BGH,
Urt. v. 23.7.2008 - 5 StR 46/08
5 StR 46/08
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 23. Juli 2008
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten besonders schweren Raubes u. a.
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Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 23.
Juli 2008, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter Basdorf,
Richter Dr. Raum,
Richter Dr. Brause,
Richter Schaal,
Richter Prof. Dr. Jäger
als beisitzende Richter,
Richterin am Amtsgericht
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizhauptsekretärin
Justizangestellte
als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,
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für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des
Landgerichts Hamburg vom 5. September 2007 im Schuldspruch dahingehend
geändert, dass der Angeklagte W. wegen versuchten besonders
schweren Raubes (§ 250 Abs. 2 Nr. 1, § 22 StGB) in
Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung
verurteilt ist, und im Strafausspruch aufgehoben.
Die Sache wird zur Festsetzung einer neuen Strafe und zur Entscheidung
über die Kosten des Rechtsmittels an eine andere Strafkammer
des Landgerichts zurückverwiesen.
- Von Rechts wegen -
G r ü n d e
Das Landgericht hat den Angeklagten W. und seinen Tatgenossen I.
jeweils wegen gefährlicher Körperverletzung in
Tateinheit mit Nötigung zu Freiheitsstrafen von je zwei Jahren
verurteilt und hinsichtlich des Angeklagten W. die Vollstreckung der
Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt. Die vom
Generalbundesanwalt vertretene Revision der Staatsanwaltschaft zum
Nachteil des Angeklagten W. hat im beantragten Umfang Erfolg.
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1. Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und
Wertungen getroffen:
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a) Nach reichlichem Alkoholkonsum beschlossen die Angeklagten am
späten Abend des 9. April 2007, ihrem Bekannten T. einen
Denkzettel zu verpassen. I. war über T. verärgert,
weil dieser entgegen seinem Versprechen unberechtigt von I. eingezogene
20 Euro nicht zurückgezahlt hatte. Der Angeklagte W. war auf
T. eifersüchtig. Er glaubte, dieser habe versucht, mit seiner
damaligen Freundin sexuell zu verkehren.
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W. bewaffnete sich mit einer Eisenstange mit angeschweißtem
Griff (Tonfa). Gegen 2.30 Uhr des 10. April 2007 drangen W. und I. in
die Wohnung des T. ein, attackierten diesen schon an der
Wohnungstür und nachfolgend im Schlafzimmer mit
Faustschlägen. Währenddessen entschlossen sich die
Angeklagten, von T. Geld „einzutreiben“, der
Angeklagte W. „Schulden aus früheren
Drogengeschäften“ (UA S. 14). Nachdem T. auf das von
W. geäußerte Verlangen nach Geld gesagt hatte, er
hätte keines, durchsuchte I. die Schränke. W. hielt
T. mit der Eisenstange in Schach und schlug so heftig auf ihn ein, dass
es u. a. zu Frakturen am Nasenbein und an zwei Mittelhandknochen der
rechten Hand kam. I. hatte kein Geld gefunden und nahm zwei
Mobiltelefone mit, um zu verhindern, dass T. die Polizei
verständigen konnte.
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b) Das Landgericht hat die Angeklagten nicht - entsprechend dem in der
Hauptverhandlung erteilten Hinweis - wegen versuchten (besonders)
schweren Raubes verurteilt, sondern lediglich wegen Nötigung.
Die Strafkammer hat sich nicht von einem Vorsatz der Angeklagten
hinsichtlich der „Rechtswidrigkeit der beabsichtigten
Zueignung“ überzeugen können, weil die
Angeklagten vom Bestehen von Zahlungsansprüchen gegen ihr
Opfer ausgegangen seien (UA S. 36 f.).
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2. Die Revision hat Erfolg. Der Angeklagte W. hat sich entgegen der
Annahme des Landgerichts nicht in einem Tatbestandsirrtum betreffend
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die Rechtswidrigkeit der Zueignung befunden (vgl. BGHSt 17, 87; BGH,
Beschluss vom 15. Mai 2001 - 3 StR 153/01; BGH StV 2004, 207).
a) Der Angeklagte konnte nicht zum Zwecke der Selbsthilfe
gemäß § 229 BGB
(mittäterschaftlich) handeln, weil solches einen bestehenden
Zahlungsanspruch vorausgesetzt hätte (§ 229 BGB a. E.
„Verwirklichung des Anspruchs“; vgl. auch BGHSt 17,
87, 89 f.). Dem Angeklagten als Drogenverkäufer stand gegen
den Drogenkäufer T. ein solcher Anspruch nicht zu (BGHSt 48,
322, 325 ff.).
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b) Soweit das Landgericht dem Angeklagten W. einen Irrtum über
das Bestehen eines Zahlungsanspruchs gegen T. zugebilligt hat, beruht
dies auf durchgreifenden sachlich-rechtlichen Wertungsfehlern.
