BGH,
Urt. v. 3.11.2000 - 2 StR 354/00
StPO § 52 Abs. 1 Nr. 3, §§ 252, 373
Verweigert eine Tatzeugin in der Hauptverhandlung das Zeugnis,
dürfen ihre Angaben, die sie bei der Exploration für
die Glaubhaftigkeitsprüfung zum Tatgeschehen gemacht hat
(Zusatztatsachen), nicht für Feststellungen zum Tathergang
verwertet werden, indem die Sachverständige als Zeugin
gehört wird; das gilt auch für die erneute
Hauptverhandlung nach der Wiederaufnahme des Verfahrens.
BGH, Urt. vom 3. November 2000 - 2 StR 354/00 - Landgericht Bonn
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 354/00
vom
3. November 2000
in der Strafsache gegen
wegen sexuellen Mißbrauchs eines Kindes
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 3.
November 2000, an der teilgenommen haben: Vizepräsident des
Bundesgerichtshofes Dr. Jähnke als Vorsitzender, die Richter
am Bundesgerichtshof Detter, Dr. Bode, die Richterinnen am
Bundesgerichtshof Dr. Otten, Elf als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof als Vertreter der
Bundesanwaltschaft, Justizangestellte in der Verhandlung,
Justizhauptsekretärin bei der Verkündung als
Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle, für Recht
erkannt:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bonn
vom 21. März 2000 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere
Jugendschutzkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Gründe:
I.
Das Landgericht Köln hatte den Angeklagten mit Urteil vom 20.
April 1994, rechtskräftig seit dem 24. November 1994, wegen
sexuellen Mißbrauchs von Kindern in zwei Fällen,
davon in einem Fall in Tateinheit mit sexuellem Mißbrauch von
Schutzbefohlenen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs
Monaten verurteilt. Nach den Feststellungen hatte der Angeklagte die
Taten in den Jahren 1988 bis 1990 in E. und in W. an seiner am 15. Juli
1977 geborenen Enkelin N. P. begangen. Die Verurteilung beruhte im
wesentlichen auf den belastenden Angaben der Zeugin N. P. .
Am 13. Februar 1995 beantragte der Angeklagte die Wiederaufnahme des
Verfahrens, weil N. P. ihre den Angeklagten belastende Aussage in einem
Schreiben an die Staatsanwaltschaft Köln vom 17. Dezember 1994
als falsch widerrufen hatte. Im Probationsverfahren wurde N. P. zu
ihrem Widerruf am 16. Mai 1995 richterlich vernommen. Am 8. Februar
1996 verwarf das Landgericht Bonn den Wiederaufnahmeantrag als
unbegründet. Auf die sofortige Beschwerde des Angeklagten
ordnete das Oberlandesgericht Köln am 7. Mai 1996 die
Wiederaufnahme des Verfahrens und die Erneuerung der Hauptverhandlung
an.
Mit Urteil vom 21. März 2000 hat das Landgericht Bonn das
Urteil des Landgerichts Köln aufgehoben und den Angeklagten -
nach Fortfall der fortgesetzten Handlung - im wesentlichen wegen
desselben Tatgeschehens wegen sexuellen Mißbrauchs eines
Kindes in elf Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von drei
Jahren verurteilt. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die
Verletzung formellen und materiellen Rechts.
II.
Die Revision hat mit der Verfahrensrüge Erfolg, das
Landgericht habe die Angaben der Enkelin des Angeklagten nicht
verwerten dürfen, die diese gegenüber der
früheren Sachverständigen und jetzigen Zeugin J. bei
der Glaubwürdigkeitsprüfung gemacht hat, weil N. P.
in der neuen Hauptverhandlung von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht
Gebrauch gemacht habe.
1. Die Verfahrensrüge genügt den Anforderungen des
§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO, weil auf Grund der zulässig
erhobenen Sachrüge der Urteilsinhalt ergänzend zum
Vorbringen der Revisionsbegründung herangezogen werden kann.
