BGH,
Urt. v. 25.3.2009 - 5 StR 31/09
Nachschlagewerk: ja
BGHSt : ja
Veröffentlichung : ja
StGB § 250 Abs. 2 Nr. 3 lit. a
Schwere Misshandlungen nach Vollendung einer Raubtat können
den Qualifikationstatbestand des § 250 Abs. 2 Nr. 3 lit.a StGB
nur dann erfüllen, wenn sie weiterhin von Zueignungs- oder
Bereicherungsabsicht getragen sind, insbesondere der Beutesicherung
oder der Erlangung weiterer Beute dienen (im Anschluss an BGHSt 20,
194; BGH NJW 2008, 3651, zur Veröffentlichung in BGHSt
bestimmt).
BGH, Urteil vom 26. März 2009 - 5 StR 31/09
LG Berlin -
5 StR 31/09
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 25. März 2009
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung u. a.
- 2 -
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 25.
März 2009, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter Basdorf,
Richter Dr. Raum,
Richter Dr. Brause,
Richterin Dr. Schneider,
Richter Dölp
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt S.
als Verteidiger für den Angeklagten Z. ,
Rechtsanwältin Sc.
als Verteidigerin für den Angeklagten R. ,
Rechtsanwalt K.
als Verteidiger für den Angeklagten Se. ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
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für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Berlin vom 1. September 2008
a) im Schuldspruch dahin abgeändert, dass die Angeklagten Z.
und Se. des Raubes sowie der räuberischen Erpressung, jeweils
in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, und
der Angeklagte R. der räuberischen Erpressung in Tateinheit
mit gefährlicher Körperverletzung schuldig sind, und
b) betreffend den Angeklagten R. im Strafausspruch sowie betreffend die
Angeklagten Z. und Se. jeweils im Ausspruch über die
Höhe der Jugendstrafe aufgehoben.
2. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels des
Angeklagten R. , an eine andere Jugendkammer des Landgerichts Berlin
zurückverwiesen. Betreffend die Angeklagten Z. und Se. wird
von einer Auferlegung der Kosten des Rechtsmittels abgesehen.
- Von Rechts wegen -
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G r ü n d e
Das Landgericht hat die Angeklagten Z. und Se. wegen Raubes sowie wegen
(besonders) schwerer räuberischer Erpressung jeweils in
Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und den
Angeklagten R. wegen (besonders) schwerer räuberischer
Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher
Körperverletzung schuldig gesprochen und wie folgt verurteilt:
den Angeklagten Z. zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren und sieben
Monaten, den erwachsenen Angeklagten R. - unter Anwendung des
§ 250 Abs. 3 StGB - zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren
und neun Monaten und den Angeklagten Se. zu einer Jugendstrafe von zwei
Jahren, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt worden
ist. Gegen dieses Urteil wenden sich die Angeklagten mit ihren
Revisionen, mit denen sie die Verletzung materiellen Rechts
rügen, der Angeklagte Z. auch die Verletzung formellen Rechts.
Die Rechtsmittel erzielen - hinsichtlich der Schuldsprüche in
Übereinstimmung mit dem Generalbundesanwalt - den aus dem
Urteilstenor ersichtlichen Teilerfolg.
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1. Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
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a) Die Angeklagten hatten sich am Abend vor der Tat in der Wohnung des
Angeklagten R. getroffen und dort gemeinsam mit zwei Mädchen
alkoholische Getränke konsumiert. Um Nachschub zu besorgen,
begaben sie sich zu einem „Spätkauf“. Da
ihr Geld nicht ausreichte, machte letztlich der Angeklagte Z. den
Vorschlag, jemanden „abzuziehen“. Diesem Vorhaben
schloss sich der Angeklagte Se. ohne Zögern an,
während sich der Angeklagte R. zunächst nicht
beteiligen wollte und mit den Mädchen in einigem Abstand
hinter den beiden anderen herlief. Auf der Straße begegneten
die Angeklagten den Geschädigten Si. und Kö. . In
Ausführung ihres Planes beraubten Z. und Se. zunächst
den
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Zeugen Si. . Unter Einsatz von Faustschlägen und Tritten
nahmen sie ihm eine Schachtel Zigaretten weg.
Während dieser Tat hatte sich der Zeuge Kö.
ängstlich entfernt. Der Angeklagte R. verfolgte ihn und
versperrte ihm mit ausgestreckten Armen den Weg. Die beiden anderen
Angeklagten kamen hinzu und bauten sich, ihren Tatplan wieder
aufgreifend, vor dem Zeugen auf. Sie schubsten ihn und verlangten Geld
von ihm verbunden mit der Drohung, ihn im Falle der Weigerung
„abzustechen“. Nachdem der inzwischen
„panische“ Zeuge sich auf ihr Geheiß auf
die Eingangsstufen eines Hauses gesetzt und dem Angeklagten Se. seine
Geldbörse ausgehändigt hatte, trat dieser zur Seite,
um sie zu durchsuchen. Als der Geschädigte nun aufstehen und
sich entfernen wollte, hinderten R. und Z. ihn daran. Sie versetzten
ihm so heftige Faustschläge und Tritte, dass er zu Boden ging.
