BGH,
Urt. v. 27.7.2005 - 2 StR 192/05
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 192/05
vom
27.7.2005
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge u. a.
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Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
27.07.2005,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Rissing-van Saan,
Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Otten,
Richter am Bundesgerichtshof
Rothfuß,
Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Appl,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
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1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des
Landgerichts Aachen vom 7. Dezember 2004 mit den zugehörigen
Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer
des Landgerichts Aachen zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Besitzes von
Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit
Entziehung elektrischer
Energie (Fall 1 der Anklageschrift) und wegen Beihilfe zum unerlaubten
Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
(Fall 2 der Anklageschrift)
zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren
Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Es hat
außerdem den Verfall
eines Geldbetrages von 6000 € angeordnet. Dagegen wendet sich
die Revision
der Staatsanwaltschaft mit der Sachrüge. Sie erstrebt in
beiden Fällen eine
Verurteilung wegen täterschaftlichen unerlaubten
Handeltreibens mit Betäubungsmitteln
in nicht geringer Menge und eine höhere Strafe. Das
Rechtsmittel
hat Erfolg.
Nach den Feststellungen des Landgerichts überließ
der Angeklagte dem
Niederländer „J. “ für eine Miete
von 500 € monatlich eine von ihm selbst zu
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diesem Preis angemietete große Lagerhalle, die er
früher als Lagerfläche und
Unterstellplatz für Baumaschinen genutzt hatte, um dort
Cannabisprodukte zu
erzeugen, die J. gewinnbringend an Rauschgifthändler verkaufen
wollte. Ende
Januar 2004 begann J. mit Umbau- und Installationsarbeiten, wobei der
Angeklagte
half. Da für die Cannabis-Plantage sehr viel Strom
benötigt würde, ließ
J. mit Wissen und Hilfe des Angeklagten zwischen dem außen an
der Halle
angebrachten Hausanschlußkasten und dem im Inneren montierten
Stromzähler
eine Leitung abgreifen, so daß der gesamte Stromverbrauch
für die Cannabis-
Plantage nicht vom Zähler gemessen wurde. Mitte Februar war
die Halle in
fünf Räume unterteilt und mit Beleuchtungs-, Heiz-,
Belüftungs- und Bewässerungssystemen
ausgestattet worden. J. brachte ca. 110 Cannabispflanzen in
Töpfen in die Halle. Der Angeklagte kümmerte sich
nach Anweisung von J. ,
der nur etwa jeden zweiten Tag erschien, täglich um die
Versorgung der Pflanzen.
Ende Mai 2004 waren diese Pflanzen ausgereift und wurden von J.
abgeerntet.
Das aus ihnen gewonnene Blüten- und Pflanzenmaterial, rund 8 kg
Cannabis, verkaufte J. zum Preis von 1000 € pro Kilogramm an
einen Dealer
in den Niederlanden (Fall 2 der Anklage). Der Angeklagte erhielt neben
der
Mietzahlung 1000 € für seine Mitarbeit.
In der Folgezeit brachte J. eine Vielzahl weiterer Cannabispflanzen in
die Halle, um deren Aufzucht sich der Angeklagte wie zuvor
kümmerte. Um einer
Entdeckung der Cannabis-Plantage vorzubeugen, kamen der Angeklagte
und J. überein, daß der Angeklagte die Lagerhalle
vom Eigentümer im Wege
des Mietkaufs erwerben sollte. Hierfür sagte J. dem
Angeklagten monatliche
Zahlungen in Höhe von 5000 € zu. Die erste Zahlung
von 5000 € erhielt der
Angeklagte Anfang Juli 2004. Am 14. Juli 2004 durchsuchte die Polizei
die Halle
aufgrund eines Hinweises einer Vertrauensperson und der Angeklagte wurde
festgenommen. In der Halle befanden sich 1068 noch nicht erntereife
Pflan-
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zen in verschiedenen Wachstumsstadien mit einem Nettogewicht von 90,699
kg und einem Wirkstoffgehalt von 570 g THC. Bei vollständiger
Ausreifung aller
Pflanzen hätten etwa 90 kg verkaufsfähiges Marihuana
mittlerer Qualität gewonnen
werden können (Fall 1 der Anklage).
