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BGH, Urteil vom 25. Juni 2008 - 5 StR 109/07


Entscheidungstext  
 
BGH, Urt. v. 25.6.2008 - 5 StR 109/07
Nachschlagewerk: ja
BGHSt : ja
Veröffentlichung : ja
StGB § 356
Mehrere Tatbeteiligte derselben Straftat können Parteien im
Sinne des § 356 StGB sein.
BGH, Urteil vom 25. Juni 2008 - 5 StR 109/07
LG Potsdam -
5 StR 109/07
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 25. Juni 2008
in der Strafsache
gegen
wegen schweren Parteiverrats u. a.
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Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Hauptverhandlung vom 24. und 25. Juni 2008, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter Basdorf,
Richter Dr. Brause,
Richter Schaal,
Richter Prof. Dr. Jäger,
Richterin Dr. Schneider
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
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am 25. Juni 2008 für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 15. September 2006 mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
- Von Rechts wegen -
G r ü n d e
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Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf des schweren Parteiverrats (in Tateinheit mit einer Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes) sowie vom Vorwurf einer tatmehrheitlich begangenen versuchten Nötigung freigesprochen.
Die Staatsanwaltschaft hat zu Ungunsten des Angeklagten Revision eingelegt. Sie beanstandet mit der Sachbeschwerde, dass der Angeklagte nicht wegen Parteiverrats gemäß § 356 Abs. 1, Abs. 2 StGB und wegen versuchter Nötigung verurteilt worden ist. Das Rechtsmittel, das vom Generalbundesanwalt vertreten wird, hat Erfolg.
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I.
Dem Urteil des Landgerichts liegen folgende Feststellungen zugrunde:
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Der Angeklagte, ein Rechtsanwalt, übernahm am 5. März 2001 in einem Strafverfahren wegen versuchten Mordes zum Nachteil der O. die Verteidigung der damaligen Angeklagten P. . Mit Schreiben vom 6. März 2001 bat der Angeklagte die vormalige Verteidigerin der P. um die Übersendung von das Verfahren betreffenden Unterlagen, unter anderem Tonbandkassetten mit mitgeschnittenen Telefonaten und Fotos. Das Mandat wurde am 10. März 2001 durch den von P. bevollmächtigten Po. gekündigt. Am 14. März 2001 suchte der Angeklagte P. in der Untersuchungshaftanstalt auf, um das Mandatsverhältnis zu klären. Beide kamen überein, dass das Mandatsverhältnis weiter bestehen solle, sofern Po. damit einverstanden sei. Am 19. März 2001 erhielt der Angeklagte von der vormaligen Verteidigerin die erbetenen Unterlagen. Die Mikrokassetten enthielten Mitschnitte von Telefonaten zwischen P. und ihrem Opfer, die nach der Tat von P. aufgezeichnet worden wa-ren und ebenso wie die Fotos das unverändert gute Verhältnis zwischen beiden Frauen belegen sollten. Am 22. März 2001 forderte Po. den Angeklagten auf, die Entziehung des Mandats zu akzeptieren. Der neue Verteidiger der P. bat den Angeklagten nunmehr unter anderem um Übersendung der Mikrokassetten und Fotos. Daraufhin erteilte der Angeklagte P. eine Kostenrechnung über 1.479 DM. Auf den Einwand des Po. , dass die angesetzten Kosten für den Besuch in der Untersuchungshaftanstalt am 14. März 2001 nicht erstattungsfähig seien, erklärte der Angeklagte, er werde sein Zurückbehaltungsrecht ausüben und die noch in seinem Besitz befindlichen Unterlagen erst nach vollständiger Bezahlung seiner Rechnung herausgeben. Am 11. Oktober 2002 schlossen der Angeklagte und P. einen gerichtlichen Vergleich, in welchem sich P. zur Zahlung des Rechnungsbetrages verpflichtete. Eine Herausgabe
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der einbehaltenen Unterlagen wurde von ihr bis zu diesem Zeitpunkt nicht begehrt.