2. Der Rüge liegen folgende Verfahrensvorgänge zu
Grunde:
Im Ermittlungsverfahren hatte die Staatsanwaltschaft Köln die
Sachverständige J. mit einem Gutachten zur Glaubhaftigkeit der
belastenden Angaben von N. P. beauftragt. Bei der Exploration
äußerte sich die Zeugin am 14. September 1993
ausführlich zum Tatgeschehen. Auch in der Hauptverhandlung vor
dem Landgericht Köln machte N. P. ausführliche
belastende Angaben zum Tatgeschehen, die das Landgericht in
Übereinstimmung mit der damaligen Sachverständigen J.
für glaubhaft erachtete und seinen Feststellungen zu Grunde
legte.
Zur Vorbereitung der Entscheidung im Probationsverfahren beauftragte
das Landgericht die Sachverständige J. mit einem
ergänzenden Gutachten zur Glaubhaftigkeit des
Aussagewiderrufs. Auch bei der hierzu erfolgten Exploration
äußerte sich N. P. am 8. Dezember 1995.
Wegen Bedenken der Verteidigung gegen die Unbefangenheit der
Sachverständigen J. beauftragte das Landgericht Bonn zur
Vorbereitung der erneuten Hauptverhandlung im Wiederaufnahmeverfahren
die Sachverständige M. mit der Erstattung eines weiteren
Glaubhaftigkeitsgutachtens. Diese Sachverständige wurde in der
Hauptverhandlung gehört. Ihr stand die Zeugin P. jedoch nicht
mehr zu einer Exploration zur Verfügung.
In der abgebrochenen Hauptverhandlung vom 7. Oktober 1997 machte N. P.
nach Belehrung über ihr Zeugnisverweigerungsrecht
zunächst Angaben zu ihren persönlichen
Verhältnissen und zur Vernehmungsfähigkeit und
verweigerte schließlich weitere Angaben. Auch in der neu
anberaumten Hauptverhandlung am 14. März 2000 machte sie nach
Belehrung von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch. Die Strafkammer
hat in der dem angefochtenen Urteil zugrunde liegenden Hauptverhandlung
u.a. den Vorsitzenden und den Berichterstatter der Strafkammer des
Landgerichts Köln, vor der N. P. nach Belehrung über
ihr Zeugnisverweigerungsrecht ausgesagt hatte, und die frühere
Sachverständige J. als Zeugen dazu vernommen, was N. P. ihnen
gegenüber zum Tatgeschehen ausgesagt hat, und die
Sachverständige M. gehört.
In seiner Beweiswürdigung (UA S. 29 ff.) stützt sich
das Landgericht Bonn in weiten Teilen auf die Angaben der Zeugin J.
über das, was N. P. ihr gegenüber bei der Exploration
und in der Hauptverhandlung als Zeugin vor dem Landgericht
Köln zum Tatgeschehen ausgesagt hat. Ihre Angaben stimmten mit
dem überein, was die beiden als Zeugen gehörten
Richter der damals erkennenden Strafkammer über den Inhalt der
Aussage in der Hauptverhandlung berichtet haben. Das Landgericht Bonn
hat sich für die Glaubhaftigkeitsbeurteilung aber
maßgeblich auf die hohe Konstanz in der Aussage N. P.
gestützt und diese als wesentliches Glaubhaftigkeitskriterium
gewertet. Zum Beleg nennt das Urteil 45 Details zum Tatgeschehen, die
die Zeugin sowohl bei der Exploration als auch in der Hauptverhandlung
in Köln übereinstimmend geschildert habe. Diese
Konstanz konnte nur unter Heranziehung der Angaben der Zeugin J.
über das Ergebnis ihrer Exploration festgestellt werden.
3. Das angefochtene Urteil stützt sich somit bei seiner
Beweiswürdigung auf die Ausführungen der Zeugin und
früheren Sachverständigen J. zu den Angaben, die N.
