BGH,
Urt. v. 19.11.2002 - 1 StR 346/02
1 StR 346/02
BtMG 1981 § 31 Nr. 1 2
Der Anwendbarkeit des § 31 Nr. 1 BtMG steht nicht entgegen,
daß der Aufklärungserfolg nicht im Inland, sondern
in einem anderen Vertragsstaat des Schengener
Durchführungsübereinkommens (SDÜ)
eingetreten ist. 3
BGH, Urt. v. 19. November 2002 - - LG Freiburg 4
BUNDESGERICHTSHOF 5
IM NAMEN DES VOLKES 6
URTEIL 7
vom 8
19. November 2002 9
in der Strafsache gegen 10
1. 11
2. 12
wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge u.a. 13
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofes hat in der Sitzung vom 19.
November 2002, an der teilgenommen haben: Vorsitzender Richter am
Bundesgerichtshof Nack und die Richter am Bundesgerichtshof Dr.
Boetticher, Schluckebier, Hebenstreit, die Richterin am
Bundesgerichtshof Elf, Staatsanwalt als Vertreter der
Bundesanwaltschaft, Rechtsanwalt als Verteidiger des Angeklagten C. ,
Rechtsanwalt als Verteidiger des Angeklagten A. , Justizangestellte als
Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle, für Recht
erkannt: 14
Die Revisionen der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts
Freiburg vom 12. März 2002 werden verworfen. 15
Die Staatskasse trägt die Kosten dieser Rechtsmittel und die
den Angeklagten durch sie entstandenen notwendigen Auslagen. 16
Von Rechts wegen 17
Gründe: 18
Das Landgericht hat den Angeklagten A. wegen unerlaubter Einfuhr von
Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit
unerlaubtem Handeltreiben in zwei Fällen zu einer
Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und neun Monaten
verurteilt. Gegen den Angeklagten C. hat es wegen unerlaubter Einfuhr
von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit
mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben eine Freiheitsstrafe von
zwei Jahren und drei Monaten verhängt. Außerdem
wurde C. die Fahrerlaubnis entzogen und eine Sperrfrist für
deren Neuerteilung von 18 Monaten festgesetzt. 19
Mit ihren Revisionen wendet sich die Staatsanwaltschaft gegen die
Strafaussprüche. Sie vertritt die Ansicht, beim Angeklagten A.
habe die Strafkammer rechtsfehlerhaft eine Strafmilderung nach
§ 31 Nr. 1 BtMG, § 49 Abs. 2 StGB vorgenommen; die
gegen den Angeklagten C. verhängte Strafe sei unvertretbar
milde. 20
Die wirksam auf die Strafaussprüche beschränkten
Rechtsmittel, die der Generalbundesanwalt nicht vertritt, haben keinen
Erfolg. 21
I. 22
Nach den Feststellungen fuhr der Angeklagte A. am 18. Mai 2001 nach
Rotterdam, erwarb dort von Y. 2574 Gramm Heroingemisch (Wirkstoffanteil
997,62 Gramm) sowie von L. 561 Gramm Kokaingemisch (Wirkstoffanteil 399
Gramm) zum gewinnbringenden Weiterverkauf im Raum Freiburg. Das
Rauschgift wurde absprachegemäß per PKW
zunächst über die niederländisch/deutsche
Grenze gebracht und dann von den gesondert verfolgten B. und Be.
übernommen. Diese wurden aufgrund der polizeilich
durchgeführten Observationsmaßnahmen kurz vor
Erreichen ihres Fahrtziels in Freiburg gestoppt. Das Rauschgift wurde
sichergestellt. 23
Um den Verlust aus diesem gescheiterten Geschäft zu
kompensieren, beabsichtigte A. , erneut eine größere
Menge Rauschgift zu besorgen. Da er selbst über kein eigenes
Fahrzeug verfügte, bat er den Mitangeklagten C. , ihn nach
Rotterdam zu fahren, ohne diesem den Grund für die Fahrt
näher mitzuteilen. Am 11. Juni 2001 trafen beide dort ein und
bezogen ein Hotelzimmer. Während C. in der Nähe des
Hotels zurückblieb, traf sich A. mit Y. und L. . Von ihnen
erwarb er 957 Gramm Heroingemisch (344,23 Gramm Wirkstoffanteil) bzw.
