BGH,
Urt. v. 18.1.2001 - 4 StR 315/00
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 315/00
vom
18. Januar 2001
in der Strafsache gegen
wegen Betruges
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 18.
Januar 2001, an der teilgenommen haben: Richter am Bundesgerichtshof
Maatz als Vorsitzender, die Richter am Bundesgerichtshof Dr. Kuckein,
Athing, die Richterin am Bundesgerichtshof Solin-Stojanovic, der
Richter am Bundesgerichtshof Dr. Ernemann als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt als Vertreter der Bundesanwaltschaft, Rechtsanwalt als
Verteidiger, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der
Geschäftsstelle, für Recht erkannt:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Münster vom 11. April 2000 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu
tragen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freisprechung im
übrigen wegen Betruges in 58 Fällen zu einer
Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt.
Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er
die Verletzung materiellen Rechts rügt.
Das Rechtsmittel ist unbegründet, da die Nachprüfung
des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung keinen durchgreifenden
Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat. Der
Erörterung bedarf nur folgendes:
1. Das Landgericht hat in den ausgeurteilten Betrugsfällen zu
Recht jeweils das Vorliegen eines Vermögensschadens im Sinne
des § 263 StGB bejaht.
a) Nach den Feststellungen gründeten der Angeklagte und der
frühere Mitangeklagte M. , die weder über ein
ausreichendes Startkapital noch über Kenntnisse im
Reinigungsgewerbe verfügten, Ende Juli 1998 die P. C. GmbH.
Gegenstand des Unternehmens sollte in erster Linie die Reinigung von
Gebäuden sein. Nach Anmietung entsprechender
Büroräume schlossen sie in der Folgezeit für
die P. C. GmbH mit 58 Personen, zumeist als Reinigungskräften,
Arbeitsverträge, in denen sich die Gesellschaft zur Zahlung
von Bruttomonatsgehältern im Bereich von ca. 3.000.- bis
6.000.- DM verpflichtete. Einstellungstermine waren entweder der 1.
September, der 1. Oktober oder der 1. November 1998. Da keine
Aufträge vorhanden waren, vereinbarten sie, daß sich
- bis auf vier Angestellte - das gesamte übrige Personal auf
Abruf zu Hause bereitzuhalten habe. Hierbei erklärten sie den
Mitarbeitern bewußt der Wahrheit zuwider, daß sich
niemand Sorgen wegen des Gehalts zu machen brauche, "weil die
Kapitaldecke der Firma P. C. GmbH so groß sei, daß
bis Februar/März 1999 alle Gehälter problemlos
gezahlt werden könnten, unabhängig von der
Auftragslage" (UA 21). Auch sollten keinerlei Abstriche bei der
Höhe des Arbeitsentgelts gemacht werden, wenn die
Arbeitnehmer, die sich zu Hause bereitzuhalten hatten, nicht zum
Einsatz kämen. In der Folge erhielt die P. C. GmbH lediglich
einige wenige Reinigungsaufträge. Gehälter wurden nur
ganz ausnahmsweise und nicht in voller Höhe bezahlt; insgesamt
blieb die P. C. GmbH 58 Mitarbeitern für den Zeitraum ab ihrer
Einstellung bis zum 20. November 1998 Arbeitsentgelte in
Gesamthöhe von 236.911,65 DM schuldig. Die am 23. November
1998 beantragte Eröffnung des Konkursverfahrens über
das Vermögen der P. C. GmbH wurde schließlich
mangels Masse abgelehnt.
b) Auf der Grundlage dieser Feststellungen sind die Mitarbeiter, die
keinen oder jedenfalls nicht den vollen Lohn erhalten haben, durch das
Verhalten des Angeklagten in ihrem Vermögen
geschädigt worden. Hierbei kommt es weder darauf an, ob sie
tatsächlich Arbeitsleistungen erbracht haben noch ob sie
anderweitig eine bezahlte Tätigkeit hätten
ausüben können.
Zwar stellt nach überwiegender Ansicht die Arbeitskraft eines
Menschen als solche, das heißt seine Fähigkeit,
durch den Einsatz geistiger oder körperlicher Kräfte
Leistungen von wirtschaftlichem Wert zu erbringen, noch keinen
Vermögensbestandteil dar (vgl. hierzu Lackner in LK 10. Aufl.
