BGH,
Urt. v. 2.2.2005 - 5 StR 393/04
5 StR 393/04
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom
2.02.2005
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung
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Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 2.
Februar
2005, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin Harms,
Richter Basdorf,
Richterin Dr. Gerhardt,
Richter Dr. Raum,
Richter Dr. Brause
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
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für Recht erkannt:
1. Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten
K gegen das Urteil des Landgerichts
Neuruppin vom 15. März 2004 werden verworfen.
2. Es wird davon abgesehen, dem Angeklagten die Kosten
und Auslagen seines Rechtsmittels aufzuerlegen (§ 74
JGG); der Staatskasse fallen die Kosten der Revision der
Staatsanwaltschaft und die dem Angeklagten hierdurch
entstandenen notwendigen Auslagen zur Last.
- Von Rechts wegen -
G r ü n d e
Das Landgericht hat den Angeklagten K wegen gefährlicher
Körperverletzung unter Einbeziehung einer früheren
Verurteilung zu einer
Einheitsjugendstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Der
Angeklagte
greift das Urteil mit verfahrens- und sachlich-rechtlichen
Beanstandungen an; die Staatsanwaltschaft macht mit der
Sachrüge geltend,
das Landgericht habe zu Unrecht bei dem Angeklagten das Vorliegen eines
bedingten Tötungsvorsatzes verneint. Beide Revisionen haben
keinen Erfolg.
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I.
Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
1. Nach einer gemeinsamen Feier in Glöwen, an welcher der
Angeklagte
K und die Mitangeklagten Bu , E , M , W
und Kl teilgenommen hatten, kam es am 17. Januar 2003 nachts
auf einer Landstraße aus nichtigem Anlaß zu
mehreren tätlichen Auseinandersetzungen
zwischen den Angeklagten und dem Nebenkläger Bl , der
sich zu Fuß auf dem Heimweg befand. Bl wurde
zunächst von den Angeklagten
W und Kl angegriffen, und einige Zeit später von den
Angeklagten
Bu und M , die W alarmiert hatte, gegen Kopf und
Körper getreten und geschlagen, wobei diese Angeklagten Schuhe
mit
Stahlkappen trugen. Hierdurch erlitt der Zeuge bereits erhebliche
Gesichtsverletzungen
und verlor zeitweise das Bewußtsein.
2. Danach kehrten Bu , M und W nach Glöwen zurück
und berichteten ihren Freunden, darunter auch dem Angeklagten K
, daß sie Bl verprügelt hätten. Aus nicht
feststellbaren Gründen
schlug nun K vor, noch einmal zu dem Geschädigten zu fahren,
und brach gemeinsam mit den Angeklagten W , Bu und E zum
Tatort auf. Dort hatten inzwischen zwei Autofahrer Bl entdeckt,
angehalten
und die Polizei alarmiert. Als Bl die Angeklagten auf sich zukommen
sah, versuchte er sich aufzurichten, was ihm jedoch aufgrund seiner
zuvor erlittenen Verletzungen nicht gelang. Während sich die
beiden Autofahrer
aufgrund der bedrohlichen Situation einige Meter zurückzogen,
versetzten
die Angeklagten E , K und Bu dem Opfer Schläge
und Tritte gegen den Körper, wobei K Turnschuhe trug; zumindest
Bu trat allerdings mit Wissen und Billigung seiner Mittäter -
er
trug Schuhe mit Stahlkappen - auch gegen dessen Kopf. Bl wimmerte
vor Schmerzen und stöhnte: „Ich kann nicht
mehr!“ Gleichwohl setzte jedenfalls
Bu die Mißhandlungen fort, wobei er K , der eine Bier-
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flasche in der Hand hielt, aufforderte, ihm diese
auszuhändigen. Dies tat
K in dem Glauben, daß Bu etwas trinken wolle. Bu
zerschlug jedoch die Flasche auf dem Kopf des Geschädigten,
der hierdurch
wiederum das Bewußtsein verlor. Alsdann verließen
die Angeklagten den
Tatort.
3. Der Zeuge erlitt durch die Mißhandlungen eine laterale
Mittelgesichtsfraktur,
eine verschobene Jochbeinfraktur und eine beidseitige Oberkieferfraktur
sowie stark blutende Quetsch- und Rißwunden. Seine Nase war
gebrochen und schief gestellt. Am Rumpf und an den Knien waren
Schürfwunden
und Hämatome entstanden; diese Verletzungen waren jedoch
relativ
geringfügig und sind folgenlos verheilt. Nach den
Feststellungen des Landgerichts
befand Bl sich in konkreter Lebensgefahr, da die Tritte gegen
den Kopf auch zu Knochenbrüchen am Gesichtsschädel
hätten führen, die
ihrerseits tödliche Verletzungen des Gehirns hätten
zur Folge haben können.