98 Gramm Kokaingemisch (Wirkstoffanteil 75,27 Gramm).
Anschließend kehrte er zu C. zurück, der kurz die
Plastiktüte mit dem darin befindlichen Rauschgift in den
Händen hielt, bevor A. diese im Kofferraum des PKW verstaute.
Im Verlauf des Abends erhielt C. von A. ein Briefchen mit 0,5 Gramm
Kokaingemisch zum Eigenverbrauch, das dieser zuvor von der Gesamtmenge
abgezweigt hatte. Spätestens ab diesem Zeitpunkt hielt C. es
für möglich, daß sich in der
Plastiktüte eine größere Menge Rauschgift
befand. Ihm war klar, daß er die Betäubungsmittel in
seinem PKW nach Freiburg bringen sollte, womit er sich abfand. Am
nächsten Tag traten beide die Heimfahrt von Rotterdam nach
Freiburg an. Kurz vor Erreichen ihres Fahrtziels wurden sie von den
Ermittlungsbehörden, die das Geschehen observiert hatten,
festgenommen. 24
Der Angeklagte A. war weitgehend geständig. Seine Angaben
deckten sich im wesentlichen mit den Erkenntnissen, die die deutschen
und niederländischen Ermittlungsbeamten aufgrund der
durchgeführten Observations- und
Telefonüberwachungsmaßnahmen gewonnen hatten. A.
wurde zweimal im Wege der Rechtshilfe durch die
niederländischen Ermittlungsbehörden befragt. Seine
Angaben wurden im Rahmen der von der dortigen Staatsanwaltschaft gegen
Y. und L. erhobenen Anklage als Beweismittel berücksichtigt.
25
II. 26
Die von der Strafkammer vorgenommene Milderung der Strafe des
Angeklagten A. nach § 31 Nr. 1 BtMG, § 49 Abs. 2 StGB
begegnet keinen rechtlichen Bedenken. 27
Indem A. die Drogenlieferanten Y. und L. benannte, deckte er die Tat
über seinen eigenen Tatbeitrag hinaus auf. Für die
Anwendung des § 31 Nr. 1 BtMG reichte es aus, daß
bei den Strafverfolgungsbehörden aufgrund der
durchgeführten Observations- und
Telefonüberwachungsmaßnahmen über Y. und L.
bereits vorhandenes Wissen auf eine sicherere Grundlage gestellt und
dadurch die Möglichkeit der Strafverfolgung verbessert wurde
(BGH StV 2002, 254; StV 2000, 623; BGHR BtMG § 31 Nr. 1
Aufdeckung 18 und 27). 28
Entgegen der Ansicht der Revision steht Art. 54 des Schengener
Durchführungsübereinkommens (SDÜ) der
Annahme eines Aufklärungserfolges im Sinne von § 31
Nr. 1 BtMG nicht entgegen. Für die Anwendung des § 31
BtMG zugunsten des Angeklagten im hiesigen Verfahren ist ohne
Bedeutung, daß die von ihm belasteten Y. und L. im Falle
ihrer Verurteilung in den Niederlanden im Hinblick auf Art. 54
SDÜ wegen dieser Taten in Deutschland nicht mehr verfolgt
werden könnten. Die Auffassung der Revision, für die
Anwendung des § 31 Nr. 1 BtMG sei ein voraussichtlich
erfolgreicher Abschluß des Strafverfahrens im Inland
erforderlich, findet im Gesetz keine Stütze. Sie widerspricht
einem wesentlichen Anliegen des Schengener Übereinkommens, das
die Vertragsstaaten zur Zusammenarbeit gerade auch bei der
Bekämpfung der grenzüberschreitenden
Rauschgiftkriminalität verpflichtet (vgl. Art. 40 Abs. 2 und
7; Art. 41 Abs. 4 und 7; Art. 70 ff. SDÜ). Die
Bekämpfung des Rauschgifthandels ist ein internationales
Anliegen (§ 6 Nr. 5 StGB). Das hat der Bundesgerichtshof
wiederholt hervorgehoben und es deshalb als rechtsfehlerhaft angesehen,
wenn durch Instanzgerichte strafmildernd berücksichtigt wurde,
daß das Rauschgift "nicht für den deutschen Markt
bestimmt" gewesen sei (vgl. BGH Urt. v. 31. Januar 1996 - 2 StR 643/95
-; BGHR BtMG § 30 Strafzumessung 1). Kriminalpolitisches Ziel
des § 31 BtMG ist, über die Aufklärungshilfe
von in Rauschgiftdelikte verstrickten Tätern und Beteiligten
in den illegalen Rauschgiftmarkt einzudringen und die
Möglichkeiten der strafrechtlichen Verfolgung zu verbessern.