Am 25. Juli 2001 erhielt Po. eine Zeugenladung zum Hauptverhandlungstermin am 23. Oktober 2001 im Verfahren gegen P. . Nach einem Besprechungstermin riet der Angeklagte im August 2001 Po. , nicht ohne Zeugenbeistand zu erscheinen, brachte zum Ausdruck, dass er sich auf ein umfassendes Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 StPO berufen könne, und schlug Rechtsanwalt B. als Zeugenbeistand vor. Diesem teilte der Angeklagte unter anderem mit, dass er selbst die Übernahme des Mandats als Zeugenbeistand abgelehnt habe, da seiner Tätigkeit „sowohl rein optische sowie auch juristische Aspekte“ entgegenstünden. Im Hauptverhandlungstermin am 23. Oktober 2001 legte P. nach einem Gespräch mit ihrem neuen Verteidiger ein Geständnis ab. Dabei beschuldigte sie Po. , sie zu ihrer Tat angestiftet zu haben. Dieser wurde unmittelbar danach wegen des Verdachts der Anstiftung zum Mord vorläufig festgenommen. Am selben Tag beauftragte Po. den Angeklagten mit seiner Verteidigung in dieser Sache. Am folgenden Tag erreichte der Angeklagte zusammen mit Rechtsanwalt B. , dass der Antrag auf Erlass eines Haftbefehls gegen Po. abgelehnt wurde und dieser wieder aus der Haft entlassen wurde. Mit Schreiben vom 30. Oktober 2001 wandte sich der Angeklagte an die Staatsanwaltschaft und trat der Aussage der P. entgegen. Er zog ihre Glaubwürdigkeit in Zweifel und legte dar, dass sie über großes schauspielerisches Talent verfüge und sich stets der Lüge bediene. Noch am selben Tag entwarf er einen Brief, den Po. - zusammen mit einer Kopie des Schriftsatzes an die Staatsanwaltschaft - an den Vorsitzenden des Schwurgerichts sandte. Der Brief erreichte das Landgericht am 5. November 2001, dem Tag der Urteilsverkündung gegen P. , wurde aber nicht zum Gegenstand der dortigen Verhandlung. Frau P. wurde aufgrund ihres Geständnisses wegen versuchten Mordes zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt. Am 11. Januar 2006 legte der Angeklagte das Mandat für
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Po. nieder, weil die Staatsanwaltschaft einen Antrag auf Erteilung eines vorläufigen Berufsverbots angekündigt hatte und der Angeklagte eine weitere Störung seines Kanzleibetriebes vermeiden wollte.
Das Landgericht hat den objektiven Tatbestand sowohl des Parteiverrats als auch der versuchten Nötigung verneint.
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II.
Der Freispruch vom Vorwurf des Parteiverrats hält der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.
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Das festgestellte Handeln des Angeklagten verwirklicht alle äußeren Tatbestandsmerkmale des § 356 Abs. 1 StGB. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind erfüllt, wenn ein Rechtsanwalt bei den ihm in dieser Eigenschaft anvertrauten Angelegenheiten in derselben Rechtssache beiden Parteien durch Rat oder Beistand pflichtwidrig dient.
1. Der Angeklagte ist in seiner Eigenschaft als Rechtsanwalt sowohl von P. als auch von Po. mit der Verteidigung in den gegen sie gerichteten Strafverfahren beauftragt worden. Damit haben beide Zeugen jeweils ihre Angelegenheiten dem Angeklagten anvertraut. Hierfür ist es ausreichend, dass der Mandant dem Anwalt den fraglichen Sachverhalt mitteilt und damit bezweckt, dass der Rechtsanwalt seine Interessen in dieser Sache wahrnimmt (vgl. RGSt 49, 342, 343; BGHSt 18, 192, 193; Cramer/Heine in Schönke/Schröder, StGB 27. Aufl. § 356 Rdn. 8; Fischer, StGB 55. Aufl. § 356 Rdn. 3a). Eine ins Einzelne gehende Feststellung bestimmter anvertrauter Umstände erfordert das Tatbestandsmerkmal der anvertrauten Angelegenheiten nicht.
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2. Die anvertrauten Angelegenheiten betrafen auch dieselbe Rechtssache. In dieser waren die Mandanten des Angeklagten Parteien.
