BGH,
Urt. v. 27.7.2000 - 4 StR 189/00
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 189/00
vom
27. Juli 2000
in der Strafsache gegen
1.
2.
wegen Diebstahls
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 27.
Juli 2000, an der teilgenommen haben: Vorsitzender Richter am
Bundesgerichtshof Prof. Dr. Meyer-Goßner, die Richter am
Bundesgerichtshof Dr. Kuckein, Athing, die Richterin am
Bundesgerichtshof Solin-Stojanovic, der Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Ernemann als beisitzende Richter, Staatsanwalt als Vertreter der
Bundesanwaltschaft, Rechtsanwalt für den Angeklagten K.
Rechtsanwalt für den Angeklagten A. als Verteidiger,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
- 3 -
1. Auf die Revision des Angeklagten K. wird das Urteil des Landgerichts
Saarbrücken vom 30. September 1999, auch soweit es den
Mitangeklagten A. betrifft, in den Schuldsprüchen dahin
geändert, daß die Angeklagten jeweils statt wegen
schweren Bandendiebstahls wegen Diebstahls verurteilt werden.
Die weiter gehende Revision des Angeklagten wird verworfen.
Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
2. Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das vorbezeichnete Urteil
wird verworfen.
Die Kosten dieser Revision und die den Angeklagten insoweit
entstandenen notwendigen Auslagen werden der Staatskasse
auferlegt.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten K. wegen schweren Bandendiebstahls
in sieben Fällen und Diebstahls in zwei Fällen zu
einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten, den
Angeklagten A. wegen Diebstahls unter Einbeziehung dreier
rechtskräftiger Strafen aus einer früheren
Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und acht
Monaten, wegen Diebstahls in fünf Fällen unter
Einbeziehung einer weiteren rechtskräftigen Strafe zu einer
Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten sowie wegen
schweren Bandendiebstahls in sieben Fällen und Diebstahls in
drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und
sechs Monaten verurteilt.
Der Angeklagte K. rügt mit seiner Revision gegen dieses Urteil
die Verletzung materiellen Rechts. Die zu Ungunsten beider Angeklagten
eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft wendet sich mit der
Sachbeschwerde gegen die Strafzumessung, insbesondere gegen die Annahme
minder schwerer Fälle bei den schweren
Bandendiebstählen, und die unterbliebene Anordnung von
Maßregeln nach den §§ 69, 69 a StGB. Aus
dem Revisionsantrag und der Revisionsbegründung ergibt sich,
daß die Revision der Staatsanwaltschaft hierauf
beschränkt ist (vgl. BGH NStZ 1998, 210;
Kleinknecht/Meyer-Goßner StPO 44. Aufl. § 344 Rdn. 6
m.w.N.). Das Rechtsmittel des Angeklagten K. hat teilweise, die
Revision der Staatsanwaltschaft hat keinen Erfolg.
I.
Nach den getroffenen Feststellungen beging der Angeklagte A. im
Zeitraum von November 1994 bis März 1998 entweder gemeinsam
mit dem Angeklagten K. oder im Zusammenwirken mit anderen - in wenigen
Fällen auch allein - eine Vielzahl von Diebstählen.
Die Täter verschafften sich jeweils gewaltsam Zutritt zu Wohn-
oder Geschäftsräumen und entwendeten dort,
häufig aus aufgebrochenen Tresoren, Geld, Schmuck und sonstige
Gegenstände von Wert.
II.
Revision des Angeklagten K. :
Die Sachbeschwerde des Angeklagten K. führt -
gemäß § 357 StPO auch zugunsten des
Mitangeklagten A. , der seine Revision zurückgenommen hat -
zur Änderung der Schuldsprüche in den Fällen
II 3 bis 9 der Urteilsgründe. Im übrigen hat die
Nachprüfung des Urteils keinen Rechtsfehler zum Nachteil des
Angeklagten K. ergeben.
1. Die Annahme des Landgerichts, die Angeklagten hätten bei
den genannten Taten bandenmäßig gehandelt,
hält einer rechtlichen Überprüfung nicht
stand:
a) Nach den hierzu rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen bestand
zwischen den miteinander befreundeten Angeklagten spätestens
bei Begehung der unter II 3 der Urteilsgründe geschilderten
Tat vom 4./5. Februar 1998 eine "zumindest stillschweigende"
Übereinkunft, "auch künftig immer wieder gemeinsam
Einbrüche zu begehen, insbesondere, wenn einer von ihnen
Geldbedarf haben würde" (UA 25 f.; 34 f.); die Taten in den
Fällen II 3 bis 9 der Urteilsgründe sind dann "in
Ausführung dieser Übereinkunft" (UA 26) - und damit
nach Auffassung des Landgerichts "bandenmäßig" (s.
