b) Die Ausführungen des Landgerichts, mit denen es eine
Verurteilung des Angeklagten wegen schweren Raubes nach § 250
Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c StGB zum Nachteil der Zeugin D. ablehnt, werden
von der Beschwerdeführerin im Ergebnis mit Recht beanstandet.
Sie lassen besorgen, daß das Landgericht bei der
Prüfung, ob der Angeklagte die Zeugin durch die Tat objektiv
und vorsätzlich in die Gefahr einer schweren
Gesundheitsbeschädigung gebracht hat, von einem zu engen
Verständnis des Tatbestands ausgegangen ist, weil es allein
auf die Gefahr abgestellt hat, die sich in der eingetretenen
Schulterverletzung der Zeugin verwirklicht hatte.
aa) Der Gesetzgeber hat durch das 6. Strafrechtsreformgesetz vom 26.
Januar 1998 (BGBl I S. 164) den Qualifikationstatbestand des
gefährlichen Raubes erweitert. Während es nach
§ 250 Abs. 1 Nr. 3 StGB aF erforderlich war, daß der
Täter oder ein anderer am Raub Beteiligter durch die Tat einen
anderen in die Gefahr des Todes (jetzt § 250 Abs. 2 Nr. 3
Buchst. b StGB nF) oder einer schweren Körperverletzung im
Sinne des § 224 StGB aF brachte, genügt es nach
§ 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c StGB nF, daß durch die
Raubtat ein anderer in die Gefahr einer schweren
Gesundheitsbeschädigung gebracht wird. Der Begriff der
schweren Gesundheitsbeschädigung reicht weiter als derjenige
der schweren Körperverletzung (§ 224 StGB aF bzw.
§ 226 StGB nF). Es kommt demgemäß nicht
mehr darauf an, ob der Täter oder Tatbeteiligte durch den Raub
für einen anderen die Gefahr einer der in § 226 StGB
nF genannten Körperverletzungsfolgen begründet.
Vielmehr reicht es beispielsweise aus, wenn die Raubtat das Opfer in
die konkrete Gefahr einer ernsten langwierigen Krankheit, einer
ernsthaften Störung der körperlichen Funktionen oder
einer erheblichen Beeinträchtigung seiner Arbeitskraft bringt
(vgl. die Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung
zum 6. StrRG BTDrucks. 13/8587 S. 27 f.; Eser in
Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl. § 250 Rdn.
21; Lackner/Kühl, StGB 24. Aufl. § 250 Rdn. 3;
Schroth NJW 1998, 2861, 2865). Es werden damit von dem
Qualifikationstatbestand nunmehr nicht allein die Gefahren
umfaßt, die der konkreten Raubhandlung generell für
jeden von ihr potentiell Betroffenen innewohnen würden;
vielmehr sind auch die Gefahren einbezogen, denen das konkrete Opfer
allein wegen seiner individuellen besonderen Schadensdisposition durch
die Raubhandlung ausgesetzt ist (Schroth aaO). Dabei wird, wie aus der
Absenkung der unteren Strafrahmengrenze von fünf auf drei
Jahre geschlossen werden kann, auch die Gefahr von Verletzungsfolgen
ausreichen, die in ihrer Schwere nicht mit den in § 224 StGB
aF bzw. § 226 StGB nF genannten vergleichbar sind (so wohl
auch Schroth aaO; aA Eser aaO m. w. N.; offen Lackner/Kühl
aaO).
Bei der Prüfung, ob eine Raubtat den Qualifikationstatbestand
des § 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c StGB erfüllt, ist
daher zunächst festzustellen, welchen konkreten Gefahren der
durch die Raubhandlung Betroffene ausgesetzt war, wobei seine
individuelle körperliche und gegebenenfalls auch seelische
Verfassung ebenso mit in Betracht zu ziehen sind wie etwa die
Auswirkungen, die sich bei Verwirklichung des drohenden
Gesundheitsschadens für seine Berufsfähigkeit ergeben
hätten (vgl. dagegen RGSt 62, 161, 162; 64, 201 zu §
224 StGB aF). So können etwa die Gesundheitsgefahren, die
durch eine mit Gewaltausübung verbundene Raubhandlung
für ein gesundes, im Vollbesitz seiner körperlichen
und geistigen Kräfte befindliches Opfer begründet
werden, sich deutlich von den Gefahren unterscheiden, die durch eine
vergleichbare Handlung für ein Kind, einen alten Menschen,
einen Behinderten oder einen durch Krankheit oder sonstige
körperliche Gebrechen bereits geschwächten
Betroffenen eintreten. Ist bei dem Opfer ein schwerer
Gesundheitsschaden eingetreten, darf die Prüfung des
subjektiven Tatbestandes nicht vorschnell allein auf die Gefahr verengt
werden, die sich in diesem Schaden realisiert hat. Vielmehr ist zu
klären, ob durch die Raubtat objektiv nicht noch andere
erhebliche Gesundheitsgefahren begründet wurden, die nicht in
einen entsprechenden Schaden umgeschlagen sind.
