BGH,
Urt. v. 28.7.2005 - 3 StR 60/05
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: nein
Veröffentlichung: ja
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StGB § 86 a Abs. 2 Satz 2
1. Zur Frage, wann ein verwendetes Kennzeichen einem Originalkennzeichen
einer verfassungswidrigen Organisation nach Änderungen
und/oder Zusätzen
zum Verwechseln ähnlich ist.
2. Die Verwendung eines Fantasiekennzeichens oder eines erheblich
abgewandelten
Kennzeichens, das dem Originalkennzeichen nicht zum Verwechseln
ähnlich ist, wird auch dann nicht von § 86 a Abs. 2
Satz 2 StGB
erfasst, wenn es den Anschein erweckt, es handele sich um ein
Kennzeichen
dieser Organisation.
3. Die Parole "Ruhm und Ehre der Waffen-SS" ist weder der
Originalparole der
Hitlerjugend noch derjenigen der Waffen-SS zum Verwechseln
ähnlich.
BGH, Urt. vom 28.07.2005 - 3 StR 60/05 - Landgericht Karlsruhe
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 60/05
vom
28.07.2005
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen
- 2 -
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
28.07.2005,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Tolksdorf,
die Richter am Bundesgerichtshof
Winkler,
Pfister,
von Lienen,
Hubert
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof in der Verhandlung,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof bei der Verkündung
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten M. ,
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
- 3 -
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Karlsruhe vom 22. Oktober 2004 aufgehoben.
Die Angeklagten werden freigesprochen.
2. Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen der
Angeklagten fallen der Staatskasse zur Last.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat, nachdem das Oberlandesgericht das Hauptverfahren
vor ihm eröffnet hatte (NJW 2003, 1200), die Angeklagten wegen
Verwendens
von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen verurteilt. Die
Angeklagten
haben gegen ihre Verurteilung Revision eingelegt. Die Rechtsmittel
haben mit der Sachrüge Erfolg.
Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
Die Angeklagten sind als Angehörige der "K. Kameradschaft" in
der rechtsradikalen Szene aktiv. Die Angeklagten M. und E. betreiben
hierzu das "Nationale Infotelefon K. ", bei dem sie Informationen auf
einen Anrufbeantworter sprechen, die von Interessenten abgerufen werden
können. Nachdem bei einer Kundgebung von Rechtsextremen in L.
die
Polizei gegen das Skandieren der Parole "Ruhm und Ehre der Waffen-SS"
eingeschritten
war, plante die rechtsextreme Szene eine Protestdemonstration.
- 4 -
Die Angeklagten M. und E. riefen durch einen Text auf einem
Anrufbeantworter
zur Teilnahme an der Demonstration auf. Der Text endete mit dem
Satz: "Also 'Ruhm und Ehre der Waffen-SS' und sichert Euch einen Platz
im
K. Bus." Weiterhin überließ der Angeklagte M. diesen
Text, einschließlich
der genannten Parole, dem Angeklagten S. , der ihn in eine
allgemein zugängliche Internetseite einstellte.
Das Landgericht hat die Ansicht vertreten, die Parole "Ruhm und Ehre der
Waffen-SS" sei sowohl der Parole der Waffen-SS ("Meine/unsere Ehre
heißt
Treue") als auch derjenigen der Hitlerjugend ("Blut und Ehre") zum
Verwechseln
ähnlich im Sinne des § 86 a Abs. 2 Satz 2 StGB: Sie
erwecke bei einem
unbefangenen, nur flüchtig prüfenden Hörer
den Eindruck, es handele sich um
eine Parole der Waffen-SS, so dass sich dem Hörer inhaltlich
der Sinngehalt
eines Symbols dieser verbotenen nationalsozialistischen Organisation
vermittle.