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a) Rechtssache kann jede rechtliche Angelegenheit sein, die zwischen mehreren Beteiligten mit jedenfalls möglicherweise entgegenstehenden rechtlichen Interessen nach Rechtsgrundsätzen behandelt und erledigt werden soll (vgl. RGSt 62, 289, 291; BGHSt 5, 301, 304; 18, 192; Fischer aaO Rdn. 5 m.w.N.). Auch Strafsachen gehören zu den unter § 356 StGB fallenden Rechtssachen, wenn an ihnen mehrere Personen mit widerstreitenden Interessen rechtlich beteiligt sind (RGSt 49, 342, 344; BGHSt 5, 284, 285; 301, 304). Diese Personen sind dann Parteien im Sinne des § 356 StGB. Ein engeres Verständnis vom Begriff der Partei verlangt Art. 103 Abs. 2 GG nicht.
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Demgemäß hat die Rechtsprechung als Parteien derselben Rechtssache in einem Strafverfahren unter anderem anerkannt den Angeklagten und den durch seine Tat Verletzten (RGSt 49, 342, 344; BGHSt 3, 400, 403; 5, 284, 285) sowie den Beschuldigten und den ihn belastenden Zeugen (BGHSt 5, 301, 304).
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b) Das Landgericht hat die Rechtsfrage, ob auch mehrere Tatbeteiligte derselben Strafsache Parteien im Sinne des § 356 StGB sind, verneint. Es ist damit einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs gefolgt.
Nach reichsgerichtlicher Rechtsprechung sind unter den „beiden Parteien“ nur Personen zu verstehen, die an derselben Rechtssache mit widerstreitenden Interessen rechtlicher Art beteiligt sind. Dass eine Person an einem bestimmten Verlauf einer Rechtssache ein rein tatsächliches Interesse hat, macht sie nicht zur „Partei“ (RGSt 66, 316, 320, 323). Hieran anschlie-ßend hat der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs in seiner Entscheidung vom 16. Dezember 1952 (2 StR 198/51, zitiert bei Kalsbach AnwBl 1954, 189 - insoweit in BGHSt 3, 400 nicht abgedruckt) entschieden, dass zwischen den Teilnehmern an derselben strafbaren Handlung keine vom Recht geschützten Beziehungen bestehen, die Gegenstand eines rechtlichen Verfahrens unter ihnen als „Parteien“ sein können. Das rein tatsächliche Interesse,
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das der Anstifter in der Regel daran haben wird, dass in dem Strafverfahren gegen den Haupttäter die eigene Beteiligung als Anstifter nicht aufgedeckt wird, mache ihn nicht zur „Partei“.
c) Der Senat gibt diesen Rechtsstandpunkt auf. Beschuldigte in einer Strafsache, gegen die jeweils der Verdacht besteht, gemeinsam mit dem anderen Beschuldigten als Mittäter, Anstifter oder Gehilfe Teilnehmer derselben Straftat gewesen zu sein, können Parteien im Sinne des § 356 StGB sein.
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aa) Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs aus dem Jahre 1952 hat im Schrifttum teilweise Zustimmung gefunden (vgl. z. B. Fischer, StGB 55. Aufl. § 356 Rdn. 6; Cramer/Heine in Schönke/Schröder, StGB 27. Aufl. § 356 Rdn. 13; Rudolphi/Rogall in SK-StGB 7. Aufl. [Stand: September 2003] § 356 Rdn. 23). Sie ist aber auch auf Kritik gestoßen (z. B. O. Geppert NJW 1958, 1959; Schmitt JZ 1962, 40; K. Geppert NStZ 1990, 542, 543.; eingehend Gillmeister in LK 11. Aufl. § 356 Rdn. 42 m.w.N.; Dahs in Münch-Komm StGB § 356 Rdn. 41; Lackner/Kühl, StGB 25. Aufl. § 356 Rdn. 5; Kuhlen in NK-StGB 2. Aufl. § 356 Rdn. 26; Maurach/Schroeder/Maiwald, Strafrecht Besonderer Teil TB 2, 9. Aufl. § 78 Rdn. 9).