Beide Angeklagte traten mehrfach gegen den Kopf des Zeugen. Nachdem der
Angeklagte Se. der Geldbörse des Kö. einen
Fünf-Euro-Schein entnommen und die Börse weggeworfen
hatte, beteiligte er sich ebenfalls an den Misshandlungen und trat
wiederholt ins Gesicht des am Boden Liegenden. Die Angeklagten
ließen den Geschädigten schließlich
bewusstlos zurück.
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b) Das Landgericht hat die Tat gegen den Zeugen Kö. als
(besonders) schwere räuberische Erpressung in Tateinheit mit
gefährlicher Körperverletzung (§ 223 Abs. 1,
§ 224 Abs. 1 Nr. 4, §§ 253, 255, 250 Abs. 2
Nr. 3 lit. a, § 25 Abs. 2, § 52 StGB) gewertet. Der
Umstand, dass die körperlichen Misshandlungen erst nach
Herausgabe der Geldbörse erfolgten, stehe der Annahme des
Qualifikationsmerkmals des § 250 Abs. 2 Nr. 3 lit. a StGB
nicht entgegen. Denn anders als bei den Zwangsmitteln des
Grundtatbestandes bedürfe es insoweit keiner final-kausalen
Verknüpfung. Vielmehr reiche nach dem Gesetzeswortlaut eine
Misshandlung „bei der Tat“, d. h. zu irgendeinem
Zeitpunkt während des Tathergangs aus.
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2. Diese Begründung ist unter sachlichrechtlichen
Gesichtspunkten zu beanstanden.
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a) Zwar trifft es im Ansatz zu, dass eine Verwirklichung des
Qualifikationstatbestandes des § 250 Abs. 2 Nr. 3 lit. a StGB
auch noch in der Phase zwischen Vollendung und Beendigung der Raubtat
möglich ist (Fischer, StGB 56. Aufl. § 250 Rdn. 26).
Dies hat der Bundesgerichtshof für den ähnlichen Fall
des Verwendens einer Waffe „bei der Tat“ im Sinne
des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB (vgl. BGH NStZ-RR 2008, 342; BGH
NJW 2008, 3651, zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmt) im
Einklang mit seiner Rechtsprechung zu § 250 Abs. 1 Nr. 1 StGB
a.F. (vgl. BGHSt 20, 194, 197) mehrfach bejaht. Danach genügt
es zur Anwendung des § 250 StGB, dass die Waffe dem
Täter zu irgendeinem Zeitpunkt des Tathergangs zur
Verfügung steht. Unter Tathergang ist dabei nicht nur die
Verwirklichung der Tatbestandsmerkmale bis zur Vollendung des Raubes zu
verstehen, sondern das gesamte Geschehen bis zu dessen
tatsächlicher Beendigung. Allerdings hat der Bundesgerichtshof
stets darauf abgestellt, dass der Täter die Waffe zwischen
Vollendung und Beendigung des Raubes zur weiteren Verwirklichung seiner
Zueignungsabsicht und in diesem Abschnitt der Tat insbesondere zur
Beutesicherung eingesetzt hat. Nichts anderes hat zu gelten, wenn nach
Vollendung einer räuberischen Erpressung der Waffeneinsatz in
Frage steht. Er muss entsprechend zur weiteren Verwirklichung der
Bereicherungsabsicht erfolgt sein.
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b) Der schlichte räumlich-zeitliche Zusammenhang zwischen
einem - vollendeten - Raub oder einer räuberischen Erpressung
und einer unmittelbar nachfolgenden schweren Misshandlung
genügt für die Annahme des Tatbestandsmerkmals
„bei der Tat“ im Sinne des § 250 Abs. 2
Nr. 3 lit. a StGB nicht. Dem steht schon der systematische Zusammenhang
entgegen, in dem der Tatbestand steht. Da die Raubdelikte durch die
finale Verknüpfung von Gewalt und rechtswidriger
Vermögensverfügung geprägt sind, bezieht
sich das Merkmal „bei der Tat“ auf eben diese
Verknüpfung. Hierfür
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spricht auch die Regelung des räuberischen Diebstahls
gemäß § 252 StGB, wonach der auf frischer
Tat betroffene Dieb nur dann gleich einem Räuber - mit den
entsprechenden Qualifikationen - bestraft werden kann, wenn er die
Gewalt einsetzt, um sich im Besitz der Beute zu erhalten. Die
Qualifikation betrifft deshalb bei den übrigen
Raubtatbeständen auch nur die besondere Form oder
Intensität des Gewalteinsatzes, der für die
Herbeiführung der Vermögensverfügung
aufgewendet wird. Dabei ist - wie der Generalbundesanwalt in seinem
Terminsantrag zutreffend ausgeführt hat - bei der Auslegung
des § 250 Abs. 2 Nr. 3 lit. a StGB maßgeblich zu
berücksichtigen, dass die Vorschrift gegenüber den
als Vergleichsmaßstab heranzuziehenden Strafbestimmungen der
§§ 224 und 226 StGB eine deutlich angehobene
Strafrahmenuntergrenze aufweist. Das bloße Übergehen
zur schweren körperlichen Misshandlung nur bei Gelegenheit
eines bereits vollendeten Raubes vermag diese signifikante Anhebung der
Mindeststrafe nicht zu rechtfertigen.