I. Die Verurteilung hält rechtlicher Nachprüfung
nicht stand. Bei der verwendeten
Parole handelt es sich nicht um eine Parole einer ehemaligen
nationalsozialistischen
Organisation. Dies hat zur Folge, dass ein
tatbestandsmäßiges
Handeln nach § 86 a Abs. 1 Nr. 1 StGB ausscheidet. Sie ist
auch nicht der
Parole einer ehemaligen nationalsozialistischen Organisation zum
Verwechseln
ähnlich. Dementsprechend greift auch § 86 a Abs. 2
Satz 2 StGB nicht ein.
1. "Zum Verwechseln ähnlich" im Sinne des § 86 a Abs.
2 Satz 2 StGB
ist eine Parole - wie auch ein sonstiges Kennzeichen - dann, wenn ein
gesteigerter
Grad sinnlich wahrnehmbarer Ähnlichkeit gegeben ist.
Erforderlich ist
eine objektiv vorhandene Übereinstimmung in wesentlichen
Vergleichspunkten.
Es muss nach dem Gesamteindruck eines durchschnittlichen, nicht genau
prüfenden
Betrachters eine Verwechslung mit dem Original möglich sein.
Dafür
- 5 -
genügt nicht, dass sich lediglich einzelne Merkmale des
Vorbilds in der Abwandlung
wieder finden, ohne dass dadurch einem unbefangenen Betrachter,
der das Original kennt, der Eindruck des Originalkennzeichens
vermittelt wird
(BGH NStZ 2003, 31, 32).
2. Nach diesen Maßstäben ist bei der Parole "Ruhm
und Ehre der Waffen-
SS" ein ausreichendes Maß an Ähnlichkeit mit den
Parolen weder der Waffen-
SS noch der Hitlerjugend gegeben (ebenso die h. M., Steinmetz NStZ
2002, 118; ders. in MünchKomm § 86 a Rdn. 14; Fischer
in Tröndle/Fischer,
StGB 52. Aufl. § 86 a Rdn. 12; Paeffgen in NK-StGB §
86 a Rdn. 9; Ettemeyer/
Büttner, Die Polizei 2000, 164, 165; aA lediglich OLG
Karlsruhe NJW 2003,
1200).
a) Das ist offensichtlich, soweit die von den Angeklagten verwendete
Parole
("Ruhm und Ehre der Waffen-SS") mit derjenigen der Waffen-SS ("Meine/
unsere Ehre heißt Treue") verglichen wird. Beide Losungen
unterscheiden
sich nach Form und Inhalt so deutlich, dass es an jeder
Ähnlichkeit, die eine
Verwechselungsgefahr begründen könnte, fehlt.
Obgleich es daher auf die Einordnung
der Waffen-SS als verfassungswidrige Organisation nicht ankommt,
gibt die Revisionsbegründung dem Senat Anlass zu dem Hinweis,
dass es sich
bei ihr um eine Untergliederung der SS und damit um eine ehemalige
nationalsozialistische
Organisation im Sinne von § 86 a Abs. 1 Nr. 1, § 86
Abs. 1 Nr. 4
StGB handelt, so dass sowohl die Verbreitung von Propagandamitteln, die
nach ihrem Inhalt dazu bestimmt sind, ihre Bestrebungen fortzusetzen,
als
auch die Verwendung ihrer Kennzeichen strafbar ist.
b) Die verwendete Losung ist aber auch nicht der Parole der Hitlerjugend
("Blut und Ehre") zum Verwechseln ähnlich.
- 6 -
Mit ihr weist sie allerdings, entsprechend der Auffassung des
Landgerichts,
bei isolierter Betrachtung der ersten drei Worte dieser Losung ("Ruhm
und Ehre") - wegen des Wortklangs und der teilweisen
Wortübereinstimmung -
eine gewisse Ähnlichkeit auf. Ob diese den Grad erreicht, dass
eine Parole
"Ruhm und Ehre" der Parole der Hitlerjugend "Blut und Ehre" zum
Verwechseln
ähnlich und ihre Verwendung damit
tatbestandsmäßig wäre, kann indes auf
sich beruhen. Denn die Angeklagten haben diese Parole nicht verwandt.
