BGH,
Urt. v. 29.6.2006 - 5 StR 482/05
5 StR 482/05
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom
29.6.2006
in der Strafsache
gegen
- Verfallsbeteiligte: H. G. GmbH & Co. KG,
vertreten durch die Komplementärin -
wegen Anstiftung zur Untreue u. a.
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Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der
Hauptverhandlung vom 27. und 29.06.2006, an der teilgenommen haben:
Richter Basdorf
als Vorsitzender,
Richter Häger,
Richterin Dr. Gerhardt,
Richter Dr. Raum,
Richter Schaal
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt Ho. ,
Rechtsanwalt N.
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
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in der Sitzung vom 29.06.2006 für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Verfallsbeteiligten wird das Urteil des
Landgerichts Wuppertal vom 27. April 2004 im Ausspruch über
den Verfall aufgehoben; die Anordnung entfällt.
2. Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten gegen das
vorgenannte Urteil werden verworfen.
3. Soweit die Verfallsanordnung aufgehoben wird, trägt die
Staatskasse die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen der
Verfallsbeteiligten. Der Angeklagte trägt die Kosten seiner
Revision. Die Kosten der Revision der Staatsanwaltschaft und die
insoweit dem Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen
trägt die Staatskasse.
- Von Rechts wegen -
G r ü n d e
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Anstiftung zur Untreue in
zwei Fällen und wegen Beihilfe zur Untreue zu einer
Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und deren
Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Darüber
hinaus hat es den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in drei
Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 500 Tagessätzen
zu je 300 Euro verurteilt. Gegen die Verfallsbeteiligte hat das
Landgericht den Verfall (von Wertersatz) in Höhe von 500.000
Euro angeordnet.
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Die Revision der Verfallsbeteiligten hat Erfolg, die Revisionen der
Staatsanwaltschaft und des Angeklagten sind unbegründet.
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I.
Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:
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Der Angeklagte unterhielt als alleiniger
Geschäftsführer der Verfallsbeteiligten, des in
Wuppertal alteingesessenen Bauunternehmens H. G. GmbH & Co. KG
(nachfolgend: G. KG), langjährige
Geschäftsbeziehungen mit dem gesondert abgeurteilten
früheren Mitangeklagten K. . K. - ein
frühpensionierter ehemaliger Oberamtsanwalt -
betätigte sich erfolgreich im Immobilien- und
Baugeschäft und wurde schließlich im Vorstand der
beiden gemeinnützigen Stiftungen H. -Stiftung und D. -Stiftung
auch tätig, um in dieser Funktion bei zukünftigen
Bauvorhaben für eine Auftragsvergabe an die G. KG zu sorgen
und sich dadurch verdeckte Provisionen zu verdienen. Aus demselben
Beweggrund unterhielt K. jahrelang enge Beziehungen zu den
früher mitangeklagten gesondert abgeurteilten
Geschäftsführern der G. W. mbH Wuppertal
(nachfolgend: GWG) Hi: und S. sowie zu dem ebenfalls früher
mitangeklagten gesondert abgeurteilten Prokuristen der GWG St ; K. kam
es dabei darauf an, diese durch großzügige
Zuwendungen zu einer ihm nützlichen Geschäftspolitik
der GWG zu bewegen.
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Die Geschäftsführer der GWG vergaben an die Gerlich
KG unter maßgeblicher Einflussnahme K. s
schließlich zwei Generalunternehmeraufträge: einen
zur Errichtung des vierten Bauabschnitts eines von der H. -Stiftung
geplanten Altenwohnheims mit einem Auftragsvolumen von ca. 30 Mio. DM
(nachfolgend: Projekt H. -Stiftung) und einen weiteren zur Errichtung
eines von der D. -Stiftung geplanten Wohnquartiers für
betreutes Altenwohnen mit einem Auftragsvolumen von ca. 28 Mio. DM
(nachfolgend: Projekt D. -Stiftung). Beide
Geschäftsführer ließen sich bei
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der ohne jeden Wettbewerb erfolgten Auftragsvergabe und bei der
Verschleierung dieser Tatsache durch Veranstaltung eines
Scheinwettbewerbs „für die Akten“
wesentlich von den erheblichen Zuwendungen K. s in Höhe von
jeweils mehreren hunderttausend DM leiten. Der Angeklagte wusste von
diesen Zuwendungen an die Verantwortlichen der GWG und billigte das
Vorgehen von K. , um die Aufträge zu erlangen.