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Zwar erscheint es vom Wortlaut her möglich, im weiteren
Zusammenhang mit einem vollendeten Raub oder einer
räuberischen Erpressung stehende Körperverletzungen -
etwa aus Wut über eine zu geringe Beute ausgeführte
schwere Misshandlung - der Qualifikation des § 250 Abs. 2 Nr.
3 lit. a StGB zu unterstellen. Der besondere Schutzzweck des Raub- und
Erpressungstatbestandes erfordert indes, dass die als schwere
Misshandlung zu qualifizierende Körperverletzung von einer
weiteren Verwirklichung der Zueignungs- oder Bereicherungsabsicht
getragen ist (vgl. BGHSt 20, 194, 197; Eser in
Schönke/Schröder, StGB 27. Aufl. § 250 Rdn.
12; a. A. Fischer aaO).
c) So liegt es hier aber nach den rechtsfehlerfrei getroffenen
Feststellungen nicht. Die massiven, zur Ohnmacht des Opfers
führenden Verletzungshandlungen der Angeklagten standen in
keinem Zusammenhang mit der Erpressungstat. Der Angeklagte Se. hatte
die aus fünf Euro bestehende Tatbeute bereits an sich genommen
und die offensichtlich für wert
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los gehaltene Geldbörse des Opfers weggeworfen. Die
Angeklagten hatten keinen Anlass für die Annahme, der
Geschädigte werde versuchen, seine Geldbörse wieder
zu erlangen. Des Weiteren ist nicht festgestellt, dass die Angeklagten
den Geschädigten durch die Misshandlungen etwa noch zur
Herausgabe weiterer Wertgegenstände veranlassen wollten.
3. Das weitere Revisionsvorbringen der Angeklagten zu den jeweils
erhobenen Sachrügen zeigt aus den in der Antragsschrift des
Generalbundesanwalts genannten Gründen keine Rechtsfehler des
angefochtenen Urteils auf; dasselbe gilt für die
offensichtlich unbegründete Verfahrensrüge des
Angeklagten Z. .
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4. Der Senat ändert den Schuldspruch, da ein anderweitiger
Nachweis der Qualifikation bei der gegebenen Beweislage ausgeschlossen
erscheint.
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5. Die Änderung des Schuldspruchs führt zur Aufhebung
des Strafausspruchs gegen den Angeklagten R. und der
Aussprüche über die Höhe der Jugendstrafe
gegen die beiden übrigen Angeklagten. Bei dem erwachsenen
Angeklagten R. unterscheidet sich der hier anzuwendende Strafrahmen des
§ 224 Abs. 1 erste Alternative StGB (i.V.m. § 249
Abs. 2, § 52 Abs. 2 Satz 1 StGB) zwar nicht wesentlich von dem
angewendeten Strafrahmen des § 250 Abs. 3 StGB. Indes liegt es
- abgesehen von der geringeren Mindeststrafe - nicht fern, dass die
konkrete Straffindung von der zu Unrecht angenommenen Qualifikation
beeinflusst worden ist. Bei den jugendlichen Angeklagten lässt
angesichts zweier Raubtaten der Wegfall der Qualifikation die
Notwendigkeit der Verhängung von Jugendstrafen wegen der
Schwere der Schuld (§ 17 Abs. 2 JGG) ersichtlich
unberührt. Trotz der sehr mild bemessenen Strafen kann der
Senat letztendlich nicht ausschließen, dass das Landgericht
noch etwas mildere Jugendstrafen verhängt hätte. Denn
die Jugendkammer hat nicht etwa, wie es auf der Hand gelegen
hätte, die besondere Brutalität der Tat, sondern eine
erhöhte Mindeststrafe des Normalstrafrahmens des §
250 Abs. 2 StGB bei beiden Angeklagten als
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maßgeblichen Zumessungsgrund benannt (UA S. 31, 34) und
insgesamt erzieherische Erwägungen bei seiner Strafzumessung
vernachlässigt.
Da lediglich ein Subsumtionsfehler vorliegt, können
sämtliche Feststellungen bestehen bleiben; sie sind allenfalls
durch weitere Feststellungen ergänzbar, die den bisher
getroffenen nicht widersprechen.
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Basdorf Raum Brause
Schneider Dölp |