Bei
der Prüfung, ob die von ihnen benutzte Parole derjenigen der
Hitlerjugend in
der von § 86 a Abs. 2 Satz 2 StGB geforderten Weise zum
Verwechseln ähnlich
ist, muss jene unverändert und in ihrer Gesamtheit in den
Blick genommen
werden. Ein auf einzelne Teile der Parole beschränkter
Vergleich, der andere
Teile aus der Betrachtung ausklammert, ist nicht zulässig.
Wird die Parole einer nationalsozialistischen Organisation -
unverändert
oder nur geringfügig verändert - um einen Zusatz
(hier "der Waffen-SS") erweitert,
hängt die Frage, ob die neue Parole der
ursprünglichen zum Verwechseln
ähnlich ist, von einem Gesamtvergleich ab. Dabei ist nach Form
und Inhalt zu
beurteilen, ob in der neu entstandenen Parole ungeachtet der
vorgenommenen
Ergänzungen und - gegebenenfalls - Änderungen
letztlich die Originalparole
hervorsticht und Aussage sowie Erscheinungsbild prägt. Ob dies
der Fall ist
oder ob umgekehrt die Originalparole als Folge der Änderungen
und Ergänzungen
in der neuen Parole ihre Bedeutung als eigenständige Aussage
verliert
und in den Hintergrund tritt, lässt sich nur für den
Einzelfall entscheiden. Kriterium
kann etwa sein, wie markant das Originalkennzeichen einerseits und der
Zusatz andererseits sind, wie sehr das Originalkennzeichen durch den
Zusatz
in seinem äußeren Erscheinungsbild (bei Parolen auch
im Rhythmus und
Klang) und in seiner inhaltlichen Aussage verändert wird.
Wesentlich für die
Beurteilung von Ähnlichkeit und Verwechselungsgefahr kann auch
sein, ob die
- 7 -
Parole spezifisch nationalsozialistisch war, ausschließlich
von einer nationalsozialistischen
Organisation verwandt wurde oder auch sonst verbreitet war
oder ist.
Bei der gebotenen Betrachtung der von den Angeklagten verwendeten
Parole in ihrer Gesamtheit führt ein Vergleich mit der Parole
der Hitlerjugend -
ungeachtet der Ähnlichkeit in den ersten drei Worten - nicht
dazu, dass beide
Losungen zum Verwechseln ähnlich sind. Durch die
Veränderung des ersten
Begriffs von "Blut" in "Ruhm" entsteht im ersten Teil der verwendeten
Losung
mit der Formel "Ruhm und Ehre" eine Aussage, die keine spezifische
nationalsozialistische
Färbung aufweist und bereits vor dem Dritten Reich vielfach
allgemein
zur Ehrung insbesondere von Soldaten verwendet worden ist (etwa
Ehre den Gefallenen, Ruhm den Helden u. ä.).
Zwar wird durch den Zusatz "der Waffen-SS" ein Bezug zu einer
nationalsozialistischen
Organisation, nämlich der Waffen-SS hergestellt. Dieser Bezug
verweist aber nicht auf die Hitlerjugend und vermag daher die
Ähnlichkeit
zu deren Parole nicht zu begründen. Im Gegenteil: Hier wird
durch den Zusatz
die Originalparole nach Form und Inhalt so stark verändert,
dass derjenige, der
die Parole der Hitlerjugend kennt und die von den Angeklagten verwendete
Parole optisch oder akustisch wahrnimmt, nicht den Eindruck gewinnen
kann,
es handele sich, wenn auch leicht abgewandelt, um die der Hitlerjugend.
Schon
in formeller Hinsicht sind die Unterschiede zu groß.
Wesentlich kommt hinzu,
dass der inhaltliche Aussagegehalt beider zu vergleichender Parolen
deutliche
Unterschiede aufweist. Die Losung der Hitlerjugend vermittelt das
Treuebekenntnis
eines Angehörigen dieser Organisation, in dem er sich mit
seiner gesamten
Person, mit seinem Blut und mit seiner Ehre, zu dieser Gruppierung
bekennt und seine Zugehörigkeit zu ihr zum Ausdruck bringt.