Zwischen dem Angeklagten und K. waren Provisionen für die
Bauvorhaben H. -Stiftung und D. -Stiftung in Höhe von jeweils
5 % der Auftragssumme vereinbart. Die durch Schmiergeldzahlungen
motivierte Auftragsvergabe an die G. KG unter bewusster Ausschaltung
jeden Wettbewerbs hat das Landgericht als Untreue von Hi. und S.
gegenüber der GWG gewertet, wobei es als Mindestschaden der
GWG die mit K. vereinbarten Provisionen angenommen hat. Nach Auffassung
des Landgerichts handelte es sich dabei um einen sachfremden
Rechnungsposten, der bei wettbewerbskonformer Vergabe nicht in die
Kalkulation der G. KG eingeflossen wäre und deshalb letztlich
von der GWG nicht habe getragen werden müssen. Die Beteiligung
des Angeklagten an dem Zustandekommen der beiden Auftragsvergaben hat
das Landgericht jeweils als Anstiftung zur Untreue gewertet.
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K. erhielt von dem Angeklagten Provisionen für das Projekt H.
-Stiftung in Höhe von 1, 5 Mio. DM und für das
Projekt D -Stiftung in Höhe von 1 Mio. DM. Die
Zahlungsabwicklung erfolgte überwiegend über weitere
Unternehmen, die der Verfallsbeteiligten entsprechende Scheinrechnungen
ausstellten. Vorsteuerbeträge, die in den Scheinrechnungen
ausgewiesen waren, machte der Angeklagte als
Geschäftsführer der G. KG im Rahmen von
Umsatzsteuerjahreserklärungen für die Jahre 1996 bis
1998 geltend. Er erreichte auf diese Weise eine entsprechende Minderung
der
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Umsatzsteuerzahllast bei der Verfallsbeteiligten um insgesamt etwa
280.000 DM.
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Im Zusammenhang mit einem Grundstücksverkauf an die GWG im
Rahmen des Projekts H. -Stiftung übernahm K. für die
von ihm vertretene H. -Stiftung das Altlastenrisiko für die
Beseitigung von Bodenkontaminierungen, die durch den früheren
Betrieb einer Textilfabrik auf dem Grundstück entstanden
waren. Als die G. KG bei den Grundstücksarbeiten
tatsächlich auf erste Altlasten stieß und deren
Beseitigung absprachegemäß der Ha. -Stiftung in
Rechnung stellen wollte, sah K. eine weitere Möglichkeit
persönlicher Bereicherung. Er erklärte sich
gegenüber dem Angeklagten zur Übernahme der Kosten
für die Altlastenbeseitigung nur unter der Bedingung
einverstanden, dass die Rechnung um einen Betrag erhöht werde,
der eine Zahlung von jeweils 100.000 DM an ihn und an den
früher Mitangeklagten P , ein weiteres Vorstandsmitglied der
H. - Stiftung, ermöglichte. Absprachegemäß
rechnete der Angeklagte die Altlastenbeseitigung weit
überhöht gegenüber der H. -Stiftung ab,
während weit geringere Leistungen im Rahmen der
Altlastenbeseitigung erbracht worden waren. Der H. -Stiftung entstand
hierdurch ein Schaden in Höhe von etwa 560.000 DM. Das
Landgericht hat die Beteiligung des Angeklagten als Beihilfe zur
Untreue gewertet.
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II.
Lediglich die Revision der Verfallsbeteiligten hat mit der
Sachrüge Erfolg. Die übrigen Revisionen sind
unbegründet.
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1. Revision des Angeklagten
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a) Die Verfahrensrüge deckt, unabhängig von der
Frage, ob sie zulässig erhoben ist (§ 344 Abs. 2 Satz
2 StPO), jedenfalls keinen durchgreifenden Rechtsfehler auf. Auf der
Nichtbescheidung des Beweisantrags auf Vernehmung der Zeugin V. kann
das Urteil nicht beruhen (§ 337 Abs. 1 StPO), weil Beweisthema
und Beweisziel für die Entscheidung - auch hinsichtlich des
Rechtsfolgenausspruchs - ersichtlich ohne Bedeutung wa-
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ren. Eine Beeinträchtigung des Informationsinteresses des
Angeklagten oder seiner Verteidigung durch die Nichtbescheidung dieses
Beweisantrags ist - auch unter Berücksichtigung des
Verteidigervortrags in der Revisionshauptverhandlung - nicht
ersichtlich.