P. ihr gegenüber bei der Exploration am 14. September 1993
insbesondere zum Tatgeschehen gemacht hat. Darin liegt ein
Verstoß gegen § 252 in Verbindung mit § 52
Abs. 1 Nr. 3 StPO.
a) Seit der Entscheidung BGHSt 2, 99 ist es ständige
Rechtsprechung und einhellige Meinung im Schrifttum, daß
§ 252 StPO nicht nur ein Verlesungs-, sondern ein
Verwertungsverbot enthält, das nach der berechtigten
Zeugnisverweigerung auch jede andere Verwertung der bei einer
nichtrichterlichen Vernehmung gemachten Aussage, insbesondere die
Vernehmung von Verhörspersonen, ausschließt (vgl.
BGHSt 45, 203, 205 m.w.N.). Mitteilungen eines gemäß
§ 52 StPO zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigten Zeugen
gegenüber einem Sachverständigen über
Zusatztatsachen (vgl. hierzu BGHSt 18, 107, 108), zu denen
regelmäßig auch die Tatschilderung eines auf seine
Glaubwürdigkeit zu begutachtenden Zeugen gehört (BGH
NStZ 1997, 95 = StV 1996, 522), stehen einer Aussage im Sinn des
§ 252 StPO gleich. Soweit die Rechtsprechung ausnahmsweise die
Vernehmung der Richter zuläßt, die an der
früheren Vernehmung mitgewirkt haben (BGHSt 2, 99; 27, 231),
kann diese Ausnahme auf die Befragung durch den
Sachverständigen, die einer richterlichen Vernehmung nicht
gleich gesetzt werden kann, keine Anwendung finden (BGHSt 13, 1, 4).
Macht der Zeuge später sein Zeugnisverweigerungsrecht geltend,
dürfen seine Mitteilungen über Zusatztatsachen daher
weder durch das Sachverständigengutachten noch durch die
Vernehmung des Sachverständigen als Zeugen in die
Hauptverhandlung eingeführt und bei der richterlichen
Überzeugungsbildung verwertet werden (BGHSt 13, 1, 3; 250; 18,
107, 109; 36, 217, 219; 36, 384, 385 f.; 45, 203, 206; StV 1984, 453;
1996, 522 = NStZ 1997, 95; BGHR StPO § 252 Verwertungsverbot 1
[= StV 1987, 328] und 2 [= MDR 1987, 625 = NStZ 1988, 19];
Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO 44. Aufl. § 252 Rdn.
10; Diemer in KK § 252 Rdn. 18; Gollwitzer in
Löwe/Rosenberg, StPO 24. Aufl. § 252 Rdn. 32 jeweils
m.w.N.).
Da sich die Enkelin des Angeklagten in der neuen Hauptverhandlung
berechtigt auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht (§ 52 Abs. 1 Nr.
3 StPO) berief, waren ihre Angaben zum Tatgeschehen, die sie
gegenüber der früheren Sachverständigen J.
gemacht hat, nicht verwertbar.
b) Das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 10. Oktober 1957 (BGHSt 11,
97) rechtfertigt keine andere Beurteilung. In dieser Entscheidung hatte
der 4. Strafsenat in einem unverbindlichen Hinweis an den neuen
Tatrichter Äußerungen eines richterlich
über sein Zeugnisverweigerungsrecht belehrten Zeugen
gegenüber dem Sachverständigen trotz inzwischen
erklärter Zeugnisverweigerung bei der Erstattung eines
Glaubwürdigkeitsgutachtens auch in Bezug auf die
"Anklagetatsachen" für verwertbar erachtet. Der 4. Strafsenat
hat jedoch in seinem bereits genannten späteren Urteil BGHSt
13, 1, in dem er erstmals die Vernehmung des Gutachters über
Zusatztatsachen nach der Zeugnisverweigerung des Untersuchten weder als
Sachverständiger noch als Zeuge für zulässig
erachtete, selbst darauf hingewiesen, daß sich die
zugrundeliegenden Fragestellungen unterschieden: In BGHSt 11, 97 sei es
um die Frage gegangen, ob die von einem über sein
Aussageverweigerungsrecht belehrten Zeugen gegenüber dem
Sachverständigen gemachten Angaben auch dann der Begutachtung
über seine Glaubwürdigkeit zugrundegelegt werden
dürften, wenn der Zeuge nachträglich seine Aussage
verweigert. Davon sei die in BGHSt 13, 1 entschiedene Frage zu
unterscheiden, ob der Sachverständige als solcher oder als