Dabei hatte der Gesetzgeber gerade schwerwiegende
Betäubungsmittelstraftaten im Auge (vgl. Senat, NJW 2002,
908). Dazu gehört insbesondere die unerlaubte Einfuhr von
Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, wie die hohe
Strafdrohung des § 30 Abs.1 Nr. 4 BtMG zeigt. Solchen Taten
wohnt ein Auslandsbezug inne. Für diesen Deliktsbereich liefe
es - jedenfalls unter der Voraussetzung, daß die
Strafverfolgung in einem der Vertragsstaaten des Schengener
Durchführungsübereinkommens erfolgreich abgeschlossen
werden kann -, dem Zweck des § 31 Nr. 1 BtMG zuwider, wenn
dessen Anwendung von der Möglichkeit einer Verurteilung im
Inland abhinge. Art. 54 SDÜ zeigt zudem gerade, daß
Verurteilungen in den einzelnen Vertragsstaaten grundsätzlich
einander gleichstehen sollen. 29
Etwas anderes läßt sich auch nicht aus den von der
Revision zitierten Entscheidungen BGH StV 1986, 435 und BGH StV 1990,
455 entnehmen. Vielmehr hat der Bundesgerichtshof die Nichtanwendung
von § 31 Nr. 1 BtMG mit der Begründung des
Tatrichters, die im Wege der Rechtshilfe gegenüber den
niederländischen Behörden über den
Heroinlieferanten erfolgten Angaben könnten nur in einem dort
zu erwartenden Verfahren zum Tragen kommen, ausdrücklich
beanstandet (BGHR BtMG § 31 Nr. 1 Tat 2; vgl. auch BGHR BtMG
§ 31 Nr. 1 Aufdeckung 10). Er hat hingegen die Anwendung von
§ 31 Nr. 1 BtMG in einer Fallgestaltung unbeanstandet
gelassen, bei der der Angeklagte einen Aufklärungsbeitrag
geleistet hatte, der erfolgreiche Abschluß der
Strafverfolgung gegen die im Ausland untergetauchte belastete Person
aber von weiteren Maßnahmen der niederländischen
Ermittlungsbehörden abhing (BGHR BtMG § 31 Nr. 1
Aufdeckung 10; vgl. auch BGH StV 2000, 318). Erforderlich, aber auch
ausreichend ist vielmehr allein, daß der Tatrichter zu der
Überzeugung gelangt, der Angeklagte habe durch seine Angaben
einen Aufklärungsbeitrag im Sinne des § 31 Nr. 1 BtMG
geleistet. 30
Die nach § 301 StPO gebotene Überprüfung des
Urteils hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
31
III. 32
Hinsichtlich des Angeklagten C. ist die Revision unbegründet.
Die Strafzumessung ist frei von Rechtsfehlern. 33
Nack Boetticher Schluckebier Hebenstreit Elf |