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Bereits im Jahr 1982 hat sich der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs (NStZ 1982, 465) zurückhaltender geäußert und die Möglichkeit einer Änderung dieser Rechtsprechung angedeutet, auf die es für seine damalige Entscheidung nicht ankam. Auch die Oberlandesgerichte Oldenburg (NStZ 1989, 533) und Stuttgart (NStZ 1990, 542 m. zust. Anm. K. Geppert) sowie das Kammergericht (Beschluss vom 15. Februar 1999 - 1 Ss 275/98) haben Mitbeschuldigte derselben Straftat untereinander als „Parteien“ angesehen.
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bb) Zwischen mehreren Mitbeschuldigten kann ein Interessenwiderstreit rechtlicher Natur bestehen, über den sie im Strafverfahren auch als Partei im Sinne des § 356 StGB streiten können. Die Annahme, das Interes-
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se des Anstifters oder Gehilfen daran, dass in dem Strafverfahren gegen den Haupttäter seine - des Anstifters oder Gehilfen - Beteiligung nicht aufgedeckt werde, sei ein rein tatsächliches Interesse und deshalb könnten sie keine Parteien sein, überzeugt nicht. Zwar ist die Frage, ob jemand an der zu untersuchenden Tat beteiligt war, primär eine solche der Tatsachenfeststellung. Daran knüpfen sich jedoch unmittelbar strafrechtliche und sonstige rechtliche Konsequenzen für die Beteiligten (Dahs NStZ 1991, 561, 563). Die Fallgestaltungen, in denen der eine Mitbeschuldigte seinen Tatbeitrag an derselben Strafsache zu Lasten des anderen geringer als dessen Beitrag erscheinen lassen will, sind vielfältig (vgl. Kretschmer, Der strafrechtliche Parteiverrat - § 356 StGB -, 2005, S. 207). In Betracht kommen gegenseitige Beschuldigungen ebenso wie die Minderungen des eigenen Tatanteils auf Kosten des anderen (vgl. OLG Stuttgart NStZ 1990, 542; K. Geppert NStZ 1990, 542, 544; Hübner in LK 10. Aufl. § 356 Rdn. 59). So ist ein Interessenwiderstreit anzunehmen, wenn der andere Tatbeteiligte an Art und Höhe der Bestrafung des Haupttäters interessiert ist, etwa weil er selbst seinen Tatbeitrag nicht als Mittäter, sondern als Gehilfe mit der Strafrahmenmilderung nach § 27 Abs. 2 Satz 1 StGB erscheinen lassen will (vgl. Kretschmer aaO S. 207; Hübner aaO). Gleiches gilt, wenn - wie hier - ein Täter zur Darlegung seiner geringeren individuellen Schuld behauptet, von einem anderen Beschuldigten zur Tat angestiftet worden zu sein, was dieser bestreitet.
cc) Diese Lösung steht auch im Einklang mit § 146 StPO. Durch das Gesetz zur Ergänzung des Ersten Gesetzes zur Reform des Strafverfahrensrechts vom 20. Dezember 1974 wurde in § 146 StPO geregelt, dass die Verteidigung mehrerer Beschuldigter durch einen gemeinschaftlichen Verteidiger unzulässig ist. Hierdurch sollte jegliche mögliche Interessenkollision, wie sie stets naheliegt, von vornherein vermieden werden (vgl. hierzu Laufhütte in KK 5. Aufl. § 146 Rdn. 1). Allerdings sieht diese Vorschrift (i.V.m. § 146a StPO) seit der Änderung durch das StVÄG 1987 nur noch die Zurückweisung eines Verteidigers vor, der gleichzeitig mehrere derselben Tat Beschuldigte verteidigt; damit ist die verbotene gemeinschaftliche Verteidigung auf die
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gleichzeitige Verteidigung reduziert worden und das Verbot der sukzessiven Mehrfachverteidigung entfallen (vgl. Laufhütte aaO; Meyer-Goßner, StPO 50. Aufl. § 146 Rdn. 18). Bei einer solchen Verteidigung wird eine so hohe abstrakte Gefahr, dass ein generelles Verbot angezeigt wäre, nicht mehr gesehen. Jedoch verbietet § 43a Abs. 4 BRAO dem Rechtsanwalt die Übernahme von Mandaten mit konkreten Interessenkollisionen. Er steht in der berufsrechtlichen Verantwortung, einen solchen Interessenwiderstreit zu vermeiden. Nach alledem sind seit der Neufassung des § 146 StPO rechtliche Beziehungen zwischen Beschuldigten generell anerkannt, die für dieselbe Tat als Täter bzw. Teilnehmer in Betracht kommen und zueinander in einer Kollision ihrer Verteidigungsinteressen stehen.