Demgegenüber
- 8 -
ist die verwendete Parole "Ruhm und Ehre der Waffen-SS" als Aussage
eines
Dritten zu verstehen, der dieser Organisation Ruhm und Ehre zuerkennen
will.
3. Das Landgericht hat zwar - insoweit letztlich
übereinstimmend mit den
Darlegungen unter 2. a) - nach dem äußeren
Erscheinungsbild nur eine bedingte
und damit nicht ausreichende Ähnlichkeit der verwendeten
Parole mit
derjenigen der Waffen-SS festgestellt. Wenn es gleichwohl zum Ergebnis
gelangt
ist, sie sei ihr zum Verwechseln ähnlich, hat es ersichtlich
einen anderen,
rechtlich unzutreffenden Maßstab bei der Auslegung des
Begriffs "zum Verwechseln
ähnlich" in § 86 a Abs. 2 Satz 2 StGB angelegt. Denn
zur Begründung
hat es ausgeführt, dass dem flüchtig
prüfenden Hörer oder Leser sich bei
der Losung "Ruhm und Ehre der Waffen-SS" der Eindruck
aufdränge, es handele
sich um eine Parole der Waffen-SS, wobei "sich ihm inhaltlich der
Sinngehalt
eines Symbols dieser … nationalsozialistischen Organisation
vermittelt".
Diese Formulierung entspricht einer in Teilen der Literatur vertretenen
Auslegung
dieser Vorschrift, wonach es nicht so sehr auf die - je nach der Art der
Wahrnehmung
- optische oder akustische Ähnlichkeit ankomme als vielmehr
darauf, ob
der Anschein eines Kennzeichens der jeweiligen Organisation erweckt und
dessen Symbolgehalt vermittelt werde (so Lackner/Kühl, StGB
25. Aufl. § 86 a
Rdn. 2 a; Stree/Sternberg-Lieben in Schönke/Schröder,
StGB 26. Aufl. § 86 a
Rdn. 4).
Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden. Sie führt dazu,
dass es
der Existenz eines Originalkennzeichens nicht bedürfte, mit
dem das verwendete
ähnlich ist, und dass die Verwendung von Fantasiekennzeichen
tatbestandsmäßig
wäre, wenn diese den Anschein erwecken, als seien sie ein -
tatsächlich
nie gebrauchtes - Kennzeichen der betreffenden Organisation (so in
- 9 -
der Tat KG NStZ 2002, 148, 149). Diese Auslegung ist mit dem eindeutigen
Wortlaut des § 86 a Abs. 2 Satz 2 StGB nicht vereinbar. Nach
§ 86 a Abs. 1 Nr.
1 StGB i. V. mit § 86 Abs. 1 Nr. 4 StGB ist es verboten,
Kennzeichen einer ehemaligen
Organisation zu verwenden. Damit sind nur Kennzeichen erfasst,
die diese Organisation selbst verwendet hat. Nach § 86 a Abs.
2 Satz 2 StGB
stehen diesen Kennzeichen auch solche gleich, die "ihnen" zum
Verwechseln
ähnlich sind. Damit ist klargestellt, dass eine
Ähnlichkeit mit den von der Organisation
verwendeten Kennzeichen bestehen muss (so auch Steinmetz NStZ
2002, 118 f.; ders. in MünchKomm § 86 a Rdn. 13). Die
gegenteilige Auffassung
wäre auch mit dem Charakter der Vorschrift als
Organisationsdelikt nicht
in Einklang zu bringen (Stegbauer JZ 2002, 1180). Denn die Vorschrift
des §
86 a StGB bezweckt den Schutz der verfassungsmäßigen
Ordnung durch die
Abwehr einer Wiederbelebung verfassungswidriger Organisationen
(Laufhütte
in LK, 11. Aufl. § 86 a Rdn. 1).
