BGH,
Urt. v. 19.9.2001 - 2 StR 224/01
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 224/01
vom
19. September 2001
in der Strafsache gegen
wegen schweren Raubs u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 19.
Septem-ber 2001, an der teilgenommen haben: Vizepräsident des
Bundesgerichtshofes Dr. Jähnke als Vorsitzender, die Richter
am Bundesgerichtshof Dr. Bode, Prof. Dr. Tolksdorf, Rothfuß,
Prof. Dr. Fischer als beisitzende Richter, Oberstaatsanwalt beim
Bundesgerichtshof in der Verhandlung, Oberstaatsanwältin beim
Bundesgerichtshof bei der Verkündung als Vertreter der
Bundesanwaltschaft, Rechtsanwalt in der Verhandlung als Verteidiger,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
1.
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des
Landgerichts Frankfurt am Main vom 2. Januar 2001
a) im Schuldspruch dahin geändert, daß der
Angeklagte im Fall II. 10 des schweren Raubs gemäß
§ 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB schuldig ist;
b) im Ausspruch über die in diesem Fall verhängte
Einzelfreiheitsstrafe von vier Jahren und im Gesamtstrafenausspruch mit
den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere - allgemeine - Strafkammer des Landgerichts
zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren Raubs (§
250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b) StGB) und anderer Straftaten zu der
Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten
verurteilt. Die Staatsanwaltschaft hat ihre auf den Fall II. 10
beschränkte Revision mit der Sachrüge
begründet und erstrebt für diese Tat eine
Verurteilung wegen schweren Raubs gemäß §
250 Abs. 2 Nr. 1 StGB. Das vom Generalbundesanwalt vertretene
Rechtsmittel hat Erfolg.
1. Zu der Tat II. 10 hat das Landgericht aufgrund des
Geständnisses des Angeklagten im wesentlichen festgestellt:
Der Angeklagte und sein Mittäter G. wollten den HL-Markt in O.
überfallen. Entsprechend ihrem Tatplan fuhren sie mit einem
gestohlenen Pkw zum Tatort. Sie hatten Motorradmasken sowie eine
geladene Schreckschußpistole dabei, wollten aber niemanden
gefährden. Da im HL-Markt zu viele Kunden waren, entschlossen
sie sich, den angrenzenden Getränkemarkt zu
überfallen. Dort berieten sie, ob sie die Tat
ausführen sollten. Schließlich zog G. die
Motorradmaske über sein Gesicht, und der Angeklagte folgte
seinem Beispiel. G. nahm die Schreckschußpistole in die Hand
und sagte aus ca. 8 m Entfernung zu dem Kassierer: "Ok Kumpel,
Überfall!" Da der Kassierer nicht reagierte, hielt ihm G. die
Pistole an den Kopf und forderte ihn auf, die Kasse zu öffnen.
Das Landgericht meinte, nicht zweifelsfrei feststellen zu
können, daß der Angeklagte damit einverstanden war,
daß dem Kassierer die Pistole auch an den Kopf gehalten
würde. Aus Angst schloß der Kassierer die Kasse auf.
Darauf griffen beide Täter in die Kasse und nahmen alles
Papiergeld (540 DM) an sich. Der Angeklagte forderte sodann den
Kassierer auf, auch die weitere Kasse zu öffnen. Als er
erklärte, dies sei die Leergutkasse, in der sich kein Geld
befinde, flüchteten der Angeklagte und G. mit dem erbeuteten
Geld.
2. Der Angeklagte hat durch seine Mitwirkung an dem Überfall
den Tatbestand des schweren Raubs gemäß §
250 Abs. 2 Nr. 1 StGB erfüllt und nicht nur - wie das
Landgericht meint - die Qualifikation des § 250 Abs. 1 Nr. 1
Buchst. b) StGB.
Der Mittäter G. hat bei der Begehung des Raubs das Tatopfer
mit der geladenen und aufgesetzten Schreckschußpistole
bedroht. Eine solche Pistole, die dem Tatopfer an den Körper
gehalten wird, ist ein objektiv gefährlicher Gegenstand, der
nach seiner objektiven Beschaffenheit und nach der Art seiner Benutzung
im Einzelfall geeignet ist, erhebliche Körperverletzungen
zuzufügen. Er ist damit als Waffe im Sinne des § 250
Abs. 2 Nr. 1 StGB anzusehen (vgl. BGHSt 44, 103; BGHR StGB §
250 Abs. 2 Nr. 1 Waffe 2 = StV 1999, 92 jew. m.w.N.; vgl. auch BGH,
Beschluß vom 23. Juni 1998 - 4 StR 245/98). Zur
Erfüllung des Tatbestands reicht es aus, wenn der
Täter die Waffe als Drohmittel einsetzt. Die Absicht, das
Opfer auch auf diese Weise zu verletzen, ist nicht erforderlich (BGHR
aaO).
Die Verwendung dieser Waffe durch G. ist dem Angeklagten entgegen der
Ansicht des Landgerichts auch zuzurechnen. Das Landgericht hat zwar
nicht feststellen können, daß der Angeklagte von
vornherein die Bedrohung des Kassierers mit der aufgesetzten
Schreckschußpistole wollte oder billigend in Kauf nahm und
meint, auch nachträglich sei ein dahingehendes
Einverständnis nicht hergestellt worden. Diese Beurteilung
hält aber der rechtlichen Prüfung nicht stand. Denn
auch nachdem G. dem Kassierer die Schreckschußpistole direkt
an den Kopf hielt, hat sich der Angeklagte weiter aktiv an der
Tatvollendung beteiligt, indem er zusammen mit G. die Geldscheine aus
der Kasse nahm und den Kassierer aufforderte, noch eine weitere Kasse
zu öffnen. Dabei ist dem Angeklagten unter den gegebenen
Umständen die Bedrohung des Kassierers mit der aufgesetzten
Waffe nicht entgangen. Das Aufsetzen der Waffe ging zwar nach den
Feststellungen des Landgerichts über den zunächst
gefaßten Tatplan hinaus, der Angeklagte hat sich aber diese
Art der Bedrohung für seinen eigenen Tatbeitrag zu eigen
gemacht, indem er auch nach Kenntnis dieses Umstands an der Vollendung
der Tat weiter mitwirkte. Hierin liegt das vom Landgericht
vermißte Einverständnis mit der qualifizierten
Bedrohung des Tatopfers. Somit ist er auch für diese Bedrohung
als Mittäter verantwortlich.
Der Senat hat daher den Schuldspruch im Fall II. 10 - entsprechend dem
Anklagevorwurf - dahin geändert, daß der Angeklagte
des schweren Raubs gemäß § 250 Abs. 2 Nr. 1
StGB schuldig ist.
Damit entfällt die Grundlage für die
zugehörige Einzelfreiheitsstrafe von vier Jahren sowie
für die Gesamtfreiheitsstrafe.
3. Da sich das weitere Verfahren nur noch gegen einen erwachsenen
Angeklagten richtet, hat der Senat die Sache an eine allgemeine
Strafkammer zurückverwiesen (BGHSt 35, 267).
Jähnke Bode Tolksdorf
Rothfuß Fischer |