UA 36) - begangen worden.
b) Unabhängig von der Frage, ob schon zwei Personen eine Bande
bilden können (verneinend BGH StV 2000, 315
[Anfragebeschluß]; BGH, Be-schluß vom 4. April 2000
- 5 ARs 20/00; Engländer JZ 2000, 630 f.; Otto StV 2000, 313,
314 f.), rechtfertigt das festgestellte Verhalten der Angeklagten nicht
die Annahme bandenmäßiger Begehung. Diese setzt -
über eine mittäterschaftliche Begehungsweise hinaus -
ein Handeln mit gefestigtem Bandenwillen voraus (BGHSt 42, 255, 259;
BGH NStZ 1996, 339, 340), wobei für den der gemeinschaftlich
begangenen Tat zugrunde liegenden, auf eine gewisse Dauer angelegten
und verbindlichen "Gesamtwillen" kennzeichnend ist, daß sich
der Bandentäter im übergeordneten Interesse der
bandenmäßigen Verbindung betätigt (vgl. BGH
NStZ 1996, 443; NJW 1998, 2913; StV 1998, 599; Tröndle/
Fischer StGB 49. Aufl. § 244 Rdn. 13). Ob die Voraussetzungen
bandenmäßiger Tatbegehung erfüllt sind,
bedarf regelmäßig näherer Darlegung.
Für bandenmäßiges Handeln können
insbesondere das Eingebundensein des Täters in einer
bandenmäßigen Organisation, eine
"geschäftsmäßige Auftragsverwaltung", eine
genaue gemeinsame Buchführung, die arbeitsteilige und
gleichberechtigte Abwicklung von Akquisition,
Vermittlungstätigkeit und Forderungseinziehung, gegenseitige
Kontrolle und gegenseitiger Schutz, das Vorliegen einer gemeinsamen
Kasse oder die Beteiligung an den gemeinsam erwirtschafteten Gewinnen
und Verlusten Indikatoren sein (s. BGH StV 1998, 599 [zu § 30
a Abs. 1 BtMG]). Keinen davon hat die Strafkammer festgestellt. Auch
dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe ist nicht zu
entnehmen, daß die Angeklagten bei ihren Taten -
über ihr individuelles Interesse am Erlangen von Beute hinaus
- ein übergeordnetes Bandeninteresse verfolgt haben.
2. Da weitere Feststellungen, die den Vorwurf
bandenmäßiger Begehung tragen könnten, in
einer neuen Hauptverhandlung nicht zu erwarten sind, ändert
der Senat die Schuldsprüche dahin ab, daß die
Angeklagten (auch) in den Fällen II 3 bis 9 der
Urteilsgründe lediglich des Diebstahls schuldig sind.
§ 265 StPO steht dem nicht entgegen, weil die Angeklagten sich
gegen die geänderten Schuldsprüche nicht wirksamer
als geschehen hätten verteidigen können und mit dem
Fortfall bandenmäßiger Begehung lediglich ein
erschwerender Umstand wegfällt.
3. Trotz der Änderung der Schuldsprüche zugunsten der
Angeklagten können die in den Fällen II 3 bis 9
verhängten Einzelstrafen und die Gesamtstrafen bestehen
bleiben: Die Strafkammer hat die Strafen in den genannten
Fällen dem Strafrahmen für minder schwere
Fälle (§ 244 a Abs. 2 StGB) entnommen. Da sie sich in
dessen unteren Bereich bewegen (sechs Monate bis ein Jahr sechs Monate
Freiheitsstrafe), kann der Senat sicher ausschließen,
daß die Strafkammer bei zutreffender rechtlicher Bewertung
noch niedrigere Strafen verhängt hätte. Die
Gesamtstrafenbildung weist ebenfalls keinen belastenden Rechtsfehler
auf.
III.
Revision der Staatsanwaltschaft:
Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft hat keinen Erfolg.
1. Das Landgericht hat es in den Fällen II 3 bis 9 der
Urteilsgründe als "entscheidend" für die von ihm
vorgenommene, zur Annahme minder schwerer Fälle
führende jeweilige "Gesamtwürdigung von Tat und
Täter" angesehen, daß die Angeklagten "von Einsicht
getragene Geständnisse" abgelegt haben, die "eine nicht
unerhebliche Vereinfachung und Verkürzung der Hauptverhandlung
(ermöglichten)", und daß beide Angeklagten schon im
Ermittlungsverfahren "aktive Aufklärungshilfe" geleistet haben
(UA 38). Diese Wertung ist - auch nach Auffassung des
Generalbundesanwalts - aus Rechtsgründen hinzunehmen. Die
Strafkammer hat weiter festgestellt, daß die Angeklagten in
den Fällen II 3 bis 9 mehrere Regelbeispiele des §
243 Abs. 1 Satz 2 StGB verwirklicht haben (UA 36). Daß das
Landgericht diesen Gesichtspunkt - wie die Staatsanwaltschaft
rügt - bei der Strafzumessung nicht nochmals
ausdrücklich erörtert hat, ist kein durchgreifender
Rechtsfehler; denn es ist auszuschließen, daß es
ihn hier außer acht gelassen haben könnte (vgl. BGHR
StPO § 267 Abs. 3 Satz 1 Strafzumessung 2, 3).