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d) Bei dem Verfahren gegen P. wegen versuchten Mordes und dem späteren Verfahren gegen Po. wegen Anstiftung hierzu handelt es sich um dieselbe Rechtssache. Eine solche ist nicht nur gegeben, wenn es sich um ein und dasselbe Verfahren handelt; sie liegt vielmehr auch vor, wenn in Verfahren verschiedener Art und verschiedener Zielrichtung ein und derselbe Sachverhalt maßgeblicher Verfahrensgegenstand ist (vgl. RGSt 60, 298, 300; BGHSt 5, 301, 304; 18, 192; Fischer, StGB 55. Aufl. § 356 Rdn. 5). Den Vergleichsmaßstab hat das dem Rechtsanwalt unterbreitete Lebensverhältnis in seinem gesamten Tatsachen- und materiellen Rechtsgehalt zu bilden (vgl. Rudolphi/Rogall in SK-StGB 7. Aufl. [Stand: September 2003] § 356 Rdn. 19). In diesem Sinne besteht eine Identität des Sachverhalts.
3. Ein Rechtsanwalt dient dann pflichtwidrig, wenn er einer Partei Rat und Beistand leistet, nachdem er einer anderen Partei in derselben Sache bereits Rat und Beistand geleistet hat (vgl. BGHSt 5, 284, 286; 7, 17, 20; 12, 96, 98; 15, 332, 334; 34, 190, 192; BVerfG - Kammer - NJW 2001, 3180 f.). Der Angeklagte hat pflichtwidrig gehandelt, denn die Interessen der P. , die er im Rahmen des Verteidigungsverhältnisses wahrzunehmen gehabt hatte, und die Interessen des Po. waren eklatant und ganz offen-
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sichtlich entgegengesetzt. Als der Angeklagte die Verteidigung von Po. mit dem Ziel übernahm, P. der „Alleintäterschaft zu bezichtigen“, um den Vorwurf der Tatbeteiligung zu entkräften, hatte er bereits zuvor P. mit der Intention, sie zu entlasten, mithin im gegenläufigen Interesse, beraten. Hier manifestiert sich die Pflichtwidrigkeit des Verhaltens des Angeklagten in besonderer Weise in dem von ihm an die Staatsanwaltschaft Dresden gerichteten Brief, in dem er die Glaubwürdigkeit seiner früheren Mandantin P. vor Abschluss des gegen sie gerichteten Strafverfahrens in Zweifel zog und zugunsten seines neuen Mandanten Po. darstellte, dass „die Zeugin über ein großes schauspielerisches Talent verfüge und sich stets der Lüge bediene“ (UA S. 16).
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4. Ob der Angeklagte, wie die Revision vorträgt, einem unvermeidba-ren Verbotsirrtum erlegen ist, bedarf bei der neuen Verhandlung der Prüfung. Die Strafkammer ist im Rahmen der Feststellungen hierauf nicht eingegangen. Ein Verbotsirrtum im Sinne des § 17 StGB kommt nur in Betracht, wenn dem Täter die Einsicht fehlt, Unrecht zu tun. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs braucht der Täter die Strafbarkeit seines Vorgehens nicht zu kennen; es genügt, dass er wusste oder hätte erkennen können, Unrecht zu tun (BGHSt 15, 377, 383; BGH NStZ 1996, 236, 237; wistra 1986, 218; BGH, Beschluss vom 2. April 2008 - 5 StR 354/07, zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmt).