b) Die Überprüfung des Urteils auf die allgemeine
Sachrüge des Angeklagten ergibt keinen Rechtsfehler zu seinen
Lasten. Der Erörterung bedarf insoweit lediglich Folgendes:
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Zutreffend hat das Landgericht das Verhalten der früheren
Mitangeklagten S. und Hi. im Zusammenhang mit der Auftragsvergabe durch
die GWG jeweils als Untreue angesehen (vgl. die Urteile des Senats vom
heutigen Tage 5 StR 484/05 und 485/05). Den Tatentschluss zu diesen
Untreuehandlungen hat der Angeklagte bei den beiden
Geschäftsführern der GWG vorsätzlich durch
die von ihm bewusst ermöglichten Schmiergeldzahlungen K. s und
durch die eigene Beteiligung an der Ausschaltung jeglichen Wettbewerbs
im Zusammenhang mit den Auftragsverhandlungen hervorgerufen.
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2. Revision der Staatsanwaltschaft
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Die wirksam auf den Strafausspruch und die Nichtanordnung des Verfalls
gegen den Angeklagten beschränkte Revision der
Staatsanwaltschaft, die von der Bundesanwaltschaft nicht vertreten
wird, hat keinen Erfolg.
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a) Das Landgericht hat, wie die Bundesanwaltschaft im Einzelnen
zutreffend ausgeführt hat, jeweils die richtigen Strafrahmen
gewählt und innerhalb der Strafrahmen die wesentlichen
Strafzumessungsgesichtspunkte hinreichend erörtert. Die
verhängten Strafen lösen sich noch nicht von ihrer
Bestimmung, gerechter Schuldausgleich zu sein. Auf den Vergleich zu
Strafen, die gegen andere Angeklagte in abgetrennten Verfahren
verhängt wor-
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den sind, kann die Revision grundsätzlich nicht
gestützt werden. Die Verhängung einer gesonderten
Gesamtgeldstrafe neben der Gesamtfreiheitsstrafe nach § 53
Abs. 2 Satz 2 StGB hält sich noch im weiten Ermessensspielraum
des Tatrichters.
b) Das Landgericht hat jedenfalls im Ergebnis zu Recht von einer
Anordnung des Verfalls gegen den Angeklagten abgesehen.
„Erlangt“ im Sinne von § 73 Abs. 1 Satz 1
StGB ist bei der manipulativen Erlangung einer Auftragsvergabe entgegen
der Auffassung der Staatsanwaltschaft nicht der vereinbarte Werklohn,
sondern nur der wirtschaftliche Wert der Auftragserlangung, der sich
vorrangig nach dem kalkulierten Gewinn bemisst (vgl. BGHSt 50, 299, 310
ff.). In diesem Umfang stehen jedoch - wie die Bundesanwaltschaft
zutreffend ausgeführt hat - Ansprüche der GWG
gemäß § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB einer
Anordnung des Verfalls (von Wertersatz) entgegen (vgl. § 823
Abs. 2 BGB i.V.m. § 266 Abs. 1, § 26 StGB). Nach den
landgerichtlichen Feststellungen betrug der Gewinn der
Verfallsbeteiligten bei den Projekten H. -Stiftung und D. -Stiftung
insgesamt ca. 1,6 Mio. Euro. Es ist nicht ersichtlich, dass der
wirtschaftliche Wert des Auftrags wesentlich darüber
hinausgegangen wäre. Der Angeklagte hat an die GWG bereits
Schadensersatz in Höhe von über 2,7 Mio. Euro
für sein Verhalten im Zusammenhang mit den Projekten H.
-Stiftung und D. -Stiftung geleistet.
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3. Revision der Verfallsbeteiligten
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Die Revision der Verfallsbeteiligten hat Erfolg. Auch zu ihren Gunsten
hindert der Vorrang der Verletztenansprüche
gemäß § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB aus den zu 2.
b ausgeführten Gründen die Anordnung von Verfall oder
Verfall von Wertersatz.
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Basdorf Häger Gerhardt
Raum Schaal |