§ 263 Rdnr. 140; Cramer in Schönke/Schröder
StGB 25. Aufl. § 263 Rdnr. 96; Tröndle/Fischer StGB
50. Aufl. § 263 Rdnr. 27 a.E.; Otto Jura 1993, 424, 427;
Heinrich GA 1997, 24, 25). Jedoch kann die Möglichkeit, die
eigene Arbeitskraft zur Erbringung von Dienstleistungen einzusetzen,
zum Vermögen im Sinne des § 263 StGB
gehören, wenn solche Leistungen üblicher Weise nur
gegen Entgelt erbracht werden (RGSt 68, 379, 380; BGHR StGB §
263 Abs. 1 Vermögen 1; BGH NStZ 1998, 85; vgl. auch Lackner
und Cramer jeweils aaO). Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die
Erbringung der persönlichen Arbeitsleistung Gegenstand einer
(entgeltlichen) Vertragsbeziehung, in aller Regel eines Dienst-,
Arbeits- oder Werkvertrages, zwischen Täter und Opfer ist
(vgl. Cramer aaO; Heinrich aaO S. 28 f). Täuscht der
Täter - wie hier - in einem solchen Fall bei
Abschluß des Vertrages über seine
Fähigkeit, die vereinbarte Vergütung zu zahlen, so
gelten die allgemeinen Regeln über den Eingehungsbetrug. Der
Vermögensschaden des Opfers ist darin begründet,
daß es nunmehr über seine Arbeitskraft - sei es
unmittelbar, sei es in Form des Abschlusses von
Dienstverträgen - nicht mehr frei zu eigenem Nutzen
verfügen kann (RGSt 68, 380). Hierbei ist es unbeachtlich, ob
der Betroffene die Möglichkeit gehabt hätte, seine
Arbeitskraft anderweitig gewinnbringend einzusetzen (RG aaO; ebenso
Cramer aaO Rdnr. 96 a.E., Lackner aaO Rdnr. 140; a.A. Kohlrausch/Lange
StGB 43. Aufl. § 263 Anm. V 2 d). Denn mit dem
Abschluß eines Vertrages, der die Erbringung von Arbeiten
gegen Vergütung zum Inhalt hat, wird die persönliche
Arbeitsleistung zum Gegenstand einer vermögensrechtlichen
Beziehung und damit zu einem Bestandteil des Vermögens des zur
Dienstleistung Verpflichteten. Stellt er seine Arbeitskraft ohne
Aussicht auf vertragsgemäße Entlohnung zur
Verfügung, so ist sein Vermögen um den Wert seiner
Arbeitsleistung vermindert (vgl. auch BGH NStZ 1998, 85).
2. Die Urteilsfeststellungen belegen auch, daß der Angeklagte
von Anfang an mit dem für den Betrugsvorsatz erforderlichen
Schädigungsbewußtsein gehandelt hat. Dem steht nicht
die Feststellung des Landgerichts entgegen, er sowie der
frühere Mitangeklagte M. hätten (erst)
"spätestens am 17. Oktober 1998 ... erkannt, dass die zu einer
erfolgreichen Unternehmensführung erforderlichen
Aufträge für die P. C. GmbH ausblieben und dass auch
die Geldbeschaffung über Versicherungsprovisionen oder
Zuschüsse vom Arbeits- bzw. Sozialamt nicht den
gewünschten Erfolg haben würde" (UA 24). Für
den inneren Tatbestand der Schädigung genügt
bedingter Vorsatz (vgl. Tröndle/Fischer aaO § 263
Rdnr. 40 m.N.). Den Urteilsgründen kann entnommen werden,
daß sich der Angeklagte aufgrund der Gesamtsituation bereits
bei der Einstellung des ersten Arbeitnehmers darüber im Klaren
war, zur späteren Zahlung der Löhne
möglicherweise nicht in der Lage zu sein, und daß er
dies auch billigend in Kauf nahm. Ersichtlich wollte das Landgericht
daher durch die zitierte Urteilsstelle nur zum Ausdruck bringen,
daß der Ange-
klagte ab dem dort angegebenen Zeitpunkt nicht mehr (lediglich) mit
bedingtem, sondern mit direktem Vorsatz handelte.
Maatz Kuckein Athing
Solin-Stojanovic Ernemann |