Die in den Fällen II 3 bis 9 verhängten Strafen sind
zwar niedrig, sie sind aber nicht so (unvertretbar) milde,
daß sie nicht mehr innerhalb des dem Tatrichter
eingeräumten Spielraums liegen (vgl. BGHSt 29, 319, 320; 34,
345, 349; BGHR StGB § 46 Abs. 1 Beurteilungsrahmen 2, 3, 5,
14). Der Senat schließt aus, daß die Strafkammer
höhere Strafen verhängt hätte, wenn sie -
nach dem Wegfall des weiter gehenden Vorwurfs
bandenmäßiger Begehung - die Strafen dem Strafrahmen
des § 243 Abs. 1 Satz 1 StGB entnommen hätte. Auch
die für die übrigen Taten festgesetzten Strafen und
die Gesamtstrafen sind aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
2. Die Ablehnung der Anordnung von Maßregeln nach den
§§ 69, 69a StGB hält im Ergebnis ebenfalls
revisionsrechtlicher Nachprüfung stand.
Die Staatsanwaltschaft rügt zu Recht, daß der von
der Strafkammer bei der Prüfung, ob Maßregeln nach
den §§ 69, 69 a StGB anzuordnen sind, allein
angeführte Gesichtspunkt bisheriger Verfahrensdauer (UA 42)
eine positive Prognose im Sinne einer (nunmehr) bei den Angeklagten
vorhandenen charakterlichen Eignung zum Führen von
Kraftfahrzeugen nicht zu begründen vermag (vgl. BGH NStZ 1992,
586; BGHR StGB § 69 Abs. 1 Entziehung 6, 7). Dem
Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe kann jedoch noch
entnommen werden, daß das Landgericht bei beiden Angeklagten
die erforderliche Gesamtwürdigung von Tatumständen
und Täterpersönlichkeit vorgenommen hat, die eine
Beurteilung ihrer Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen
erlaubt (s. hierzu BGH StV 1999, 18 f.). So ergibt sich aus dem Urteil,
daß beide Angeklagten in der Hauptverhandlung Einsicht und
Reue zeigten, sie sich im Ermittlungsverfahren aktiv an der
Aufklärung von Straftaten beteiligten (UA 36), die Taten zum
Teil lange zurückliegen, der Angeklagte K. , der keine
Fahrerlaubnis besitzt, regelmäßig nur "Mitfahrer"
war und dem Angeklagten A. die Fahrerlaubnis bereits am 22. April 1998
vorläufig entzogen worden war (UA 26). Unter
Berücksichtigung dieser sich aus dem Urteil ergebenden
Besonderheiten nimmt der Senat die Wertung des Landgerichts, die
Angeklagten seien nicht (mehr) zum Führen von Kraftfahrzeugen
ungeeignet, als tatrichterliche Entscheidung hin.
3. Soweit der Generalbundesanwalt beanstandet, das Urteil
erschöpfe den Eröffnungsbeschluß nicht,
weil die Tat II der zugelassenen Anklage im Urteil nicht behandelt
werde, ist dem Senat eine Entscheidung dazu verwehrt, weil das
Verfahren insoweit nicht hier - sondern noch beim Landgericht -
anhängig ist (vgl. BGHR StPO § 352 Abs. 1
Prüfungsumfang 4; BGH NStZ 1993, 551 f.; BGH,
Beschlüsse vom 1. September 1998 - 4 StR 407/98 - und vom 3.
September 1998 - 4 StR 243/ 98; Meyer-Goßner JR 1985, 452,
453 f.).
IV.
Die Kostenentscheidungen beruhen auf § 473 Abs. 1 Satz 1, Abs.
2 Satz 1 StPO. Der nur geringfügige Erfolg der Revision des
Angeklagten K. rechtfertigt es nicht, den Angeklagten - teilweise - von
den durch sein Rechtsmittel entstandenen Kosten und Auslagen
freizustellen (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner aaO §
473 Rdn. 25 ff.).
Meyer-Goßner Kuckein Athing
Solin-Stojanovic Ernemann |