Erst wenn auf diese Weise alle durch die Raubtat für den
Betroffenen nach den individuellen Gegebenheiten und dem jeweiligen
Tatablauf objektiv gesetzten konkreten Gesundheitsgefahren festgestellt
sind, kann - so sie dem § 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c StGB
unterfallen - verläßlich geprüft werden, ob
sie subjektiv von dem - zumindest bedingten - Vorsatz des
Täters (vgl. BGHSt 26, 176, 180 ff. zu § 113 Abs. 2
Nr. 2 StGB; BGHSt 26, 244 ff. zu § 11 Abs. 4 Nr. 2 BtMG aF;
Eser aaO Rdn. 24 m. w. N.) erfaßt waren, insbesondere ob er
eine individuelle Schadensdisposition des Opfers und die gegebenenfalls
erst hieraus resultierende Gefahr einer schweren
Gesundheitsschädigung erkannt hat.
bb) Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil nicht gerecht.
Das Landgericht scheint zwar die aus der Schulterverletzung der Zeugin
D. resultierende dauernde Bewegungseinschränkung des Armes als
schwere Gesundheitsschädigung anzusehen, verneint insoweit
aber einen Gefährdungsvorsatz des Angeklagten, weil dieser die
Möglichkeit einer derartigen Verletzung nicht im einzelnen
vorhergesehen habe (UA S. 6 und 11). Sachverständig beraten
folgt es der Einlassung des Angeklagten, ihm sei nur allgemein klar
gewesen, daß es zu körperlichen
Beeinträchtigungen des Opfers kommen könne, die
Möglichkeit einer schweren Gesundheitsschädigung habe
er aber nicht in Betracht gezogen; er habe sich über die
Gefährlichkeit seines Handelns keinerlei Gedanken gemacht,
weil er nur auf die Erlangung des für den Kauf neuer Drogen
benötigten Geldes fixiert gewesen sei. Dies sei dem
Angeklagten wegen seines "psychischen Ausnahmezustands" nicht zu
widerlegen, weil das objektive Geschehen keinen gegenteiligen
Schluß auf die subjektive Tatseite zulasse (UA S. 10).
Diese Ausführungen lassen besorgen, daß das
Landgericht von einem zu engen Verständnis des § 250
Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c StGB ausgegangen ist und wesentliche
Umstände des Falles außer Betracht gelassen hat. Bei
der Prüfung, ob der Angeklagte die Zeugin D. objektiv und
subjektiv in die konkrete Gefahr einer schweren
Gesundheitsschädigung gebracht hat, befaßt sich das
Landgericht konkret nur mit der Schulterverletzung. Schon insoweit
erscheint zweifelhaft, ob durch die Feststellung, der Angeklagte habe
diese Verletzung "im einzelnen" (UA S. 6) nicht vorhergesehen, ein
bedingter Gefährdungsvorsatz rechtsfehlerfrei ausgeschlossen
wurde. Jedenfalls erörtert das Landgericht nicht die
naheliegende Frage, ob der Zeugin D. durch die Tathandlung - abgesehen
von der Gefahr der Schulterverletzung, die sich realisiert hat -
objektiv weitere Gefahren drohten, die unter § 250 Abs. 1 Nr.
1 Buchst. c StGB subsumierbar sind. So ist insbesondere nicht
erkennbar, daß das Landgericht den Sturz des Tatopfers und
die daraus resultierende Kopfplatzwunde in seine
diesbezüglichen Überlegungen miteinbezogen hat. Es
hätte sich ihm jedoch die Frage aufdrängen
müssen, ob mit dem Sturz für das 80-jährige
Tatopfer erfahrungsgemäß nicht wesentlich
größere Gefahren für die Gesundheit
verbunden waren, als dies bei einem jungen Menschen der Fall gewesen
wäre bzw. als sich in der tatsächlich (nur)
eingetretenen Kopfplatzwunde realisiert haben.
