BGH,
Urt. v. 24.1.2002 - 3 StR 411/01
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
3 StR 411/01
vom
24. Januar 2002
in der Strafsache gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofes hat in der Sitzung vom 24.
Januar 2002, an der teilgenommen haben: Vorsitzender Richter am
Bundesgerichtshof Prof. Dr. Tolksdorf, die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Miebach, Pfister, von Lienen, Becker als beisitzende Richter,
Bundesanwalt als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Nebenklägers
gegen das Urteil des Landgerichts Bückeburg vom 25. April 2001
werden verworfen.
Die Beschwerdeführer haben die Kosten ihrer Rechtsmittel zu
tragen. Die dem Angeklagten dadurch entstandenen notwendigen Auslagen
werden der Staatskasse auferlegt.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher
Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und
sechs Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung
ausgesetzt. Hiergegen richten sich die Revisionen des
Nebenklägers und der Staatsanwaltschaft. Der
Nebenkläger erstrebt - wie sich aus dem Zusammenhang seiner
sachlichrechtlichen Beanstandung ergibt - eine Verurteilung wegen eines
versuchten Tötungsdelikts. Die Staatsanwaltschaft hat ihre
Revision auf den Strafausspruch beschränkt und rügt
mit sachlichrechtlichen Einwendungen die Annahme erheblich verminderter
Schuldfähigkeit. Die Rechtsmittel haben keinen Erfolg.
I. Revision des Nebenklägers
Nach den Feststellungen des Landgerichts war der Angeklagte auf der
Tanzfläche einer Diskothek in einen Tumult verwickelt, in
dessen Verlauf er dem Nebenkläger schreiend
gegenüberstand, ehe die Auseinandersetzung durch das
Dazwischentreten von Dritten beendet wurde. Vor dem Eingangsbereich der
Diskothek wartete der Angeklagte später ca. eine halbe Stunde
lang darauf, von seiner Frau abgeholt zu werden. In diesem Zeitraum
stand auch der Nebenkläger in dem Bereich vor dem Lokal, ohne
daß ein Kontakt zwischen beiden stattfand. Nachdem die Frau
des Angeklagten mit dem Auto vorgefahren war, ging der Angeklagte zur
Beifahrertür, öffnete sie, klappte den Beifahrersitz
nach vorne und holte einen im Fußraum liegenden
Baseballschläger aus dem Wagen. Er lief nun auf den
Nebenkläger zu und schlug ihm den Baseballschläger
einmal fest auf den Kopf. Der Nebenkläger sank dadurch sofort
zu Boden. Er erlitt einen Bruch der Schädeldecke mit
Einblutungen zwischen Schädeldecke und Hirnhaut. Ohne die
alsbald vorgenommene Operation hätte die Verletzung zum Tode
führen können. Es ist von Rechts wegen nicht zu
beanstanden, daß sich das Landgericht angesichts dieses
objektiven Geschehens nur davon überzeugen konnte,
daß sich der Angeklagte zwar der
Lebensgefährlichkeit seines Schlages bewußt war,
gleichwohl aber den Nebenkläger nur verletzen und nicht
töten wollte.
Das Landgericht hat die besondere Gefährlichkeit der
Tathandlung und das Bewußtsein des Angeklagten hiervon bejaht
und dies auch als mögliches Anzeichen für einen
Tötungsvorsatz erkannt und gewürdigt. Weitere
für eine solche Willensrichtung sprechende Anhaltspunkte hat
das Landgericht nicht festgestellt. Daraus, daß der
Angeklagte nur einen einzigen Schlag ausgeführt hat, durfte es
den möglichen Schluß ziehen, daß der
Angeklagte ohne Tötungsvorsatz gehandelt hat.
II. Revision der Staatsanwaltschaft
1. Die Revision ist wirksam auf den Strafausspruch beschränkt.
Die Strafzumessung und der Schuldspruch sind hier nicht derart
miteinander verknüpft, daß eine getrennte
Überprüfung der Strafzumessung ohne
Berührung des Schuldspruchs nicht möglich
wäre. Das Landgericht ist jedenfalls im Ergebnis zutreffend
von einer erheblich verminderten Schuldfähigkeit ausgegangen
und hat eine Schuldunfähigkeit des Angeklagten
rechtsfehlerfrei ausgeschlossen.
Das Landgericht hat aus den Trinkmengenangaben des Angeklagten eine
minimale Blutalkoholkonzentration von 2,14 %o (bei Zugrundelegung der
angegebenen Mindesttrinkmengen) und eine maximale
Blutalkoholkonzentration von 4,61 %o (bei Zugrundelegung der
angegebenen Höchsttrinkmengen) zur Tatzeit errechnet und sich
sodann aufgrund einer "Kontrollrechnung" mit
höchstmöglichem Resorptionsdefizit und
höchstmöglichen Abbauwerten davon überzeugt,
daß die Angaben des Angeklagten nicht als
unglaubwürdig abgetan werden konnten (vgl. BGH NStZ 1998, 459
m.w.N.). Es hat sodann aufgrund einer Vielzahl psychodiagnostischer
Beurteilungskriterien das Vorliegen von § 20 StGB
ausgeschlossen. Hiergegen bestehen angesichts der langen
Rückrechnungszeit von zwölf Stunden keine Bedenken
(vgl. BGHR StGB § 21 Blutalkoholkonzentration 19; vgl. auch
BGHSt 43, 66).
Die Annahme erheblich eingeschränkter Schuldfähigkeit
begegnet unter den festgestellten Umständen auch unter
Berücksichtigung dessen, daß bei Delikten dieser Art
die Hemmschwelle höher liegen mag, keinen durchgreifenden
Bedenken. Darauf, daß das Landgericht trotz der ganz
erheblichen Alkoholisierung des Angeklagten die Voraussetzungen des
§ 21 StGB nur "nicht auszuschließen" vermochte,
beruht der Strafausspruch nicht.
Mit der Beanstandung, das Landgericht hätte die Strafe nicht
aus dem unteren Bereich des Strafrahmens, sondern aus dem mittleren
Bereich des Strafrahmens entnehmen müssen, zeigt die
Staatsanwaltschaft keinen Rechtsfehler auf. Die allerdings milde Strafe
löst sich entgegen der Auffassung der
Beschwerdeführerin noch nicht von ihrer Bestimmung, gerechter
Schuldausgleich zu sein.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO. Da
beide Rechtsmittel ohne Erfolg geblieben sind, haben die Staatskasse
und der Nebenkläger die Kosten ihrer Rechtsmittel zu tragen.
Die notwendigen Auslagen des Angeklagten im Revisionsverfahren sind
nach § 473 Abs. 2 Satz 1 StPO allein der Staatskasse
aufzuerlegen; eine Belastung des Nebenklägers kommt insoweit
nicht in Betracht, da er sein Rechtsmittel nicht "allein" i.S.v.
§ 473 Abs. 1 Satz 3 StPO durchgeführt hat.
Tolksdorf Miebach Pfister von Lienen Becker |