Diese nach Wortlaut und Systematik zwingende Auslegung des §
86 a
Abs. 2 Satz 2 StGB hat, wie nicht zu verkennen ist, allerdings zur
Konsequenz,
dass die Verwendung von nationalsozialistisch klingenden Parolen, die
den
Anschein der Zuordnung zu bestimmten NS-Organisationen vermitteln (und
vermitteln sollen), die aber etwa als Fantasiekennzeichen frei erfunden
oder
von einem Originalkennzeichen so stark abweichend sind, dass eine
Verwechselungsgefahr
ausgeschlossen ist, unter diesem rechtlichen Aspekt straffrei
bleibt. Eine Parole, die einer nationalsozialistischen Organisation
ungeachtet
der von ihr begangenen Gräueltaten "Ruhm und Ehre" zuspricht,
wird zu Recht
auf allgemeine Empörung stoßen und insbesondere die
Angehörigen von Opfern
in ihren Gefühlen verletzen. Dies und das Empfinden von
Strafbedürftigkeit
können es aber nicht rechtfertigen, bei der Auslegung des
§ 86 a Abs. 2 Satz 2
StGB die durch den eindeutigen Wortlaut der Vorschrift gesetzten
Grenzen zu
- 10 -
überschreiten. Das für Strafgesetze
verfassungsrechtlich garantierte Bestimmtheitsgebot
des Art. 103 Abs. 2 GG verbietet einem Richter, eine Strafvorschrift
über ihren eindeutigen, einer Auslegung nicht
zugänglichen Wortlaut hinaus
ausdehnend anzuwenden (BVerfGE 64, 389, 393). Damit sind die
Strafgerichte
gehalten, den Gesetzgeber beim Wort zu nehmen; ihn zu korrigieren, ist
ihnen
verwehrt. Sie müssen in Fällen, die vom Wortlaut
einer Strafnorm nicht mehr
erfasst sind, zum Freispruch gelangen (BVerfGE 47, 109, 124). Es ist
Sache
des Gesetzgebers zu entscheiden, ob solche NS-Propaganda, soweit dies
mit
Blick auf das Grundrecht der Meinungsfreiheit möglich ist,
unter Strafandrohung
verboten werden soll oder ob die Auseinandersetzung mit dieser Ideologie
nicht besser mit politischen Mitteln zu führen ist.
4. Im übrigen ist die Verwendung von Kennzeichen der hier in
Rede stehenden
Art, auch wenn sie nicht vom Tatbestand des § 86 a StGB
erfasst wird,
nicht notwendigerweise straflos. Sie kann im Einzelfall - unter
Berücksichtigung
der ihn prägenden Umstände - nach anderen
Vorschriften strafbar sein.
a) Das gilt etwa für die Verwendung von Kennzeichen unter
solchen
Umständen, dass es sich nach der Gesamtaussage um
Propagandamittel im
Sinne des § 86 Abs. 1 Nr. 4 StGB handelt, die nach ihrem
Inhalt gegen die
freiheitliche Grundordnung gerichtet und dazu bestimmt sind,
Bestrebungen
einer ehemaligen nationalsozialistischen Organisation fortzusetzen
(vgl. BGHR
StGB § 86 Abs. 1 Nr. 4 NS-Parole 1 zu "Rot-Front-Verrecke").
Eine solche
Fallgestaltung war bei der Verwendung der Parole "Ruhm und Ehre der
Waffen-
SS" im Zusammenhang mit einer Kundgebung auf der Wewelsburg, einer
Kultstätte der SS und Waffen-SS, die auch als
Konzentrationslager diente, gegeben.