Der Unrechtsgehalt wird hier naheliegend bereits durch den Verstoß gegen das in § 43a Abs. 4 BRAO normierte Verbot vermittelt, keine widerstreitenden Interessen zu vertreten (K. Geppert NStZ 1990, 542, 544 f.). Allerdings geht die anwaltliche Berufspflicht über die Strafbestimmung des § 356 StGB hinaus (Feuerich/Weyland, BRAO 7. Aufl. § 43a Rdn. 54 unter Hinweis auf BT-Drucks 12/4993 S. 27). Deshalb mag es Fälle geben, in denen das Bewusstsein, gegen berufliches Standesrecht zu verstoßen, einen Verbotsirrtum nicht ausschließt. Freilich liegt hier - abgesehen von der Offensichtlichkeit des Interessenwiderstreits - angesichts der festgestellten
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Äußerung gegenüber seinem Kollegen vor dessen Übernahme der Zeugenbeistandschaft ein Verbotsirrtum fern.
III.
Der Freispruch vom Vorwurf der versuchten Nötigung wird von den Feststellungen des angefochtenen Urteils ebenfalls nicht getragen.
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1. Nach Auffassung des Tatrichters war der Angeklagte aufgrund eines Zurückbehaltungsrechts nach § 273 BGB berechtigt, die Herausgabe von Mikrokassetten und Fotos an seine frühere Mandantin P. bis zur Begleichung seiner Honorarforderung zu verweigern. Dies begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
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a) Das Urteil stellt darauf ab, dass dem Angeklagten „in Ansehung der offenen Forderung“ ein Zurückbehaltungsrecht nach § 273 BGB zugestanden habe. Weil von der geltend gemachten Forderung in Höhe von 1.479 DM die erst nach Beendigung des Mandats entstandenen Aufwendungen für den Besprechungstermin vom 14. März 2001 abzusetzen seien, habe sich die Honorarforderung auf mindestens 1.281 DM belaufen. Dabei ist von der Strafkammer nicht bedacht worden, dass der Angeklagte mit Telefax vom 7. April 2001 die Herausgabe der Unterlagen nicht von Zahlung des reduzierten Rechnungsbetrages, sondern von Zahlung des Gesamtbetrages abhängig gemacht hat. Der Angeklagte war aber nicht berechtigt, ein Zurückbehaltungsrecht für eine überhöhte Forderung geltend zu machen. Eine Versuchsstrafbarkeit - gegebenenfalls konsequent sogar wegen versuchter Erpressung - wäre deshalb bereits aus diesem Grunde zu erörtern gewesen.
b) Einem Zurückbehaltungsrecht nach § 273 BGB an den Unterlagen kann außerdem die Natur des Schuldverhältnisses entgegenstehen, auf dem der Herausgabeanspruch der früheren Mandantin beruht. Nach der Rechtsprechung besteht an Geschäftspapieren, die von einem Mandanten für die
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ordnungsgemäße Bearbeitung der Angelegenheiten, auf die sie sich beziehen, alsbald benötigt werden, in aller Regel kein Zurückbehaltungsrecht des Rechtsanwalts nach § 273 BGB (vgl. BGH WM 1968, 1325; NJW 1997, 2944, 2945). Ebenso kann auch ein Steuerberater an der Ausübung eines Zurückbehaltungsrechts aus § 273 BGB gehindert sein, wenn er sich dadurch nach den besonderen Umständen des Falles treuwidrig verhalten würde; dies kommt insbesondere in Betracht, wenn die Zurückbehaltung dem Mandanten einen unverhältnismäßig hohen, auch bei Abwägung mit den Interessen des Steuerberaters nicht zu rechtfertigenden Schaden zufügen würde (vgl. BGH NJW 1988, 2607). Diese Erwägungen können im vorliegenden Fall in ganz besonderem Maße zum Tragen kommen. Eine Bejahung des Zurückbehaltungsrechts hätte hier aus der maßgeblichen Sicht des Angeklagten zur Tatzeit dazu führen können, dass P. wesentliche Verteidigungsunterlagen im Verfahren wegen versuchten Mordes erst erhalten hätte, wenn die Honoraransprüche des Angeklagten geklärt waren. Das hätte ihre Verteidigungsposition erheblich schwächen können. P. befand sich seit zwei Monaten in Untersuchungshaft und somit in einer „Ausnahmesituation“. Sie bestritt die Tat und berief sich auf einen Unfall. Mit Ausnahme der Geschädigten gab es keine Tatzeugen. Vor diesem Hintergrund kam allen sonstigen Indizien grundsätzlich Gewicht zu. Die Erwägungen des Landgerichts, P. hätte in ihrem Strafverfahren einen Beweisantrag stellen können, um so notfalls die gerichtliche Beschlagnahme der Unterlagen zu bewirken, berücksichtigt nicht, dass P. ein Interesse daran gehabt haben kann, die Unterlagen nicht insgesamt, sondern nur teilweise zum Gegenstand einer Beweisaufnahme werden zu lassen.