Wegen dieses Erörterungsmangels bleibt auch offen, ob sich die
allgemein gehaltenen Ausführungen des Landgerichts zum Vorsatz
des Angeklagten außer auf die realisierte Gefahr der
Schulterverletzung auch auf denkbare weitere objektive
Gesundheitsgefahren beziehen. Nach den Urteilsgründen ist
daher rechtsfehlerfrei weder ausgeschlossen, daß der Zeugin
objektiv neben der Schulterverletzung weitere erhebliche
Gesundheitsgefahren drohten, noch daß der Angeklagte diese
billigend in Kauf nahm. Denn entgegen der Ansicht des Landgerichts sind
im objektiven Tatbild durchaus Umstände vorhanden, die
Rückschlüsse auf die subjektive Tatseite zulassen und
möglicherweise geeignet sein könnten, auch unter
Berücksichtigung der psychischen Befindlichkeit des
Angeklagten zur Tatzeit dessen Einlassung zu seinen Vorstellungen
über die dem Opfer durch die Tat drohenden Gesundheitsgefahren
zu widerlegen. Dies gilt insbesondere für einen
möglichen Sturz der Zeugin D. und der damit für sie
begründeten Risiken. So hatte sich der Angeklagte ein Opfer
ausgewählt, das wegen seines Alters erkennbar "besonders
gefährdet" war (UA S. 11). Er hat, als die Zeugin D. ihre
Tasche wider Erwarten festhielt, mit solcher Kraft an der Tasche
gezogen, daß der Trageriemen abriß, die Zeugin eine
schwere Schulterverletzung erlitt, zu Boden stürzte und sich
eine Kopfverletzung zuzog.
Die Verurteilung des Angeklagten wegen Raubes nach § 249 Abs.
1 StGB ist daher auf die Revision der Staatsanwaltschaft aufzuheben.
c) Soweit die Revision der Staatsanwaltschaft gemäß
§ 301 StPO zu Gunsten des Angeklagten wirkt, führt
sie zum Wegfall des Schuldspruchs wegen räuberischen
Diebstahls.
Neben dem Schuldspruch nach § 249 StGB durfte wegen der
Handlungen, die der Angeklagte in der Phase nach Vollendung und vor
Beendigung des Raubes zur Sicherung der Beute beging, keine
Verurteilung wegen räuberischen Diebstahls (§ 252
StGB) erfolgen. Das Landgericht ist zwar zutreffend davon ausgegangen,
daß Vortat eines räuberischen Diebstahls (§
252 StGB) auch ein Raub (§ 249 StGB) sein kann (BGHSt 21,
377). Es hat jedoch nicht bedacht, daß Schutzgüter
sowohl des § 249 wie des § 252 StGB das
Vermögen und die Freiheit der Willensbetätigung sind
und sich beide Vorschriften lediglich dadurch tatbestandlich
voneinander abheben, daß § 249 StGB die genannten
Rechtsgüter vom Beginn des Versuchs bis zur Vollendung,
§ 252 StGB dagegen ab der Vollendung bis zur Beendigung der
Wegnahme der Beute schützt (vgl. BGH NStZ 1987, 453). Wird
daher vom Täter nicht nur zur Erlangung des Gewahrsams an der
Beute, sondern auch nach Gewahrsamsbegründung zu deren
Sicherung eines der in §§ 249, 252 StGB genannten
Nötigungsmittel eingesetzt, kommt dem erneuten Angriff auf das
Vermögen durch den räuberischen Diebstahl
grundsätzlich keine selbständige Bedeutung mehr zu,
da dieses Rechtsgut bereits durch die Raubtat geschädigt wurde
(vgl. BGH GA 1969, 347, 348). Zwischen beiden Tatbeständen
besteht dann Gesetzeseinheit in der Weise, daß § 249
StGB grundsätzlich den § 252 StGB verdrängt
(aA Dreher MDR 1976, 529, 532). Anders ist es nur, wenn die
Nötigungshandlung in der Beendigungsphase schwerer wiegt, weil
erst nach der Vollendung der Wegnahme ein Qualifikationstatbestand der
§§ 250 oder 251 StGB verwirklicht wurde. In diesem
Falle verdrängt der zur Beutesicherung begangene schwere
räuberische Diebstahl bzw. räuberische Diebstahl mit
Todesfolge den Raub (BGH aaO).
Allerdings erscheint es dem Senat zweifelhaft, ob nach diesen
Grundsätzen hier jegliche Bestrafung des Angeklagten wegen der
gegen den Zeugen G. gerichteten Handlungen ausscheidet. Zwar wird
sowohl durch den Raub, als auch durch die Nötigungs- und
Bedrohungshandlungen gegen den Zeugen G. das Vermögen der
Zeugin D. angegriffen. Jedoch war der Zeuge G. durch die Raubhandlung
noch nicht betroffen. Seine Individualrechtsgüter der Freiheit
der Willensbetätigung und des Gefühls der
Rechtssicherheit (Lackner/Kühl aaO § 241 Rdn. 1)
wurden erst in der Beendigungsphase des Raubes durch die versuchte
Nötigung und die Bedrohung beeinträchtigt. Der Senat
neigt daher der Ansicht zu, daß jedenfalls beim Einsatz von
Nötigungsmitteln gegen einen weiteren, bisher nicht
Geschädigten eine Verurteilung nach §§ 240,
22, 23 StGB bzw. § 241 StGB in Betracht kommt (so etwa auch
Eser in Schönke/Schröder, aaO § 252 Rdn. 13;
Kindhäuser in NK 2. Aufl. § 252 Rdn. 39 jew. m. w.