Zeuge vom Untersuchten erfahrene Belastungstatsachen unter den gleichen
Voraussetzungen in die Hauptverhandlung einführen
dürfe. Es kann dahinstehen, ob dieser Abgrenzung zu folgen ist
oder ob darin nicht vielmehr eine Aufgabe des Hinweises in BGHSt 11, 97
zu sehen ist, denn es ist kaum vorstellbar, daß einem
Sachverständigengutachten Tatsachen oder
Äußerungen zugrundegelegt werden dürfen,
die nicht auch sonst als Verfahrensstoff in die Hauptverhandlung
eingeführt werden dürfen. Selbst wenn man aber
unterstellt, daß die früheren Angaben für
die Erstattung des Glaubwürdigkeitsgutachtens (begrenzt)
verwertbar seien, könnte dies auch nach der vom 4. Strafsenat
vertretenen Ansicht allenfalls dazu führen, daß die
fraglichen Angaben für das Glaubwürdigkeitsgutachten
verwertet werden dürfen. Im vorliegenden Fall wurden die
Angaben jedoch für die Feststellungen des Landgerichts zum
Tatgeschehen verwendet. Zudem wurde das Gutachten in der
Hauptverhandlung vor dem Landgericht Bonn nicht von der Zeugin J. ,
sondern von der Sachverständigen M. erstattet.
Deshalb läßt sich auch mit dem Beschluß
des 1. Strafsenats vom 20. Juli 1995 (StV 1995, 564 = NJW 1998, 838 mit
krit. Anm. von Wohlers StV 1996, 192; Eisenberg/Kopatsch NStZ 1997,
297; Schmidt-Ricla NJW 1998, 800), der sich auf BGHSt 11, 97 beruft und
mit dem das angefochtene Urteil die Verwertbarkeit der
Äußerungen N. P. gegenüber der Zeugin J. zu
rechtfertigen versucht, die Verwertbarkeit der Angaben zum Tatgeschehen
nicht begründen. Zudem ging es in der Entscheidung des 1.
Strafsenats nicht um die Verwertung von Zusatztatsachen zum
Tatgeschehen, sondern um Angaben des Vaters zur Persönlichkeit
und zum Lebenslauf des Beschuldigten, die bei einem Gutachten
über seine Schuldfähigkeit verwendet wurden.
c) Der Senat hat ferner erwogen, ob wegen der besonderen
Verfahrenskonstellation im Wiederaufnahmeverfahren eine
Einschränkung des Verwertungsverbots für die von der
Zeugin J. berichteten Zusatztatsachen zum Tatgeschehen gerechtfertigt
ist. Hierfür könnte sprechen, daß auf Grund
der belastenden Angaben der Enkelin des Angeklagten zum Tatgeschehen
bereits ein rechtskräftiges Urteil des Landgerichts
Köln bestand, das erst im Wiederaufnahmeverfahren beseitigt
wurde, weil die Tatzeugin ihre belastenden Angaben inzwischen
widerrufen hatte. Erst in der neuen Hauptverhandlung hat die Zeugin
sodann von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht. Trotz
dieses Verfahrensgangs kommt aber eine Einschränkung des in
ständiger Rechtsprechung anerkannten Verwertungsverbots nicht
in Betracht.
aa) Der Bundesgerichtshof hat seit BGHSt 2, 99 daran festgehalten,
daß eine Ausnahme von dem Verwertungsverbot des §
252 StPO nur für solche Angaben gerechtfertigt ist, die nach
Belehrung über das Zeugnisverweigerungsrecht vor einem R i c h
t e r gemacht wurden. Nur der Richter selbst kann dann im Falle einer
Zeugnisverweigerung als Zeuge über den Aussageinhalt vernommen
werden. Zu Recht hat das Landgericht Bonn daher in der erneuten
Hauptverhandlung den Ermittlungsrichter des Amtsgerichts
Waldbröl und zwei Richter der erkennnenden Strafkammer des
Landgerichts Köln als Zeugen vernommen. Eine Vernehmung des
Sachverständigen als Zeugen zu Zusatztatsachen ist hingegen
seit BGHSt 13, 1 in ständiger Rechtsprechung für
ausgeschlossen erachtet worden (vgl. oben II, 3 a). Der wesentliche
Grund für die unterschiedliche Behandlung von richterlichen
und nichtrichterlichen Vernehmungen wird nach der neueren
Rechtsprechung darin gesehen, daß schon das Gesetz - wie aus
§ 251 Abs. 1 und 2 StPO zu entnehmen - richterlichen
Vernehmungen ganz allgemein höheres Vertrauen entgegenbringt.