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aa) Das Landgericht hat mit zutreffenden Erwägungen die
Einlassung des Angeklagten W. als widerlegt angesehen, er habe sich zur
Abwicklung eines Drogengeschäfts, des Erwerbs von Marihuana
für fünf Euro, zu T. begeben. Beim Bestehen von
Zahlungsansprüchen aus früheren
Drogengeschäften wäre der Angeklagte in der Lage
gewesen, Drogen von T. zu fordern, ohne für diese bezahlen zu
müssen. Für die Einlassung, alte - im
Übrigen in keiner Weise konkretisierte - Ansprüche
durchsetzen zu wollen, ergaben sich vor diesem Hintergrund somit
keinerlei Anhaltspunkte, weshalb der Tatrichter aufgrund des
Zweifelssatzes nicht gehalten war, das Bestehen solcher
Ansprüche seinen Feststellungen zugrunde zu legen (vgl. BVerfG
- Kammer -, Beschluss vom 8. November 2006 - 2 BvR 1378/06; BGHSt 51,
324, 325).
bb) Das Landgericht hat zudem für die Anerkennung des
Bestehens eines Zahlungsanspruchs einen zu
großzügigen, den Angeklagten W. mithin
begünstigenden Maßstab angenommen.
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Nicht anders als bei der Prüfung, ob ein Zahlungsanspruch aus
einem Drogenverkauf der Annahme der Absicht einer
unrechtmäßigen Bereicherung im Sinne des §
253 Abs. 1 StGB beim nötigenden Einfordern dieses Anspruchs
entgegensteht (vgl. BGHSt 48, 322, 328 f.), kommt es bei der
Prüfung, ob der Angeklagte zur Verwirklichung eines solchen
Zahlungsanspruchs zu Selbsthilfezwecken in Erfüllung eines
vorgestellten Übereignungsanspruchs gehandelt hat (vgl.
Fischer, StGB 55. Aufl. § 242 Rdn. 50) darauf an, ob der
Angeklagte nach laienhafter Bewertung der Umstände einen
Anspruch auf die erstrebte Leistung sich nicht zumisst oder
für zweifelhaft hält (vgl. BGHSt aaO S. 329). Ein
Irrtum über das Bestehen eines solchen Anspruchs liegt nicht
vor, wenn sich der Nötigende lediglich nach den Anschauungen
der einschlägig kriminellen Kreise als berechtigter Inhaber
eines Zahlungsanspruchs gegen das Opfer fühlt. Entscheidend
ist, ob er sich vorstellt, dass dieser Anspruch auch von der
Rechtsordnung anerkannt wird und er seine Forderung
demgemäß mit gerichtlicher Hilfe in einem
Zivilprozess durchsetzen könnte (vgl. BGHSt aaO).
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Eine solche Vorstellung des Angeklagten lässt sich aus dem
Zusammenhang der Feststellungen des Landgerichts sicher
ausschließen. Nach der Beweiswürdigung des
Landgerichts (UA S. 20) sieht der Senat keinen Anhaltspunkt
für eine andere Vorstellung des Angeklagten W. bei
festgestelltem beabsichtigten Eintreiben von Forderungen aus
Drogengeschäften als die Absicht, Entgelt für
abgegebene Drogen realisieren zu wollen.
c) Demnach kann der Senat nach Beseitigung des Wertungsfehlers auf der
Grundlage der verbliebenen fehlerfrei getroffenen Feststellungen
entsprechend dem in der Hauptverhandlung vor dem Landgericht dem
Angeklagten erteilten Hinweis auf versuchten besonders schweren Raub -
Verbrechen gemäß §§ 249, 250 Abs.
2 Nr. 1, § 22 StGB - durchentscheiden (vgl.
Meyer-Goßner, StPO 51. Aufl. § 354 Rdn. 15 m.w.N.).
Das von dem Angeklagten eingesetzte Tonfa stellt ein
gefährliches Werkzeug im Sinne des § 250 Abs. 2 Nr. 1
StGB dar (vgl. BGHSt 45, 249, 250). Die vom Landgericht
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ausgeurteilte Nötigung (Duldung der Wohnungsdurchsuchung)
tritt im Wege der Gesetzeskonkurrenz hinter dem Raubdelikt
zurück (vgl. BGHSt 48, 233, 238 f.; 32, 165, 176; Fischer aaO
§ 240 Rdn. 63).
3. Der neue Tatrichter wird auf der Grundlage der bisher getroffenen
Feststellungen nur noch die Strafe neu zu bestimmen haben.
Hierfür weist der Senat darauf hin, dass - vor dem Hintergrund
des ersichtlich auf der gefährlichen Körperverletzung
liegenden Unrechtschwerpunkts - wenigstens unter Verbrauch des
vertypten Milderungsgrundes des § 23 StGB die Anwendung eines
minder schweren Falles gemäß § 250 Abs. 3
StGB in Betracht zu ziehen sein wird, dessen Strafrahmen weiter
gemäß §§ 21, 49 StGB zu mildern
sein könnte, weshalb auf der Hand liegt, dass die neue Strafe
- bis auf die um zwei Monate erhöhte Untergrenze - aus dem
weitgehend gleichen wie dem bisher verwendeten Strafrahmen
(§§ 224, 21, 49 StGB) zu bestimmen sein wird. Bei
durchweg bestandener Rechtstreue des Angeklagten erschiene die
Festsetzung der bisherigen Rechtsfolge nicht rechtsfehlerhaft.
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Basdorf Raum Brause
Schaal Jäger |