Außerdem hätte der Geschädigte ohne
rechtzeitige Hilfe verbluten können.
Als Folgeschaden ist ein durch die Quetschung eines Augenmuskels
verursachter
Doppelblick verblieben, der nur durch das Tragen einer sogenannten
Prismenbrille ausgeglichen werden kann.
4. Mit Ausnahme des Angeklagten Bu , den das Landgericht
wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher
Körperverletzung
verurteilt hat, hat die Strafkammer das Tatgeschehen hinsichtlich aller
anderen
Angeklagten (nur) als gefährliche Körperverletzung
bewertet. Die Verurteilungen
der Angeklagten W und M sind durch Beschluß des Senats
nach § 349 Abs. 2 StPO vom heutigen Tag (5 StR 393/04)
rechtskräftig.
Die Angeklagten Bu und Kl haben kein Rechtsmittel eingelegt; die
zuungunsten des Angeklagten E eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft
ist zurückgenommen worden.
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II.
1. Revision der Staatsanwaltschaft.
Die Ablehnung eines (bedingten) Tötungsvorsatzes hält
revisionsrechtlicher
Überprüfung stand.
a) Bedingt vorsätzliches Handeln setzt voraus, daß
der Täter den
Eintritt des tatbestandlichen Erfolges als möglich und nicht
ganz fernliegend
erkennt und billigt oder sich um des erstrebten Zieles willen mit der
Tatbestandsverwirklichung
abfindet. Zwar liegt es bei äußerst
gefährlichen Gewalthandlungen,
wie sie das Landgericht hier festgestellt hat, nahe, daß der
Täter auch mit der Möglichkeit, daß das
Opfer dabei zu Tode kommen könne,
rechnet und, weil er gleichwohl sein gefährliches Handeln
beginnt oder
fortsetzt, einen solchen Erfolg billigend in Kauf nimmt. Angesichts der
hohen
Hemmschwelle gegenüber einer Tötung ist jedoch immer
auch die Möglichkeit
in Betracht zu ziehen, daß der Täter die Gefahr der
Tötung nicht erkannt
oder jedenfalls darauf vertraut hat, ein solcher Erfolg werde nicht
eintreten
(st. Rspr.; vgl. BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 1 -
3, 5 - 14, 16,
23, 24, 30).
b) Das Landgericht hat in seiner ausführlichen
Prüfung des bedingten
Tötungsvorsatzes ausdrücklich die
Lebensgefährlichkeit der Tritte durch
den Mittäter Bu mit schwerem Schuhwerk gegen den Kopf des schon
erheblich verletzten Opfers erörtert und auch festgestellt,
daß der Angeklagte
dabei die abstrakte Möglichkeit einer tödlichen
Verletzung erkannt hat. Den
von Bu mit bedingtem Tötungsvorsatz geführten Schlag
mit der Bierflasche
hat es auf der Grundlage rechtsfehlerfreier Beweiswürdigung
als Mittäterexzeß
dem Angeklagten K nicht zugerechnet.
Im Ergebnis hat sich die Jugendstrafkammer aufgrund einer
Gesamtabwägung
aller Tatumstände unter besonderer Berücksichtigung
der
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Einlassung des - selbst nur mit Turnschuhen gegen den Körper
des Opfers
tretenden - Angeklagten letztlich nicht davon überzeugen
können, daß dieser
auch die konkrete Möglichkeit des Todeseintritts erkannt und
dieses Ergebnis
billigend in Kauf genommen hätte. Angesichts der
ausführlichen Gesamtwürdigung
unter Berücksichtigung der Persönlichkeit des
Angeklagten
und des Tat- und Verletzungsbildes läßt die Wertung
des Landgerichts, der
Angeklagte habe letztlich darauf vertraut, ein tödlicher
Erfolg werde nicht eintreten
und einen solchen Erfolg auch nicht gebilligt, durchgreifende
Rechtsfehler
nicht erkennen, wenn auch - wie die Revision der Staatsanwaltschaft
im Ansatz zutreffend vorbringt - eine andere Wertung möglich
oder gar näherliegend
gewesen wäre.
Der Strafausspruch enthält - auch angesichts des Umstandes,
daß
in Fällen der hier vorliegenden Art der Unrechtsgehalt einer
gefährlichen
Körperverletzung nicht beträchtlich geringer sein
muß, als der eines gemeinschaftlichen
versuchten Totschlags (vgl. BGH, Urteil vom 26.01.2005
- 5 StR 290/04) - keinen durchgreifenden Rechtsfehler.
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2. Revision des Angeklagten.
Die Revision des Angeklagten ist unbegründet; die
sachlich-rechtliche
Überprüfung des angefochtenen Urteils hat keinen
Rechtsfehler zum Nachteil
des Angeklagten erbracht.
Harms Basdorf Gerhardt
Raum Brause |