In diesem Fall war das Landgericht Dortmund zum Ergebnis gelangt,
dass die Verwendung dieser Parole als solche allein noch nicht eine
Strafbar-
11 -
keit nach § 86 Abs. 1 Nr. 4 StGB zu begründen vermag,
dass aber unter den
konkreten Umständen, nämlich dem bewussten Bezug zur
Wewelsburg und der
Einstellung in eine Internetseite der "Initiative der weißen
Art" ein unübersehbarer
Zusammenhang mit den rassistischen Zielen der SS und auch der Waffen-
SS hergestellt und deren Bestrebungen zur Erhaltung der "arischen" Rasse
und Eliminierung anderer Bevölkerungsgruppen
gefördert werden sollte (LG
Dortmund, Urt. vom 7. Januar 2003 - KLs 157 Js 348/02). Diese
Auffassung hat
der Senat durch Verwerfung der Angeklagtenrevision bestätigt
(Beschl. vom
15. Mai 2003 - 3 StR 154/03 [ohne Gründe
gemäß § 349 Abs. 2 StGB]).
b) Auch eine Strafbarkeit nach der durch Gesetz vom 24.03.2005 neu
geschaffenen Vorschrift der Verherrlichung der nationalsozialistischen
Gewaltund
Willkürherrschaft (§ 130 Abs. 4 StGB nF [BGBl I 969
f.]) kann für künftige
Fälle in Betracht kommen, wenn im Einzelfall nach den
Umständen die weiteren
Tatbestandsvoraussetzungen festgestellt werden können, wonach
durch
die Verwendung der Parole die NS-Gewalt- und Willkürherrschaft
verherrlicht
und dadurch der öffentliche Frieden in einer die
Würde der Opfer verletzenden
Weise gestört wurde. Damit erfasst dieser Straftatbestand
nicht jede Verherrlichung
nationalsozialistischer Anschauungen, sondern nur solche Handlungen
als tatbestandsmäßig, welche die NS-Gewalt- und
Willkürherrschaft kennzeichnenden
Menschenrechtsverletzungen billigen, rechtfertigen oder
verherrlichen und damit den Achtungsanspruch der Opfer angreifen (vgl.
Begr.
des Gesetzentwurfs BTDrucks. 15/5051 S. 5).
II. Der dargestellte Rechtsfehler führt zur Aufhebung des
Urteils. Der
Senat hat nach § 354 Abs. 1 StPO in der Sache
abschließend entschieden und
die Angeklagten freigesprochen, da der festgestellte Sachverhalt andere
Straf-
12 -
tatbestände nicht erfüllt und weitergehende
Feststellungen nicht zu erwarten
sind.
Die neue Vorschrift des § 130 Abs. 4 StGB nF hat zur Tatzeit
noch nicht
gegolten (§ 1 StGB), so dass offen bleiben kann, ob ihre
Voraussetzungen erfüllt
gewesen wären. Für eine Verurteilung nach §
86 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2
StGB fehlt es an solchen besonderen Umständen, wie sie der o.
g. Entscheidung
des Landgerichts Dortmund vom 7. Januar 2003 zugrunde lagen.
Für die
Anwendung dieser Vorschrift reicht es nicht aus, dass ein
Propagandamittel
nach seinem Inhalt geeignet ist, allgemein für das
nationalsozialistische Regime
zu werben und seine Ideologie zu verherrlichen. Wie der Senat in BGHSt
23, 64, 67 f. im Einzelnen dargelegt hat, wurde im
Gesetzgebungsverfahren ein
Alternativvorschlag, der auch solche lediglich verherrlichenden
Propagandamittel
in § 86 StGB erfassen wollte, verworfen. Nach der
schließlich Gesetz gewordenen
Fassung ist in § 86 Abs. 2 StGB ausdrücklich
bestimmt, dass nur
solche Propagandamittel den Tatbestand erfüllen, deren Inhalt
gegen die freiheitliche
demokratische Grundordnung oder den Gedanken der
Völkerverständigung
gerichtet sind. Damit muss das Propagandamittel eine "aktiv
kämpferische,
aggressive Tendenz" gegen die freiheitliche Grundordnung aufweisen
und auf die Fortsetzung der Bestrebungen der ehemaligen
nationalsozialistischen
Organisation gerichtet sein (BGHSt 23, 64, 72, 76; 29, 73, 78). Diese
Voraussetzungen können hier der Verwendung der Parole durch
die Angeklagten
nach den festgestellten Umständen nicht entnommen werden.
Tolksdorf Winkler Pfister
von Lienen Hubert |