Dieser Grund ist auch nach Einführung der Belehrungspflicht
für Polizeibeamte und Staatsanwälte durch §
161 a Abs. 1 und § 163 a Abs. 5 StPO nicht entfallen (BGHSt
45, 342, 345 f.; 36, 384, 386; 21, 218, 219). Für diese
Unterscheidung ist es aber ohne Bedeutung, ob sich das Verfahren in der
ersten Instanz oder im Wiederaufnahmeverfahren befindet.
bb) Im übrigen wird der Umfang des Verwertungsverbots des
§ 252 StPO aus Sinn und Zweck der Norm und durch eine
Abwägung zwischen den gegenläufigen Belangen,
einerseits den durch das Zeugnisverweigerungsrecht geschützten
Interessen an einer Nichtverwertung, andererseits der für
weitestgehende Verwertung sprechenden Pflicht zur Wahrheitsermittlung
im Strafverfahren bestimmt (BGHSt 2, 99, 105; 45, 342, 345). Es sind
aber keine durchgreifenden Gründe dafür erkennbar,
diese Belange deshalb anders zu gewichten und den Interessen der
Wahrheitsfindung im Strafverfahren deshalb größere
Bedeutung beizumessen, weil es sich um ein wiederaufgenommenes
Verfahren handelt und zuvor ein rechtskräftiges Urteil
bestand. Durch die Wiederaufnahme wurde das Verfahren in die Lage
zurückversetzt, die es durch den
Eröffnungsbeschluß erreicht hatte (BGHSt 14, 64,
66). In der neuen Hauptverhandlung war ohne Bindung an das
frühere Urteil in jeder Hinsicht neu und selbständig
zu verhandeln und zu entscheiden (Kleinknecht/Meyer-Goßner
a.a.O. § 373 Rdn. 2 m.w.N.). Es spricht nichts dafür,
dem Interesse der Strafverfolgung und der Wahrheitsfindung in der neuen
Hauptverhandlung im Wiederaufnahmeverfahren ein
größeres Gewicht zu geben als in einer
früheren Hauptverhandlung. Die Situation unterscheidet sich
nicht grundlegend von einer neuen Hauptverhandlung in einer
zurückverwiesenen Sache oder in der Berufungshauptverhandlung,
in der ein Zeuge erstmals sein Zeugnisverweigerungsrecht in Anspruch
nimmt.
cc) Schließlich lassen sich den Urteilsgründen auch
keine hinreichenden Anzeichen dafür entnehmen, daß
dem Aussageverhalten der Zeugin eine Manipulationsabsicht
zugrundeliegen könnte (vgl. hierzu BGHSt 45, 342, 347 ff.).
3. Da das angefochtene Urteil schon wegen des dargelegten
Verfahrensfehlers keinen Bestand hat, kommt es auf die übrigen
Verfahrensrügen und die Sachrüge nicht mehr an.
Der Senat verweist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung
zurück. Auch ohne die Angaben der Zeugin J. über die
Explorationsergebnisse zum Tatgeschehen ist eine erneute Verurteilung
des Angeklagten nicht unwahrscheinlich. Als Zeugen für
Feststellungen zum Tatgeschehen stehen insbesondere die Richter zur
Verfügung, die N. P. wiederholt zum Tatvorwurf und zum
späteren Widerruf ihrer Beschuldigung vernommen haben.
Jähnke Detter Bode
Otten Elf |