N.; s. aber BGH GA 1969, 347, 348; BGH, Urt. vom 28. Februar 1967 - 5
StR 17/67 - und Urt. vom 8. Oktober 1975 - 2 StR 404/75).
Dies bedarf jedoch keiner abschließenden Entscheidung.
Für den Strafausspruch hätte eine tateinheitliche
Verurteilung des Angeklagten wegen versuchter Nötigung und
Bedrohung neben dem Schuldspruch wegen (ggf. schweren) Raubes in
Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung kein
besonderes Gewicht. Der Senat beschränkt daher mit Zustimmung
des Generalbundesanwaltes die Verfolgung gemäß
§ 154 a Abs. 2 StPO auf die Straftaten zum Nachteil der Zeugin
D. .
3. Die Revision des Angeklagten
a) Die Beschränkung des Rechtsmittels auf den Schuldspruch
wegen räuberischen Diebstahls, die für den Raub
verhängte Einzelstrafe und die Gesamtstrafe ist unwirksam (s.
oben 2. a).
b) Die Revision des Angeklagten hat Erfolg, soweit sie den Schuldspruch
wegen räuberischen Diebstahls beanstandet und führt
im übrigen ebenfalls zu der Beschränkung des
Verfahrens gemäß § 154 a Abs. 2 StPO auf
die gegen die Zeugin D. begangenen Straftaten (s. oben 2. c). Damit
entfällt die Gesamtstrafe. Im übrigen, namentlich
soweit sich der Angeklagte gegen die Strafrahmenwahl bezüglich
des Raubes in Tateinheit mit vorsätzlicher
Körperverletzung wendet, ist sein Rechtsmittel
unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO, wie der
Generalbundesanwalt in der Antragsschrift vom 26. Februar 2002
zutreffend dargelegt hat.
Von der danach an sich auf die Revision des Angeklagten gebotenen
Schuldspruchänderung sieht der Senat ab, da wegen der
erfolgreichen Revision der Staatsanwaltschaft das Landgericht ohnehin
neu über den Schuldspruch und Strafausspruch wegen der zum
Nachteil der Zeugin D. begangenen Taten befinden muß.
4. Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin,
daß nach ständiger Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofes eine erhebliche Verminderung der
Steuerungsfähigkeit bei Beschaffungskriminalität
drogenabhängiger Täter nur dann in Betracht kommt,
wenn langjähriger Betäubungsmittelgenuß zu
schwersten Persönlichkeitsveränderungen
geführt hat oder der Täter starke
Entzugserscheinungen erleidet bzw. aufgrund früheren Erlebens
deren Eintritt befürchtet und dadurch dazu getrieben wird,
sich mittels einer Straftat Drogen zu beschaffen, ferner unter
Umständen dann, wenn er das Delikt in einem aktuellen Rausch
verübt (s. nur BGHR StGB § 21 BtM-Auswirkungen 5 und
12m. w. N.). Entsprechende Feststellungen sind in dem angefochtenen
Urteil nicht getroffen, so daß die Annahme der
Voraussetzungen des § 21 StGB der erforderlichen
tatsächlichen Grundlage entbehrte. Ob eine Verminderung der
Steuerungsfähigkeit erheblich im Sinne des § 21 StGB
ist, ist im übrigen Rechtsfrage und vom Richter auch nach
normativen Kriterien zu beurteilen. Diese Frage ist daher der
Beurteilung des Sachverständigen entzogen. Er hat lediglich
das zu ihrer Beantwortung notwendige medizinische Wissen dem Richter zu
vermitteln.
Die nunmehr zur Entscheidung berufene Strafkammer wird über
die Kosten beider Revisionen zu befinden haben, da wegen des Erfolgs
der Revision der Staatsanwaltschaft die Beschränkung der
Strafverfolgung nach § 154 a Abs. 2 StPO nicht zu einer
rechtskräftigen Aburteilung der durch die
Beschränkung nicht betroffenen Teile der Tat führt
(vgl. BGHR StPO § 154 a Kostenentscheidung 1).
Tolksdorf Rissing-van Saan Pfister von Lienen Becker |