Der Schuldspruch des angefochtenen Urteils hält der
rechtlichen Nachprüfung
nicht stand.
1. Das Landgericht hat den Tatbestand des unerlaubten Handeltreibens
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge im Fall 1 der
Anklage nicht geprüft.
Ein solches kommt jedoch in Betracht bei unerlaubtem Anbau von Cannabis-
Pflanzen in Form der Aufzucht bis in das Stadium, in dem sie eine nicht
geringe Menge THC enthalten, wenn der Anbau auf die gewinnbringende
Veräußerung
der herzustellenden Betäubungsmittel zielt (BGHR BtMG
§ 29 a
Abs. 1 Nr. 2 Handeltreiben 4 m.w.N.).
2. Das Landgericht hat im Fall 2 der Anklage die Verurteilung des
Angeklagten
(nur) wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit
Betäubungsmitteln
in nicht geringer Menge nicht rechtsfehlerfrei begründet.
a) Die Frage, ob die Beteiligung an der Tat Mittäterschaft
oder Beihilfe
ist, beurteilt sich auch bei dem unerlaubten Handeltreiben mit
Betäubungsmitteln
nach den allgemeinen Grundsätzen über die Abgrenzung
zwischen diesen
Beteiligungsformen. Maßgeblich für die Abgrenzung
ist, welcher Art der Tatbeitrag
ist und mit welcher Willensrichtung er geleistet wird. Dabei
können wesentliche
Anhaltspunkte sein der Grad des eigenen Interesses am Erfolg, der
Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft, so daß die
Tat maßgeblich
auch von seinem Willen abhängt, oder ob nur eine ganz
untergeordnete Tätigkeit
vorliegt (vgl. BGHSt 34, 124, 125; BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1
Handel-
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treiben 9, 25, 39, 54, 56). An einer Prüfung nach diesen
Abgrenzungskriterien
fehlt es im angefochtenen Urteil. Sie war hier unverzichtbar, weil
angesichts
des gewichtigen Tatbeitrags des Angeklagten - Vermietung der Halle,
Hilfe
beim Umbau, tägliche Versorgung der Pflanzen - und des
jedenfalls ab Juli
2004 erheblichen wirtschaftlichen Eigeninteresses an der Tat die
Annahme von
Mittäterschaft nahe lag.
b) Zweifelhaft erscheint ferner die Würdigung des Tatrichters,
es sei ein
gewichtiges Indiz für die Richtigkeit der Einlassung des
Angeklagten, ein Niederländer
namens „J. “ sei der eigentliche Betreiber der
Anlage gewesen, daß
in der Halle eine schriftliche Anleitung zur Aufzucht der
Cannabis-Pflanzen in
niederländischer Sprache gefunden worden ist. Eine solche
Anleitung könnte
sich auch der Angeklagte, der acht Jahre lang in den Niederlanden
gelebt hat,
dort besorgt haben.
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3. Im übrigen hat das Landgericht im Fall 2 der Anklage
übersehen, daß
die Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit
Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge den täterschaftlichen unerlaubten Besitz von
Betäubungsmitteln
in nicht geringer Menge, welcher den vollen Strafrahmen des §
29 a Abs. 1
BtMG eröffnet, nicht verdrängt (std. Rspr., u. a.
BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1
Handeltreiben 47 und § 29 a Abs. 1 Nr. 2 Besitz 1; BGH, Urt.
v. 6. November
2003 - 4 StR 270/03; Senatsbeschluß vom 8. Dezember 2004 - 2
StR
451/04). Schließlich liegt auch in diesem Fall tateinheitlich
die Entziehung elektrischer
Energie vor.
Rissing-van Saan Otten Rothfuß
RiBGH Appl ist wegen
Urlaubsabwesenheit an
der Unterschrift gehindert.
Roggenbuck Rissing-van Saan |