2. Aus der Vorschrift des § 50 BRAO würde sich hier für den Angeklagten kein weiterreichendes Zurückbehaltungsrecht ergeben. Nach § 50 Abs. 3 BRAO kann der Rechtsanwalt gegenüber seinem Mandanten die Herausgabe der Handakten verweigern, bis er wegen seiner Gebühren und Auslagen befriedigt ist, sofern nicht die Vorenthaltung nach den Umständen unangemessen wäre. Zum einen sind gemäß § 50 Abs. 4 BRAO unter Handak-
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ten im Sinne des § 50 Abs. 3 BRAO Schriftstücke zu verstehen, die der Rechtsanwalt aus Anlass seiner beruflichen Tätigkeit vom oder für den Auftraggeber erhalten hat. Bei den von P. übergebenen Unterlagen handelte es sich aber um Mikrokassetten und Fotos, nicht jedoch um Schriftstücke. Zum anderen hätte die Verweigerung der Rückgabe der erhaltenen Unterlagen die Verteidigungsmöglichkeiten der P. in dem gegen sie gerichteten Strafverfahren erheblich beeinträchtigen können und wäre dann den Umständen nach unangemessen gewesen (vgl. zum Umfang der Herausgabepflicht auch Feuerich/Weyland, BRAO 7. Aufl. § 50 Rdn. 20).
3. Schließlich vermögen auch die Erwägungen des Landgerichts zu der Annahme nicht zu überzeugen, die Verweigerung der Herausgabe der Unterlagen stellte für P. kein empfindliches Übel im Sinne des § 240 Abs. 1 StGB dar, weil sie während des Strafverfahrens nicht versucht habe, die Unterlagen zu erlangen. Dasselbe gilt für die Erwägung, das Handeln des Angeklagten sei nicht als verwerflich im Sinne des § 240 Abs. 2 StGB anzusehen, weil P. nicht bekundet habe, ihre Verteidigung sei durch das Zurückhalten der Unterlagen erschwert worden. Bei der hier in Frage stehenden Strafbarkeit wegen eines versuchten Nötigungsdelikts kommt es nicht auf den objektiven Wert des Beweismittels an, sondern auf den Wert, den das Beweismittel in der Vorstellung des Angeklagten hatte. Daher war auf das Vorstellungsbild des Angeklagten abzustellen. Für die Annahme zumindest bedingten Vorsatzes stellt - was das Landgericht nicht erörtert - die Vorgehensweise des Angeklagten ein gewichtiges Indiz dar. Aus Sicht des Angeklagten wäre es widersinnig gewesen, P. für den Fall der Nichtzahlung zu drohen, die Beweismittel einzubehalten, wenn er sich nicht vorgestellt hätte, seine Drohung würde als empfindliches Übel aufgefasst werden.
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IV.
Eine Vorlage der Sache an den Großen Senat des Bundesgerichtshofs für Strafsachen oder eine förmliche Anfrage an den 2. Strafsenat des
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Bundesgerichtshofs ist nicht mehr geboten, nachdem der 2. Strafsenat mitgeteilt hat, dass für die vorliegende Fallkonstellation keine anfrage- oder vorlagepflichtige Divergenz im Sinne des § 132 Abs. 2 und 3 GVG in Bezug auf die Entscheidung des 2. Strafsenats vom 16. Dezember 1952 für gegeben erachtet wird, weil im Hinblick auf die zwischenzeitlich erfolgte Änderung des Verbots der Mehrfachverteidigung bei jetzt vom Gesetzgeber in § 146 StPO zugelassener Sukzessivverteidigung nunmehr rechtliche Beziehungen zwischen Beschuldigten anerkannt sind, die für dieselbe Tat als Täter bzw. Teilnehmer in Betracht kommen.
Basdorf Brause Schaal
Jäger Schneider



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